The magnetic polarity of the myocardium

The magnetic polarity of the myocardium Wolfgang Herzberg, Jan Herzberg 5.5.2016 Wir wissen, dass der Sinusknoten das Erregungssignal auf die jeweil...
Author: Hanna Boer
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The magnetic polarity of the myocardium Wolfgang Herzberg, Jan Herzberg

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Wir wissen, dass der Sinusknoten das Erregungssignal auf die jeweiligen Außenseiten der Myokardzellen seiner Umgebung überträgt und dass der AV-Knoten dieses Signal von den Innenseiten der Myokardzellen seiner Umgebung im Sinus coronarius „abgreift“. Wir wissen es, weil die AV-Knoten Stimulation bei ausgeschaltetem Sinusknoten eine rückläufige Vorhofdepolarisation erzeugt, die im EKG ein „negatives P“ erzeugt (Abb.1).

Abb.1 Reizung des AV-Knotens mit der Thermosonde nach Ausschaltung des Sinusknotens. Reizung des vorhofnahen Abschnittes (links), des mittleren Abschnittes (Mitte), des kammernahen Abschnittes (rechts); unterer Block: die zugehörigen EKG-Ableitungen. (aus Schütz, Physiologie des Herzens, 1958 Springer Verlag)

Die sinus-gesteuerte Vorhoferregung verläuft also über eine bevorzugte Membranseite der Myokardzellen – nämlich die äußere. Durch eine gezielte Bevorzugung können so große isoelektrische Membranflächen selektiert werden, die dann durch ihre synchrone Depolarisation wiederum starke induktiv-magnetische Summationsfelder erzeugen. Diese Magnetfelder wiederum können aufgrund ihrer hohen Summationsfeldstärke entferntere Na+ Ionen Kanäle kritisch depolarisieren, deren Trägermembranen wiederum isoelektrisch in der magnetischen Feldebene liegen. Auf diese Weise entsteht eine hohe Ausbreitungsgeschwindigkeit der Erregung und die initial festgelegte Membranaußenseite bleibt die bevorzugte während des gesamten Erregungsablaufes im Vorhofmyokard. Das dabei entstehende Summationsmagnetfeld in der Zeit (t) ist groß genug, um im EKG messbar zu werden. Wir sehen es als „positives P“. Wenn nun eine rückläufige Depolarisationswelle vom AV-Knoten ausgeht, dann bevorzugt diese die jeweiligen Innenseiten der Myokardzellen als Haupterregungsebene, weil der AV-Knoten normalerweise sein Signal von den Innenseiten her erhält. Er ist gewissermaßen in dieser Verbindung strukturell „verkabelt“, und es muss dazu ein morphologisches Substrat vorhanden sein. Da die Innenseiten der Myokardzellen anisoelektrisch zu den Außenseiten orientiert sind, müssen alle Erregungssignale im Raum invers zu jenen der Außenseiten ausgerichtet sein. Darum messen wir dann im EKG ein „negatives P“. Wir lernen daraus, dass es im Myokard bevorzugte Hauptmembranebenen gibt und dass erst dadurch Magnetfelder entstehen können, die stark genug sind, eine beschleunigte Erregungsausbreitung zu erzeugen und im EKG messbar zu werden. Das Vorhofflimmern erzeugt eine

