TITELBEITRAG Mercedes-Benz C-Klasse

Start mit der Limousine Mit der Limousine eröffnet Mercedes-Benz die Baureihe der neuen C-Klasse – aber die Stuttgarter denken bereits an weitere Modelle. In das jetzt vorgestellte Fahrzeug investierte Daimler-Chrysler rund 1,4 Milliarden Euro, davon die Hälfte für die Entwicklung.

»Keine kleine S-Klasse, sondern eine große C-Klasse«, nannte der PkwChef von Mercedes-Benz Prof. Jürgen Hubbert die jüngste Schöpfung seines Hauses anlässlich der Vorstellung der neuen C-Klasse am 21. März 2000 in Sindelfingen. »Die CKlasse ist eine tragende Säule unseres Pkw-Geschäfts«, fuhr er fort. Sie habe sich weltweit etabliert, viele neue Kunden für die Marke begeistert und »sie wird in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen«. »Die Attribute ›Dynamik, Agilität und formale Ästhetik, die die neue C-Klasse auszeichnen, werden unser Markenbild künftig in noch stärkerem Maße prägen«, bekannte der Pkw-Vorstand von Daimler-Chrysler. Das erste Fahrzeug der neuen Baureihe ist die Limousine, die das aufgefrischte Markenbild in die Welt tragen soll. Bereits diese ließ sich der Konzern rund 1,4 Milliarden Euro kosten. Rund 700 Millionen Euro flossen in den Ausbau der beiden

Produktionsstandorte Sindelfingen und Bremen. In Sindelfingen entstand unter anderem eine neue Rohbauanlage für die C-Klasse. In Bremen flossen die Investitionen in die Modernisierung von Rohbau- und Montageeinrichtungen. Bei der Entwicklung der Limousine – Gesamtaufwand von rund 700 Millionen Euro – standen die Adaption der Innovationen für einen ersten serienmäßigen Einsatz in diesem Fahrzeugsegment im Vordergrund. So verfügt die C-Klasse nun auch zum Beispiel über Windowbag, adaptive Airbags für Fahrer und Beifahrer, das Multifunktionslenkrad, Fahrlicht-Assistent oder Lichtwellenleitertechnik, die bislang den Topklassen S und E vorbehalten waren.

Die interessanteste Innovation der C-Klasse findet sich jedoch nicht im Fahrzeug selbst. Es ist der Entwicklungsprozess selbst. Erstmals wurden mehrere Modelle einer Baureihe nahezu parallel entwickelt. Die Limousine entwickelten die Stuttgarter als Grundfahrzeug – das erste Fahrzeug, das auf den Markt kommt. Auf weitere Modelle der Stuttgarter dürfen sich die Kunden schon mal freuen – Genaueres verrät die Projektleitung noch nicht. Der Mann der ersten Stunde bei diesem Projekt: Klaus P. Claar, Projektleiter der neuen C-Klasse. Bis 1995 war er als Leiter in verschiedenen Entwicklungsabteilungen tätig, von 1991 bis 1995 zugleich als Abteilungsleiter Sitze und Projektleiter Entwicklung für den SLK. Mitte 1995 wurde die neue C-Klasse ›sein‹ Auto, gerade rechtzeitig um die Verabschiedung des Lastenheftes federführend mit zu gestalten. Das Ziel der Bündelung aller Entwicklungsaktivitäten in einem Projekt war die Realisierung eines möglichst hohen Gleichteileumfanges innerhalb einer Baureihe sowie die gleichzeitige Auslegung der Fertigungsstrukturen auf unterschiedli-

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che Fahrzeuge. »Wir bauten erstmalig verschiedene Modelle einer Baureihe auf einer Gleichteilestrategie auf – nahezu zeitgleich und in enger Zusammenarbeit mit mehreren Werken«, umreißt Claar kurz und bündig das, was ihm und seinem Team in den vergangenen Jahren viel Mut zu Neuem, Einfallsreichtum und Kreativität abverlangte. Die Vertreter der Werke, insbesondere aus den Bereichen Rohbau und Montage, waren von Anfang an enger als bisher in die Entwicklung eingebunden. Ziel war, ein für die Fertigung aufwendiges – und teures – Nachschieben der Varianten innerhalb einer bestehenden Baureihe zu vermeiden. So viel schon vorneweg: Das Projektteam C-Klasse erreichte das, was es sich vorgenommen hatte: Noch nie arbeiteten die Produktionswerke so eng mit der Entwicklung zusammen wie bei der neuen C-Klasse. Nur durch die frühe Einbindung aller verantwortlichen Fachbereiche konnte die alle Varianten umfassen-

