SWR2 Tandem Freundinnen

SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Tandem Freundinnen Eine andere Beziehungsgeschichte Von Ingrid Strobl Sendung: 02.03.2017, 1...
Author: Swen Gehrig
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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE

SWR2 Tandem Freundinnen Eine andere Beziehungsgeschichte Von Ingrid Strobl Sendung: 02.03.2017, 10.05 Uhr (Wiederholung) Redaktion: Nadja Odeh Produktion: SWR 2009

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FREUNDINNEN Sprecherin 1: Liebste Mary, langsam gewöhne ich mich daran, dich nicht mehr hier zu haben, und noch immer vermisse ich dich. Dein Brief kam zur rechten Zeit, gerade als ich anfing, darüber nachzudenken, ob ich anfangen soll, mir Sorgen zu machen. Du weißt, dass ich mich ängstige, du könntest verletzt werden. Gibt es nicht irgendeine Chance, während der Ferien ein paar Wochen zusammen zu verbringen? Wie geht es deiner Arbeit? Wieder beim Roman? In Liebe, deine Hannah Sprecherin 2: Liebste Hannah, gestern Abend kam ich aus Zürich zurück und fand deinen Brief vor. Mach dir keine Sorgen um mich. Ich bin diesmal verletzt worden. Aber schreibe. Und schließe diese Übersetzung ab. Wo wirst du im Sommer sein? Du sprichst davon, dass wir uns sehen. Aber wo? Alles, Alles Liebe, Mary. Autorin: Zwei berühmte Frauen: Die Philosophin Hannah Arendt und die Schriftstellerin Mary McCarthy. Zwei Freundinnen, die einen Briefwechsel hinterließen, der von ihrer Freundschaft Zeugnis ablegt. Die beiden lernten sich 1945 in einer Bar in Manhattan kennen. Nach einem anfänglichen Missverständnis kamen sie sich näher und wurden schließlich enge Vertraute. Da Mary McCarthy sich mehr im Ausland aufhielt als in den USA, lebte ihre Freundschaft in Briefform weiter, 26 Jahre lang, bis zu Hannah Arendts Tod im Dezember 1975. Diese Briefe erzählen davon, was eine Freundschaft zwischen Frauen bedeuten und beinhalten kann: Die beiden tauschen sich über intellektuelle Themen aus, über ihre Arbeit, ihre Männer, ihre Gefühle, über Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen, über das jeweilige politische Geschehen. Sie sind ernsthaft und übermütig, sie trösten einander, ermutigen sich gegenseitig und lästern wie de Schulmädchen. Auf der Trauerfeier für Hannah Arendt würdigte Mary McCarthy die große Philosophin nicht so sehr für ihr Werk - das taten andere, sondern als die Freundin, die sie kannte, liebte und nun vermisste. Diese Frau, betonte sie, war… Sprecherin 2: …"bezaubernd, verführerisch, weiblich, ihre Augen, so glänzend und funkelnd, sternengleich, wenn sie glücklich oder erregt war, aber auch tief, dunkel, entrückt, stille Wasser der Innerlichkeit." Hanna: Frauenfreundschaften find ich sehr wichtig. Und die hab ich Gott-sei-dank auch. Antonia: Ich hatte immer beste Freundinnen, und das war immer wichtig für mich. Es gibt Freundinnen aus meiner Kindheit, mit denen ich heute noch befreundet bin. 2

