2.b. kultinstrumente/strumenti di culto

427. Bronzestatuette, nord-umbrisch. Avignon, Mus. Calvet B 21. – Rolland, H., Bronzes antiques de Haute Provence, Gallia Suppl. 18 (1965) 97 f. Nr. 176 Abb.; Bruni, a.O. 422, 18 Anm. 59. – Anfang 5. Jh. v. Chr. – Ein Mann in einer Tunica und einem kurzen, die Schultern frei lassenden Mantel hält in der R. eine kleine runde Büchse und in der L. ein Weihrauchkorn. 428. a. Bronzestatuette. Florenz, Mus. Arch. 549. – Cristofani, BrEtr 274 Nr. 69 Taf. 175. – Um 300. v. Chr. – Frau in Chiton und über den Kopf gezogenem Mantel, in der L. eine runde Weihrauchbüchse haltend. – b. Bronzestatuetten mit Phiale und Weihrauchbüchse: 284. ingrid krauskopf B. Römisch bibliographie : Acerra: Fless, Opferdiener 17–19; Habel, P., RE I 1 (1893) 153–154 s.v. «Acerra»; v. Schaewen, Opfergeräte 39–41; Schneider, C., RAC 1 (1950) 63–65 s.v. «Acerra»; Siebert, Instrumenta 27–31; Vinet, E., DA I 1 (1977) 22 s.v. «Acerra». Turibulum/candelabrum: Cain, Kandelaber; Besnier, M., DA V (1919) 542–544 s.v. «Turibulum»; Fless, Opferdiener 26–28; Herold, K., Der Kandelaber in der Wandmalerei (Diss. Wien 1976, unpubl.); Hilgers 82–83. 294–295; Klatt, U., «Römische Klapptische», KölnJb 28 (1995) 430–438; Kreisv. Schaewen, R., RE VII A 2 (1948) 2508–2513 s.v. «Turibulum»; v. Schaewen, Opfergeräte 41–43; Siebert, Instrumenta 93–98. 256–257; Wigand, K., «Thymiateria», BonnJbb 122 (1912) 40–92. In Rom wurde die Darbringung von wohlriechendem Weihrauch z.T. als selbständiges Ritual, meist jedoch zusammen mit der Libation von flüssigen Substanzen zelebriert. Diese doppelte Gabe stellte entweder ein selbständiges unblutiges Opfer oder eine Vorstufe zu einem Tieropfer dar (s. ThesCRA I 2 c Rauchopfer). Die wichtigsten Geräte für das Rauchopfer sind ein Behältnis für den Weihrauch, die acerra, und ein Ständer zum Abbrennen, das turibulum. Aufgrund der grossen Bedeutung von Libationen und Rauchopfern für die repräsentative Entfaltung von pietas und dignitas im realen Ritual wie in der bildlichen Darstellung (s.o. Abschnitt I.C) haben die betreπenden Geräte in Bildwerken eine reiche und signifikante Dokumentation erhalten. Während in bildlichen Opferszenen der Leiter des Opfers meist in statischer Würde die Libation durchführt, hält vielfach ein minister eine acerra, als Zeichen reicher Ausstattung des Rituals. Acerra Die acerra ist ein Kästchen, in dem der Weihrauch beim Opfer getragen und bereit gehalten wurde. Ihr ritueller Gebrauch setzt wohl voraus, dass die älteren Rauchopfer mit einheimischen Hölzern und Kräutern durch importierte orientalische und afrikanische Spezereien abgelöst worden sind. Der Name a. konnte nach Festus sowohl einen Altar für Rauchopfer als auch eine arcula turaria, ein