Die C-Klasse: Das erste Fahrzeug der neuen Baureihe ist die Limousine, die das aufgefrischte Markenbild nach außen tragen soll. Bilder: Daimler-Chrysler

de Gleichteilestrategie erfolgreich umgesetzt werden. Knapp 8 000 verschiedene Sachnummern werden in der C-Klasse – alle Modelle eingerechnet – verbaut. Etwa 1 500 von ihnen sind für alle Varianten identisch. Im Vergleich dazu waren es alleine beim Vorgängertyp der Limousine 11 000 verschiedene Sachnummern. Beispiele für die in der gesamten Baureihe eingesetzten Gleichteile: Motoren, Getriebe, die Bodenanlage mit Vorbau, die Achsen, das Elektronikkonzept, aber auch Zulieferkomponenten wie Strukturteile der Sitze,

Sechs-Gang-Schaltgetriebe: Mit Ausnahme des C 320 werden alle Modelle mit dem neu entwickelten Getriebe ausgestattet. Besonderes Augenmerk widmeten die Ingenieure vor allem der so genannten ›DiagonalSchaltbarkeit‹.

Features der C-Klasse: Knapp 40 Innovationen, davon 18 in allen Modellvarianten serienmäßig, die bislang nur der E- oder S-Klasse vorbehalten waren, finden sich nun in der C-Klasse. Das Preisspektrum der C-Klasse reicht von 49 880 Mark (C 180) bis 73 660 Mark (C 320).

News-ABC aus der C-Klasse • Adaptive Front-Airbags mit zweistufigen Gas-Generatoren • Aktivkohlefilter • Brake Assist • COMAND (Integration von Autoradio, CD-Spieler, TVGerät, Navigation und Telefonbedienung) • Crash-Boxen • Datenbus (drei vernetzte Systeme) • Dreilenker-Vorderachse • Dynamische Zielführung (Navigationssystem mit Staumeldungen) • Ein- und Ausstiegshilfe (Lenkrad führt beim Aussteigen automatisch nach oben und der Sitz nach hinten) • Ellipsoid-Stirnwand • ESP (elektronisches Fahrsicherheits-System) • Fahrlicht-Assistent (aut.

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Zuschaltung des Lichts) Gurtkraftbegrenzer Gurtstraffer Integralträger aus Alu Integrierte Kindersitze Klima-Memory Klimatisierungsautomatik ›Thermatic‹ Komfort-Klimatisierungsautomatik ›Thermotronic‹ (Sensoren für Sonnenstrand, Luftfeuchtigkeit und -schadstoffe) Lichtwellenleiter (Übertragung von Audio- und Telefonsignalen) ›Linguatronic‹ (Sprachbefehlsteuerung für Radio, CD-Spieler, Telefon) Multifunktions-Lenkrad Onboard-Diagnose Regensensor Schiebedach mit MemoryFunktion

• Sechsgang-Schaltgetriebe • Sidebags in vorderen Fondtüren • Sitz-Memory per Schlüssel • Soundsystem • ›Speedtronic‹ (individuelle Wahl der Höchstgeschwindigkeit) • Tele-Aid (bei einem Unfall wird automatisch ein SOSSignal gesendet) • ›TeleDiagnose‹ (bei Pannenhilfe werden Fahrzeugdaten ans Customer Assistance Center von Mercedes überspielt) • Tipp-Schaltung • Tunnelschließung (Fenster und Schiebedach schließen bei Einfahrt in Tunnel oder Tiefgarage) • Unterbodenverkleidung • Window-Bags • Zusatzheizsystem

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»Wegweisende Neuentwicklungen aus den Top-Modellen von Mercedes-Benz gehören in der neuen C-Klasse zur Standardausstattung. Das macht die neue C-Klasse zum Technologieführer in ihrem Marktsegment.«

Dr. Hans-Joachim Schöpf, Geschäftsfeldvorstand Mercedes-Benz und Smart, Leiter Entwicklung.