Ulla: Frauenfreundschaften habend diese besondere Qualität. Dieses neidlose Mitfreuen, und auch die Unterstützung, wenn man Kummer hat. Ja, und auch, dass man sich beraten kann. Ich frage meine Freundinnen um Rat, und die fragen mich auch. Autorin: Hanna, Antonia und Ulla wissen, wie Hannah Arendt und Mary McCarthy, um den Wert der Freundschaft zwischen Frauen. Fast jede Frau hat - und hatte auch in früheren Epochen - eine gute oder auch beste Freundin, und dennoch finden sich kaum schriftliche Belege dafür. Ausnahmen wie der Briefwechsel zwischen Bettina von Arnim und Karoline von Günderode, Virginia Woolf und Vita Sackville-West, Nelly Sachs und Gudrun Harlan bestätigen die Regel. Dass wir überhaupt etwas über historische FrauenFreundschaften wissen, verdanken wir der Tatsache, dass diese Frauen sich Briefe schrieben - und so berühmt waren, dass ihre Briefe auch aufbewahrt und publiziert wurden. In der Literatur spielen Freundschaften zwischen Frauen kaum eine Rolle. Ganz im Gegensatz zu Männerfreundschaften, und das nicht erst seit Schillers Bürgschaft. Auch Filme und Fernsehserien verkünden die Mähr von Männertreue und Zicken-Krieg. Und handelt ein Film tatsächlich einmal von der Freundschaft zwischen weiblichen Wesen, dann endet er womöglich tödlich, wie "Thelma und Louise". Im wahren Leben ist das etwas anders. Ulla: Freundinnen haben ne sehr große Bedeutung und ja, dieser Ausdruck, "Freundschaften pflegen", ich finde, es ist wirklich wahr. Also, ich maile viel mit Freundinnen, ich telefoniere, ich gucke, dass ich möglichst die mir wichtigsten Freundinnen auch in regelmäßigen Abständen sehe. Und da wende ich auch Zeit auf. Autorin: Ulla ist 52 und hatte in ihrem Leben schon viele Freundschaften mit anderen Frauen. Einige haben sich, wie sie sagt, "verläppert", meist auf Grund von Ortswechseln, andere halten bis heute. Und wieder andere beleben sich nach Jahren wieder neu. Ulla: Wo ich zum Beispiel vor zwei Jahren ein ganz wunderbares Erlebnis hatte mit einer Freundin, die ich aus dem Studium noch kenne, mit der ich sehr innig war, die ist dann Professorin geworden und zog nach Berlin. Ich hatte Jahre nichts gehört, und wir treffen uns zufällig auf einer Tagung. Wir fallen uns um den Hals und reden die ganze Nacht. Das heißt, diese Vertrautheit war sofort wieder da. Autorin: Auch Antonia hat seit eh und je enge Freundinnen, und einigen ist sie über Jahre und Jahrzehnte hinweg treu gebelieben. Jede dieser Freundschaften, sagt die Journalistin, hatte und hat ihren ganz eigenen Wert. Manche waren in einer bestimmten Lebensphase von Bedeutung und schliefen danach ein. Andere ergaben sich aus dem beruflichen Zusammenhang - aus Kolleginnen wurden Freundinnen. 3

Und zwei Freundschaften aus der Kindheit haben sich bis heute gehalten - fast vierzig Jahre lang. Antonia: Das Besondere ist, dass man sich die Lebensgeschichte nicht unbedingt erzählen muss, sondern man hat sie miterlebt. Ich habe bei diesen Freundinnen zu Mittag gegessen, ich habe dort übernachtet, die haben bei mir zu Mittag gegessen, und die haben bei uns übernachtet. Ich weiß sozusagen, wie's bei denen zu Hause gerochen hat. Das ist eine Vertrautheit, die man mit niemandem sonst erreichen kann. Das hat fast etwas von der Vertrautheit, die man Geschwistern gegenüber empfindet. Diese Freundinnen sind auch so ne Art Spiegel, weil, man hat sich verändert, alle haben sich verändert. Und ich sehe deren Veränderungen. Und sehe natürlich auch, an ihren Reaktionen auf mich, meine Veränderungen. Autorin: Dass ihre Freundschaft nicht einschlief, obwohl die drei Frauen sehr unterschiedliche Berufe haben und weit auseinander wohnen, liegt daran, dass alle drei sie bewusst pflegen. Auch wenn das manchmal aufwendig ist. Antonia: Kontakt halten wir per Telefon und über Besuche. Wobei das auch durchaus vorkommen kann, dass wir mal drei Monate nicht telefonieren. Und dann jede Woche oder so. Das ist wirklich wechselnd. Was auch wichtig ist, dass man auch noch Dinge miteinander erlebt, Dinge miteinander macht. Also zum Beispiel mal zusammen wegfährt. Oder ein ganzes Wochenende miteinander verbringt. Autorin: Freundinnen: Sandkastenfreundinnen, Kindergartenfreundinnen, Schulfreundinnen. Die beste Freundin der Kindheit: Vertraute, Geheimnisträgerin, Spielkameradin. Fast jede Frau hatte eine. Und viele erinnern sich an sie. Gabys erinnert sich an ihre erste Freundin: Gaby: Wir haben viel miteinander so die Nächte verbracht. Und dann haben wir immer Brötchen gegessen mit Ketchup. Mit der hab ich auch das erste Mal geraucht. Aber das war auch mehr oder weniger 'n Fiasko (lachend), weil wir 'n super schlechtes Gewissen hatten. Ich glaub, wir waren im Grunde sehr brav. Autorin: Ansonsten, erzählt die 53-Jährige, trieb sie sich lieber mit Jungs herum. Sie mochte keine Puppen. Räuber und Gendarm spielen lag ihr mehr. Heute würde Gaby, die als mathematisch-technische Assistentin arbeitet, vielleicht "Die Wilden Hühner" lesen. Aber in den Sechzigerjahren, als sie ein Kind war, gab es keine Bücher, in denen Mädchen sich zusammentun und so etwas wie eine Bande bilden. Unkonventionelle Mädchenfiguren traten nur solo auf beziehungsweise in der Gesellschaft von Jungen. Die Rote Zora führt zwar eine Bande an, der aber kein einziges anderes Mädchen angehört. Pipi Langstrumpf ist eine Einzelgängerin, Annika und Peter können ihr 4

