Stellungnahme DEGEMED NAP UN-BRK 2.0

Stellungnahme DEGEMED NAP UN-BRK 2.0 Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation e. V. (DEGEMED) zum Referentenentwurf d...
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Stellungnahme DEGEMED NAP UN-BRK 2.0

Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation e. V. (DEGEMED) zum Referentenentwurf des zweiten Nationalen Aktionsplanes der Bundesregierung zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (NAP UN-BRK 2.0)

A. Vorbemerkung Die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation e. V. (DEGEMED) begrüßt die Veröffentlichung des Referentenentwurfs für den zweiten Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (NAP UN-BRK 2.0). Die Bundesregierung dokumentiert damit, dass zur Verwirklichung der Anforderungen und Ziele des Übereinkommens auf der nationalstaatlichen Ebene in Deutschland noch zahlreiche legislative und exekutive Schritte notwendig sind. Die DEGEMED erwartet, dass die Bundesregierung die Zielrichtung des Übereinkommens konsequenter als bisher verfolgt und die Geschwindigkeit der Maßnahmen zu seiner Umsetzung deutlich erhöht. Trotz der Ratifizierung des Übereinkommens durch die Bundesrepublik Deutschland vor mittlerweile sieben Jahren werden immer noch zahlreiche Ziele bei der Herstellung gleichberechtigter Teilhabe von Menschen mit Behinderungen deutlich verfehlt. Insbesondere im wichtigen Handlungsfeld der Prävention, Rehabilitation und Gesundheitsversorgung fehlt es immer noch an Maßnahmen, die effektiv zur Umsetzung der in den Art. 25 und 26 des Übereinkommens normierten Rechte der Menschen mit Behinderungen beitragen. Wir schlagen daher vor, den NAP UN-BRK 2.0 zu ergänzen und vor allem im Handlungsfeld 3.3 „Prävention, Rehabilitation, Gesundheit und Pflege“ zusätzliche Maßnahmen einzufügen, die die Situation von Menschen mit Behinderungen deutlich verbessern.

B. Handlungsfeld 3.3 „Prävention, Rehabilitation, Gesundheit und Pflege“ Die DEGEMED begrüßt das Ziel der Bundesregierung, Rehabilitation, Gesundheit und Pflege für Menschen mit Behinderungen zu stärken. Insbesondere unterstützen wir das Ziel der Bundesregierung, moderne und passgenaue Rehabilitations- und Teilhabeleistungen zur Verfügung zu stellen. Um das zu erreichen, müssen die Zugänge zu Leistungen deutlich 1

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vereinfacht, die Leistungsausgaben im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bedarfsgerecht angepasst und der Grundsatz „Reha vor Pflege“ gestärkt werden. 

Zugang in die medizinische Rehabilitation verbessern

Die Bundesregierung bekräftigt zu Recht den Anspruch aller Menschen mit Behinderungen auf einen uneingeschränkten und barrierefreien Zugang zu allen Gesundheitsdiensten und Gesundheitsdienstleistungen (S. 65 des Entwurfs). Der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat sich über Barrieren beim Zugang in die Gesundheitsversorgung besorgt gezeigt (S. 70 des Entwurfs). Auch im Bereich der medizinischen Rehabilitation gibt es noch viele Barrieren bei der Versorgung. Insbesondere im Bereich der GKV ist der Weg in die medizinische Rehabilitation für Menschen mit Behinderungen sehr schwierig. Komplexe und trägerspezifische Antragsverfahren wirken sich aber auch bei anderen Rehabilitationsträgern leistungsverhindernd aus. Die Bundesregierung selbst stellt im Referentenentwurf des NAP UN-BRK 2.0 fest, dass trotz „der gesetzlichen Regelungen … das gegliederte Sozialleistungssystem im Bereich der praktischen Umsetzung des Rehabilitations- und Teilhaberechts immer noch zu Schnittstellenproblemen, d. h Verzögerungen beim Zugang zu Leistungen…“ führt (S. 72). Weder verwaltungsorganisatorische Veränderungen wie die Schaffung der Gemeinsamen Servicestellen für Rehabilitation durch das SGB IX im Jahr 2001 noch untergesetzliche Maßnahmen wie die Gemeinsamen Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V. (BAR) haben sich bisher als effektiv erwiesen, um den Zugang von Rehabilitations- und Teilhabeleistungen zu vereinfachen und ihren Beginn zu beschleunigen. Die DEGEMED schlägt daher vor, die bestehenden unterschiedlichen Antrags- und Zugangswege zu Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe durch ein einheitliches, transparentes und unbürokratisches und für alle Rehabilitationsträger verbindlich geltendes Zugangsverfahren im SGB IX zu ersetzen. Bereits die formlose Anzeige eines Rehabilitationsund Teilhabebedarfs muss ausreichen, um ein Bedarfsfeststellungsverfahren des erstangegangenen Leistungsträgers auszulösen. Formulierungsvorschlag zu S. 77: Das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX Teil 1) hat das Rehabilitations- und Teilhaberecht zusammengeführt und weitgehend vereinheitlicht. Diese Regelungen sollen gestärkt und abweichungsfest gestaltet werden. Ein für alle Reha-Träger verbindlich geltendes Verfahrensrecht soll den Antrag auf und den Zugang zu Leistungen verbindlich und einheitlich festlegen und spezial- und untergesetzliche normierte oder ausgestaltete Sonderregelungen ersetzen.