2 Summation von unterschiedlichsten kleinen Magnetfeldern, die im EKG nur noch als „Rauschen“ wahrgenommen werden können. Wie können wir das so Erlernte auf das Kammermyokard übertragen? Vorab, uns fehlen für das Kammermyokard solche Evidenzen, wie wir sie für den Vorhof besitzen; aber wir kennen eine Vielzahl von Indizien. Zunächst das Purkinje System – der Vorhof besitzt etwas annähernd Vergleichbares nur in der unmittelbaren Umgebung des Sinus-Knotens und dann wieder in der Umgebung des AV-Knotens. Dazwischen, also auf dem langen Weg vom Sinus-Knoten zum AV-Knoten findet die Erregung ohne jegliches spezifische Reizleitungsgewebe ihren Weg durch das Myokard. Im Kammermyokard ist das gänzlich anders. Dort ist das Purkinje System ubiqitär und erhält die Erregungssignale über das spezifische Reizleitungssystem der Kammern. Es kann somit unter physiologischen Bedingungen kein Erregungssignal unter Umgehung des Purkinje Systems zu den Kardiomyozyten gelangen. Wenn es also auch im Myokard der Kammern bevorzugte Zellmembranebenen geben soll, dann können diese nur in der Schnittstelle zwischen terminaler Purkinje-Zelle und proximaler Myokardzelle festgelegt sein; denn die Purkinje Fasern besitzen in ihrem Erregungszustand keine bevorzugten Membranebenen. Es ist sogar eher so, dass die „polypös“ strukturierte Purkinje Membran darauf angelegt ist, einen maximalen Mix aus unterschiedlichsten Magnetfeldebenen zu erzeugen, damit so jede Einzelebene in ihrer Feldstärke unterschwellig bleibt und damit akzidentielle Depolarisierungen der Myokardzellen verhindert werden. Um bei dennoch kleinsten Magnetfeldern pro Ebene im Raum die höchste im Kammermyokard gemessene Ausbreitungsgeschwindigkeit erzielen zu können (Faktor 10 gegenüber transmuskulärer Geschwindigkeit), setzt die Purkinje Zelle auf vergrößerte Membranoberflächen, die bei hoher Na+ Ionen Kanal Dichte eine extrem überschwellige extrazelluläre Negativität erzeugt und somit wie eine schnelle Zündschnur funktioniert: die Ausbreitung ist richtungslos und „entzündet“ alles, was im Schlauchsystem noch nicht depolarisiert ist, sobald dort die Membranschwelle der extrazellulären Negativität überschritten ist. Da das Schlauchsystem hermetisch gegen das umgebende Myokard isoliert ist, kann die extrazelluläre Negativität die Umgebung nicht depolarisieren. Das System ist in seiner Funktion sicher und schnell; aber es erzeugt auch ein „energetisches Feuerwerk“. Wie die morphologische Ausgestaltung des Überganges zur Myokardzelle beschaffen ist, um die Festlegung einer bevorzugten Membranebene sicher zu stellen, ist nicht bekannt. Es steht lediglich fest, dass eine Membranebene bevorzugt wird – und zwar immer dieselbe. Ferner darf man davon ausgehen, dass die Erregungsübertragung aus einem Mix aus Negativität und magnetischer Feldebene besteht. Die Negativität kommt nahe an die höhere Membranschwelle der Kardiomyozyten heran, das induktiv-magnetische Signal liefert mit seiner Induktionsspannung den fehlenden Rest zur Depolarisation und wählt mit der Richtung seines Spannungsvektors die Membranebene aus. Welche Ebenen stehen für die mögliche Auswahl zur Verfügung? Prinzipiell ist die Anzahl der Möglichkeiten unendlich – praktisch aber reduziert sich die Anzahl der Alternativen auf vier Seiten. Das hat zum einen damit zu tun, dass Magnetfeldebenen, die um 90° gegeneinander versetzt sind, keine gemeinsamen Summationsfelder erzeugen – sich also gegenseitig nicht stören können. Zum anderen folgt diese Annahme der Logik, dass die tatsächliche Wahl dieser Ebene durch einen selektiven Optimierungsprozess gegangen ist. Generell kann man feststellen, dass die Depolarisation jeglicher bevorzugten Membranebene ohne Störungen durch vorbestehende Magnetfelder ablaufen kann, da es solche ja erst in der Abfolge der späteren Depolarisationen anderer Membranebenen geben kann (Abb.2). Die Depolarisation der bevorzugten Ebene ist die initiale. Sie erfolgt in einem Gewirr von Membranebenen, die alle denkbaren Positionen im Raum besetzen. Da keine Ebene bereits depolarisiert ist, kann die initiale Depolarisationsebene alle 5.5.2016

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3 isoelektrisch orientierten Membranebenen depolarisieren. Werden dadurch starke Summationsfelder erzeugt, so können diese einerseits weiter entfernt noch depolarisierend wirken und andererseits auch noch solche Membranebenen, die eine Verkippung gegen die Hauptebene besitzen, gerade noch kritisch depolarisieren.

