Tag des Erzengels Michael und aller Engel

Oberpfarr - und Domkirche zu Berlin Vikar Martin Brons 19. Sonntag nach Trinitatis, 28. September 2008, 10.00 Uhr Predigt über Hebräer 1,7.13-14 Tag...
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Vikar Martin Brons 19. Sonntag nach Trinitatis, 28. September 2008, 10.00 Uhr Predigt über Hebräer 1,7.13-14

Tag des Erzengels Michael und aller Engel Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Amen. I. Einstieg: Einstieg: Engel – zwischen lieblich verschönt und dramatisch verpönt Liebe Gemeinde, an einem sonnigen Sonntag im Herbst, wie heute, sei es erlaubt, den Mund etwas voll zu nehmen – ein letztes Aufbegehren des Sommers, bevor die kühle und dunkle Jahreszeit überhand nimmt. Und so kommt selbst der alte Hymnus zu Michaeli nach Philipp Melanchthon (EG 143) ganz sommerlich daher: fröhlich und tänzerisch, ja schon fast lieblich gekleidet, jedenfalls, wenn man ihn nicht auf die eigene Melodie singt, sondern auf die von „Geh aus mein Herz und suche Freud“ (EG 503). Doch zieht sich etwa mit dieser Melodie ‚viel schöner an’ (nach EG 503,2), was eigentlich dunkel und düster aussieht? Kaum mehr vorzustellen, wovon in Epistel und Evangelium die Rede war: Für einen Augenblick waren wir Zeugen eines himmlischen Dramas. Es entbrennt ein Kampf. Michael und seine Engel ringen mit den Mächten der Finsternis. Und Jesus selbst sieht den Satan wie einen Blitz vom Himmel stürzen – auf die Erde hinab, wo er einschlägt und seither wütet: „Die Engel streiten Tag und Nacht, um Satans böse List und Macht beizeiten abzuwehren“, haben wir gerade gesungen (EG 143,4). Unsere Engelvorstellungen: Es gibt die ganze Bandbreite von lieblich verschönt bis dramatisch verpönt. In welche Richtung sollen wir uns orientieren? II. Predigttext Wie eine Kompassnadel zeigt uns der Predigttext aus dem ersten Kapitel des Hebräerbriefes die richtige Richtung an. Mit kurzen, klaren, fast nüchternen Worten redet er davon, wer und was die Engel sind.

[Verlesung des Predigttextes, Hebr 1,7.13-14] Herr segne an uns dein Wort. Amen! Alle guten Engel sind „dienstbare Geister – ausgesandt zum Dienst um derer Willen, die das Heil ererben sollen“ (v. 14): Nicht mehr, aber auch nicht weniger, hält der Hebräerbrief fest. III. Engel – ihr Dienst zwischen Liturgie und Diakonie Martin Luther verwendet zweimal den gleichen Begriff „Dienst“, wofür auf Griechisch unterschiedliche Worte gebraucht werden: - In dem einem steckt das bis heute gebrauchte Wort der „Liturgie“: Die Engel sind liturgische Geister, also Geister, die Gottes-Dienst im weitesten Sinn leisten (leiturgikà pneúmata).

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In dem anderen ist „Diakonie“ enthalten: Die Engel sind ausgesandt zur Diakonie an uns Menschen (eis diakonían apostellómena).

Beides gehört untrennbar zusammen. Das machen uns die Engel vor. Der „diakonische Dienst“ der Engel

… an Wiege und Bahre Ich war ein ängstliches Kind. Zumindest, wenn es ans Schlafen ging: Den Schlafanzug angezogen; die Zähne geputzt – „jetzt führt am Bett kein Weg mehr vorbei“, wusste ich. Wenig konnte mich dann beruhigen: „Das Licht im Flur bleibt an – die Tür geöffnet“ versicherten die Eltern. Mein viel zu großer Plüschbär kontrollierte gewissenhaft das Bett. Inklusive der Regionen darunter. Dann lag ich unter der Decke. „Breit aus die Flügel beide, o Jesu, meine Freude, und nimm dein Küchlein ein. Will Satan mich verschlingen, so lass die Englein singen: ‚Dies Kind soll unverletzet sein’. Auch euch, ihr meine Lieben, soll heute nicht betrüben kein Unfall noch Gefahr. Gott lass euch selig schlafen, stell euch die güldnen Waffen ums Bett und seiner Engel Schar.“ (EG 477,8-9)… … dichtet Paul Gerhardt. Selig, wer von der Engelschar behütet zu Bett gebracht wird – der Bär durfte in meinem Fall auch nicht fehlen. Auch im Sterben werde ich ein ängstliches Menschenkind sein. Deshalb wünsche ich mir, dass der Segen für meine letzte Reise – der Valetsegen – dann so gebetet wird: „…Der gnädige und barmherzige Gott wolle dich durch seine Engel durch das Dunkel des Todes geleiten in das Reich, da seine Auserwählten ihn ewiglich preisen. Unser Herr Christus sei bei dir, dass er dich beschütze. Der Heilige Geist sei in dir, dass er dich erquicke. Der dreieinige Gott sei dir gnädig im Gericht und bewahre dich zum ewigen Leben. Zieh hin in Frieden. Amen.“ (Lutherische Agende III., Bestattung, 1964, S. 2225). Engel – „Ausgesandt zum Dienst um derer willen, die das Heil ererben sollen“ (v. 14): An Wiege und Bahre wird ihr Dienst gerne eingefordert.