223

Kästchen für Weihrauch, bezeichnen (429); in der Mehrzahl der Quellen handelt es sich jedoch deutlich um ein (gefülltes) Behältnis, das in Händen gehalten wird (431–438). Gleichartige Kästchen wurden auch in profanem Kontext für verschiedene Zwecke verwendet, und andererseits wurde Weihrauch zur Erzeugung von Wohlgerüchen auch in anderen Lebenssituationen verbrannt; die Bezeichnung a. als Behältnis für Duftstoπe zum Räuchern erscheint jedoch nur in sakraler Funktion. In Rom galt die a. als uralter ritueller Gegenstand, der schon in die mythische Vorzeit der Stadt projiziert wird. Vergil lässt Aeneas, als Archegeten römischer pietas, den Lar von Troia und die römische Vesta mit Weihrauch aus der a. verehren (432, auch 433). In historischer Zeit ist ihr hohes Alter dadurch bezeugt, dass in den Zwölftafelgesetzen beim Totenritual Weihrauchopfer aus der a. ausgeschlossen werden (430). Die Form der a. wird in Bildwerken in der Regel als rechteckiger Kasten mit flachem, nicht übergreifendem Deckel wiedergegeben. Selten, in weniger o√ziellem Kontext, finden sich kleine runde Büchsen, z.T. in idealisierten Ritualszenen (444), vor allem aber bei Frauen im privateren Bereich (450; Siebert, Instrumenta 39). Rechteckige Kästchen sind auch in Griechenland vielfach bezeugt, in sakralen wie profanen Kontexten (Attinger-Gies, G., AntK 28 [1985] 58–61). Als Behälter für Weihrauch werden in griechischen Bildwerken jedoch häufiger runde Gefässe dargestellt (s.o. Abschnitt IV.A, 404. 406. 413; viereckig: 415–417). Die Grösse der römischen a. ist bei dem einzigen erhaltenen Exemplar (440) mit einer Längsseite von 11x7 cm zu bestimmen. In den bildlichen Wiedergaben schwankt das Format, nach der Relation zu den Figuren geschätzt, zwischen einer Länge von ca. 15–30 cm und einer Höhe von ca. 5–15 cm; Rückschlüsse auf die tatsächliche Grösse können daraus nur mit Vorsicht gezogen werden, da im Bild z.T. die Bedeutung den Massstab bestimmt. Das Material muss ursprünglich Holz gewesen sein, je nach Aufwand ist Verkleidung mit Bronze, Silber oder Gold zu erwarten. Das erhaltene Exemplar (440) besteht aus Elfenbein. Die Ausgestaltung variiert je nach Aufwand. Reiche Exemplare haben z.T. Füsse von runder oder eckiger Form (z.B. 442. 453) oder in Gestalt von Löwenklauen (452. 455). Die Wände können glatt sein oder Verzierung aufweisen, profilierte Rahmen, geometrische und pflanzliche Ornamente. Besonders reich geschmückt sind drei a. von einem frühaugusteischen Fries, mit ornamentalen Ranken bzw. Bukranien und Girlanden an den Wänden, in einem Fall auch auf der Innenseite des geöπneten Deckels (452). Im grossen Fries der Ara Pacis tragen die ministri von grossen Priester-Kollegien eine a., deren Reliefschmuck hypothetisch auf spezifische sacerdotia bezogen wurde: ein Opferstier mit victimarius und anderem Kultpersonal auf die VIIviri epulonum, ein Dreifuss mit Flötenspieler und Stier sowie einem weiteren Kultdiener

226

2.b. cult instruments/instruments de culte

450.* Grabrelief mit opfernder Frau. Dresden, Staatl. Kunstslg. Hm 359. – Knoll, K./Protzmann, H., et. al., Die Antiken im Albertinum (1993) 46–47 Nr. 26. – Mitte 2. Jh. n. Chr. – Frau hält kleine runde acerra, streut Weihrauch auf Räucherständer mit Flamme. 451. Sarkophag mit Ehepaar an Altar. St. Petersburg, Ermitage A 433. – Koch/Sichtermann, RömSark 100–101; Wrede, H., Senatorische Sarkophage Roms (2001) Taf. 7, 2. – Um 180 n. Chr. – Opfer eines senatorischen Grabherrn, dabei Kultdiener mit acerra. 452. (= 16b) Fries mit Kultinstrumenten. Rom, Bogen der Argentarier. – Acerra mit Eroten und Girlande. 453. (= 18*) Fries mit Kultinstrumenten und Siegessymbolen. Rom, Mus. Cap. 604. 606. 608. – Mehrere acerrae mit Lorbeerzweig. 454. (= 20*) Relief block mit Kultinstrumenten. Rom, Villa Borghese. – Geöπnete acerra mit Weihrauchkörnern. 455. (= 25*) Fries mit Kultinstrumenten. Vatikan. – Acerra mit Löwenfüsschen. Turibulum und Verwandtes Die Untersätze und Geräte, auf denen Rauchopfer dargebracht wurden, hatten unterschiedliche Formen. Sofern es sich um kombinierte Opfer mit Weihrauch und Wein (ture ac vino, s. ThesCRA I 2 c Rauchopfer und I 2 b Libation) handelt, scheinen sie z.T. auf demselben Altar dargebracht worden sein, entweder einer fest installierten ara oder einem tragbaren, oft zusammenklappbaren focus, foculus. Daneben wurden eigene Pfannen und Ständer für die Verbrennung von Weihrauch verwendet. Ob Opfer von Weihrauch und Wein z.T. auch auf verschiedenen Untersätzen dargebracht werden konnten, ist aus den Quellen nicht zu erkennen. Der funktionsgerechte Begriπ für die Räucherpfanne und den Räucherständer war turibulum (von tus = Räucherwerk; 456. 457; Hilgers). Festus überliefert ausserdem «acerra» als Bezeichnung eines Altars, auf dem im Totenkult vor dem Leichnam Rauchopfer dargebracht wurden (429); gewöhnlich ist dies jedoch der Name des rituellen Behältnisses für Weihrauch (u acerra). Daneben wurde der am weitesten verbreitete Typus des Räucherständers (s.u.) auch als «candelabrum», d.h. als Kerzenhalter (von candela = Kerze) und allgemein als «Leuchter» bezeichnet (458. 459), was auf Verwendung als Beleuchtungsträger hinweist (s.u. Abschnitt X). In der Forschung wird darum vielfach der Ausdruck «Kandelaber» für beide Funktionen gebraucht. Diese Ambivalenz ist oπenbar dadurch bedingt, dass das Gerät tatsächlich mehr und mehr eine zweifache Aufgabe erfüllte (Cain, Kandelaber 16): Einerseits entstand bei der Verbrennung von Weihrauch auf dem turibulum zugleich eine lichtspendende Flamme, andererseits konnte die Erzeugung von Licht durch Feuer auf dem candelabrum zugleich durch duften-