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Bedarfsgerechte Anpassung Krankenversicherung

der

Leistungsausgaben

der

gesetzlichen

Die Fallzahlen im Bereich der medizinischen Rehabilitation der GKV stagnieren trotz der demografischen Entwicklung und des deutlichen Anstiegs älterer Leistungsberechtigter an der Gesamtbevölkerung. Der Anteil der Ausgaben für medizinische Reha ist gemessen an den Gesamtausgaben der GKV seit Jahren rückläufig. Die hohen Ablehnungsquoten der Krankenkassen sind auch vor dem Hintergrund der Vermeidung steigender Zusatzbeiträge zu bewerten. Die DEGEMED schlägt daher vor, dass äquivalent zu den Präventionsleistungen der GKV eine feste Ausgabenquote für medizinische Reha-Leistungen im SGB V verankert wird. Nur so kann erreicht werden, dass die GKV angesichts der Zunahme chronischer Erkrankungen und bei der steigenden Zahl der älteren Menschen in der Gesellschaft ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommt und bedarfsgerechte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Teilhabe zur Verfügung stellt und nicht versucht, Leistungsausgaben zu Lasten von Menschen mit Behinderungen zu senken. Formulierungsvorschlag S. 78: Im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) werden die Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung auf eine feste Quote fixiert, um für die Träger der GKV eine höhere Verbindlichkeit zur bedarfsgerechten Durchführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation herbeizuführen und ein weiteres Absinken der Ausgaben zu verhindern. 

„Reha vor Pflege“ stärken

Bei pflegebedürftigen oder von Pflegebedürftigkeit bedrohten Menschen muss stärker darauf hingewirkt werden, dass diese Menschen gemäß dem Grundsatz „Reha vor Pflege“ eine medizinische Reha-Leistung erhalten. Derzeit wird bei den Pflegebegutachtungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) nur bei 0,6 Prozent der Pflegebedürftigen eine Reha-Empfehlung ausgesprochen (Empfehlungen des Jahres 2014). Diese geringe Quote entspricht nicht dem tatsächlichen Bedarf. Die DEGEMED schlägt daher vor, ein obligatorisches Reha-Angebot bei begründeten Anträgen auf Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) und den Antragstellern automatisch auch Leistungen der medizinischen Rehabilitation anzubieten. Formulierungsvorschlag S. 80: Das Elfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) regelt das verpflichtende Angebot der Krankenkasse auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bei Menschen mit Behinderungen, die zugleich pflegebedürftig oder von Pflegebedürftigkeit bedroht sind und die begründete Anträge auf Leistungen nach dem SGB XI gestellt haben („obligatorisches Reha-Angebot“).