Bahre:: Vor den Türen … zwischen Wiege und Bahre Wie gehen wir aber mit ihnen die ganze Zwischenzeit, zwischen Wiege und Bahre um? Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet über die Erfahrung des Individuums, dem letzten großen Heiligtum der Neuzeit, unermesslich viele Engelvorstellungen auch wieder durch unsere 2

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Kirchentüren hereintreten. In die Kirche, die weite Teile ihrer dogmatischen Engellehre gerade erst verabschiedet hatte. Vor den Türen boomt die Engelbranche: Über 16.000 Artikel zu Engeln: Bücher und Gegenstände von amüsant bis geschmacklos sind mit einem Mausklick bei einem prominenten Internetversandhaus bestellbar. In ungezählten Internet-Blogs breiten Menschen ihre Engelerfahrungen aus. In den Buchläden quellen im esoterischen Bereich die Bücherregale über. Und nach manchen Umfragen, glauben mehr Menschen an Engel als an einen Gott. Welche Sehnsucht stillen die Engel da? Spricht hier an, was vielgestaltig und bedeutungsoffen ist? Die Engel gewissermaßen als eine weiche Knetmasse – frei formbar nach eigenen Wünschen und Hoffnungen? Für viele bergen sie dadurch geradezu eine religionsverbindende Chance: Engel kommen in allen Kulturen und auch allen monotheistischen Religionen vor. Schleppen aber kein Lehrgebäude mit sich herum. Dass mich ein Gott die ganze Zeit im Auge behält, hat für manchen mehr bedrohliche als beschützende Züge. Ein Schutzengel, der das Kind durch die kalten Flure des Krankenhauses begleitet, fühlt sich dagegen viel schöner an. Ist die Zeit zwischen Wiege und Bahre also ein weites Feld, das ich zur Stillung aller möglichen Sehnsüchte mit Engeln möglichst bunt bevölkern kann?

… zwischen Wiege und Bahre: in der Bibel Von den ersten bis zu den letzten Seiten spielen Engel auch in der Bibel eine Rolle; von der Schöpfungsgeschichte bis zur Offenbarung des Johannes – erstaunlich oft und an erstaunlich prominenten Stellen: „Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei“, sagt Gott wohl zu den Engeln, wenn er dem Menschen das Leben schenken will (Gen 1,26); und der Engel Gottes sprach zu Maria: „Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben“ (Lk 1,31). Vom Ende des Lebens spricht Jesus selbst: Der arme Lazarus starb und „wurde getragen von den Engeln in Abrahams Schoß“ (Lk 16,22). Den ganzen Weg aber zwischen Wiege und Bahre dienen die Engel uns Menschen nach der biblischen Darstellung: Als Wegbegleiter, wie beispielsweise für das Volk Israel in der Wüste: „Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Wege und dich bringe an den Ort, den ich bestimmt habe“ (Ex 23,20; Ps 91). Als Wegbegleiter, die sich mit uns freuen: Es herrscht „Freude vor den Engeln Gottes“ (Lk 15, 8-10 zum Gleichnis), wenn ein Mensch umkehrt, sich bekehrt, wie der „Verlorene Sohn“ (Lk 15). Als Wegbegleiter, die uns in der tiefsten Verzweiflung den Trost Gottes senden: Wie Elia, der niedergeschlagen ausruft: Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele – und ein Bote Gottes rührte ihn an und sprach: „Steh auf und iss“ (1 Kön 19,4). Oder bei Jesus selbst: In seiner größten Not im Garten Gethsemane „erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn“ (Lk 22,43). … denn sie sind allesamt „ausgesandt zum Dienst um derer willen, die das Heil ererben sollen“ (v. 14): 3

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Michael In anderen Zeiten begann man sie nach ihren Diensten zu hierarchisieren und systematisieren: Erzengel Michael, Beschützer vor dem Bösen und Seelenwäger im Gericht. Von der Südspitze Italiens (Monte Gargano, Apulien) bis zur Nordküste Frankreichs (Mont Saint Michel, Normandie) errichtete man ihm Heiligtümer. Wie ein Netz sollte sich sein Schutz über alle Länder ausbreiten: ungezählte Kapellen, Befestigungsanlagen, Westwerke und Kirchen wurden ihm geweiht. Er wurde zu „dem Engel“ schlechthin: Zum Patron des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation – unser „Deutscher Michel“ ist davon übriggeblieben. Der „liturgische Dienst“ der Engel Michael – sein Name ist Programm und führt zu dem anderen Dienst, den die Engel leisten: Mi-cha-el? fragt er uns – auf Deutsch: „Wer ist wie Gott?“… Antwort: Niemand!