Abb.2 Histologischer Querschnitt (Skizze) durch Fasern des Kammermyokards. Die jeweils obere Zellmembran ist die initial erregte. Die fett-schwarze Rahmung bezeichnet die Ausdehnung der initialen Membranerregung. Die Erregung läuft danach über die Seitenwände (gepunktet). Da diese Membranabschnitte jeweils anisoelektrische Nachbarmembranen besitzen, können dort nur sehr schwache Magnetfelder entstehen. Bei Erreichen der gegenüberliegenden Membran (kurze fett-schwarze Membranabschnitte) ist die Depolarisation der initialen Membran bereits abgeschlossen. Darum können dort noch extern messbare Magnetfelder entstehen

Nun gibt es im Faserquerschnitt der Myokardzelle zwei grundsätzlich verschiedene Membranebenen: eine Ebene, die tangential zur Herzwand orientiert ist und eine, die senkrecht – quasi radiär - dazu liegt. Die tangential ausgerichteten Membranebenen können in der Erregung große magnetische Summationsfelder bilden, da die tangentialen magnetischen Feldebenen der Krümmung der Herzwand folgen können und darum mit großen Summationsflächen auch große Magnetfelder entstehen. Die dazu senkrecht gestellten Ebenen haben immer nur eine relativ kleine Querschnittsebene für die Bildung ebenso kleiner Summationsfelder zur Verfügung. So besehen, kommen für optimal große Summationsfelder nur die jeweils inneren oder äußeren Membranseiten in Betracht (Abb.3). Diese Logik findet auch in der Erregungsausbreitung der Vorhöfe guten Halt. Die Entscheidung, ob es die innere oder die äußere Membranseite tatsächlich ist, kann bei fehlender Evidenz nicht entschieden werden. Eine derartige Evidenz ließe sich aber durch physikalische Vermessung des kardialen Magnetfeldes erbringen.

Abb.3 Visualisierung der in Abbildung 2 entstehenden Magnetfelder. Die waagerechten fett-roten Linien symbolisieren die starken initialen Felder. Da sich die Magnetfelder plan in der erregten Membran (senkrecht zum Kationen Kanal) ausbreiten, folgen sie dem Faserverlauf (aus der Querschnittsebene nach vorn und hinten heraus). Die ebenfalls horizontalen (pink) dünnen Linien symbolisieren die schwächeren Magnetfelder der Gegenseite. Beide Feld-Typen entstehen zeitlich versetzt und können darum jeweils Summationsfelder bilden ohne sich gegenseitig auszulöschen. Die senkrechten dünnen Linien (grün und lila) symbolisieren Magnetfelder aus den Seitenwänden. Diese sind immer synchron und kompensieren sich gegenseitig völlig.

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4 Für die weitere Betrachtung soll festgelegt sein, dass die innere Membranseite jeweils initial depolarisiert wird. Unabhängig davon, ob diese Festlegung zutrifft, soll damit nur die Sprachregelung erleichtert und das räumliche Vorstellungsvermögen durch allzu viele Variable nicht überstrapaziert werden. Wenn wir nun die Herzkammern ganzheitlich ins Visier nehmen und unter den festgelegten Bedingungen eine theoretische Depolarisation ablaufen lassen, dann stellt sich die Frage, wie denn das Septum depolarisiert wird und noch mehr, mit welcher bevorzugten Membranebene. Mechanisch betrachtet, muss das Septum in der Systole dem Differenzdruck beider Kammern von etwa 60 mm Hg standhalten. Damit das Septum in der physiologischen Systole (mit einem früheren linken Depolarisationssignal) nicht in die rechte Kammer gepresst werden kann – also mittig bleibt, muss die Septum-Erregung „links-gekoppelt“ sein, was bedeutet, dass die jeweils nach links (zu den Innenseiten der linken Kammer) orientierten Septum-Membranseiten bevorzugt werden. Sicher ist in jedem Falle, dass eine synchrone Depolarisation von rechts und links nicht so funktionieren könnte, dass dann zwei anisoelektrische Membranerregungsebenen im Septum entstünden, die sich gegenseitig neutralisieren und so die Erregungsausbreitung erheblich verlangsamen oder gar auslöschen würden. Die Kardiomyozyten-Architektur müsste also so geordnet sein, dass nur das magnetische Summationsfeld EINER Kammer in das Septum einstrahlen kann (Abb.4) und so mit seinem Purkinje System die Hauptmembranebene für die gesamte Kammer einheitlich festgelegt ist.

