Stellungnahme des Deutschen Frauenrates

Stellungnahme des Deutschen Frauenrates zum Entwurf des Berichts vom 19.Mai 2008 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales „Lebenslagen in Deutsc...
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Stellungnahme des Deutschen Frauenrates zum Entwurf des Berichts vom 19.Mai 2008 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales „Lebenslagen in Deutschland – der 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung“ Grundsätzliche Vorbemerkung Armut ist immer auch ein Frauenthema: Da (zum Beispiel) die gesetzliche Rentenversicherung an das Erwerbseinkommen anknüpft und frauentypische Erwerbsunterbrechungen nur in geringem Umfang kompensiert, wird Altersarmut ohne die „Auffanglösung“ der Hinterbliebenenversicherung auf absehbare Zeit ein reines Frauenthema bleiben. Alle „frauentypischen Erwerbsunterbrechungen“ sind Armutsfallen. Eine typische Fallkonstellation – seit Jahrzehnten unverändert in ihrer Grundstruktur - sieht wie folgt aus: Eine gut ausgebildete Frau mit einem durchschnittlich bezahlten Vollzeitarbeitsplatz heiratet einen ebenso situierten Mann, welcher statistisch betrachtet 22% mehr verdient als sie. Die Ehegatten werden gemeinsam steuerlich veranlagt – wobei zunächst beide die Lohnsteuerklasse IV wählen. Mit dem ersten Kind wird – seit 2007 – Elterngeld beantragt. Nach Ablauf eines Jahres arbeitet die Mutter in Teilzeit, weil die Betreuungssituation keine andere Wahl lässt. Man wechselt die Lohnsteuerklassen, weil dies ökonomisch vernünftig erscheint – das Nettoeinkommen der Mutter erscheint in Lohnsteuerklasse V schlagartig minimal. Da sowohl die Teilzeitbetreuung wie auch die Teilzeitarbeit Kosten verursachen, treffen beide Ehepartner die „ökonomisch vernünftige“ Entscheidung gegen eine Erwerbstätigkeit der Mutter – bzw. für einen „Hinzuverdienst“ auf 400,-- € Basis, welcher bei der gemeinsamen Veranlagung unberücksichtigt bleibt, d.h. den Splittingvorteil nicht berührt. Wenn – zwischenzeitlich ist das zweite Kind geboren - einige Jahre später eine Trennung durch Scheidung eintritt, der Steuerklassenvorteil der Lohnsteuerklasse III entfällt und das neue Unterhaltsrecht die Mutter unter Hinweis auf ihre Berufsqualifikation auf den Erwerbsarbeitsmarkt schickt – ist sie dort chancenlos. Der frühe Tod des Partners hätte ähnliche Folgen. Ohne einen familiären Hintergrund sind ihre Chancen, in Armut zu enden, hoch. Überzeugende Beispiele auch für Zumutungen des Verwaltungsverfahrens werden im „Schwarzbuch Hartz IV und Alleinerziehende“ des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV; Mitglied im DEUTSCHEN FRAUENRAT) zusammengestellt – die Veröffentlichung aus dem Jahr 2006 ist ungebrochen aktuell und bereits vergriffen – aber im InterNet als PDF-Datei (http://www.vamv.de/PDFs/VAMV_SW_Inhalt_RZneu1.pdf) verfügbar. Der DEUTSCHE FRAUENRAT hätte sich deshalb für die Berichterstattung eine Auseinandersetzung mit diesen frauentypischen Armutsfallen gewünscht. Das leistet der Bericht jedoch nicht. Stattdessen lässt er eine Verknüpfung verschiedener Phänomene, deren Hintergründe und Auswirkungen über die jeweiligen Kapitel hinausgehen, vermissen – wenn man absieht von der Aussage auf Seite XVII: „Nicht wahrgenommene Chancen können ein Indiz Stellungnahme des Deutschen Frauenrates 3. Armuts-Reichtumsbericht

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dafür sein, dass das gesellschaftliche Angebot nicht ausreichend zielgruppenspezifisch ausgerichtet ist und deshalb auf seine Wirksamkeit überprüft werden muss“. Der DEUTSCHE FRAUENRAT möchte an dieser Stelle deutlich Widerspruch anmelden zur These, dass unzulängliche Rahmenbedingungen und steuerrechtlich wie sozialpolitisch gefährliche Weichenstellungen, deren Tragweite die Bürgerin und auch der Bürger nicht ohne Weiteres überblicken, als „individuell verpasste Chancen“ interpretiert werden. Der eingangs geschilderte Fall ist im Bericht hinter den folgenden Aussagen wieder zu erkennen: Bei den Kernaussagen (S. XX) wird zutreffend ausgeführt, dass





eine sozial abgesicherte, vollzeitnahe Beschäftigung der Schlüssel zur Armutsvermeidung



und dass Bildung der Schlüssel zur Teilhabe ist.

Weiter wird gesagt,  dass Frauen ihre Chancen nutzen – weil sie im Bildungsbereich und in der Erwerbsbeteiligung gegenüber den Männern aufholen 

und damit ihre Chancen erhöhen auf eine Existenz sichernde Erwerbsarbeit.

