Steuern. Sachverhalt: Was kann man jetzt tun?

259 KASACHSTAN Der rechtliche Rahmen und die Rechtssicherheit in Kasachstan sind relativ gut entwickelt, wobei es auch erhebliche Schwachstellen gib...
Author: Nadine Hertz
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KASACHSTAN Der rechtliche Rahmen und die Rechtssicherheit in Kasachstan sind relativ gut entwickelt, wobei es auch erhebliche Schwachstellen gibt. Deutsche Unternehmen unterhalten mit ca. 200 Repräsentanzen und Filialen sowie mit 400 in Kasachstan ansässigen Tochtergesellschaften Handelsbeziehungen mit kasachischen Partnern. Weitere 1.500 Unternehmen agieren auf dem kasachischen Markt von Deutschland und/oder von Russland aus. Im Jahr 2016 sind vermehrte Investitionen aus China zu erwarten. Bei einem Besuch von dem kasachischen Präsidenten Nasarbajew in Peking im September 2015 wurden milliardenschwere Projekte unterzeichnet. Ähnlich wie in Russland kann die erste Kontaktaufnahme mit einem kasachischen Geschäftspartner mit Kommunikationsschwierigkeiten verbunden und durch kulturelle Differenzen geprägt sein. Für die Begründung einer erfolgreichen Handelsbeziehung ist der enge persönliche Kontakt zu den kasachischen Geschäftspartnern maßgeblich. Entscheidend für einen erfolgreichen Start-up auf dem kasachischen Markt sind eine gründliche Vorbereitung und die Kenntnis der kasachischen Geschäftsgestaltung. Statt ein viel Erfolg versprechendes Geschäft unter Verwendung von Standard-Verträgen abzuwickeln und einen fachkundigen Berater erst dann einzuschalten, wenn es bereits zu einem Rechtsstreit gekommen ist, empfiehlt es sich, sich zunächst Klarheit über die Bonität und Zuverlässigkeit des kasachischen Vertragspartners, insbesondere bei neuen Geschäftsbeziehungen, zu verschaffen. Bereits hierdurch kann der größte Teil der Schwierigkeiten, der in grenzüberschreitenden Lieferbeziehungen mit kasachischen Partnern in der Praxis nicht selten festgestellt werden kann, vermieden werden. Wer hier beide Augen verschließt, handelt grob fahrlässig. Bemerkenswerterweise gilt hier nach wie vor der Grundsatz von Lenin: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Erhebliche Risiken ergeben sich insbesondere bei der Vertragsgestaltung. Das fehlende Vertrauen der Bevölkerung in das Gerichtswesen und in die Unabhängigkeit der Justiz haben einen Grund. Der hohe Grad der Korruption, die nach wie vor unzureichende Ausbildung von Richtern sowie die ineffiziente Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen sind die Ursachen für das Misstrauen. Ein gut beratenes deutsches Unternehmen sollte sich gegen einen möglichen Zahlungsausfall bereits dadurch schützen, dass nur nach dem Prinzip der Vorauskasse agiert wird. Bei einer Unternehmensgründung in Kasachstan ist neben der richtigen Unternehmensform insbesondere auch die Auswahl des lokalen Geschäftsführers sorgfältig vorzunehmen. Vor dem Hintergrund, dass die Beschränkungen der Vertretungsmacht des Geschäftsführers nur im Innenverhältnis gelten und die Gesellschaft die Beweislast dafür trägt, dass ihr Vertragspartner zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses von den Beschränkungen im Außenverhältnis wusste, gilt es ausreichende Kontrollmechanismen in der Satzung zu verankern. Bei Vertragsschlüssen

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sollte deshalb stets ein aktueller Nachweis einer Vertretungsberechtigung, respektive der Beschluss über die Bestellung des Geschäftsführers vorgelegt werden, dem solche weiterführenden Informationen entnommen werden können. Rödl & Partner ist in Kasachstan mit dem Standort in Almaty vertreten. Mit einem Team von kasachischen und deutschen Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern unterstützen wir unsere Mandanten seit 2009 in allen Fragen von Investitionen in einem der wichtigsten Zukunftsmärkte zwischen Europa und Asien – in deutscher Sprache und aus einer Hand.

