Teil 2 Beschaffungsprojekt Ausgabe: 1. Januar 2013

Handbuch Feuerwehrfahrzeuge und -geräte

Teil 2

Inhaltsverzeichnis 2 Beschaffungsprojekt ................................................................................................................................ 3 2.1 Einleitung........................................................................................................................................ 3 2.2 Projektgliederung ........................................................................................................................... 3 2.3 Initialisierung und Planung ............................................................................................................. 3 2.4 Konzeption ..................................................................................................................................... 7 2.5 Evaluation.....................................................................................................................................10 2.6 Produktion ....................................................................................................................................11 2.7 Übernahme und Inbetriebnahme .................................................................................................11 2.8 Abschluss .....................................................................................................................................12

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Beschaffungsprojekt

2.1

Einleitung

Teil 2

Bei der Planung und Evaluation sowie beim Kauf eines neuen Feuerwehrfahrzeuges werden die involvierten Vertreter der beteiligten Feuerwehr und Gemeindebehörde nicht selten zum ersten Mal mit einem öffentlich auszuschreibenden Beschaffungsvorhaben konfrontiert. Entsprechende Erfahrung und fundiertes Fachwissen in den Bereichen öffentliches Beschaffungswesen, Investitionsgüterbeschaffung sowie speziell bei der Konzeption und Evaluation von Kommunal- und Feuerwehrfahrzeugen fehlen den Beteiligten daher oftmals. Nachfolgende Kapitel enthalten praxiserprobte Hinweise und Empfehlungen für die Projektplanung, die Erarbeitung von Beschaffungsgrundlagen und Ausschreibungsunterlagen sowie für die operative Abwicklung des Beschaffungsverfahrens bis hin zur Fahrzeugübernahme.

2.2

Projektgliederung

In der Praxis hat sich folgende Projektgliederung (Phasen) für die Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen bewährt: -

2.3

Phase 1: Initialisierung und Planung Phase 2: Konzeption Phase 3: Evaluation Phase 4: Produktion Phase 5: Übernahme und Inbetriebnahme Phase 6: Abschluss und Nutzung

Initialisierung und Planung

Erfahrungsgemäss wird die Beschaffung eines neuen Feuerwehrfahrzeuges auf Initiative der Feuerwehr und im Hinblick auf den Ersatz eines bereits bestehenden, in die Jahre gekommenen Einsatzfahrzeuges lanciert. Ein Beschaffungsbedarf kann aber auch entstehen, wenn Einsatzfahrzeuge neue oder sich verändernde operative Bedürfnisse decken sollen (z.B. Erweiterung des Einsatzspektrums, sich verlagernde Transportbedürfnisse, Konsolidierung des Fahrzeugparks aufgrund einer Fusion etc.). Eher selten entsteht ein Beschaffungsbedarf akut bzw. aus einem Sachzwang heraus, z.B. weil das bestehende Einsatzfahrzeug aufgrund eines irreparablen Schadens nicht mehr eingesetzt werden kann und ein Ersatz unverzichtbar ist. Mit Ausnahme des letzten Falls (unmittelbarer Sachzwang) ist allen Beschaffungsprojekten gemein, dass der operativen Abwicklung – spricht der eigentlichen Anbieter- und Produktauswahl – in der Regel eine längere Planungsphase vorausgeht, welche aufgrund der anzunehmenden Projektdurchlaufzeiten unbedingt rechtzeitig lanciert werden sollte.