Die Nutzung der Chancen durch bessere Bildung und Erwerbsbeteiligung führt bei Frauen zur Erhöhung ihrer Chancen auf eine eigenständige Existenzsicherung. Es fehlt die Verknüpfung der Befunde: Frauen können ihre Chancen häufig nicht wahrnehmen, weil die Betreuungssituation für Kinder aller Altersstufen und pflegebedürftige Familienangehörige nicht ausreichend ausgestattet ist. Die Unwirksamkeit des Angebots ist hinreichend bekannt. An seiner Verbesserung wird gearbeitet, wobei die politisch Verantwortlichen mehrheitlich, an überkommenen Rollenstereotypen festhaltend, messbare Fortschritte blockieren mit Finanzierungs- und Zuständigkeitsargumenten bei gleichzeitig behaupteter Aufgeschlossenheit für die Überwindung der geschlechtsspezifischen Chancenungleichheit. Fazit: Wer seine Chancen optimal wahrnimmt, wird unter den gegebenen Rahmenbedingungen auf seinen Beitrag zu dem weiteren Ziel der Bundesregierung, „die Zahl der Geburten zu erhöhen“ (S.199) verzichten, da dies sich in vielen Fällen als Armutsfalle erweist. Weitere Beispiele für fehlende Verknüpfungen: So wird im Kapitel „Politische und gesellschaftliche Partizipation (C VIII)“ zwar als ein Grund für das nicht sehr hohe zivilgesellschaftliche Engagement von Erwerbslosen mangelndes Zutrauen genannt, unerwähnt bleibt aber, dass zahlreiche Kontakte im direkten oder auch indirekten Zusammenhang mit der Erwerbsarbeit geknüpft werden, dass zahlreiche Ziele gesellschaftlichen Engagements auch inhaltlich unmittelbar mit der Erwerbsarbeit zusammenhängen, dass Erwerbslosigkeit häufig sinkendes Ansehen im näheren oder weiteren Umfeld nach sich zieht und mithin sowohl die mangelnde persönliche Kraft als auch das Zutrauen anderer bewirken, dass Erwerbslose ein zivilgesellschaftliches Engagement erst gar nicht aufnehmen oder ein vorher vorhandenes einschränken oder gar beenden. Insgesamt ist dem Bericht deutlich anzumerken, dass er nicht nur von unterschiedlichen Menschen, sondern von unterschiedlichen Abteilungen mit einem deutlich voneinander abweichenden Verständnis für Geschlechtergerechtigkeit geschrieben wurde. Während in einigen Passagen die Texte gendergerecht formuliert sind, ist dies in anderen überhaupt nicht der Fall. Dies setzt sich fort in den Inhalten – so sind z. B. im Kapitel Gesundheitliche Situation und Pflegebedürftigkeit (C VI) die Daten zur Situation von Frauen und Männern sehr gut spezifisch aufgelistet, ebenso im Kapitel Menschen mit Migrationshintergrund (C IX), während dies im Kapitel Erwerbstätigkeit (C IV) nur bedingt der Fall ist. Dies ist nicht nur grundStellungnahme des Deutschen Frauenrates 3. Armuts-Reichtumsbericht