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Steuern Sachverhalt: Ein in Deutschland ansässiges Unternehmen lieferte eine Anlage nach Kasachstan. Es fand eine vertragliche Preisaufteilung zwischen den Lieferanteilen und den lokalen Leistungsanteilen (Supervision, Beratung und Service) statt. Im Zusammenhang mit der Erbringung von Leistungen in Kasachstan wurde entsprechend dem kasachischen Steuerrecht eine steuerliche Betriebsstätte angemeldet. Die Abrechnung der lokalen Dienstleistungen sollte erst nach Beendigung des Projekts erfolgen. Das Unternehmen vertrat die Ansicht, dass die Abgabe von Steuererklärungen nicht notwendig sei, da ohnehin nur „Nullsteuererklärungen“ abgegeben werden müssten. Sämtliche Kosten, die im Rahmen des Gesamtprojekts auf die Erbringung lokaler Dienstleistungen entfielen, sollten erst nach Abschluss der Arbeiten durch Abgabe einer Gesamtsteuererklärung im kasachischen Inland gewinnmindernd geltend gemacht werden. Während eines Zeitraumes von mehr als zwei Jahren wurden im Ergebnis weder Quartals- noch Jahressteuererklärungen für die Betriebsstätte abgegeben. Die Abgabefrist für diese Zeiträume war längst verstrichen, als sich das Unternehmen an Rödl & Partner wandte.

Was kann man jetzt tun? Nach der steuerlichen Prüfung des Sachverhalts wurde dem Unternehmen mitgeteilt, dass der Abzug von Geschäftsführungs- und allgemeinen Verwaltungsaufwendungen auch für die Betriebsstätte einer nicht ansässigen juristischen Person möglich ist, um den in Kasachstan erzielten Gewinn zu minimieren. Es wurde zudem mitgeteilt, dass auch diejenigen Aufwendungen, die in den vergangenen zwei Jahren der Betriebsstätte entstanden sind, im Rahmen der Abgabe einer Körperschaftsteuererklärung noch als Betriebsausgabe geltend gemacht werden können und mithin nicht verloren sind. Trotz der gegebenen grundsätzlichen Möglichkeit der Verringerung der steuerlichen Bemessungsgrundlage entstand die Situation, dass aufgrund der Nichtabgabe einer (Null-)Steuererklärung Säumniszuschläge und Ordnungsgelder gezahlt werden mussten.

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Was hätte man von Beginn an anders machen sollen? Die Frage des Abzugs von Geschäftsführungs- und allgemeinen Verwaltungsaufwendungen hätte unmittelbar nach der Registrierung der Betriebsstätte des Unternehmens als nicht ansässige juristische Person zwingend mit fachkundigen Beratern erörtert werden müssen. Das Unternehmen wäre in so einem Fall dahingehend beraten worden, dass die nach dem kasachischen Recht anzuerkennenden Aufwendungen durch zwei Methoden, nämlich die proportionale Aufteilung und die unmittelbare Zuordnung von Aufwendungen zu Abzugszwecken, ermittelt werden können. Das Unternehmen hätte nicht nur die Möglichkeit gehabt, von Beginn an Buchhaltungsunterlagen an die Anforderungen der handelsrechtlichen Rechnungslegung in Kasachstan anzupassen, sondern auch die Zahlung von Säumniszuschlägen und Ordnungsgeldern vermieden.