nicht das Wasser reichen. Und auch George, der Heldin der "Fünf Freunde"-Bände, liegt mehr an den Jungen in der Gruppe als an ihrer braven und ängstlichen Geschlechtsgenossin Anne. Zitatorin 1: Frieda schlug das kirschrote Papier auseinander. Ein großes Heft kam zum Vorschein, ein Heft mit einem festen Einband, von dem fünf mal fünf wilde Hühner blickten. Frieda strich andächtig mit dem Finger darüber. "Das ist wunderschön, Trude!" Trude schlang sich verlegen eine Haarsträhne um den Finger. "Nun schlag es schon auf!", sagte sie. Autorin: Seit Cornelia Funkes Erfolgsserie verfilmt wurde, sind die Auflagenzahlen der Bücher noch weiter angestiegen. Die Wilden Hühner sind realistische Mädchen von heute und Freundinnen, die wie Pech und Schwefel zusammenhalten. Zitatorin 1: Frieda und Sprotte kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Es gab so viel zu entdecken in Trudes Wilde-Hühner-Buch: Fotos vom Wohnwagen zu jeder Jahreszeit, Eintrittskarten von Kinovorstellungen, die sie gemeinsam besucht hatten, die Rechnung für den Eimer Farbe, mit der sie die Tür gestrichen hatten, ein paar Tropfen Kerzenwachs als Erinnerung an ihre erste gemeinsame Übernachtung im Wohnwagen, ein Plan des Waldes in dem das Baumhaus der Jungen lag, samt eingezeichneter Schleichwege dorthin. Dorothee: Mit meiner ersten Freundin bin ich durch die Gärten und um die Häuser rumgestreunt. Da war ich vier. Und dann haben wir Sonnenblumenkerne genascht aus den Sonnenblumen vom Nachbarn. Wir haben einen Geheimclub gegründet, in dem nur wir beide waren. Und haben auch kleine Zettel gemacht mit Geheimzeichen. Autorin: Als ihre erste beste Freundin auf eine andere Schule kam, ging für Dorothee die Welt unter. Sie brauchte eine ganze Weile, bis sie neue Freundschaften schloss. TeenieFreundschaften, die daran zerbrachen, dass die anderen Mädchen sich früher für Jungs interessierten als Dorothee, der das andere Geschlecht mit 13, 14 noch völlig egal war. Ulla: Wir hatten Verstecke. Wir hatten gegenüber vom Haus einen kleinen Spielplatz, und dann gab's noch sogenannte Trümmergrundstücke, ich bin ja Jahrgang '52, und Bremerhaven, wo ich geboren bin, war völlig kaputt. Und da durfte man natürlich nicht drauf, und deswegen sind wir da besonders gerne drauf gegangen, und da hatten wir so Verstecke.