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legend nicht sachgerecht, sondern verzerrt auch deutlich die Beschreibung der Situation. Insofern erweist sich der Vorschlag, das Kriterium „Geschlecht“ bei allen Kern-Indikatoren konsequent und nachvollziehbar mit zu verfolgen, der leider im Beraterkreis keine Mehrheit fand, erneut als sachlich geboten. Ganz grundsätzlich ist die Bundesregierung zu fragen, warum sie Datenerhebungen und Auswertungen (EVP, SOEP etc.) nicht zeitlich so steuert, dass die Ergebnisse einfließen können in allfällige Regierungsberichte, die ja Grundlage künftigen Regierungshandelns werden sollen. Die Argumentation unter II.1.4 und 1.5.3. (Integrierte Analyse von Einkommen und Vermögen), mit der dargelegt wird, warum für den 3. Bericht andere Datengrundlagen verwendet wurden als für den 2. Armuts-Reichtumsbericht, vermag nicht zu überzeugen. Zumindest wäre zu erwarten gewesen, dass die unterschiedlichen Panels – zumal sie zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen – in ihrer Unterschiedlichkeit im Bericht vorgestellt werden und nicht nur im Anhang erwähnt. Einige Beispiele (ausgewählt): Bruttolohnentwicklung - Lebenshaltungskosten C.II.1.1.: Auf Seite 11 wird bei der Entwicklung der Bruttolöhne und –gehälter die Steigerung von 0,3 % in 2005 über 0,9 % in 2006 bis hin zu 1,3 % in 2007 beschrieben. An dieser Stelle wäre ein Hinweis auf die Preise und Lebenshaltungskosten angebracht, welcher leider erst 100 Seiten später kommt. Im Rahmen der Erörterung des Anstiegs der Wohnungskosten (um weniger als 1%) wird darauf hingewiesen, dass die allgemeinen Lebenshaltungskosten (ohne Wohnungskosten) vergleichsweise alljährlich um 1,6 % gestiegen sind. Das heißt: der Lohnkostensteigerung von 1,3 % steht eine Steigerung der Lebenshaltungskosten von mindestens 1,6% zzgl. der ebenfalls gestiegenen Wohnkosten gegenüber. Für die endgültige Fassung sollte eine verbindende Kommentierung ergänzt werden. Mit Blick auf die nach wie vor ungleiche Entgelte für gleichwertige Arbeit und die Tatsache, dass sich Frauen deutlich häufiger als Männer in den niedrigen Entgeltgruppen befinden, unterstützt der Deutsche FRAUENRAT alle Bemühungen zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 7.50€. Für Frauen in den unteren Entgeltgruppen wäre dies ein erster Schritt zur Entgeltgleichheit. Alterseinkommen C. II.1.6.: Die Darstellung der „Zukünftigen Alters- und Vermögenssituation im Alter“ vermischt die Rentner und Rentnerinnen von heute, deren Situation durch die schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nur insoweit betroffen ist, als sie keine Rentenerhöhungen bekommen, mit der Situation der zukünftigen Rentnerinnen und Rentner, die wegen der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erwerbslos oder nur eingeschränkt erwerbstätig sind und keine bzw. nur unzureichende Anwartschaften aufbauen können. Wenn im Maßnahmenteil die Rente mit 67 als Armutsvermeidungsstrategie bezeichnet wird, weil sie die Stabilität der Gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich garantiert, fehlen auch hier entscheidende geschlechtsspezifische Aussagen zur zukünftigen Armutsvermeidung: wer nach 45 Beitragsjahren privilegiert auch weiterhin schon mit 65 Jahren in Rente gehen kann, ist ganz überwiegend männlichen Geschlechts (27,2%) – während bestenfalls 4,2 % Frauen von der neuen Rentenart profitieren1. Frauen müssen also überproportional häufig bis zum 67 Lebensjahr arbeiten – wenn sie denn einen Arbeitsplatz haben. Hier fehlen, nach Geschlecht getrennt erhobene, Zahlen, die differenziert darstellen, ob der Renteneintritt aus Erwerbstätigkeit oder aus Erwerbslosigkeit erfolgt.

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Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit und EU-Rechts-Konformität: Rust/Westermann in SGb 5/08, S. 272 ff (Die Sozialgerichtsbarkeit) „45 Jahre: ein Stellvertretermerkmal für den Ausschluss versicherter Frauen?“ Stellungnahme des Deutschen Frauenrates 3. Armuts-Reichtumsbericht

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Auch die zunehmende Bedeutung zusätzlicher Altersvorsorge wirkt sich geschlechtsspezifisch aus. Die bestehenden Entgeltdifferenzen finden nicht nur ihre Fortsetzung in der erwerbseinkommenabhängigen gesetzlichen Rentenversicherung, sie führen in vielen Fällen auch dazu, dass Frauen kein Geld übrig haben für zusätzliche Vorsorgemaßnahmen. Der DEUTSCHE FRAUENRAT erwartet, dass in der endgültigen Berichtsfassung aussagekräftige Ergänzungen vorgelegt werden. Mindestsicherung SGB XII C.II.2.2.2. Bei der Mindestsicherung stellt der Bericht es als einen Fortschritt der SGB XIIReform dar, dass „einmalige Sozialhilfeleistungen“ in die Gesamtleistung integriert wurden – d.h. „aus einer Hand“ gewährt werden. Damit sei nicht nur Verwaltungsvereinfachung erreicht, sondern es seien auch die Bürgerin und der Bürger entlastet worden – da er/sie mehr Dispositionsfreiheit genieße. Hier fehlen Aussagen zur Effizienz der so gewährten „Hilfe zum Lebensunterhalt“ – wobei für die endgültige Fassung des Berichts sicher die Sozialverbände mit konkreten Fragestellungen und Zahlen aufwarten können. Erwerbstätigenquoten C.IV.1.1.: Hier wird dargelegt, dass die Bundesregierung die im Lissabon-Prozess vereinbarte Zielsetzung der Steigerung der Erwerbstätigenquote bei den Frauen bereits übererfüllt hat – wobei der Hinweis darauf fehlt, dass diese Steigerung nicht einher geht mit einer Steigerung des Arbeitszeitvolumens. Tatsächlich teilen die Frauen das unveränderte Arbeitsvolumen unter sich auf2. Auch dieser Befund sollte in der endgültigen Berichtsfassung Erwähnung finden. Entwicklung der Arbeitslosigkeit C. IV.2.2.: Die Darstellung der Arbeitslosenquoten weist einen Rückgang bei den Frauen in Ostdeutschland auf, ohne dass Gründe für diesen Rückgang benannt würden. Von erheblicher Bedeutung wäre es zu wissen, wie hoch der Prozentsatz der Frauen ist, die in eine Erwerbsarbeit vermittelt werden konnten. Alle anderen werden – so steht zu vermuten – als Mitglied einer SGBII Bedarfsgemeinschaft wegen Einkommensanrechnungen aus dem Leistungsbezug ausgegrenzt worden sein und sich wegen erwiesener Erfolglosigkeit auch innerhalb der Dreimonatsfrist nicht mehr bei der Arbeitsagentur gemeldet haben. Es wäre interessant zu wissen, ob die solcherart aus der Statistik getilgten Personen statistisch erfasst werden. Der DEUTSCHE FRAUENRAT hofft, dass die endgültige Berichtsfassung hier aussagekräftiger sein wird. Familien und ihre Ressourcen im Lebenslauf C.V.3 : Ein Fall, welcher in der Einleitung zu dieser Stellungnahme typisierend dargestellt wurde, wird im 2. Absatz (S. 83) wie folgt kommentiert: „Wird im Fall von Arbeitslosigkeit, Trennung oder Scheidung keine neue familiäre Stabilität mit Unterhaltsleistungen und wirtschaftlicher Unabhängigkeit gefunden, kann dies ebenso zu Armut und Ausgrenzung bzw. zu deren Verfestigung führen“. Mit Blick auf die dargestellten Weichenstellungen in die Abhängigkeit (Splitting“vorteil“, abgeleitete soziale Sicherung, 400 €-Jobs, unzureichende Betreuungsplätze, unzureichende steuerliche Absetzbarkeit von erwerbsbedingt veranlassten Betreuungskosten) kann eine solche Aussage nicht anders denn als zynisch und als Aufruf, nach Trennung und Scheidung möglichst schnell wieder zu heiraten, verstanden werden. Ein Satz wie der folgende. „Die Höhe des Erwerbseinkommens bestimmt maßgeblich die wirtschaftliche und materielle Situation von Familien und hat nachweislich Einfluss auf andere Dimensionen wie Gesundheit, Bildung und Wohnen“ ist in einem Regierungsbericht überflüssig – es sei denn, er leitet ein klares Bekenntnis zur staatlichen Daseinsvorsorge und der 2