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Die Planungsphase des Projektes umfasst in der Regel folgende Aktivitäten: - Ermittlung des Beschaffungsbedarfs - Definition der angestrebten Beschaffungsziele - Terminplanung des Beschaffungsablaufs - Aktualisierung der Finanz- / Investitionsplanung - Festlegung der Projektorganisation In der Planungsphase wird sichergestellt, dass: - das Ziel und der Umfang der Beschaffung inhaltlich grob umschrieben sind - der Ablauf des Projektes und die Zuständigkeiten definiert sind - die politischen und finanzkompetenten Entscheidungsträger rechtzeitig über das Vorhaben informiert sind und die Investitionskredite für die Beschaffung rechtzeitig zur Verfügung stehen 2.3.1 Bedarfsnachweis (Anforderungskatalog) Die Planungsphase dient primär der Feuerwehrorganisation als Bedarfsträgerin und zukünftige Nutzerin des zu beschaffenden Fahrzeuges dazu, den mit der Beschaffung abzudeckenden Beschaffungsdarf sowie die Beschaffungsziele in Form eines Anforderungskataloges zu definieren. Der Anforderungskatalog dient vor allem gegenüber den politischen und finanzkompetenten Entscheidungsträgern als Bedarfsnachweis. Folgende Fragen stehen bei der Erarbeitung des Bedarfsnachweises im Zentrum: - Wo, unter welchen Bedingungen und für welche Aufgaben soll das zu beschaffende Fahrzeug primär eingesetzt werden? - Für welche Fahrzeugbesatzung soll das Fahrzeug konzipiert sein? - Wie lange soll die Fahrzeugbesatzung (bzw. Einsatzmannschaft) mit dem Fahrzeug, den eingebauten Systemfunktionen und dem mitgeführten Material die vorgesehenen Aufgaben erfüllen können? - Existieren Varianten / Alternativen zur Beschaffung? - Was passiert kurz-, mittel- und langfristig, wenn die Beschaffung nicht realisiert werden kann? Der Anforderungskatalog stellt lediglich eine grobe Umschreibung von primär technischen Beschaffungszielen dar. Es ist wichtig, in der Planungsphase nicht bereits detaillierte technische Lösungen im Sinne eines „submissionskonformen“ Pflichtenhefts zu formulieren und damit vorweg zu nehmen. 2.3.2 Terminplanung Die Durchlaufzeiten der einzelnen Projektphasen sind einerseits signifikant von den verfügbaren personellen Ressourcen der Projektbeteiligten sowie der Verfügbarkeit der finanziellen Mittel und andererseits von den einzuhaltenden Fristen gemäss den gesetzlichen Vorgaben (öffentliches Beschaffungswesen), allfälligen kommunalen Vorgaben (z.B. Submissionsreglement auf Gemeindeebene, Termine kommunale Abstimmungen etc.) sowie insbesondere auch von der Konfiguration und den Lieferfristen der ausgewählten Fahrzeugkomponenten abhängig. Die nachstehende Grafik zeigt projekttypische Durchlaufzeiten eines Beschaffungsprojektes (Feuerwehreinsatzfahrzeug). Die effektiven Durchlaufzeiten können von der Darstel-

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lung abweichen (siehe obenstehende Abhängigkeiten). Die Terminplanung ist Phasenweise zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen / zu detaillieren:

Quelle: Erfolgreiche Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen in 6 Schritten, Ein Leitfaden für Beschaffungsstellen; Vogt AG

2.3.3 Finanzplanung Die Beschaffung und Finanzierung von Feuerwehrfahrzeugen liegen im Kanton Bern grundsätzlich im Verantwortlichkeitsbereich der Beschaffungsstellen (Feuerwehren, Gemeinden, Gemeindeverbände, Betriebe mit Betriebsfeuerwehren). Eine Ausnahme bilden spezielle Einsatzfahrzeuge wie z.B. die Gerätefahrzeuge Gefahrengut oder die Mobilen Grossventilatoren (MGV). Diese Einsatzfahrzeuge werden in Zusammenarbeit zwischen dem Feuerwehrinspektorat und den für die Stationierung und den Betrieb der Einsatzfahrzeuge zuständigen Sonderstützpunktfeuerwehren beschafft. Die Finanzierung erfolgt in diesen Fällen zu 100% durch den Kanton Bern, die Einsatzfahrzeuge gehen nach der Beschaffung in Besitz und Eigentum der jeweiligen Sonderstützpunktfeuerwehren über. Auch Fahrzeuge der Hauptgruppe Hubrettungsfahrzeuge (vgl. Teil 5 bzw. 8 des vorliegenden Handbuchs) werden von der Feuerwehr, der Gemeinde oder Gemeindeverband beschafft. Entspricht das Fahrzeug den spezifischen Mindestanforderungen, kann es ins sog. Konzept für grosse Rettungsgeräte des Kantons Bern aufgenommen werden. Im Konzept aufgenommene Hubrettungsfahrzeuge werden durch die GVB mit einem zusätzlichen Betriebsbeitrag mitfinanziert. Der zusätzliche Betriebsbeitrag setzt sich wie folgt zusammen: 50% des Anschaffungspreises verteilt auf 20 jährliche Raten. Die mobilen Grossventilatoren (MGV) der fünf Sonderstützpunkte MGV aus der Gruppe Sonstige Spezial Fahrzeuge werden wie oben erwähnt, durch den Kanton Bern beschafft und finanziert. Weitere MGV können durch Feuerwehren, Gemeinden oder GemeindeverSeite 5 von 12