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Autorin: Ulla denkt voller Zuneigung an die Freundin der Kindheit zurück, die sie verlor, als ihre Familie von Bremerhaven nach Köln umzog. Was folgte, war eine Zeit, in der sie sich sehr einsam fühlte. Ihre norddeutsche Art zu sprechen war den Mitschülerinnen fremd, sie wiesen die "Neue" zurück. Erst als Teenager hatte Ulla wieder Freundinnen, und gleich einen ganzen Haufen: Die, mit denen sie Klavier spielte und im Schulchor sang, die, mit denen sie in die Tanzstunde ging, die mit denen sie sich über Bücher austauschte. Und mit allen zusammen, sagt sie, war eines damals ganz besonders wichtig: Ulla: Dass man viel kichern konnte. Über Jungs, über Lehrer und Lehrerinnen. Ich weiß, dass wir hauptsächlich viel gekichert haben. Autorin: In der Pubertät erfüllen Freundinnen andere Aufgaben als in der Kindheit. Jetzt ist es wichtig, eine Verbündete zu haben: gegen Erwachsene, gegen Jungs, gegen andere Mädchen und notfalls gegen die ganze Welt. Eine, mit der man Träume und Phantasien teilen, Weltschmerz und Liebeskummer bewältigen und hemmungslos über andere herziehen kann. Dorothee lernte auf der Oberstufe endlich ein Mädchen kennen, das für sie die Qualitäten einer besten Freundin erfüllte: Dorothee: Sie hat mich so 'n bisschen raus gerettet aus diesem sehr Eigensein in der Pubertät, weil sie auch so 'n Sinn für Nonsens und so was Unerwartetes hatte. Ich war schon sehr angespannt in der Zeit auch, weil ich nicht wusste, wie ich mir die Welt erklären sollte und wo das alles hinführt. Und die Kathrin, die hatte dann wieder so ne Leichtigkeit in mir wachgerufen. Und das war für mich wie ein Geschenk, so wieder sein zu dürfen auch. Zitatorin 1: Man schrieb 1936, und die Hälfte der Clique war verheiratet. Vom alten Kreis hatte Libby nur Priss, Polly und Kay eingeladen; die anderen hatte sie mehr oder weniger aus den Augen verloren. Polly hatte Chemie studiert, weil sie Ärztin werden wollte, aber als Mr. Andrews sein Geld verlor, musste sie das natürlich aufgeben. Zum Glück hatte ihr die Stellenvermittlung des College dann den Posten im Hospital besorgt. Die ganze Clique hoffte, sie würde dort einen hinreißenden jungen Arzt oder Pathologen kennen lernen, der ihr einen Heiratsantrag machte, aber bis jetzt war das noch nicht der Fall gewesen, oder wenn, wusste niemand etwas davon. Autorin: 1962 erschien Mary McCarthys Roman "Die Clique". Das Buch, das als erstes - nicht nur in der amerikanischen Literatur - die Freundschaft zwischen Frauen thematisiert, wurde sofort ein Bestseller, während es die Männer in Mary McCarthys linksintellektuellem Freundeskreis in der Luft zerrissen. Hannah Arendt versuchte die Freundin zu trösten:

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Zitatorin 1: Liebste Mary, mir hat "Die Clique" sehr, sehr gut gefallen, es ist ganz anders als deine anderen Bücher, gleichzeitig milder und trauriger; es liest sich wie eine endgültige Darstellung dieser Zeit, aber aus sehr großer Distanz. Autorin: Dabei bedurfte Hannah Arendt selbst des Trostes und der Unterstützung durch die Freundin. Ihr Prozessbericht "Eichmann in Jerusalem" war im selben Jahr wie "Die Clique" erschienen und hatte einen heftigen und anhaltenden Skandal ausgelöst. Und so antwortete ihr Mary McCarthy denn auch umgehend: Zitatorin 2: Liebste Hannah, ich möchte dir irgendwie helfen, und nicht nur durch Zuhören. Was kann man in dieser Eichmann-Sache tun, die allmählich die Ausmaße eines Pogroms annimmt? Autorin: Frauen erhalten sich auch dann noch ihre Freundschaft zu anderen Frauen, wenn sie mit einem Partner leben und Kinder haben. Der Mann kann die beste Freundin nicht ersetzen. Sie bleibt eine wichtige Bezugsperson. Dabei ist die Freundschaft erwachsener Frauen noch einmal etwas ganz anderes als die kleiner Mädchen und pubertierender Teenager. Als Erwachsene, sagt die Journalistin und Buchautorin Ulla, ist es für sie wichtig, dass es zwischen ihr und ihren Freundinnen zumindest eine gewisse politische Übereinstimmung gibt und... Ulla: ... dass man gemeinsame Interessen hat, einige Ansichten gemeinsam hat, es gibt auch viele Ansichten bei verschiedenen Freundinnen von mir, die ich nicht habe, oder die meine nicht haben, aber es muss so ne Grundeinstellung zum Leben sein. Autorin: Die Freundschaft zwischen erwachsenen Frauen ist auch größeren Belastungen ausgesetzt, als die zwischen Mädchen. Der Beruf, die Familie und diverse Interessen nehmen den größten Teil der Zeit in Anspruch. Eine Meinungsverschiedenheit mit der Freundin kann nicht immer sofort geklärt werden und schwelt vielleicht lange vor sich hin. Die Zeit der nächtelangen Gespräche ist vorbei, und ein falsches Wort kann zu schweren Verletzungen führen. Im schlimmsten Fall kommt es sogar zu Lügen und Verrat. Gaby machte diese bittere Erfahrung. Eine Freundin, die sie liebte und bewunderte, verstand sich plötzlich allzu gut mit ihrem Freund. Sie wurde misstrauisch: Gaby: Und ich hab das dann auch mehrfach angesprochen. Und es wurde immer gesagt, "Nein, das ist nicht so".