vgl. Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut in der Hans-Böckler-Stiftung - WSI: FrauenDatenReport 2005 S. 138. Stellungnahme des Deutschen Frauenrates 3. Armuts-Reichtumsbericht

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ernst genommenen sozialstaatlichen Verantwortung der Bundesregierung für eine bezahlbare und qualitätsvolle Infrastruktur in den genannten Bereichen ein. Bund und Länder sind aufgerufen, in gemeinsamer Anstrengung etwaige Zuständigkeitsgrenzen zu überwinden. Grundsätzlich sind die genannten familienpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung in ihren Ansätzen zu begrüßen – sie werfen allerdings auch weitere Fragen auf. Zum Beispiel: unter D.V.1. im 3. Absatz (Seite 200) wird dargelegt, dass Deutschland 3% seines Bruttoinlandsproduktes für familienbezogene Leistungen aufwendet. Die Evaluation dieser Leistungen durch das BMFSFJ ist fraglos eine wichtige Sache – vor allem die Klärung, was alles zu den familienbezogenen Leistungen zu zählen ist. Unter anderem finden sich dort ca. 11Mrd € Steuergelder, die der Bund an die Gesetzliche Rentenversicherung zahlt zur Finanzierung der beitragsfreien Kindererziehungszeiten. Allen Beteiligten ist klar, dass die Beiträge auf der Basis von drei Erziehungsjahren pro Kind eingezahlt werden, wobei derzeit noch keine einzige Neurentnerin drei Erziehungsjahre pro Kind in ihrer Rente berücksichtigt findet - vielmehr nur ein Erziehungsjahr. Das wird sich auch bis zum Jahr 2013 nicht ändern, weil erst dann die ersten Spätgebärenden von der Rentenreform des Jahres 1992, die die rentenrechtliche Höherbewertung der Erziehungszeit für die nach 1992 geborenen Kinder festschreibt, profitieren werden. Derzeit werden demnach mindestens 8 Mrd. Euro alljährlich an allgemeinen Subventionen an die Rentenversicherung gezahlt unter dem Titel „Familienförderung“. Das wissen zwar die Akteure und ein paar SozialrechtlerInnen – aber die Öffentlichkeit wird darüber im Unklaren gelassen. Im Sinne der Armutsprävention wäre es wesentlich sinnvoller, die 8 Mrd € zusätzlich zu den bisher aufgebrachten Mitteln in den Ausbau der Kinderbetreuung zu investieren – und dadurch die Erwerbschancen von Frauen zu erhöhen. Auch hier sind mit Blick auf den endgültigen Bericht Differenzierungen vonnöten. Familie und Erwerbstätigkeit C.V.3.2.: Der IAB Kurzbericht Nr. 22/2007 „Aufstocker – bedürftig trotz Arbeit“ wird zwar zitiert – aber nicht interpretiert, obwohl er gerade für Familien interessante Aussagen bietet: 80 % der 127 TSD Vollzeitbeschäftigten, die länger als neun Monate im Jahr 2005 „Aufstockerleistungen“ bezogen, leben in einem Paarhaushalt. – 51 % davon mit Kindern. „Der erhöhte Bedarf durch den Partner, die Kinder und höhere Kosten der Unterkunft sowie eine fehlende Erwerbstätigkeit des Partners lassen auf die Ursache dieses hohen Anteils schließen“. Und – eine gern in der politischen Argumentation unterdrückte Wahrheit: „In Paarhaushalten mit traditioneller Arbeitsteilung können Frauen mit einer Teilzeitbeschäftigung auch durch die Arbeitslosigkeit des bisher vollzeiterwerbstätigen Partners in die Grundsicherung für Arbeitsuchende gelangt sein“. Dies alles spricht für Rahmenbedingungen, die eine eigenständige Existenzsicherung der PartnerInnen ermöglichen. Der DEUTSCHE FRAUENRAT plädiert auch im Sinne der Armutsvermeidung dafür, die familiale Existenzsicherung auf die Schultern beider Eltern zu verteilen. Gesundheitliche Situation und Pflegebedürftigkeit - Maßnahmen der Bundesregierung C VI / D VI: Die Beschreibung enthält zum Teil nahezu unerträglich banale Sätze, wie z.B. „Gesundheitszustand und Gesundheitsrisiken werden durch den beruflichen Status, Branchen- und Berufsgruppenzugehörigkeit, Arbeitszeitregelungen und Arbeitsschutzbestimmungen beeinflusst.“ (Kapitel VI.1.1, S. 98). Im ersten Reichtums-Armutsbericht mögen solche Sätze noch Sinn gemacht haben – im 3. Bericht sind sie entbehrlich. Zusammenhänge zwischen Erkrankungsgraden und bestimmten Krankheiten mit Bereichen wie Bildung, Einkommen, Arbeitsumfeld werden –geschlechterdifferenziert – dargestellt. Ob sich die Situation im Vergleich zum 2. Reichtums-Armutsbericht 2005 positiv oder negativ entwickelt hat, ist aber auf Grund der unterschiedlichen Darstellung nur bedingt festzustellen. Um die Wirkung getroffener Maßnahmen ausreichend beurteilen zu können, wäre ein direkter Bezug auf den 2. Bericht und die seitdem getroffenen Maßnahmen, verbunden mit der Darstellung entsprechender Zahlen, ausgesprochen hilfreich. Beispiel: Im Bericht 2005 werden Zahlen zur Korrelation von Übergewicht und Bildungsstand von Frauen angegeben Stellungnahme des Deutschen Frauenrates 3. Armuts-Reichtumsbericht