de Substanzen bereichert werden. In bildlichen Darstellungen deutet die Bekrönung des Ständers mit einem perforierten Deckel auf ein Räuchergerät (s.u.), während eine brennende Flamme keine Entscheidung zwischen Räucherständern und Leuchtern zulässt (Fless, Opferdiener 26–27). Allgemein scheint die Funktion als Leuchter seit der frühen Kaiserzeit stärker in den Vordergrund getreten zu sein (Cain, Kandelaber 16). Insgesamt weist die Ambivalenz darauf hin, dass die festliche Atmosphäre für Menschen und Götter durch gemeinsame Wirkung auf Geruchssinn und Auge hervorgerufen wurde. Untersätze und Behältnisse für das Abbrennen von Rauchwerk wurden sowohl in sakralen wie in profanen Funktionen verwendet. Für das kultische Rauchopfer, sofern es in Verbindung mit der Libation und/oder als Vorstufe für ein grösseres Opfer dargebracht wurde, waren die üblichen multifunktionalen Altäre in Gebrauch: ortsfeste Blockaltäre aus Stein (461. 467) und bewegliche foculi in Form eines Dreifusses aus Metall, meist wohl Bronze (Klatt; Scott Ryberg, Rites Abb. 86). Spezifische Räucherständer bestanden, je nach Aufwand, aus Gold, Silber oder Bronze; gewöhnlich waren sie knie- bis hüfthoch. Daneben wurden, wie schon in Griechenland, vor allem in grösseren Heiligtümern und anderen öπentlichen Kontexten (s.u.) Exemplare von repräsentativer Monumentalität aufgestellt, bei denen wohl oft die Funktion als Leuchter im Vordergrund stand. Damit wurden die zunächst transportablen Geräte vielfach zu einer ortsfesten Ausstattung. Dies gilt vor allem auch für die Umsetzung in Marmor, in der die ‘Kandelaber’ z.T. ihre konkrete Funktion verloren und als reine Zeichen für festliche pietas dienten (464–466). Die Überlieferung realer Räucherständer aus römischer Zeit ist, bis auf die Sondergattung der monumentalen Marmor-Kandelaber, eher spärlich; die wichtigsten Zeugnisse sind Wiedergaben in Relief und Malerei (469–478). Daraus ergibt sich eine grosse Variation von meist stark artifiziellen Formen, die den Charakter als Gegenstand des Luxus unterstreicht (s. das Spektrum bei Wigand mit Taf. IV; v. Schaewen, Opfergeräte). Der Aufbau besteht grundsätzlich aus drei Elementen: einer Basis, oft dreiseitig, z.T. auch rund (seltene Ausnahme: vierseitig [449]), meist auf zoomorphen Füssen stehend; darüber ein Zwischenglied, das bei niedrigen Exemplaren nur eine knappe Einziehung sein kann, bei höheren dagegen aus einem oder mehreren Gliedern, vor allem Keulen, einschwingenden dreiseitigen Prismen, Kelchen und Scheiben besteht; darauf eine flachere oder tiefere Feuerschale. Bei reinen Räucherständern liegt darüber z.T. ein gewölbter Deckel mit Perforierung, durch die der Rauch entweichen kann (472–474); bei Verwendung als Leuchter lodert die Flamme ungehindert auf (471). Die Untertypen und Sonderformen des Geräts sind für die rituelle Funktion anscheinend irrelevant. Eine ge-