Klimaanlage und viele Details wie die Dach-Bedieneinheiten. Von der ›alten‹ C-Klasse wurden weniger als drei Prozent der Sachnummern übernommen. Hiervon sind für den Kunden nur die Radschrauben sichtbar. Diese Ziele umzusetzen, war kein leichter Weg für das Projektteam. Am Anfang stand der Aufbau der Projektmannschaft. Auch wenn dieses Team gleichzeitig an verschiedenen Modellen einer Baureihe arbeiten sollte, galt die Forderung: Die Teamstruktur sollte nicht größer ausfallen als die für ein Fahrzeug. So formierte sich eine achtköpfige Projektleitung, bestehend aus den Projektleitern der maßgeblichen Bereiche: Entwicklung, Fahrzeug- und Aggregatewerke, Vertrieb, Einkauf, Controlling und Design. Zusammen mit den Leitern der Funktionsgruppen, den bereichsübergreifenden Teams mit Verantwortung für einen Teileumfang, wie Sitze, Klimaanlage, Anbauteile etce-

tera, bildeten sie das Kernteam mit etwa 30 Mitgliedern. Der zweite Schritt bestand darin, vor allem die Mitarbeiter der Entwicklung in den Funktionsgruppen von anderen Aufgaben freizustellen, um wirklich ›nur noch C-Klasse-spezifisch‹ zu arbeiten. »Es war ein gewaltiger Umschichtungsprozess« erinnert sich Claar. Als nächster Schritt wurde geprüft: die Funktionsgruppen auch räumlich zusammenbringen. Gesagt, getan. Ein komplettes Stockwerk im Bau 20 des Mercedes Technologie Center (MTC) in Sindelfingen wurde für den Einzug von etwa 150 Mitarbeitern der neuen C-Klasse freigeräumt. Der Zeit- und Kostenrahmen für das Projekt ›C-Klasse‹ war eng gesteckt, damit neue Inhalte für den Kunden kostenneutral angeboten werden können. Der hohe Anteil an Gleichteilen trug hierzu bei, aber auch neue Fertigungskonzepte, die erstmals eingesetzt werden.

Neben einer drastischen Reduzierung der Rohbauvarianten wurde erstmals spannungsarmes Fügen umgesetzt. Die Rohbaukarosserie wurde so konstruiert, dass die Einzelteile – an flexibel ausgelegten Verbindungspunkten – ohne Spannung gefügt und verschweißt werden können. Die Vorteile dieses Verfahrens sind laut Claar höhere Maßhaltigkeit der Karosserie sowie kleinere Spaltmaße. Nach dem erfolgreichen Test bei der C-Klasse wird spannungsarmes Fügen künftig auch bei anderen Mercedes-Benz-Baureihen angewandt werden. Von der Erstellung des Lastenhefts bis zum Start der Serienfertigung benötigten die Entwickler der C-Klasse etwa drei Jahre. Für den Anlauf der Limousine, der bis Mitte des Jahres abgeschlossen sein soll, benennt Claar ehrgeizige Ziele: »Wir wollen vom ›Job Number One‹ bis

›Sprechstunde‹ bei der Projektleitung

zur Kammlinie auf sechs Monate kommen.« Bei den nachfolgenden Varianten der C-Klasse arbeitet das Projektteam an weiteren Verkürzungspotenzialen. Wie lässt sich eine solche Geschwindigkeit realisieren? Für Claar eine Frage von »so wenigen Schnittstellen wie möglich« und »der Schnelligkeit Entscheidungen herbeizuführen«. Beide Erkenntnisse führten zu einem stringenten Projektmanagement, das alle Beteiligten involvierte. »Jede Woche gibt es einen Entscheidungstermin« erklärt Claar ganz einfach die Gremienlandschaft des Projektes. Montags stehen im ›CTech-Gespräch‹ die technischen Fragen auf dem Plan, dienstags werden die daraus resultierenden Projektmanagement-Themen im ›C-Pro-Gespräch‹ erörtert. Beide Gremien sind

Ausflug in den Cyberspace: Mit Hilfe modernster elektronischer Verfahren werden neue Design-Ideen bereits in einer frühen Entwicklungsphase erlebbar.

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»Neue Fertigungstechniken, Logistikprozesse und die Umsetzung der Prinzipien des Mercedes-BenzProduktionssystems schaffen die Voraussetzungen dafür, dass wir unseren Kunden im ersten Anlaufjahr 40 Prozent mehr Fahrzeuge bereitstellen können, als dies beim Vorgänger der Fall war.« Helmut Petri, Geschäftsfeldvorstand MercedesBenz und Smart, Leiter Produktion.