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(72,3% Frauen mit Volks- oder Hauptschulabschluss gegenüber 38,2% Frauen mit Abitur; S. 124) – im Bericht 2008 heißt es nur noch: „Frauen und Männer mit niedrigem Bildungsniveau (…) sind zu einem höheren Anteil übergewichtig“ (S. 97). Ob der Anteil gegenüber 2005 gesunken ist und welche von der Bundesregierung veranlasste Maßnahme dazu evtl. beigetragen haben könnte, erschließt sich aus dem Text nicht. Hier sieht der DEUTSCHE FRAUENRAT erheblichen Ergänzungsbedarf für den endgültigen Bericht. Arbeitsumfeld und Gesundheit C. VI.1.1: Auch hier fehlen Verbindungen oder Einschätzungen, ob etwas berechtigt ist oder nicht; Beispiel: Den Sätzen auf S. 98 im Zusammenhang mit berufsbedingten Belastungen der Gesundheit „So machen sich 33% der Männer und 30% der Frauen mit niedrigem Berufsstatus große Sorgen um den eigenen Arbeitsplatz. Unter den Männern und Frauen mit hohem Berufsstatus sind es hingegen lediglich 10% bzw. 7%.“ folgt keineswegs ein Hinweis darauf, dass diese Sorge angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre durchaus berechtigt ist. Zudem ist die Verwendung von Begrifflichkeiten nicht immer auf der Höhe der Zeit. Eine Schwerbehinderung z. B. ist nicht automatisch ein Indiz für einen eingeschränkten Gesundheitszustand. Menschen mit einer Behinderung sind nicht automatisch krank. Dieser Annahme liegt das medizinische Modell von Behinderung zugrunde. Dies entspricht nicht nur nicht den neueren Ansätzen in der politischen Diskussion (so auch im SGB IX) in dem das soziale Modell von Behinderung zu Grunde gelegt wird, es entspricht auch nicht der WHO-Definition (ICF). Gesundheitliche Situation und Arbeitslosigkeit C,VI.1.3.1.: Auf Seite 101 folgt, nach der Feststellung in Abs. 2, dass Arbeitslose häufiger krank sind, in Abs. 3 die Schlussfolgerung, dass dies an ihrem Verhalten liegt (Rauchen und zu wenig Sport) – und somit quasi selbst verschuldet ist. Andere Erklärungsmöglichkeiten, die jedoch nicht genannt werden, wären: a) Berufstätige „erlauben“ sich aus Angst vor einem Arbeitsplatzverlust seltener, krank zu sein. b) die psychische Belastung die mit dem Verlust eines Arbeitsplatzes sowie mit Langzeitarbeitslosigkeit einhergeht und zu Erkrankungen führen kann. Und dies, obwohl der Zusammenhang zwischen Zukunftsängsten und Gesundheitsverhalten und Gesundheitszustand unter VI 1.2.auf Seite 98 durchaus benannt wird, ebenso wie eine vermutliche Wechselwirkung unter VI 1.3.1. S. 100. Die Sachlage gebietet aus Sicht des DEUTSCHEN FRAUENRATES auch hier mehr Differenzierung. Soziale Lage von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen C. VI.2/ D VI.5: Auf Seite 105ff wird – richtig – ausgeführt, dass die Mehrzahl der Pflegebedürftigen Frauen sind. Weder hier noch an anderer Stelle wird aber ausgeführt, dass 73% der pflegenden Angehörigen ebenfalls Frauen sind, die für die Pflege dann ihre Erwerbsarbeit und damit die eigenständige Existenzsicherung unterbrechen. Nicht nur geht damit Einkommen verloren, vielmehr schwinden durch die Unterbrechung auch Aufstiegsmöglichkeiten im Beruf, die bei den meisten bereits durch die Unterbrechung wg. der Sorge für die Kinder schon vorher gefährdet wurden. Während der Bericht – richtigerweise – im Kapitel V.3.2 (Seite 91) auf entsprechende Risiken im Zusammenhang mit dem Ausstieg aus dem Erwerb wg.Kindererziehung hinweist, fehlt dieser Hinweis im hier angesprochen Kapitel völlig. Er wäre aber notwendig, weil sich mit diesem Doppelausstieg die vorher benannten Risiken deutlich erhöhen. Dass die meisten ambulant versorgten Pflegebedürftigen ohne zusätzliche Leistungen der Sozialhilfe auskommen, liegt an der unentgeltlichen bzw. völlig unterbezahlten Arbeit der Angehörigen (der Frauen) bzw. der Arbeit von Frauen in prekären BeschäftigungsverhältnisStellungnahme des Deutschen Frauenrates 3. Armuts-Reichtumsbericht