Abb.4 MRI-Tractographie vom Herzen. Querschnitt in der Ventrikelebene. Die einzelnen Strichführungen sind rechnerisch geschaffene Hauptbewegungsrichtungen von Protonen (sprich: H2O). Die Farben geben an, in welcher Neigung zur Schnittebene diese „Fasern“ verlaufen. Rechs: rechter Ventrikel, links: linker Ventrikel

Es steht außer Zweifel, dass diese Einheitlichkeit der Hauptmembranebene NUR für die linke Kammer realisiert ist. Bestätigt wird das indirekt auch dadurch, dass die „tractographischen“ Fasern der rechten Kammer peripher derart tangential in das Myokard der linken Kammer einstrahlen, als wären sie ein integrierter Bestandteil der linken Kammer. Daraus darf man ableiten, dass die Festlegungen der Hauptmembranebene für die Außenwände der linken und rechten Kammer identisch sind: jeweils die Innenseiten. Eine fast synchrone Depolarisation aller innenseitigen Membranebenen der Kammeraußenwände erzeugt radiäre Na+ Ionen Ströme nach außen. Da das Septum integrierter Bestandteil der linken Kammer ist, sind dort die Na+ Ionen Ströme nach rechts gerichtet. In der Abbildung 5 sind diese Richtungen mit weißen Pfeilen symbolisiert. Man erkennt sofort, dass das Septum isoelektrisch zur rechten Kammerwand ausgerichtet ist. In einer nahezu synchronen Depolarisation (physiologischer Regelfall) bilden somit Septum und rechte Kammerwand 5.5.2016

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5 zusammen ein eigenes magnetisches Summationsfeld. Dagegen bildet die linke Kammerwand ein dazu anisoelektrisches Magnetfeld.

Abb.5 MRI-Tractographie vom Herzen (wie Abb.4). Querschnitt in der Ventrikelebene. Rechs: rechter Ventrikel, links: linker Ventrikel. Die weißen Pfeile symbolisieren die transmembranösen Na+ Ionen Ströme im Augenblick der Depolarisation. Man erkennt, dass die Pfeile des Septum und der rechten Herzwand kollektiv nach links weisen. Damit sind ihre erregten Membranen isoelektrisch und die erzeugten magnetischen Summationsfelder sind „positiv-additiv“. Dazu sind die Membranen der linken Kammerwand anisoelektrisch (weiße Pfeile nach links). Auch die Vorder- und Hinterwand des linken Ventrikels sind zueinander anisoelektrisch

Im normalen EKG müssen sich dann zeitgleiche zueinander anisoelektrisch orientierte Magnetfelder gegenseitig aufheben. Im QRS Komplex lässt sich dieses Phänomen sehr gut dokumentieren (Abb.6). Da das rechte „R“ etwa 20ms früher als das linke beginnt, das rechte aber länger dauert als das linke, ist gewährleistet, dass das linke „R“ sein Maximum vor dem rechten erreicht (Abb.6). In der Zacke der rechten Kammerdepolarisation ist die magnetische Energie der Septumdepolarisation mit enthalten. Die Zacke der linken Kammer hingegen enthält nur die magnetische Energie ihrer Außenwand.

Abb.6 Linkes und rechtes „R“ (schwarz). Das linke „R“ hat eine größere Summationsfeldstärke (oben) und ist darum in der Amplitude größer und in der Dauer kürzer. Das rechte „R“ besitzt aufgrund seiner geringeren Muskelmasse (unten) eine geringere Amplitude und eine längere Dauer. Die Summation aus beiden magnetischen Feldern (rot) belässt die Zeiten der Maxima unverändert und besteht aus den Differenzen der jeweiligen zeitgleichen Feldstärken.

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6 Man erkennt, dass die Summationseffekte anisoelektrischer Magnetfelder sowohl von dem Maß ihrer Gleichzeitigkeit und dem Unterschied ihrer jeweiligen Feldstärken zum Zeitpunkt (t) abhängig sind. Zwei synchrone und gleich große zueinander anisoelektrisch orientierte Magnetfelder heben sich in ihrer Wirkung vollständig auf und würden somit kein EKG Signal liefern. Man darf also von großen Ausschlägen im EKG nicht auf große magnetische Felder schließen und umgekehrt. Ein gutes Anschauungsobjekt für diese Erkenntnis liefert das EKG des Linksschenkelblockes (Abb.7). Obwohl die Störung der linksseitigen Erregungsausbreitung aufgrund der zeitlichen Dehnung in der Depolarisation schwächere Magnetfelder erzeugt, sind die Ausschläge im EKG außergewöhnlich groß, da die Gleichzeitigkeit abnimmt und somit die Summationseffekte anisoelektrischer Felder geringer ausfallen.