Steuern Sachverhalt: Ein in Deutschland ansässiges Unternehmen (Verleiher) überließ seine Arbeitnehmer an ein anderes deutsches Unternehmen mit einer Niederlassung in Kasachstan (Entleiher) auf der Grundlage eines Rahmenarbeitnehmerüberlassungsvertrages. Ob durch die Arbeitnehmerüberlassung das in Kasachstan nicht ansässige Unternehmen eine steuerliche Betriebsstätte begründen könnte und deshalb in Kasachstan seine Erlöse besteuern müsste, ist von keiner Seite geprüft worden. Die Arbeitnehmer sind von Deutschland aus an den kasachischen Endkunden weiterverliehen worden. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden deutschen Unternehmen funktionierte bis zu dem Zeitpunkt, als der kasachische Endkunde die Behauptung aufgestellt hat, der Verleiher habe in Kasachstan durch die Arbeitnehmerüberlassung eine steuerliche Betriebsstätte begründet. Das dem Verleiher zustehende Entgelt für die Arbeitnehmerüberlassung unterliege der Quellenbesteuerung in Höhe von 20 Prozent durch den in Kasachstan ansässigen Entleiher, so der kasachische Endkunde. Dies gelte auch für die Vergangenheit, wobei den Entleiher die subsidiäre Haftung treffe, falls dieser nicht die Quellensteuer einbehalte und an den kasachischen Fiskus abführe. Aus Angst zu haften, hat der Entleiher in der Folgezeit den Verleiher für die Arbeitnehmerüberlassung nicht vergütet und die Quellensteuer (teilweise) auf eigene Kosten abgeführt.

Was kann man jetzt tun? Nach der steuerlichen Prüfung des Sachverhalts wurde festgestellt, dass weder nach dem kasachischen Recht noch nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik

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Deutschland und der Republik Kasachstan im konkreten Fall der Verleiher in Kasachstan eine steuerliche Betriebsstätte begründet hat. Die Informationen des kasachischen Endkunden waren schlicht nicht zutreffend. Der Entleiher war nicht verpflichtet, die Quellensteuer vor der Auszahlung des Entgelts an den Verleiher einzubehalten. Die entstandenen Irritationen konnten im Rahmen einer gemeinsamen Telefonkonferenz ausgeräumt werden. Der Entleiher hat die Erstattung der von ihm ohne Rechtsgrund in lokaler Währung gezahlten Quellensteuer beantragt. Die Steuererstattung ist ein langwieriger Prozess, der in Kasachstan Monate dauert und auch zum Anlass für eine steuerliche Prüfung genommen werden kann. Zudem ergibt sich aufgrund der Dauer des Erstattungsverfahrens das Risiko der zwischenzeitlichen Abwertung des kasachischen Tenge, der zu erheblichen Abschreibungen, teilweise bis zu 25 Prozent, führen könnte.

Was hätte man von Beginn an anders machen sollen? Die Frage der Entstehung einer steuerlichen Betriebsstätte ist stets bei einem Engagement im Ausland zu stellen. Im vorliegenden Fall hätte man diese Frage, welchem Staat die Besteuerung der Einkünfte aus der Arbeitnehmerüberlassung zusteht, noch vor Abschluss entsprechender Vereinbarungen klären müssen. Nach der Prüfung der Rechtslage wäre dem Verleiher mitgeteilt worden, welche Fallkonstellationen bei einer gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung zur Begründung einer steuerlichen Betriebsstätte für den Verleiher sowohl nach dem internationalen als auch nach dem lokalen Steuerrecht führen. In einem solchen Fall hätten der Entleiher Äußerungen des kasachischen Unternehmens nicht zur Zahlung an den kasachischen Fiskus veranlasst.

Recht Sachverhalt: Eine Rechtsanwaltskanzlei beriet ein Mineralölunternehmen, das Schmierstoff an ein kasachisches Unternehmen lieferte. Dem lag ein Handelsvertrag zugrunde, in dem die Rechtsanwaltskanzlei für den Fall von Rechtsstreitigkeiten die Zuständigkeit des Gerichts in Köln festlegte. Nach langwierigen Verhandlungen mit dem kasachischen Vertragspartner wandte sich die Rechtsanwaltskanzlei an das Team von Rödl & Partner in Almaty. Es wurde festgestellt, dass die kasachische GmbH zwischenzeitlich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt hatte.