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sen. Es ist nach wie vor so, dass die Pflegeversicherung eine Teilkaskoversicherung ist, die erklärtermaßen nur einen Teil des für diese Pflegestufe erforderlichen Bedarfs abdeckt (bei Pflegesachleistung - also im ambulanten Bereich – bislang ca. die Hälfte der Kosten). Der Rest muss aus dem Privatvermögen oder mit unentgeltlicher Arbeit abgedeckt werden. Diese Sachlage sollte unbedingt in der endgültigen Fassung ergänzt werden – es ist schlicht falsch, die verbesserte Lage der Pflegebedürftigen allein auf die Einführung der Pflegeversicherung zurückzuführen. Auch die Situation in den Pflegeheimen ist sehr unterschiedlich – je nach Finanzkraft der BewohnerInnen (Altenpflegeheim/Seniorenresidenz). Bei den Maßnahmen fehlt jeglicher Hinweis auf das – nicht nur in den Augen des DF – unzureichende Pflegezeitgesetz, welches mit einer bis zu 6-monatigen Pflegefreistellung nur Unternehmen mit mindestens 15 Beschäftigten erfasst und damit für 6 Millionen Beschäftigte in den Kleinbetrieben nicht gilt. Darüber hinaus fehlt auch der Hinweis, dass Familien / Menschen mit geringem Einkommen und mithin auch geringen Rücklagen sich den unbezahlten Ausstieg aus der Erwerbsarbeit zur Organisation der Pflege (zehn Tage) oder für sechs Monate zur Wahrnehmung der Pflege vermutlich gar nicht leisten können. Der DEUTSCHE FRAUENRAT erwartet erhebliche Nachbesserung im endgültigen Bericht. Politische und gesellschaftliche Partizipation und Maßnahmen der Bundesregierung C VIII /D VIII: Zunächst überrascht die Zuordnung der Begrifflichkeiten „politische Teilhabechancen“ und „soziale und kulturelle Partizipation“. Politische Teilhabechancen, mithin auch politisches Engagement wird überwiegend der Mitwirkung in politischen Parteien, in Gewerkschaften oder der Teilnahme an politischen Aktivitäten, z.B. Unterschriftensammlungen, Demonstrationen (S. 121) zugeordnet, während die soziale und kulturelle Partizipation überwiegend der Einbindung in das gesellschaftliche Leben (siehe Zusammenfassung S.128) zugeordnet wird. Dies gilt auch angesichts der Tatsache, dass (S. 125) bürgerschaftliches Engagement nach dem Bericht „umfassender als politisches Engagement zu verstehen (ist)“. Ein solches Verständnis lässt vermuten, dass die AutorInnen das politische Engagement allein oder doch überwiegend in den verfassten Gremien und Organen und anderes gesellschaftliches Engagement im so genannten vorpolitischen Raum ansiedeln. Dem entspricht, dass im Maßnahmenteil (D VIII, S. 221) permanent politisches und gesellschaftliches Engagement nebeneinander gestellt wird, ohne dass ausreichend verdeutlich wird, dass gesellschaftliches Engagement im Sinne des Berichts auch politische Implikationen im Sinne des Berichts haben kann. Diese Darstellung widerspricht dem Selbstverständnis zahlreicher im gesellschaftlichen Raum tätigen Verbände, Organisationen und Initiativen. Nicht von ungefähr wird in der gesellschaftspolitischen Debatte das Wort „vorpolitisch“ mehr und mehr ersetzt durch „vorparlamentarisch“, um deutlich zu machen, dass Politik im Sinne der Gestaltung der Gesellschaft nicht allein den Parlamenten oder auch den Parteien zugeordnet werden kann. Nichtregierungsorganisationen wie der DEUTSCHE FRAUENRAT verstehen ihre Lobbyarbeit durchaus als politische Partizipation und wollen so auch von anderen gesehen werden. Und auch der Sport – im Bericht überwiegend dem Freizeitbereich zugeordnet – hat höchst politische Aspekte und wirkt mit seinen Aktivitäten unmittelbar in die politische Landschaft der Bundesrepublik hinein. Als Beispiele seien hier genannt die Bemühungen des Sports, einen wichtigen und nachhaltigen Beitrag zum Gelingen der Integrationspolitik zu leisten, insbesondere für Mädchen und junge Frauen, oder auch gegen Diskriminierungen in anderen Bereichen zu wirken. Unzureichend ist aus unserer Sicht auch die Beschreibung möglicher Ursachen für den Fakt, dass – entgegen landläufigen Vorstellungen – Arbeitslose, die vorgeblich viel Zeit zur Verfügung haben, sich nicht in hohem Maße bürgerschaftlich engagieren. Nicht allein das eigene Zutrauen (S. 127) setzt hier Grenzen. Vielmehr sind nicht wenige der Felder bürgerschaftlichen Engagements unmittelbar oder mittelbar mit der Erwerbsarbeit bzw. dort bestehenden sozialen Kontakten verbunden; fallen mithin für Arbeitslose weg. Darüber hinaus erfordert – dazu gibt der Bericht Bürgerschaftliches Engagement: Auf dem Weg in eine zukunftsfähige Bürgergesellschaft der Enquetekommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ des Deutschen Bundestages von 2002 hinreichend Auskunft – bürgerschaftliches Engagement ein hohes Maß an Kraft, die Arbeitslosen häufig nicht mehr zur Verfügung steht. Zudem Stellungnahme des Deutschen Frauenrates 3. Armuts-Reichtumsbericht