Gloria Diese Antwort ergeht aber nicht wortkarg und vereinzelt, sondern jubelnd und in Chören: „Alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens“. So überliefert es der Evangelist Lukas (Lk 2,13f.) bei der Geburt Jesu. Und wir stimmen ein in den himmlischen Chor: Am Anfang des Gottesdienstes, wenn wir unser „Gloria“, das „Gott in der Höh’ sei Preis und Ehr“ (EG 180,2) singen. Wir singen es zusammen mit den Hirten auf dem Feld vor Bethlehem in der Geburtsnacht. Zusammen mit den himmlischen Heerscharen.

Sanctus Es war in einem Städtchen im Norden Israels. Ich hatte mich auf einem kleinen Platz hingesetzt und ruhte mich aus. Aus einem unscheinbaren Haus drang Stimmengewirr. Die grüne Tür und die vergitterten Fester waren weit geöffnet. Plötzlich schälte sich eine Stimme aus dem Wirrwarr heraus, in die alle nach und nach in einem großen Gesang einfielen, bis nur noch zu hören war: „Kadosch, kadosch, kadosch adonaj“ – „Heilig, heilig, heilig ist Gott“. Damals kannte ich die Bedeutung nicht und konnte den Gesang auch nicht übersetzen, aber er fuhr mir durch alle Glieder. So singen auch wir: Jeden Sonntag Vormittag gedenken wir in unserem Abendmahlsgebet einiger Engelgruppierungen aus der Fülle der Engel und Herrschaften, Mächte und Gewalten, Himmel und himmlischen Kräfte, Seraphim und Kerubim. Und zusammen stimmen wir ein in den Lobgesang der Seraphim, den der Prophet Jesaja vor dem Throne Gottes schaute (Jes 6,3): „Heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herre Zebaoth…“ (EG 185,1). Schluss So könnte man sagen: Engel sind im besten Sinne des Wortes fromm: In ihrem diakonischen Dienst wenden sie sich ganz uns Menschen zu, als Boten der heilsamen und heilenden Nähe Gottes. Ein Leben lang. In ihrem liturgischen Dienst schauen sie „allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel“, wie es Jesus selbst ausdrückt (Mt 18,10). Sie loben ihn im himmlischen Gottesdienst. Die vielen Engeldarstellungen in unserem Dom erinnern uns daran: 4

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Alleine im Altarraum sind es mehrere hundert: Auf den Fenstern als Malerei, an den Wänden als Plastik und nicht zuletzt auf unserer goldenen Apostelschranke hinter dem Altar: Zwei Engel halten den Siegeskranz empor, der Kelch und Hostie umfasst. Wir selbst, gleichsam durch die Horizontale der Apostel dargestellt, werden durchdrungen von der einen Vertikale: Jesus Christus, der im Sakrament zu uns kommt. Ewigkeit, und Raum und Zeit verschränken sich: „O wunderbare Sache – das Engelsbrot wird zum Brot des Menschen“ [Panis angelicus fit panis hominum], lautet der alte Hymnus (Th. v. Aquin, 1264), der uns während der Austeilung nachher begleiten wird. Wir aber stimmen ein in den ewigen Lobgesang mit dem Te Deum laudamus, Großer Gott, wir loben dich – hier zeitlich und dort ewiglich. Amen. Und „der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus“ (Phil 4,4)! Amen. Gottesdienststücke: Spruch: Der Engel des Herrn lagert sich um die her, die ihn fürchten (Ps 34,8) Eingangslied: EG 443, 1-2.5, Aus meines Herzens Grunde Epistel: Offb 12,7-12a (Dr. Mußgnug) Wochenlied: EG 142,1-3.5, Gott aller Schöpfung heil’ger Herr Evangelium: Lk 10,17-20 (Dr. Arnot) Kollektenlied: EG 143,1-4.8, Heut singt die liebe Christenheit [Melodie: EG 503, Geh aus…] Predigt: Hebr 1,7.13-14 Predigtlied: EG 331,1-3.9-10, Großer Gott, wir loben dich Schlusslied: EG 142,6 Domkantor Tobias Brommann, Eingang: Marcel Courtonne: Grand choer pour Entrée; Ausgang: Max Reger: Te deum (op. 59,12). Staats- und Domchor, Kai-Uwe Jirka: Maurice Duruflé: Kyrie, Gloria, Agnus dei aus der « Missa cum jubilo »); Werke von Zelter, Mozart, Franck, Mendelssohn.

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