2.b. kultinstrumente/strumenti di culto sonderte Typologie haben die teils monumentalen Umsetzungen in ortsfeste Kandelaber aus Marmor, bei denen eine dreiseitige Basis, ein hochgezogenes Zwischenglied und eine flache Feuerschale dominiert (Cain, Kandelaber 27–98). Mit dieser artifiziellen Grundform wurde in Rom der bekannteste Typus des griechischen Thymiaterion übernommen (s. hier Abschnitt IV.A). Dreifüssige Th. waren zwar zunächst im 6. Jh. v. Chr. in Etrurien ausgebildet und später in Griechenland aufgenommen worden; doch die weitere formale Weiterbildung des Typus bis in hellenistische Zeit fand im griechischen Mutterland statt, von dort wurde das Gerät in seiner ‘modernsten’ Form im 2. Jh. v. Chr. in Rom rezipiert (464–466). Figürlicher Schmuck ist vor allem an den marmornen Kandelabern in reichem Mass angebracht worden. Insbesondere wird durch Darstellungen von Gottheiten, Gestalten des dionysischen Kreises, Priestern und Priesterinnen der sakrale Charakter des Geräts hervorgehoben (466; Cain, Kandelaber 98–140). Wie weit dabei spezifische Funktionen und Kontexte berücksichtigt wurden, ist wegen fehlender Dokumentation kaum zu erkennen. Der Akt der Darbringung von Weihrauch auf einem spezifischen Untersatz wird nur von wenigen Zeugnissen explizit demonstriert (449. 450). Ortsfeste Altäre aus Stein werden in Bildwerken bei kombinierten Opfern ture ac vino gezeigt. Wenn auf einem augusteischen Compital-Altar zwei vicomagistri bei einem Blockaltar dargestellt sind, der eine aus der patera libierend, der andere Weihrauchkörner über die Altarplatte streuend, so muss der Altar für beide Arten des Opfers gemeint sein (467). Dasselbe könnte für Opferszenen gelten, in denen die Libation des Opfernden auf einen Blockaltar oder foculus durch einen minister mit acerra ergänzt wird, da ein eigener Ständer für ein vorausgehendes Weihrauchopfer nirgends zu erkennen ist (445–447). Dagegen können Opferszenen um einen Altar oder foculus mit brennender Flamme ohne einen weiteren Hinweis auf Rauchopfer nicht mit Sicherheit in diesem Sinn gewertet werden, da das Feuer auch antizipierend die Verbrennung der exta bezeichnen könnte. Ein beweglicher foculus, wohl in Form eines Stabdreifusses, ist durch die Acta Arvalia bezeugt (462). Hinzu kommen wieder bildliche Szenen von kombinierten Opfern an einem foculus, an denen ministri mit acerra teilnehmen (447). Weiterhin wurden Räucher- und Lichtständer, als Geräte festlicher Religiosität, bei kultischen Prozessionen mitgetragen (Atchley, E. G. C. F., Alcuin Club Collections 13 [1909] 47 π., non vidi), sowohl bei Götterfesten wie den ludi Romani (Dion. Hal. ant. 7, 72, 13) als auch beim Triumphzug (App. Lib. 297). In Bildwerken erscheinen Kultdiener als Träger von Räucherständern, z.T. zusammen mit Prunkschilden, beim Triumphzug (469).