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steht zu vermuten, dass Arbeitslose auf Grund des verringerten Einkommens erheblich mehr Zeit für die Organisation ihres Alltags aufbringen müssen als Menschen, die auf Grund ihrer finanziellen Mittel schneller und leichter Kaufentscheidungen treffen können. Der Bericht gibt auch keinerlei – vermutete oder erhobene – Gründe an für die Tatsache, dass die Bevölkerung der unteren 20% der Einkommensverteilung nur unterdurchschnittlich engagiert ist. Dies gilt, so der Bericht, sowohl für das Engagement im Bereich politischer als auch für die soziale und kulturelle Partizipation. Die in Teil D beschriebenen gegensteuernden Maßnahmen gleichen teilweise der Beschreibung einer Kapitulation: Anstatt zu fordern, dass die politischen Parteien nach Wegen suchen, wie sie für die hier angesprochene nicht gerade kleine Bevölkerungsgruppe attraktiver werden können, wird auf die geeigneteren, weil niedrigschwelligeren Bürgerinitiativen und Selbsthilfegruppen verwiesen, die vor allem, so der Bericht (S.221), dann erfolgreich sind, wenn sie im Kommunalbereich angesiedelt, mithin kurzfristig erreichbar sind. Politikverdrossenheit wird so nicht zu bekämpfen sein. Vielmehr müssen die – bekanntlich ebenfalls in den Kommunen angesiedelten – Parteien entweder selbst niedrigschwelligere Angebote machen oder aber eine Zusammenarbeit mit den genannten Gruppen so gestalten, dass diese sicher sein können, einen verlässlichen Einfluss auf sie und ihre Gesellschaft betreffende Entscheidungsprozesse und Entscheidungen zu haben. Vermutlich gibt es solche Kooperationen vielerorts bereits – schade, dass der Bericht darauf nicht abhebt. Menschen mit Migrationshintergrund C IX : Positiv zu vermerken ist, dass die Statistiken zwischen "Männer und Frauen", bzw. "männlich und weiblich" differenziert. Allerdings fehlt jede Erwähnung des Asylbewerberleistungsgesetzes, nachdem noch nicht anerkannte Flüchtlinge Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, welche erheblich unter den Leistungen des SGB II oder SGB XII liegen und nicht ausreichen zur Geswährleistung der Grundversorgung. Das Sachleistungsprinzip des AsylbLG beinhaltet in der Praxis zum Teil erhebliche Probleme. Personen, die Empfänger von Leistungen nach dem AsylbLG sind, besitzen in der Regel keinen Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und sind daher in besonderer weise armutsgefährdet. Menschen mit Behinderungen ( C X) Selbstbestimmte Teilhabe behinderter Menschen fördern (D X) Bevor wir auch hier einige Aussagen des Berichtes kritisch kommentieren, begrüßen wir die Verabschiedung des AGG, wenn es auch nicht alle damit verbundenen Erwartungen erfüllt, sowie den Einsatz der Bundesregierung bei der Verabschiedung der UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen. Zusammensetzung der Personengruppe X.1. :Anders als im Bericht dargestellt benennt das SGB IX in der Definition von Behinderung drei Faktoren: die körperliche Funktion, die geistige Fähigkeit, die seelische Gesundheit. Es wird hier bewusst nicht verallgemeinernd von gesundheitlichem Zustand gesprochen; eben aus der Erkenntnis heraus, dass Menschen mit einer Behinderung durchaus gesund sein können. Weiter wird im SGB IX den besonderen Bedürfnissen (§ 1) aber nicht einem „Hilfebedarf“ (S. 149) behinderter Frauen Rechnung getragen. Frauen mit Behinderung haben keinen besonders hohen Hilfebedarf. Sie haben andere, spezifische Bedürfnisse als behinderte Männer, die in der Regel bei Entscheidungen bislang nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Schulische Bildung X.2.1. Zwar benennt der Eingangsabsatz (S. 149) das hehre Ziel der integrativen Bildung – in der Folge fehlen jedoch die Zahlen, wie viele Mädchen und Jungen tatsächlich RegelschuStellungnahme des Deutschen Frauenrates 3. Armuts-Reichtumsbericht