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bände zwar beschafft werden, die Beschaffungsstellen können in diesen Fällen jedoch nicht mit einer Mitfinanzierung durch den Kanton Bern rechnen.

2.3.4 Projektorganisation Bei der Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen empfiehlt es sich, die mit der Beschaffung beauftragte Projektorganisation interdisziplinär zu besetzen, so dass die Sichtweise und die Interessen der unterschiedlichen Nutzergruppen (Stakeholder) angemessen vertreten sind. Folgende generische Zusammensetzung der Projektorganisation hat sich in der Praxis bewährt (die Projektorganisation ist in jedem Fall auf die Gegebenheiten der jeweiligen Organisation und den Umfang und die Komplexität des Beschaffungsvorhabens anzupassen): Projektausschuss: - Vertreter der Gemeindebehörde (Exekutive, Legislative, Kommission) - oder Vertreter der Geschäftsleitung (bei Betrieben mit Betriebsfeuerwehren) - Vertreter des Feuerwehrkommandos (nicht Mitglied des Projektteams) - Bezeichneter Projektleiter des Projektteams (kein Stimm- jedoch Antragsrecht) - ggf. Vertreter des Kreisfeuerwehrinspektorates (Fachbegleitung, kein Stimmrecht) Die Bildung und Besetzung eines Projektausschusses empfiehlt sich insbesondere dann, wenn das Beschaffungsvorhaben aufgrund von kommunalen oder betrieblichen Rahmenbedingungen einem umfassenderen Kreis von Entscheidungsträgern zur Beurteilung und Genehmigung vorgelegt werden muss (z.B. Parlament, Gemeindeversammlung, Verwaltungsrat etc.).

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Projektteam: - Vertreter des Feuerwehrkommandos / des Stabs - Vertreter aus dem Bereich Ersteinsatz / Pikett - Vertreter aus dem Bereich Ausbildung - Vertreter aus dem Bereich Material - Vertreter der Mannschaft - ggf. externe Fachbegleitung Ein Vertreter des Projektteams ist mit der Projektleitung zu beauftragen.

