Staatshaftung wegen Amtspflichtverletzung, 839 BGB i.v.m. Art. 34 GG

Staatshaftung wegen Amtspflichtverletzung, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG Art. 34 GG: S. 1: Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlich...
Author: Adolf Schuster
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Staatshaftung wegen Amtspflichtverletzung, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG Art. 34 GG: S. 1: Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst es steht.

S. 2: Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. S. 3: Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentlichen Rechtweg nicht ausgeschlossen werden.

Staatshaftung wegen Amtspflichtverletzung, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG -„jemand“→Amtsträger →haftungsrechtlicher Beamtenbegriff: Beamte, Angestelle, Arbeiter, Beliehene -öffentliches Amt: „hoheitlich“: → Eingriffsverwaltung (+); Problem: Leistungsverwaltung → Abgrenzung zu privatem Verwaltungshandeln (z.B. Betreiben eines Schwimmbades); - „in Ausübung“: innerer Zusammenhang zwischen schädigender Handlung und dienstlicher Tätigkeit -Amtspflicht: immer: Beachtung allg. deliktsr. Eingriffsverbote + allg. Verhaltensregeln, z.B. StVO; ansonsten: Norminhalt ausschlaggebend - persönlicher, sachlicher, operativer Schutzbereich der Amtspflicht → Fall 29 - Verschulden: Vorsatz + Fahrlässigkeit - Haftungsausschlüsse: § 839 I 2: Subsidiarität bei Fahrlässigkeit (NICHT für LfZ, Unfall-/Renten-/Kaskovers.), § 839 II: „Spruchrichterprivileg“, § 839 III: Ausschluss bei Unterlassen von RSchutzantrag - Konkurrenzen: Ausschluss von §§ 823 ff. BGB; KEIN Ausschluss von Gefährdungshaftung, z.B. § 7 StVG; Ausschluss von § 839 durch § 19 BNotO

Privatrechtliche Staats- und Beamtenhaftung, § 839 BGB → Art. 34 GG NICHT anwendbar!

- Privatrechtliches Fiskalhandeln (z.B. Kauf von Computern) -Beamter im beamtenrechtlichtlichen Sinn →statusrechtlicher Beamtenbegriff → Angestellte, Arbeiter etc. KEINE Beamte

- Eigenhaftung des Beamten bei Verletzung von Amtspflicht - Staat haftet nach allg. Vorschriften: § 278, § 831, §§ 89, 31 BGB - Bei Fahrlässigkeit des hdl. Beamten: § 839 I 2 BGB →Staatshaftung vorrangig (s.o.), Eigenhaftung des Bea. ausgeschlossen

Fall 29: Anspruch der K gegen B auf SE? Anspruch der Tochter der K gegen B aus Art. 34 GG i.V.m. §§ 839, 844 II BGB 1. Hoheitliches Handeln eines Amtsträgers Verantwortliche Bedienstete der JVA = zumindest Beamte im haftungsrechtl. Sinn. Vollzugslockerung und insbes. Gewährung des unbeaufsichtigten Ausgangs = hoheitliches Handeln 2. in Ausübung eines öffentlichen Amtes: innerer Zusammenhang zwischen der schädigenden Handlung und der dienstlichen Tätigkeit (nicht nur b. Gelegenheit d.dienstlichen Tätigkeit) (+) 3. Verletzung einer Amtspflicht Hier: Verstoß gegen Amtspflicht aus § 11 II StVollzG? Danach ist einem Gefangenen eine Vollzugslockerung nur zu gewähren, wenn nicht zu befürchten ist, dass er die Lockerung des Vollzugs zu Straftaten missbraucht. Hier: keine ausreichende Abwägung der Gründe, die für oder gegen eine Vollzugslockerung sprechen; keine Durchführung einer psychologischen Untersuchung u. der vorgeschriebenen Sozialtherapie Da unsichere Sachlage, wäre ein psychiatrisches oder kriminal-prognostisches Sachverständigengutachten erforderl. gewesen. BGH: es war nicht zu vertreten, dem Gefangenen ohne vorausgegangene eingehende psychologische Untersuchung und vor Beginn der Sozialtherapie unbeaufsichtigten Ausgang zu gewähren.

 Verletzung einer Amtspflicht: (+)

4. Drittbezogenheit der Amtspflicht Verletzte Amtspflicht muss zumindest auch dem Geschädigten, hier also der getöteten K ggü. bestanden haben. Ob einem Dritten ggü. eine Amtspflicht besteht, richtet sich nach dem Schutzzweck. Zu untersuchen ist, ob die Amtspflicht im konkreten Einzelfall zumindest auch die Wahrnehmung der Interessen des Einzelnen bezweckt. Gem. § 2 StVollzG dienen die Aufgaben des Strafvollzugs der Resozialisierung des Gefangenen und dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Die aus §§ 10, 11 II StVollzG resultierende Amtspflicht, Vollzugslockerungen nur anzuordnen, wenn nicht zu befürchten ist, dass der Gefangene die Lockerung des Vollzugs nicht für die Begehung von Straftaten missbraucht, soll gerade auch den Einzelnen vor Straftaten schützen → Arg.: Art. 1, 2 II GG  Amtspflicht bestand auch ggü. der getöteten K.