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Autorin: Das Misstrauen blieb und führte dazu, dass sich Gabys Beziehung zu ihrem Freund verschlechterte. Sie schlug eine Trennung auf Probe vor, der er sofort zustimmte. Gaby: Und dann war das aber so, dass es eigentlich wirklich nach ganz kurzer Zeit nach ein paar Tagen, nachdem diese Entscheidung getroffen wurde, die im Grunde schon zusammen waren. Autorin: Das Schlimmste für sie war,… Gaby: ... dass ich plötzlich wirklich zwei verloren hatte. Weil diese Frau auch mir richtig viel bedeutet hat. Und dann diese Lüge, dass die so schnell zusammengekommen sind. Das heißt ja noch mal für mich im Rückblick, sie hatten ganz, ganz lange das schon in Erwägung gezogen vorher. Autorin: Auch für Hannah ging eine wichtige Freundschaft schmerzhaft zu Ende. Ihre beste Freundin verliebte sich in einen Mann, den Hanna nicht mochte. Hanna: Und dann waren die beiden auf einem Konzert, wo ich normalerweise mitgegangen wäre. Und dann hab ich so was Ähnliches gesagt wie "Perlen vor die Säue" (lacht). Und dann hat sie mir die Freundschaft gekündigt. Autorin: Der Vorwurf der Freundin lautete: Hanna habe ihr im Laufe der Jahr eine Menge Verletzungen zugefügt: Hanna: Wenn wir zusammen irgendwo hingehen, dass ich dann den ganzen Raum einnehme, dass ich erfolgreicher bin, dass ich leichteren Zugang zu anderen Menschen hab. Autorin: Sie war wie vor den Kopf gestoßen, erzählt Hanna, denn all das hatte sie nie bemerkt. Hanna: Aber das hat, ja, das hat mich sehr verletzt. Weil das meine beste Freundin war! Autorin: Hanna ist eine temperamentvolle Südeuropäerin, sie ist erfolgreich in ihrem Beruf als Massage-Therapeutin und Ausbilderin, und sie sieht gut aus. Auf die Idee, dass andere Frauen sich dadurch in die zweite Reihe gedrängt fühlen könnten, war sie nie gekommen. Nach dem Bruch mit ihrer Freundin versuchte sie erst einmal, ihr Licht 8