227

Die kulturgeschichtliche Bedeutung der Rezeption von Räucherständern aus Griechenland wird aus den frühesten Beispielen seit dem 2.–1. Jh. v. Chr. deutlich. In dem bei Mahdia gesunkenen Handelsschiπ wurden neben einer grösseren Zahl normalgrosser candelabra aus Bronze fünf monumentale Räucherständer/Leuchter aus Marmor transportiert, die in griechischen Werkstätten für römische Abnehmer, wahrscheinlich zur Ausstattung luxuriöser Wohnsitze produziert wurden (465; Werkstätten in Griechenland: 464). Ebenso müssen die zahllosen candelabra, die Verres aus Sizilien geraubt hatte, für seinen und seiner Genossen privaten Gebrauch bestimmt gewesen sein (460). Andererseits weisen die Räucherständer an dem sullanischen Siegesdenkmal vom Kapitol in den öπentlichen Bereich von Sieg und Triumph (474). Es war also die militärische und ökonomische Aneignung griechischer Kultur in den öπentlichen und privaten Räumen, in den staatlichen Ritualen und persönlichen Lebensformen, bei der die Geräte des Rauchdufts im neuesten griechischen Stil eine herausragende Rolle spielten. Die Kontexte, in denen Räucher- und Lichtständer gebraucht wurden, sind nur selten durch Grabungen bekannt, lassen sich aber z.T. aus schriftlichen Quellen erkennen und aus einer reichen ikonographischen Überlieferung erschliessen. Weihung von Thymiaterien in Heiligtümern war eine verbreitete Praxis in Griechenland, die die Römer nach dem Zeugnis von Inschriften z.B. auf Delos übernommen haben (z.B. IDélos 1442 B 62– 63). Gesicherte Fundorte von marmornen Basen von turibula bzw. candelabra sind Heiligtümer östlicher Gottheiten (454), für Isis und Serapis in Rom und Alexandria sowie für Attis in Ostia (Cain, Kandelaber 18; vgl. CIL XIV 47); aus Inschriften sind Weihungen von candelabra in Heiligtümer z.B. für Iuno, Mercurius Augustus sowie ein Augustalen-Vereinshaus bezeugt (CIL VIII Suppl. 1, 12001; X 1, 114 [463] und 202); die Räucherständer des sullanischen Siegesdenkmals vom Kapitol gehören in den Kontext von Triumphfeiern für Iuppiter (474). Für den genauen Ort der Aufstellung ist das Iseum von Rom wohl ein Sonderfall, wo nach dem Zeugnis eines Reliefs aus Ariccia anscheinend das Kultbild von zwei Räucher-/Lichtständern flankiert wurde (470). Häufiger ist ‘dekorative’ Aufstellung zu vermuten, etwa zu Seiten der Eingangsportale von Tempeln und Heiligtümern, wie es in Griechenland bezeugt und auf Wandmalereien von Boscoreale und Oplontis wiedergegeben ist (472. 473; Cain, Kandelaber 15). Die beweglichen Geräte für den kultischen Gebrauch und weitere Votiv-Ständer müssen in den Tempeln auf bewahrt worden sein. Dem literarisch bezeugten Gebrauch von Weihrauch im Totenkult entspricht der Fund von marmornen Basen für turibula bzw. candelabra in Grabbezirken (Cain, Kandelaber 19–20). Ein Relief vom Grab der Haterii zeigt über einem Grabbau die Verstorbene auf einem lectus gelagert und vor ihr