2.4

Konzeption

Auf Basis des Anforderungskatalogs (vgl. vorstehendes Kapitel) werden in der Konzeptionsphase die detaillierten Ausschreibungsunterlagen erstellt. Durch die Beschaffungsstelle wird damit konkret und verbindlich festgelegt - wie das zu beschaffende Fahrzeug konfiguriert werden soll bzw. nach welcher technischen Spezifikation und nach welchen kommerziellen Vorgaben das Fahrzeug durch die Anbieter zu offerieren und nach erfolgter Auftragserteilung herzustellen und abzuliefern ist (vgl. Kap. 2.4.1, Pflichtenheft) - welches Beschaffungsverfahren (vgl. Teil 3 des vorliegenden Handbuches) unter Berücksichtigung des approximativen Beschaffungsvolumens angewendet und wie dieses sowohl administrativ als auch auf der Zeitachse abgewickelt werden soll - nach welchen Kriterien die in der nachfolgenden Evaluationsphase (vgl. Kap. 2.4.2) eingehenden Angebote bewertet werden (Festlegung von Eignungs- und Zuschlagskriterien sowie von Bewertungsmassstäben) - welche Unterlagen in welcher Form und über welche Kanäle an die Anbieter (Submittenten) abgegeben werden sollen 2.4.1 Pflichtenheft (technische und kommerzielle Spezifikation) Das Pflichtenheft umfasst - als Grundlage und Vorgabe für die Angebotserstellung - eine komplette technische und kommerzielle Spezifikation des zu liefernden Feuerwehrfahrzeuges. Damit potentielle Anbieter bei der Angebotserstellung nicht unnötig eingeschränkt werden und damit gleichzeitig das Risiko reduziert werden kann, allfällige Angebote aufgrund von sich wiedersprechenden Vorgaben oder diskriminierenden Beschreibungen auszuschliessen, sollten sowohl die technischen als auch die kommerziellen Spezifikationen nur so detailliert wie nötig aber so verbindlich wie möglich formuliert sein. Durch Anbieter zwingend einzuhaltende Vorgaben sollen unmissverständlich als „MussVorgaben“ bezeichnet sein und so formuliert werden, dass die einzelnen Angebote bzgl. der Erfüllung dieser Vorgaben messbar überprüft und verglichen werden können. „KannVorgaben“ sollen hingegen so formuliert werden, dass sie durch die Anbieter optional oder i.S. einer Variante erfüllt werden können. Bei der Erstellung von Ausschreibungsunterlagen ist wie oben erwähnt zu bedenken, dass zu detaillierte und einschränkende technische Spezifikationen auch ein gewisses Risiko bergen, dass eine verlangte Konfiguration aufgrund einer Nicht-Verfügbarkeit von Fahrzeugkomponenten u.U. gar nicht erfüllbar ist (z.B. Doppelkabine - Automat – Allrad - Nutzlast - Gesamtgewicht).

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Empfohlen wird, das Pflichtenheft inhaltlich in folgende Kapitel zu gliedern: Einleitung (Ausgangslage) Teil 1 | Technische Spezifikation - Allgemeine Anforderungen - Anforderungen Fahrgestell / Kabine - Anforderungen Aufbau (Geräteräume, Mannschaftsraum im Aufbau integriert etc.) - Anforderungen Feuerwehrtechnik (Löschtechnik, Leitertechnik, Nebenaggregate etc.) - Anforderungen Feuerwehrmaterial und Materialeinbau - Anforderungen Elektrik, Warneinrichtungen und Beleuchtung - Anforderungen Lackierung und Design - Masse und Gewichte Teil 2 | Kommerzielle Spezifikation - Mengengerüst - Preisangaben und Zahlungsplan - Lieferfristen - Optionen und Varianten - Bietergemeinschaften und Subunternehmer - Garantie- und Serviceleistungen - Eignungskriterien und Eignungsnachweise - Zuschlagskriterien und –Gewichtung - Anbieterfragen - Eingabefrist und Eingabestelle - Genehmigung - Anhang Teil 10 ( Anhang A2) des vorliegenden Handbuchs ist als Grundlage für die Erstellung eines Pflichtenhefts (technische und kommerzielle Spezifikation) ein Dokumentenraster zu entnehmen, welcher durch die Beschaffungsstelle projektspezifisch und bedarfsorientiert für den jeweiligen Fahrzeugtyp anzupassen und zu ergänzen ist. 2.4.1 Bewertungskriterien Für die spätere Angebotsbewertung (vgl. Kap. 2.5) müssen bereits in den Ausschreibungsunterlagen die Eignungs- und Zuschlagskriterien definiert und damit den potentiellen Anbietern bekannt gemacht werden: Eignungskriterien (EK) Eignungskriterien beziehen sich immer auf den Anbieter. EK können insbesondere die fachliche, technische, organisatorische oder wirtschaftliche (finanzielle) Leistungsfähigkeit eines Anbieters bzw. potentiellen Lieferanten betreffen. Beispiele für EK sind: -

Bau- und Konstruktionserfahrung von mindestens … Jahren (Referenzen)