Abb.7 EKG bei Linksschenkelblock. 1 großes Kästchen = 100ms

Wenn man versucht, anhand der Ableitung V3 die darin enthaltenen genuinen Magnetfelder zu identifizieren, dann muss man zunächst die zugrunde liegende Störung kennen: Linksschenkelblock. Ausgehend von dieser Kenntnis lässt sich dann der Erregungsablauf im Herzen rekonstruieren. Die Erregung kommt vom AV-Knoten (ob ein Sinusrythmus vorliegt, ist am vorliegenden Beispiel unklar) und läuft über den rechten Schenkel. Die Depolarisation der rechten Herzwand ist ungestört und damit zeitgerecht wie im Normalfall. In Abbildung 8 ist das Signal der rechten Herzwand rot gezeichnet. Es benötigt knapp 100ms (1 Kästchen) und repolarisiert nach 200ms mit einem gleichgerichteten „T“.

Abb.8 Die Ableitungen V2, V3 und V4 aus der Abbildung 7. Die roten Einfügungen entsprechen dem Erregungsablauf der rechten Kammerwand. Die grünen Einfügungen entsprechen dem Erregungsablauf des Septums. Die blauen Einfügungen entsprechen dem Erregungsablauf der linken Kammerwand.

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Da der linke Schenkel unterbrochen ist, ist im Reizleitungsbaum des linken Ventrikels keine Depolarisationswelle mit ihrer wachsenden extrazellulären Negativität aufgebaut worden. Somit trifft die Depolarisationswelle des rechten Reizleitungssystems mit ihrer extrazellulären Negativität an den transseptalen Verbindungen des rechten und linken Purkinje Systems auf ein nahezu elektrisch neutrales linkes Reizleitungssystems (wenn man von der geringen Negativität aus Leckkanälen absieht). In dem Maße wie Negativität von rechts nach links gelangt, verzögert sich die Reizleitungsgeschwindigkeit rechts; denn dieser Äquilibrierungstransport wirkt wie eine Leckage im rechten Schlauchsystem. Rein physikalisch muss das Schlauchsystem als ein Kondensator betrachtet werden, der im Vorgang der Erregung aufgeladen wird. Während die extrazelluläre Negativität links langsam zunimmt, werden rechts bereits die Depolarisationsstufen erreicht: zuerst die der Papillarmuskeln und dann die der Kardiomyozyten der rechten Kammerwand. Mit der massiven Negativitätswelle, die mit der Depolarisation des rechten Myokards freigesetzt wird, kann nun auch das Septummyokard depolarisiert werden (grün). Die Septum-Erregung kommt zwar verspätet, läuft dann aber zeitlich nur wenig verzögert ab (etwas mehr als 100ms). Die Repolarisation erfolgt auch hier unverändert nach 200ms. Sie ist aber zeitlich etwas gestreckt und darum in ihrem Potential gemindert. Über die Septumdepolarisation setzt sich die Erregung nun allseits auf die Myokardwände des linken Ventrikels fort (Abb.5). In welcher Zeit dieses vollständig gelingt, hängt wesentlich davon ab, wieviel vom Purkinje System noch intakt geblieben ist (blau). Am vorliegenden Beispiel dauert dieser letzte Depolarisationsvorgang 200ms. Man darf vermuten, dass diese Depolarisationszeit mit der Dauer des bestehenden Linksschenkelblockes zunimmt; denn das linke Reizleitungssystem wird durch die veränderte Hydrodynamik des Linksschenkelblockes chronisch geschädigt. Während die „T´s“ von rechter Kammer und Septum im Komplex der linken Depolarisation „untergehen“, bleibt als letztes EKG-Signal nur das flache „T“ der Repolarisation der linken Kammer (blau). Darf man dieser Interpretation ein unerlaubtes Maß an Willkür unterstellen? Um diese Frage beantworten zu können, muss man sich die Ableitung V3 eines normalen EKG anschauen. Dieser Typ eines magnetischen Summationsfeldes in der Zeit (t) wird in Abbildung 6 genauer erklärt. Im normalen EKG erreicht immer die Depolarisation der linken Kammer zuerst ihr Maximum. Darum sind alle jeweils zeitgleichen Kurvenspitzen der verschiedenen Ableitungen der linken Kammer (erste Spitze) oder der rechten Kammer (zweite Spitze) zuzuordnen. Wenn nun beim Linksschenkelblock diese erste Spitze der linken Kammer ausfällt, dann bleibt nur die „normale“ (Abb.6) zeitgerechte negative Spitze der rechten Kammer-Depolarisation in V3 übrig. So beginnt auch der „QRS“ Komplex des Linksschenkelblockes in V3 (Abb.7+8). Da das Septum üblicherweise über den linken Schenkel depolarisiert wird und diese Depolarisation ebenfalls ausfällt, erfolgt sie mit Verzögerung über den rechten Schenkel. Da das Septum zur rechten Kammerwand isoelektrisch orientiert ist (Abb.5), muss die Septum-Zacke ebenfalls negativ sein. Danach mit weiterer Verzögerung erfolgt nun die im Ablauf erheblich verlangsamte Depolarisation der linken Kammerwand. Da diese zum Septum und zur rechten Wand anisoelektrisch ausgerichtet ist (Abb.5), muss ihr „T“ artig zeitlich gedehnter Depolarisationsverlauf positiv sein. Die im Normalfall erste Zacke in V3 kommt also beim Linksschenkelblock als letzte.