228

2.b. cult instruments/instruments de culte

einen Prachtkandelaber mit lodernder Flamme (471); dass dabei zugleich an das Verbrennen von Weihrauch gedacht werden kann, legt das Zeugnis des Festus nahe, der die Aufstellung eines Altars für Rauchopfer vor den Verstorbenen bezeugt (acerra 429). Zwei weitere Kandelaber rahmen die Titulus-Inschrift desselben Grabes ein und bezeugen damit die grundsätzliche inhaltliche Übereinstimmung zwischen solchen Motiven in ‘realistischen’ Szenen und ‘dekorativer’ Verwendung. In diesem Sinn sind turibula/candelabra häufig als signifikanter Schmuck von Grabaltären, Aschenurnen, Sarkophagen und Grabbauten gebraucht worden (478; Sinn, F., Stadtrömische Marmorurnen [1987] Kat. 119–125. 519–520; Boschung, Grabaltäre 17 Kat. 297. 935; vgl. Kat. 773–775; Götze, B., Ein römisches Rundgrab in Falerii [1939] Abb. 1. 4a–e). Weiterhin wurden marmorne Kandelaber in öπentlichen Gebäuden wie Basiliken, Theatern, Thermen gefunden (Cain, Kandelaber 19). Daneben fanden Räucher- und Lichtständer verschiedener Grösse und aus verschiedenen Materialien vielfach in vornehmen Stadthäusern und Landvillen Verwendung, insbesondere im Rahmen von Banketten und Gelagen (Cain, Kandelaber 20–21). Hier mag mit diesen Geräten z.T. noch eine diπuse religiöse Stimmung evoziert worden sein, doch verliert sich diese Bedeutung oπenbar immer mehr in einer allgemeinen Atmosphäre des luxuriösen Wohllebens. In diesem Sinn einer sei es religiösen, sei es festlich-lebensfrohen Atmosphäre wurden Räucherund Lichtständer zu beliebten Symbolen aufwendiger Ausstattung von öπentlichen und privaten Gebäuden (Cain, Kandelaber 143–148). In ihrer ‘dekorativen’ Aufstellung an den Seiten von Portalen und anderen herausgehobenen Plätzen innerhalb architektonischer Anlagen trugen sie auch in den Zeiträumen zur festlichen Wirkung bei, in denen sie nicht in Funktion waren. Darum ist es denkbar, dass wertvolle Räucher- und Lichtständer – ebenso wie die zeitgleichen Kratere, Puteale, Weih-/ Schmuckreliefs – z.T. auch ohne konkrete Benutzung und gleichwohl in semantischer Signifikanz aufgestellt werden konnten (Dräger, O., Religionem significare [1994]). Dem entsprechend erscheinen turibula in der Bildkunst in einer bezeichnenden Selektion. Da in Szenen des Opfers ture ac vino die Hauptperson immer bei der Weinspende dargestellt ist, wird das Rauchopfer durch einen Kultdiener impliziert, der die acerra mit dem Geschenk des Weihrauchs hält (s.o); der Räucherständer hat dabei keine Funktion. Dagegen werden turibula gelegentlich in Prozessionen, zur Demonstration des religiösen Aufwands, vorgeführt (469). Vor allem aber haben Räucher- und Lichtständer, als Symbole einer Atmosphäre von religiöser und luxuriöser Festlichkeit, seit spätrepublikanischer und dann vor allem augusteischer Zeit weite Verbreitung in der Ausstattung öπentlicher und privater Räume mit Reliefs und in Malerei gefunden.

Bezeichnende Beispiele finden sich in religiösen Kontexten: Aus dem Heiligtum des Apollo auf dem Palatin stammen Terrakottaplatten mit Kanephoren zu Seiten eines Räucherständers sowie mit Mädchen, die einen Kandelaber schmücken (477); ein Fries mit Lorbeerzweiggirlanden, Bukranien und Kandelabern schmückt den Tempel des Apollo in circo (Nash, TopRom I Abb. 20); gleichzeitig erscheinen Kandelaber in dem Fries mit Kultinstrumenten aus dem Bereich des Circus Flaminius (475). Ähnliche kultische Bedeutung haben die Geräte im Bereich des Grabes (s.o.). In einem weiteren politischen, oft triumphalen Kontext sind Kandelaber bereits an dem sullanischen Siegesmonument vom Kapitol dargestellt (474); besonders eindrucksvoll sind sie in Prunkfriesen der domitianischen Aula Regia auf dem Palatin, der domitianischen Villa in Castel Gandolfo und am TrajansForum in Rom sowie in Zwischenfriesen am Trajans-Bogen von Benevent als achsiale Bezugspunkte von Eroten, Greifen und Victorien eingesetzt, als visuelle Orchestrierung des Triumphs (476; v. Blanckenhagen, P.-H., Flavische Architektur und ihre Dekoration [1940] Taf. 22–23; Packer, J. E., The Forum of Trajan in Rome [1997] I Kat. 108. 109). Nicht zuletzt erscheinen Räucherständer in der Wandmalerei privater Häuser bereits in republikanischer Zeit (472. 473, sog. 2. pompejanischer Stil); in augusteischer Zeit werden sie im sog. ‘Kandelaber-Stil’ (später 2.–3. pompejanischer Stil) zu Grundelementen der Wandgliederung, die trotz ihres ‘dekorativen’ Charakters ihre symbolische Bedeutung als Elemente einer Sphäre der pietas behalten (Ehrhard, W., Stilgeschichtliche Untersuchungen an römischen Wandmalereien [1987] 26–33. 43–45, 53–56). KATALOG literarische quellen 456. Liv. 29, 14, 13. – (Einholung des schwarzen Steins der Mater Magna, 204 v. Chr.:) «…und die ganze Bürgerschaft strömte ihr entgegen, und wo sie vorbeikam, waren turibula vor den Haustüren aufgestellt, und sie zündeten Weihrauch an und beteten…» 457. Val. Max. 3, 3 ext. 1. – «Ein vornehmer Knabe, der Alexander dem Grossen beim Opfer assistierte, hielt ein turibulum, als ihm ein Stück brennender Kohle auf den Arm fiel, dennoch ohne Regung in der Hand fest.» 458. Heron pneumatika 2, 22. – Beschreibung eines Leuchters (Ï˘¯Ó›·), bestehend aus einer Basis in Form einer dreiseitigen Pyramide (‚¿ÛȘ ÙÚ›ÁˆÓÔ˜ ηı¿ÂÚ ˘Ú·Ì›˜), darüber ein Schaft (η˘Ïfi˜), ein Kelch (οϷıÔ˜) sowie der Ölbehälter (χ¯ÓÔ˜). 459. Vitr. 7, 5, 3–4. – (Kritik an den irrealen Motiven der Wandmalerei seiner Zeit:) «Kandelaber, die Bilder von Tempelchen tragen.» 460. Cic. Verr. 2, 4, 46–48. – Kandelaber in allen Häusern Siziliens, von Verres massenweise gewaltsam angeeignet.