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CH-weit operierende Service-Stelle (vor Ort Service) Erfüllung von Qualitäts- und Umweltmanagementanforderungen (ISO…) Anbieten von Ausbildungsplätzen (Lehrlingsausbildung am Produktionsstandort) Einhaltung von Gesamtarbeitsverträgen oder ortsübliche Arbeitsbedingungen Vollumfängliche Erfüllung der Pflichten gegenüber der öffentlichen Hand, den Sozialversicherungen sowie den Arbeitnehmenden

Durch die Anbieter müssen grundsätzlich alle verlangten EK erfüllt werden, die Erfüllung der Kriterien ist nachzuweisen (Eignungsnachweise). Eine Nicht-Erfüllung führt zum Ausschluss des Angebotes von der Bewertung der Zuschlagskriterien. Zuschlagskriterien (ZK) Zuschlagskriterien beziehen sich im Gegensatz zu den EK immer auf die ausgeschriebene Leistung. Sie stehen somit im direkten Zusammenhang zum ausgeschriebenen Lieferauftrag und gewährleisten somit die Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes bzw. die Vergabe des Lieferauftrags an jenen Anbieter, welcher dieses eingereicht hat. Die Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes erfolgt in der Evaluationsphase, indem die definierten Zuschlagskriterien berücksichtigt werden, wie z.B. -

Zweckmässigkeit des Angebots (Umsetzungs- / Lösungskonzept) Preis Wirtschaftlichkeit (Betriebs-, Unterhalts-, Folgekosten) Einsatztest / Präsentation Leistungen des Kundendienstes (After-Sales Service)

Zuschlagskriterien sind in den Ausschreibungsunterlagen in der Reihenfolge ihrer Gewichtung aufzuführen. Als Zuschlagskriterium verboten sind insbesondere diskriminierende oder sachfremde Kriterien. Die Gewichtung und der Bewertungsmaßstab der Zuschlagskriterien muss in den Ausschreibungsunterlagen deklariert werden. Insbesondere ist anzugeben, wie die Bewertung des Zuschlagskriteriums Preis erfolgt.

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2.5

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Evaluation

In der Evaluationsphase geht es darum, potentielle Anbieter mit den Ausschreibungsunterlagen zu bedienen, offene Anbieterfragen zu den technischen oder kommerziellen Spezifikationen zu beantworten und das wirtschaftlich günstigste Angebot zu ermitteln. Folgende Aktivitäten gehören zur Evaluationsphase: - Publikation der Ausschreibung bzw. Einladung von ausgewählten Anbietern zur Angebotserstellung (vgl. Teil 3 des vorliegenden Handbuches) - Versand der Ausschreibungsunterlagen an interessierte bzw. eingeladene Anbieter - Fristgerechte Beantwortung von allfälligen Anbieterfragen - Überwachung der Eingabefrist und protokollierte, zeitgleiche Öffnung der Angebote - Bewertung der Angebote gem. festgelegten Eignungs- und Zuschlagskriterien (vgl. Kap. 2.4) - nach Abschluss der Bewertung: Antragstellung zur Vergabe des Lieferauftrags zu Handen der finanzkompetenten Organe (Entscheidungsträger) - Erstellen und Versenden von Verfügungen (Zuschlag / Absagen) Damit die Evaluationsphase nach Vorgaben des öffentlichen Beschaffungsrechts korrekt abläuft, sind durch die Beschaffungsstelle folgende Punkte zu beachten: - Alle Anbieter müssen gleich behandelt werden, d.h. es darf zu keiner Übervorteilung einzelner Wettbewerber durch Vorhalten von Informationen, unterschiedlicher Handhabung von Fristen etc. kommen. - Sämtliche Angebote müssen nach identischen, in den Ausschreibungsunterlagen publizierten Bewertungskriterien (Zuschlagskriterien) sowie nach einheitlichen Bewertungsmassstäben bewertet werden. - Die Angebotsbewertung muss leistungsbereinigt erfolgen, dies gilt insbesondere für das Zuschlagskriterium Preis. Optionen und Varianten eines Anbieters dürfen bei der Preisbewertung nur dann berücksichtigt werden, wenn (A) die Anforderungen gemäss Ausschreibungsunterlagen erfüllt und (B) die Optionen und Varianten mit den Lösungen der anderen Anbieter grundsätzlich vergleichbar sind. Der Preisvergleich zur Ermittlung des preisgünstigsten Angebots basiert somit immer auf einer bereinigte Liste von Standard-Einzelpositionen gemäss Pflichtenheft sowie einer bereinigten Liste von vergleichbaren Optionen und Varianten. - Das erstellte Öffnungsprotokoll ist nach Abschluss der Angebotsbewertung mit den leistungsbereinigten Preisen abzugleichen bzw. zu ergänzen. Der leistungsbereinigte Preis des wirtschaftlich günstigsten Angebots wird auch in den Verfügungen (Zuschlag, Absagen) sowie im SIMAP publiziert. - Es empfiehlt sich, die Angebotsbewertungen anhand von (bewerteten) praktischen Einsatztests mit Vorführfahrzeugen, welche in den wesentlichen Systembestandteilen den angebotenen Fahrzeugen entsprechen, abzurunden. Dies ermöglicht der Beschaffungsstellen neben einem reellen Vergleich von Fahrzeugen und Angebotsunterlagen, allenfalls noch offene technische und administrative Fragen im direkten Gespräch mit dem / den Anbietern zu klären. Die Anbieter sind für die entsprechenden Einsatztests / Angebotspräsentationen fristgerecht einzuladen, den Anbietern ist bereits mit der Einladung bekannt zu geben, in welcher Form die Tests und Präsentationen in die Bewertung mit einbezogen werden (nach Möglichkeit sind die Bedingungen und Kriterien für