Fahrwerk der C-Klasse: Spurstangen, Radträger und Fahrschemel der Hinterachse wurden von den Mercedes-Ingenieuren konstruktiv deutlich überarbeitet.

zitäten, der Kosten und Logistik«, erklärt Claar. Die Ausnahme: für die CKlasse-Fertigung in Bremen liefert Lear die kompletten Sitzanlagen – wie eh und je. Claar, der sich als ehemaliger Leiter der Abteilung Sitze in diesem Geschäft bestens auskennt, spricht der hauseigenen Sitzfertigung, die das Werk Sindelfingen beliefert, ein großes Kompliment aus: »Sie sind genauso kostengünstig wie Lear.« So wie auch die Produktionsplaner der drei Werke von Anfang an eng in die Entwicklung eingebunden waren, so mussten auch die Zulieferer sehr früh ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. »Bereits beim Prototypenbau arbeiteten wir in Prozessstrukturen, die nahezu identisch mit den späteren Serienprozessen waren«, erläutert der Projektleiter. Die anschließende Nullserie lief im Pilotwerk ab und stellte »ein komplettes Abbild der späteren Seri-

enfertigung« dar, so Claar, allerdings noch ohne Robotereinsatz und ohne Automatikbetrieb. Alle Schwachstellen und Mängel wurden akribisch anhand von Problemführungslisten dokumentiert. Für die identifizierten Probleme legten die verantwortlichen Teams die notwendigen Abstimmungsmaßnahmen fest und überprüften die Termineinhaltung. In wöchentlichen Meetings wurden die Ergebnisse und Fortschritte besprochen. Über kritische Umfänge wurde bis an die Werkleitung und Vorstandsebene berichtet – deutliches Zeichen für die Management-Attention bei der Entwicklung der C-Klasse. Zusätzlich wurden im Werk Sindelfingen zusammen mit den Zulieferpartnern sogenannte ›ReifegradFahrzeuge‹ aufgebaut, anhand derer die Serientauglichkeit der einzelnen Teile, Komponenten und Baugruppen überprüft wurde. Diese Methode bewährte sich bereits bei der AKlasse. »Der Lerneffekt für die Beteiligten ist enorm«, bestätigt Claar. Er verheimlicht aber auch nicht, dass sein Team bei manchem Lieferanten und auch dessen Unterlieferanten ein bisschen nachhelfen musste.

Crashtest: Der Anteil hochfester Stahlsorten an der Rohbau-Karosserie der C-Klasse hat sich im Vergleich zum Vorgänger mehr als verdoppelt.

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paritätisch besetzt. Claar als Projektleiter teilt die Verantwortung für alle Fragen der Technik, Kosten- und Terminauswirkungen mit dem Baureihenchef Günter Walz. Einmal wöchentlich findet zudem eine ›Sprechstunde‹ bei der Projektleitung statt. Was aktuell ansteht, wird detailliert aufbereitet und im kleinen Kreis diskutiert. »Spätestens Dienstagnachmittag verfügen wir somit über die notwendigen Entscheidungen, die dann auch schnellstmöglich auf allen Ebenen kommuniziert werden«, erläutert Claar.. Bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt wurden auch die Zulieferer in das Projekt eingebunden. Die meisten Zulieferumfänge wurden im Bereich der Innenausstattung und Anbauteile vergeben. Eher zurückhaltend ging DaimlerChrysler das Thema Module und Systeme an. Klassische Zuliefermodule wie Cockpit, Sitze oder auch Frontend baut Daimler-Chrysler für die C-Klasse in Eigenregie auf. Für das Frontmodul hatten sich externe Zulieferer beworben, die in Kooperation das Frontmodul für die C-Klasse entwickeln und fertigen wollten. Daimler-Chrysler entschied sich jedoch, das Frontmodul inhouse zu montieren. Eine Frage »der Kapa-

Interview Mercedes-Benz C-Klasse

Große Erfahrungen aus der neuen Klasse Innovative, erstmalig bei der C-Klasse realisierte Prozesse in der Entwicklung und Fertigung, lassen die neue Baureihe zum Vorreiter werden, so Projektleiter Klaus P. Claar. Herr Claar, was unterscheidet die bei der C-Klasse realisierte Gleichteilestrategie von den Plattformstrategien anderer Hersteller?

Was wir mit der nahezu parallelen Entwicklung von verschiedenen Modellen der C-Klasse realisiert haben, hat andere Ziele als das, was allgemein unter einer klassischen Plattformstrategie verstanden wird. Die frühzeitige Berücksichtigung modellspezifischer Anforderungen und Restriktionen sowie Nutzung von Synergien innerhalb einer Baureihe ist ein wesentlicher Kostenfaktor sowohl in der Entwicklung als auch in der Produktion. Somit war es unser Anliegen, einen möglichst hohen Gleichteileumfang innerhalb der C-Klasse zu realisieren, um mit diesem Hebel maximale Zeit- und Kostenvorteile zu erzielen. Gibt es Tabu-Bereiche bei der Gleichteilestrategie?