unter den Scheffel zu stellen. Um nie wieder jemanden unwillentlich und unwissentlich zu verletzen. Doch letztendlich zog sie eine andere Konsequenz: Hanna: Ich merke, dass inzwischen mein Freundeskreis nur aus so richtigen Prachtweibern besteht, die sehr selbständig sind, die sehr selbstbewusst sind, die wissen, was sie möchten. Die auch schon mal Courage an den Tag legen. Und das bekommt mir gut. Autorin: Freundinnen. Sie können zu Nervensägen oder Konkurrentinnen werden, sie können verletzen und enttäuschen. Doch fast alle Frauen haben auch Freudinnen, die sich als treu, tröstlich und hilfreich erweisen. Die beste Freundin ist häufig die erste, und nicht selten auch die einzige, die eine Frau um eine kritische Einschätzung bittet, sei es ihres Verhaltens, ihres Aussehens, einer beruflichen Entscheidung oder eines neuen Liebhabers. Ihre beste Freundin, sagt Dorothee... Dorothee: … war ne Lebensberaterin immer, und das ist auch heute noch so. Also, sie hat mich wirklich schon zu Dingen fast genötigt. Das passte mir gar nicht. Aber irgendwo wusste ich, spätestens 'n bisschen später dann, dass es richtig war. Und ich habe auch danach gehandelt. Und das ist mit mir bei ihr auch. Manchmal wasch ich ihr richtig den Kopf, und sie akzeptiert das. Autorin: Gegenseitige Hilfe ist mindestens genauso wichtig. Gerade in schwierigen oder schmerzhaften Lebensphasen hofft man, sich auf gute Freundinnen verlassen zu können. Dorothees beste Freundin war, zusammen mit dem Vater des Kindes, bei der Geburt ihres Sohnes dabei. Und sie sprang auch danach immer wieder ein. Ohne ihre Freundinnen, betont Dorothee, hätte sie den Spagat zwischen Kind und Beruf nicht bewältigen können. Eine Freundin zum Beispiel, die zu der Zeit arbeitslos war, kümmerte sich tagsüber um das Baby, während Dorothee an der Medienakademie unterrichtete. Und in der Mittagspause fuhr sie quer durch die Stadt, um es ihr zum Stillen zu bringen. Dorothee: Ich hab's gestillt, wir haben ein bisschen geplaudert, das Kind ist auf dem Boden rum gekrabbelt. Dann hat sie's wieder eingepackt, und ich hab weiter gemacht. Und das jeden Tag. So war dieser Job nur möglich.. Autorin: An sie würde Dorothee sich auch wenden, wenn ihr etwas Schreckliches widerfahren würde. Eine tödliche Krankheit zum Beispiel. Dorothee: Ja, das wär das erste, dass ich meine Freundin anrufen würde. Wenn was mit dem Jungen wär, dann würd ich auch den Vater des Kindes anrufen. Aber diese ganz, 9

ganz tiefe Klarheit, man kriegt das alles hin, und man muss auch alles genau besprechen, die hab ich mit meiner Freundin. Autorin: Als Hannah Arendt im Mai 1975 in Schottland einen Herzinfarkt erleidet, kommt Mary McCarthy sofort aus Paris angereist, um auf der Intensivstation bei ihr zu sein. Zurück in Paris, ruft sie nicht nur regelmäßig an, sondern schreibt auch besorgte Briefe. Zitatorin 1: Bitte, mein Liebes, gehorchte dem Arzt und richte deinen Willen auf Genesung statt auf Widerstand. Und genieße wenigstens die Ruhepause, auch wenn sie erzwungen ist. Antonia: Ich setze das Wort Freundschaft sowieso sehr sparsam ein. Weil für mich ist Freundschaft mehr, als ab und zu mal miteinander essen zu gehen und 'n netten Abend zu verbringen. Freundschaft bedeutet für mich schon ein Maß an Vertrautheit und ein Gefühl, man kann sich auf den anderen verlassen. Das bedeutet aber, dass man bestimmte Dinge miteinander erlebt oder durchgestanden haben muss. Autorin: Antonia weiß, wovon sie spricht. Als ihr Lebenspartner starb, halfen ihr Freundinnern durch den Albtraum. Antonia: Eine wichtige Hilfestellung hat mir eine Freundin, auch 'ne sehr alte Freundin, gegeben: Ich konnte nicht alleine sein nachts. Und die hat über Wochen bei mir übernachtet. Autorin: Sie war dieser Freundin zutiefst dankbar, erzählt Antonia, aber sie schämte sich auch dafür, dass sie, als erwachsene und gestandene Frau, nicht allein sein konnte. Doch auch über diese Hürde habe ihr die Freundin geholfen. Antonia: Ich hab eine Stärke von mir selber erwartet, die ich aber nicht besaß. Und diese Freundin hat mir die Chance gegeben, meine Stärke wiederzufinden. Das war schon eine ganz große Lebenshilfe, die, finde ich, über das normale Maß hinausgeht, was Freundschaft leisten kann und soll und muss. Mir ist es damals so gegangen, dass ich durch diesen Verlust meines Lebenspartners mich auch selber 'n Stück weit verloren habe. Und mich auch wieder neu finden musste. Und da hilft es schon, wenn Freundinnen da sind, die an dir festhalten und dich in dieser Welt festhalten.

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