2.b. kultinstrumente/strumenti di culto

461. Lucr. 2, 352–353. – «Denn oft wird vor den schönen Tempeln der Götter ein Kalb geschlachtet nah den Altären, auf denen Weihrauch verbrennt (…aras turicremas…). S. auch Verg. Aen. 4, 453 und CIL III 2, 5773: ara turaria. epigraphische quellen 462. Act. arv. (87 n. Chr.); Scheid CFA Nr. 55 Z. 18–19. – «C. Salvius Liberalis, der den magister vertrat, opferte mit Weihrauch und Wein im Feuer auf dem Brandaltar (ture et vino in igne in foculo).» 463. Petelia. Basis einer Ehrenstatue für M.’ Meconius, von Augustalen gesetzt. – CIL X 1, 114. – Testamentarische Verfügung des Meconius, u.a. für Erwerb von Kandelabern durch die Augustalen. realia 464. Basis eines Räucherständers, Marmor. Marseille, Mus. d’Arch. méd. 1585. – Cain, Kandelaber 4–5. 14 Taf. 4, 3. – Ende 2. Jh. v. Chr. – Von Sosinikos, Sohn des Euagoras, in das Heiligtum des Sarapis, der Isis und des Anubis auf Delos geweiht. 465.* Fünf Räucherständer/Kandelaber aus dem Schiπsfund von Mahdia, Marmor. Tunis, Bardo C 1207–1211. – Cain, Kandelaber Kat. 115– 119 Taf. 7, 1–3. – Frühes 1. Jh. v. Chr. 466. Räucherständer/Kandelaber, Marmor. Rom, Pal. Cons. 1115. – Cain, Kandelaber Kat. 77. – Augusteisch. – Feuerschale ergänzt. bildzeugnisse 467. Compital-Altar. Vatikan 311. – Scott Ryberg, Rites 58–59 Abb. 29a; Simon, E., in Helbig4 I Nr. 83; Fless, Opferdiener 17–18. – 7. Jh. v. Chr. – Zwei Vicomagistri opfern gemeinsam Weihrauch und Wein auf einem Altar. 468. (= II 3 a Reinigung, röm. 28a*) TrajansSäule. Szene VIII: Lustratio. Rom. – Scott Ryberg, Rites 110–111; Lepper, F./Frere, Sh., Trajan’s Column (1988) 58–59 Taf. X; Koeppel, HistRel VIII 141–144; Coarelli, F., La colonna traiana (1999) Taf. 8. – 106–113 n. Chr. – Trajan opfert mit patera auf Altar mit brennender Flamme, kein Träger einer acerra. – Vgl. die Feldherrn-Sarkophage in Scott Ryberg, a.O. Abb. 90–92. 469. Fries mit Triumphzug (Fr.). Neapel, Mus. Naz. 6722. – Scott Ryberg, Rites 149–150 Abb. 81 c; Koeppel, HistRel I 97; Cain, Kandelaber 13–14 Taf. 5, 2; Fless, Opferdiener 26 Kat. 16 Taf. 7, 1. – Frühe Kaiserzeit. – Zwei ministri tragen Räucherständer. – S. auch die ministri mit Räucherständern/Kandelabern auf dem kleinen Fries des TitusBogens: Pfanner, M., Der Titusbogen (1983) 82–83. 470.* (= 1397a) Relief-Fr. mit Heiligtum der Isis. Rom, Pal. Altemps 77255. Aus Ariccia, wohl von einem Grabbau. – Lembke, K., Das Iseum Campense in Rom (1994) 18. 174–178 Taf. 3, 1; Cain, Kandelaber 16. 19 Taf. 2, 1. – Um 100 n. Chr. – In der oberen Zone Architektur-Prospekt, wahrscheinlich Südteil des Iseum Campense in Rom; in der Mittelnische Kultbild, gerahmt von zwei Räucherständern.