Die designrelevanten Umfänge des Exterieurs und des Interieurs sind eine absolute Tabu-Zone. Die Individualität der Modelle hat bei der Marke Mercedes-Benz höchste Priorität – eine seit Jahren erfolgreiche Strategie, die der Kunde zu schätzen weiß. Anfangs gab es zum Beispiel Überlegungen, den Gleichteileansatz auch fürs Cockpit gelten zu lassen. Wir entschieden uns bewusst dagegen – aus Gründen der Individualität und der unterschiedlichen Positionierung der Fahrzeuge. Die Gleichteilestrategie setzt nur dort an, wo es der Kunde nicht sieht und nicht fühlt, aber die so entstandenen Kostenvorteile über den Kaufpreis wahrnimmt. Zu den Beispielen gehören die Bodenanlage, der Antrieb, das Elektroniksystem, Sicherheitskomponenten wie Airbag-Systeme oder diverse Bedieneinheiten. Wo liegen die großen Zeit- und Kostenpotenziale bei einer Gleichteilestrategie?

Bei der Verwendung von Gleichteilen in mehreren Fahrzeugvarianten reduziert sich vor allem der Entwicklungs- und Erprobungsaufwand, der bislang durch Neuentwicklungen, Modifizierungen oder Anpassungen für nachfolgende Modellvarianten entstand. Unabdingbare Voraussetzung für den Einsatz der Gleichteilestrategie ist jedoch, dass die Entwicklung des Grundfahrzeuges – in diesem Fall die Limousine – und der Varianten ›aus einer Hand‹ erfolgt. Dies bedeutet auch eine gleichzeitige Einbeziehung aller betroffenen Fachbereiche und derjenigen Werke, in denen später die Varianten gefertigt werden.

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Klaus P. Claar, Projektleiter Mercedes-Benz C-Klasse: »Mit der Limousine ist uns ein Meisterstück gelungen, das im C-Klasse-Segment seinesgleichen sucht.« Bild: Daimler-Chrysler

Wie viel ›alte‹ C-Klasse steckt in der neuen C-Klasse?

Bei der neuen C-Klasse handelt es sich um ein von Grund auf neu entwickeltes Fahrzeug. Weniger als drei Prozent der Teile der Limousine wurden vom Vorgängertyp übernommen, und dies sind in erster Linie Kleinteile wie zum Beispiel die Radschrauben. Die Zahl der Rohbauvarianten der C-Klasse-Limousine wurde im Vergleich zum Vorgänger drastisch reduziert. Dies bedingt sicher Vorinvestitionen, die sich dann erst später amortisieren. Wie sieht die Rechnung aus?

Wir müssen natürlich alle Sonderwünsche mit diesen Grundvarianten erfüllen. Dabei wurde manches zuerst teurer, zum Beispiel durch zusätzliche Bleche oder Verstärkungen oder aber auch durch zusätzliche Aufwendungen in der Produktion selbst. Auf der anderen Seite gewinnen wir jedoch eine höhere Fertigungskonstanz und damit ein höheres Qualitätsniveau. Erste Ersparnispotenziale konnten wir auch durch Effizienzgewinne beim Planungs- und Steuerungsaufwand in der Fertigung und in allen Abläufen der Werkslogistik erzielen. Unsere Erfahrungen werden sich aber erst auszahlen, wenn wir mehrere Modelle nach diesem Konzept in der Serie produzieren. Wie wird die Verteilung der Produktionsstückzahlen zwischen Sindelfingen und Bremen aussehen?

Wenn die Produktion auf Kammlinie läuft, werden in beiden Werken zusammen rund 1 200 Einheiten täglich produziert. Der bestehende Produktionsverbund zwischen den beiden Werken wird beibehalten. Wie bereitete sich das Werk in Südafrika auf die C-Klasse vor?

Das Werk Bremen ist das Patenwerk für unsere Produktionsstätte in East London. Bislang wurden dort CKD-Fahrzeuge aufgebaut. Für die künftige Fertigung des Rechtslenkers der neuen C-Klasse werden derzeit mit intensiver Unterstützung Bremer Mitarbeiter neue Anlagen für Presswerk, Rohbau, Lackierung und Montage installiert. Lokale Lieferanten werden parallel aufgebaut. Die enge Anbindung an das Projektteam in Sindelfingen wird durch ständigen Erfahrungstransfer sichergestellt. Zur Zeit laufen in East London die Produktionstests und Schulungen neuer, lokaler Mitarbeiter auf vollen Touren.