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len besucht haben. Da an Sonderschulen auch der Hauptschulabschluss erreicht werden kann, lassen sich aus den angegebenen Prozentzahlen keine Rückschlüsse auf die integrative Beschulung ziehen. Da diese Zahlen offenkundig nicht vorliegen, erwartet der DEUTSCHE FRAUENRAT; dass diese zeitnah erhoben und veröffentlicht werden und eine entsprechende klare Aussage in der endgültigen Fassung dieses Berichtes. Berufliche Ausbildung X. 2.2.: So lobenswert die Vermittlungsquoten der Berufsbildungs- und Berufsförderungswerke (BFW bzw. BBW - S. 151) ist, steht den AbsolventInnen tatsächlich nur ein eingeschränktes Berufsspektrum zur Verfügung steht. Auch liegt der Anteil von Frauen in diesen Einrichtungen seit Jahren bei 25-30 %. Und: Eine Vermittlung aus Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ist bislang eher die Ausnahme. Gleichwohl werden sie zusammen mit BFWs und BBWs als berufsfördernde Maßnahme genannt. Hier wäre eine Vermittlungszahl analog der „Erfolgsquote“ von BBWs und BFWs interessant – wenn die WfbM schon als berufsfördernde/berufsbildende Maßnahme dargestellt werden. Ebenso fehlen die Zahlen für die betriebliche Ausbildung. Der DEUTSCHE FRAUENRAT erwartet dringend entsprechende Ergänzungen in der endgültigen Berichtsfassung. Beschäftigungsquote X. 3.1.: Zur Verbesserung der Situation behinderter Frauen (S.152) finden sich im „Bericht der Bundesregierung über die Wirkungen der Instrumente zur Sicherung von Beschäftigung und zur betrieblichen Prävention“ vom 27.Juni 2007 (Hg. vom BMAS) widersprüchliche Zahlen. – so stieg lt. diesem Bericht die Zahl der beschäftigten behinderten Frauen im 2003 – 2005 um 4% während im Zeitraum 2004 – 2006 die Zahl der mit behinderten Frauen besetzten Arbeitsplätze um 3% zurückging. War dies schon erklärungsbedürftig, fehlt nun im vorgelegten Bericht die zweite Angabe völlig – hier sieht der DEUTSCHE FRAUENRAT Erklärungs- und Nachbesserungsbedarf. In den Jahren 2005 bis 2006 sank die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt um 7,7 Prozent. Die Zahl der als schwerbehindert erfassten arbeitslosen Menschen stieg hingegen um 1,8 Prozent, die Zahl der als schwerbehindert erfassten arbeitslosen Frauen sogar um 3,5 Prozent. Mögliche Gründe für diese Zahlen bzw. die reale Situation von erwerbsfähigen Menschen mit Behinderungen bleiben in dem Bericht unerwähnt. Auch hier sieht der DEUTSCHE FRAUENRAT Nachbesserungsbedarf, insbesondere weil dem BMAS aus seinem oben zitierten Bericht bekannt ist, dass schwerbehinderte Menschen von den negativen Entwicklungen des Arbeitsmarktes in besonders hohem Maße betroffen sind, während sie von den positiven weniger profitieren. Der DEUTSCHE FRAUENRAT schließt sich der seit vielen Jahren erhobenen Forderung an, geschlechtsspezifische Arbeitsmarktdaten für Menschen mit Behinderungen regelmäßig zu erheben und zu veröffentlichen – analog zu den allgemeinen Datenerhebungen für den Arbeitsmarkt. Insgesamt gilt für dieses wie auch für andere Kapitel des Berichtes, dass zahlreiche Maßnahmen bereits als Erfolg verkündet werden, ohne dass ihre Wirkung im Einzelnen nachvollziehbar dargestellt würde. Zudem werden Maßnahmen als erfolgreich bezeichnet, die gerade erst begonnen und über deren Wirksamkeit zu diesem Zeitpunkt nur spekuliert werden kann.

Brunhilde Raiser Vorsitzende

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Brigitte Faber Mitglied des Vorstandes

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