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Transparente Ausgestaltung des Projekts „RehaInnovativen“

Wir begrüßen die Einrichtung des Projekts „RehaInnovativen“ des BMAS. In Expertengesprächen soll dort in einem regelmäßigen Turnus besprochen werden, wie die medizinische Rehabilitation in Zukunft gestaltet werden soll. Wir empfehlen, das Projekt transparent auszugestalten und sowohl Leistungserbringer als auch Leistungsberechtigte an dem Projekt zu beteiligen. So kann sichergestellt werden, dass alle Perspektiven in den Prozess mit einfließen. Formulierungsvorschlag S. 78 Die Ergebnisse des Projekts werden in regelmäßigen Abständen veröffentlicht. Leistungsträger, Leistungsempfänger und Leistungserbringer werden an dem Projekt gleichermaßen beteiligt.

C. Handlungsfeld 3.4 Kinder, Jugendliche, Familie und Partnerschaft Die DEGEMED begrüßt das Ziel der Bundesregierung, Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen mehr Teilhabe zu ermöglichen. 

Informationskampagne über Möglichkeiten der Kinder- und Jugendrehabilitation

Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen und gesundheitlichen Einschränkungen können in erheblichem Umfang von medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen profitieren. Seit 2008 ist jedoch eine rückläufige Entwicklung der Anträge und Bewilligungen von medizinischen Reha-Leistungen bei Kindern und Jugendlichen festzustellen. Eine mögliche Ursache dafür ist die unzureichende Informationslage der niedergelassenen Ärzte, Eltern und Betroffenen über Inhalt und Ziele der Leistungen, die Zugangswege und die Antragsverfahren. Die DEGEMED schlägt daher vor, im NAP UN-BRK 2.0 eine breit angelegte Aufklärungs- und Informationskampagne der Bundesregierung zu den Inhalten, den Voraussetzungen, den Möglichkeiten und dem Nutzen von medizinischer Rehabilitation für Kinder und Jugendliche vorzusehen. Formulierungsvorschlag S. 85: Die Bundesregierung startet eine Informationskampagne zu den Möglichkeiten und zum Nutzen von medizinischer Rehabilitation für Kinder und Jugendliche. 

Zuständigkeit überprüfen

Bisher sind für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen die Träger der gesetzlichen Renten- (DRV) und der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) formal gleichrangig zuständig. Diese formale Gleichrangigkeit soll eigentlich eine Vereinfachung des Zugangsverfahrens bewirken. Sie führt in der Praxis aber oft zu Verzögerungen durch eigentlich nicht vorgesehene Weiterleitungen oder Umdeutungen von Anträgen. 4

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Die DEGEMED schlägt daher eine leistungsrechtliche Abgrenzung der Zuständigkeit für medizinische Reha für Kinder und Jugendliche zwischen der DRV und der GKV vor. Vorrangig zuständig sollten künftig ausschließlich die Träger der DRV sein. Formulierungsvorschlag S. 85: Im Fünften und Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB V und SGB VI) wird die Zuständigkeit für die medizinische Rehabilitation für Kinder und Jugendliche zwischen der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung neu geregelt. Vorrangig zuständig werden künftig ausschließlich die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung.

D. Handlungsfeld 3.6 Ältere Menschen Als DEGEMED begrüßen wir das Ziel der Bundesregierung die Selbstbestimmungsrechte und Teilhabemöglichkeiten älterer Menschen zu verbessern. 

Möglichkeiten mobiler Rehabilitation stärker nutzen

Wir teilen die Einschätzung des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, dass ein selbstbestimmtes Leben von älteren Menschen zu fördern sei. Wir verweisen diesbezüglich ausdrücklich auf die Möglichkeiten der geriatrischen Rehabilitation, um Pflegebedürftigkeit zu vermindern oder hinauszuzögern und Pflegebedürftigen ein möglichst langes Leben in der eigenen Häuslichkeit zu ermöglichen. Spezielle Rehabilitationsangebote, die auf die besonderen rehabilitativen Bedürfnisse älterer und pflegebedürftiger Menschen zugeschnitten sind, können ihren individuellen Teilhabeanspruch absichern. Wir empfehlen deshalb, die Möglichkeiten mobiler Rehabilitation stärker zu nutzen. Ein Rechtsanspruch auf mobile Rehabilitation in Pflegeeinrichtungen würde zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität pflegebedürftiger Menschen und ggf. zu einer finanziellen Entlastung der Pflegekassen führen. Formulierungsvorschlag S. 114 Die Bundesregierung prüft, ob im Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) ein Rechtsanspruch auf mobile Rehabilitation in stationären Pflegeeinrichtungen verankert werden kann.

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