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die Einsatztests bereits in den Ausschreibungsunterlagen deklarieren). Ein vorgängig zum Einsatztest durch die Beschaffungsstelle erstelltes Drehbuch dient einerseits als Grundlage für Vorbereitung und die reibungslose Durchführung der Einsatztests und stellt andererseits sicher, dass alle Anbieter ihr Fahrzeug bzw. Angebot unter identischen Bedingungen präsentieren können.

2.6

Produktion

Sind die Verfügungen (Zuschlag, Absagen) rechtskräftig - sprich es sind innerhalb der Refkursfrist keine Einsprachen gegen die Vergabe des Lieferauftrags eingegangen – kann die Produktionsphase in Angriff genommen werden. In dieser - ist der Liefervertrag mit dem ausgewählten Fahrzeuglieferanten abzuschliessen. Mit dem Liefervertrag (Werkvertrag) werden das zu erstellende Werk (Bau eines Feuerwehrfahrzeuges), die effektiven Liefer- und Zahlungsbedingungen sowie die verbindlichen Termine für die Ablieferung des Werks in einem Werkvertrag verbindlich umschrieben und geregelt - sind i.d.R. Materialeinbaubesprechungen beim Lieferanten durchzuführen und bei Bedarf offene Detailfragen zur konstruktiven / technischen Umsetzung zu klären - sind das beim Fahrzeuglieferanten durch die Beschaffungsstelle vor dem Materialeinbau anzuliefernde Feuerwehrmaterial oder anzuliefernde Geräte / Aggregate bereitzustellen 2.6.1 Liefervertrag Der Liefervertrag bildet die verbindliche Rechtsgrundlage für die kundenspezifische Herstellung des Feuerwehrfahrzeuges, es handelt sich dabei um einen Werkvertrag (vgl. OR Art. 363ff). Der Liefervertrag soll das durch den Lieferanten zu erstellende Werk, sprich das zu konstruierende, aufzubauende, auszurüstende und fristgerecht abzuliefernde Feuerwehrfahrzeug, möglichst konkret, messbar und verbindlich umschreiben. Die dem entsprechenden Angebot zu Grunde liegenden Ausschreibungsunterlagen (technische und kommerzielle Spezifikation) sowie das obsiegende Angebot selbst bilden dabei i.d.R. die Grundlagen für die Ausarbeitung des Liefervertrags. Im Liefervertrag können nun auch Optionen und Angebotsvarianten berücksichtigt werden, insofern dadurch die ursprünglich ausgeschriebene Lieferleistung nicht grundsätzlich verändert wird (Doppelkabine anstelle Einfachkabine käme z.B. einer grundsätzliche Veränderung gleich).