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Was kann man jetzt tun? Zwischen Kasachstan und Deutschland existiert kein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Urteile. Die Folgen einer solchen Gerichtsstandvereinbarung sind die, dass ein deutsches Gerichtsurteil in Kasachstan nicht vollstreckbar ist und der Schuldner im Falle einer gerichtlichen Geltendmachung in Kasachstan mit einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Einrede der Unzuständigkeit erhoben hätte. Die Vereinbarung eines kasachischen Gerichtsstandes wäre die bessere Wahl.

Was hätte man von Beginn an anders machen sollen? Es empfiehlt sich stets, die Möglichkeit zu erwägen, eine Schiedsgerichtsklausel in den Vertrag aufzunehmen. Kasachstan ist dem New Yorker Übereinkommen von 1958 „über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche“ im Jahr 1996 beigetreten. Sowohl Kasachstan als auch die Bundesrepublik Deutschland haben dieses Übereinkommen ratifiziert. Im vorliegenden Fall hätte beispielsweise der kasachische internationale Schiedsgerichtshof mit Sitz in Almaty als zuständiges Gericht benannt werden können. Dann bestünde die Möglichkeit, den Ablauf und die Gestaltung eines Gerichtsverfahrens selbst zu bestimmen. Zudem hätte die Möglichkeit genutzt werden können, sich über die Solvenz des kasachischen Unternehmens als Schuldner zu erkundigen. Es besteht insofern die Möglichkeit, prüfen zu lassen, ob gegen ein kasachisches Unternehmen Gerichtsverfahren anhängig sind und ob dieses Unternehmen in den letzten Quartalen im Vergleich zu den Vorjahren überhaupt Steuern gezahlt hat. Beides sind wichtige Indikatoren einer drohenden Zahlungsunfähigkeit.

Recht/Verwaltung Sachverhalt: Ein erfolgreiches deutsches Unternehmen vereinbarte unter Zwischenschaltung einer kasachischen GmbH mit dem Ministerium die Lieferung eines Gerätes zum Druck von Pässen. Die Lieferung dieses Gerätes über die kasachische GmbH an die Behörde selbst war aus der Sicht des deutschen Unternehmens wirtschaftlich sinnvoll, weil kasachische Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen nach der kasachischen Gesetzgebung gegenüber ausländischen Unternehmen bevorzugt behandelt werden. An die Vereinbarung eines Bürgschaftsvertrages mit der Behörde ist zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Kaufvertrages mit der kasachischen GmbH nicht gedacht worden. Der Geschäftsführer der kasachischen GmbH sicherte – nachdem eine sechsstellige Restkaufpreisforderung

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über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr nicht ausgeglichen wurde – zu, innerhalb eines Monats einen Schuldübernahmevertrag zu unterzeichnen und für die Verbindlichkeit der GmbH aufzukommen. Nach Ablauf der Monatsfrist wurde festgestellt, dass bei dem kasachischen Partner ein Geschäftsführer- und Gesellschafterwechsel stattfand und sich die kasachische GmbH nunmehr in der Liquidation befand.

Was kann man jetzt tun? Mangels eines Bürgschaftsvertrages sowie des verspäteten Herantretens an den (ehemaligen) Geschäftsführer ist eine Erfüllung der Verbindlichkeit durch die kasachische GmbH als einzige Schuldnerin aussichtslos. Aufgrund der guten Zusammenarbeit zwischen dem deutschen Unternehmen und der kasachischen Behörde bleibt nunmehr zu hoffen, dass diese Forderung durch die Behörde übernommen wird.

Was hätte man von Beginn an anders machen sollen? Auf der vertraglichen Ebene bestand nach dem kasachischen Recht die Möglichkeit, für das zwischengeschaltete Unternehmen zu bürgen. Die Gestaltung des Bürgschaftsvertrages zwischen den deutschen Unternehmen und der kasachischen Behörde als Endabnehmer hätte zur Wahrung der Interessen aller Beteiligten zwingend vorgenommen werden müssen. Die Experten von Rödl & Partner raten deshalb dazu, entweder nach dem Prinzip der Vorauskasse zu agieren oder sich bei internationalen Sicherungsgeschäften professionellen Rat zu holen.

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