Abb.9 Normales EKG, Ableitung V3.

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Aus dieser Interpretation lassen sich diverse Erkenntnisse ableiten. Da die Kurven des EKG wie ein empirisch validiertes Logo betrachtet werden, ist es unausweichlich, dass z.B. etwas, was wie ein „T“ aussieht und immer am Ende eines „QRS“ Komplexes steht, auch immer ein „T“ sein muss. Aber was ist ein „T“? Das „T“ im normalen EKG ist Ausdruck der Membranrepolarisation des Kammermyokards. Das große „T“ im Linksschenkelblock ist aber nicht der Ausdruck irgendeiner Repolarisation sondern explizit der Depolarisation der linken Kammerwand. Diese dauert im Beispiel der Abbildung 8 etwa 200ms und beginnt 150ms nach der Septumdepolarisation. Da die kontraktile Kraft etwa 200ms nach der Depolarisation ihr Maximum erreicht, würden nur noch 50ms in der zeitlichen Septum-Kammerwand-Dissoziation fehlen, um die links-Systole gegen ein erschlaffendes Septum arbeiten zu lassen. Die Sgarbossa-Kriterien für den Myokardinfarkt bei Linksschenkelblock sind dahingehend zu kritisieren, als ihnen ein theoretischer Ansatz zugrunde liegt, der aus einer unerlaubten Übertragung entstanden ist – nämlich den Veränderungen der „ST“-Strecke bei Myokardinfarkt ohne Blockbilder. Was aber ist die „ST“-Strecke? Sie kommt aus dem Verständnis des normalen EKG und bedeutet dort die Phase zwischen kollektiver Depolarisation und noch nicht eingesetzter Repolarisation. Für die einzelne Zelle dauert diese Zeitspanne etwa 200ms. Nun ist der so verstandene „ST“ Übergang beim Linksschenkelblock der Wechsel von der voraufgehenden Septum-Depolarisation zur nachfolgenden Depolarisation der Linksherzmyokardwand. Je nach der zeitlichen Staffelung dieser beiden zueinander anisoelektrischen Vorgänge entsteht eine mehr oder weniger breite Phase der Summation. Ein Links-Myokardinfarkt kann also bestenfalls nur im vermeintlichen „T“ zur Beobachtung kommen. Und wenn man auf die Übertragung der ST-Strecke des normalen EKG zurückgreifen will, dann entspräche diese im Falle des Linksschenkelblockes der „Tt“ Strecke (Abb.8). Dieses kleine „t“ am Ende der Erregung in der Ableitung V3 folgt zeitlich etwa 220ms der Spitze des großen „T“ (blau) und entspricht aufgrund dieser zeitlichen Zuordnung dem Repolarisationssignal der linken Kammerwand. Dieses kleine „t“ ist zudem das einzige im EKG des Linksschenkelblockes identifizierbare Repolarisationssignal. Die beiden anderen „T“ werden kaschiert.

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