2.7

Übernahme und Inbetriebnahme

Anschliessend an die Produktionsphase bzw. quasi als Abschluss der Produktionsphase folgt die Übernahme- und Inbetriebnahmephase. Diese ist für die Beschaffungsstelle insofern wichtig, weil in dieser Phase das durch den Lieferanten erstellte Werk (sprich das fertig aufgebaute Feuerwehrfahrzeug) an den Beschaffungsstelle übergeht (Nutzen und Schaden). Die Übernahme- und Inbetriebnahmephase beinhaltet folgende Tätigkeiten: - Durchführung einer Werksabnahme beim Lieferanten (Funktionskontrolle, Feststellen von Abweichungen gegenüber dem Pflichtenheft) - Erstellen eines Abnahme- / Ablieferungsprotokolls

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Durchführung einer umfassenden Erstinstruktion von Vertretern der Beschaffungsstelle (Feuerwehr) durch den Lieferanten - Überwachung der Behebung von allfälligen Mängeln und Unzulänglichkeiten nach der durchgeführten Werksabnahme durch die Beschaffungsstelle - Abschluss von Versicherungen und Immatrikulation des Fahrzeuges beim Straßenverkehrsamt Die Werksabnahme erfolgt i.d.R. nach einer eher administrativen Vollständigkeitsprüfung des Werks anhand des Pflichtenhefts bzw. des Liefervertrags in Form einer Funktionskontrolle der einzelnen Baugruppen bzw. Systembestandteile.

2.8

Abschluss

Ist das neue Einsatzfahrzeug an die Feuerwehr übergeben, die Erstinstruktion abgeschlossen und sind allfällige Mängel durch den Lieferanten behoben, geht es darum, die Einsatzbereitschaft des Fahrzeuges durch entsprechende Ausbildung der Einsatzmannschaft sicherzustellen. Für die Ausbildner der Feuerwehr, welche in der Übernahme- und Inbetriebnahmephase die Erstinstruktion absolviert haben, gilt es nun, die Korpskameraden stufen- und rollengerecht am neuen Einsatzfahrzeug auszubilden, sei dies mittels Fahrstunden oder gezielten Ausbildungslektionen zur Vermittlung einer sicheren und effizienten Pumpenbedienung, zur Vermittlung von neuen Material- und Gerätekenntnissen (wo finde ich welche Gerätschaften, wie funktionieren diese) usw. Nur das stete Üben bringt die erforderliche Sicherheit in der Einsatztechnik und trägt damit zum nachhaltigen Erfolg bei der Bewältigung zukünftiger Einsätze mit dem neuen Fahrzeug bei. Diesen Umstand gilt es insbesondere bei Ersatzbeschaffungen bei der Wahl des operativen Ablösezeitpunkts des zu ersetzenden Fahrzeugs zu beachten. Auch neu beschaffte Fahrzeuge modernster Bauart und mit innovativster Technik können mal streiken, das lässt sich nie 100%-tig ausschließen. Damit im Einsatz keine bösen Überraschungen auftauchen, ist die Funktionstüchtigkeit deshalb auch bei den neusten Fahrzeugen regelmäßig zu überprüfen bzw. sicher zu stellen. Durch periodische durchgeführte Funktionskontrollen (Probefahrten, Pumpenlauf, Wasserabgabe etc.), regelmäßig ausgeführte Wartungs- und Pflegearbeiten gemäß Herstellervorgaben sowie übungs- und einsatzbezogenen Retablierungstätigkeiten kann der Einsatzwert des Fahrzeuges nachhaltig hoch gehalten werden. Allfällige Probleme können zudem rasch erkannt und behoben werden und damit eine maximale Einsatzbereitschaft des Fahrzeuges sichergestellt werden.

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