229

471.* Reliefs aus dem Grab der Haterii. Vatikan, Mus. Greg. Prof. 9998 und 10011; Rom, Mus. Naz. Rom. 387540. – Sinn, F., in MusGregProfSkulpt I 2 (1996) 37–39 Nr. 1; 51–59 Nr. 6. – 100–120 n. Chr. – Titulus-Inschrift, von Räucherständern/Kandelabern gerahmt. Relief mit Grabbau, darüber die Verstorbene auf lectus, vor ihr prunkvoller Räucherständer/Kandelaber mit Flamme. Vgl. dazu die eindeutigen Fackeln und Lampenständer auf dem Relief mit der Auf bahrung, a.O. Taf. 8. 472. Wandmalerei in der Villa von Boscoreale, Triclinium (Neapel, Mus. Naz.) und Cubiculum (New York, MMA 03.14.13 = I 2 c Rauchopfer 56*). – Lehmann, Ph. W., Roman Wall Paintings from Boscoreale (1953) Abb. 17 Taf. 18–19; Cain 15. 19. 25 Taf. 1, 1. – Um 50 v. Chr. – Architekturprospekte: Prunktüre, gerahmt von zwei Räucherständern mit figürlichem Schmuck an Basis und Bekrönung; Durchblick auf Heiligtum, in Achse niedriger Räucherständer mit durchbrochener Abdeckung. 473. Wandmalerei in der Villa von Oplontis, Triclinium. – Cain, Kandelaber 15. 19; Taf. 2, 4; De Franciscis, A., in Andreae, B./Kyrieleis, H. (Hsg.), Neue Forschungen in Pompeji (1975) 9–38 Abb. 4–5. 17. 23. – Um 50 v. Chr. – Architekturprospekt: Prunktüre, gerahmt von zwei Kandelabern; Prunktüre, darüber Durchblick auf Heiligtum, gerahmt von zwei Räucherständern. 474.* Sockel eines Siegesdenkmals vom Kapitol, wohl von Bocchus von Mauretanien für Sulla errichtet. Rom, Mus. Cap., Centrale Montemartini 2749–2752. –Hölscher, T., in Tainia. FS R. Hampe (1980) 359–371; Cain, Kandelaber 16 Taf. 2, 2. – Um 90 v. Chr. – Victorien schmücken Siegesschild, gerahmt von zwei Räucherständern, aufgereihte Prunkwaπen. 475. (= 18*) Fries mit Kultinstrumenten und Seesieg-Symbolen. Rom, Mus. Cap. – Räucherständer/Kandelaber gliedern abwechselnd mit Bukranien die religiösen und triumphalen Symbole. 476. (= 13 c) Zwischenfriese des TrajansBogens von Benevent. – Hassel, F. J., Der Trajansbogen in Benevent (1966) 20–21 Taf. 22, 1–2; Rotili, M., L’arco di Traiano a Benevento (1972) Taf. 27–35; Fless, Opferdiener 26–28. – Zwei Kultdiener fassen Räucherständer/Kandelaber zwischen sich an. Zwei Victorien töten Stiere, dazwischen Räucherständer/Kandelaber, mit infula geschmückt. 477.* Terrakotta-Reliefs (sog. CampanaReliefs) vom Tempel des Apollo auf dem Palatin. Rom, Mus. Palatino 379.052. – Strazzulla, M. J., Il principato di Apollo (1990) 29–33 Abb. 7. – Ähnliche Platten: v. Rohden/Winnefeld 214 Taf. 33. – Um 30 v. Chr. – Prunkvoller Räucherständer, gerahmt von zwei Mädchen mit Opferkörben auf dem Kopf. 478. Sarkophag Caπarelli. Berlin, Staatl. Mus. Sk 843a. – Rodenwaldt, G., Der Sarkophag Caπarelli, 83. BerlWPr (1925); Koch/Sichtermann, RömSark 38–39. – Um 20–40 n. Chr. – Auf Nebenseiten Räucherständer zwischen zwei Lorbeerbäumen. tonio hölscher