5. Rwk: (+) 6. Verschulden: (+), Fahrlässigkeit, § 276 II BGB. 7. Schaden und Kausalität B haftet grundsätzl. für den durch den Tod der K bei deren Tochter entstandenem Unterhaltsschaden, § 844 II BGB. 8. Haftungsausschlüsse Hier kein Haftungsausschluss Anspruch der Tochter der K gegen B auf Zahlung einer monatl. Rente gem. Art. 34 BGB i.V.m. §§ 839, 844 II BGB: (+)

Beteiligung mehrer, § 830

§ 830 I 1, II -Mittäter, Anstifter, Gehilfe: → Haupttatsvorsatz + Täter/Teilnehmervorsatz nötig -Nebentäterschaft → § 830 I 2 o. bei abgrenzbaren Schadensteilen - Kausalität des konkreten Tatbeitrags unerheblich, z.B.: B + C begehen Einbruchdiebstahl, A steht „Schmiere“; gewalttägige Demo; Betriebsblockade

§ 830 I 2 - Norm will Beweisnot des Geschädigten beseitigen: B fährt auf A, C auf B auf und schiebt B noch weiter auf A-Pkw → Weder B noch C können sich darauf berufen, dass der jeweils andere den „Löwenanteil“ des Schadens verursacht hat

- Beteiligung mehrer -Kein Zusammenwirken, kein Vorsatz erforderlich - Rspr.:uH/GefährdungH/§ 906 II - NICHT, wenn bereits die Beteiligung an uH als solcher fraglich - NICHT, wenn bereits ein Beteiligter alleine f.d. vollen Schaden haftet: A fährt R an, R bleibt verletzt liegen, B überfährt R → A hat Gesamtschaden adäquat-kausal verursacht

§ 840 I: Haftung mehrer für Schaden aus uH → Gesamtschuldner, §§ 421, 426; § 254 analog spezielle (quotale) Verteilungsregel Abweichungen: § 840 II, III Problem: „Gestörte Gesamtschuld“ G

S1

S2: Privilegierung, z.B. § 1664 o. vertragliche Haftungsreduktion

1. Lösung zu Lasten von G: G muss SchE gegen S1 um S2-Innenanteil kürzen lassen 2. Lösung zu Lasten von S1: S1 haftet alleine und vollständig 3. Lösung zu Lasten von S2: S2 haftet zwar nicht gegenüber G, aber im Innenverhältnis mit seinem Anteil gegenüber S1 (fingiertes GS-Verhältnis)

Fall 30:

Anspruch des K gegen B auf SE aus § 823 I i.V.m. §§ 31, 89 BGB 1. Rechts- oder Rechtsgutsverletzung: (+) 2. Verletzungshandlung Denkbar: Verletzungshandlung in Form von Unterlassen Erforderl. hierfür ist, dass der Unterlassende gg.über dem Geschädigten eine Pflicht zum Handeln hat. Hier: B hat den Verkehr auf einem Spielplatz eröffnet  Verkehrssicherungspflichten; Gefahren, die durch diese Verkehrs-eröffnung geschaffen wurden, sollen sich nicht realisieren können.

Hier: Rutsche wies an ihren seitl. Holmen keine ausreichende Absturzsicherung für kleinere Kinder auf. Ferner: Unterboden im Bereich des Gerätestandorts ohne aufprallhemmenden Bodenbelag. Belag hätte aus Rasen, Kunst-stoff, Fallschutzplatten oder Sand, nicht aus Beton bestehen müssen.  B hat nicht die erforderl. Vorkehrungen getroffen, um Schäden der Spielplatzbenutzer zu vermeiden  Pflichtverletzung: (+)

3. Haftungsbegründende Kausalität (zw Handlung und Verletzung) Mit ausreichender Absturzsicherung auch für kleinere Kinder und adäquatem Bodenbelag wäre es nicht zur Körperverletzung gekommen (conditio sine qua non-Formel). Adäquanz und Anforderungen gem. der Lehre vom Schutzzweck der Norm: (+) 4. Rechtswidrigkeit Hier: Unterlassen  Lehre vom Handlungsunrecht Rwk: (+), da gegen eine Verhaltenspflicht verstoßen wurde 5. Verschulden: (+), Fahrlässigkeit, § 276 II BGB. 6. Kausaler Schaden: (+) 8. Mitverschulden, § 254 BGB Anrechnung des Mitverschuldens des Vaters? Dieser hat leicht fahrlässig seine Aufsichtspflicht gem. §§ 1626, 1631 I BGB verletzt. Anspruch des Geschädigten kann sich nicht nur bei eigenem Verschulden, sondern auch bei Verschulden von Hilfspersonen mindern, vgl. § 254 II 2 BGB. § 254 II 2 BGB ist nach h.M. als 3. Abs. des § 254 BGB zu verstehen und somit auch auf § 254 I BGB anwendbar.

h.M.: § 254 II 2 BGB = Rechtsgrundverweisung auf § 278 BGB Vorauss. für Zurechnung ist, dass eine vertragl. Beziehung od. sonstige rechtl. Sonderverbindung zw. Schädiger und Geschädigten im Ztpkt. der Schadensentstehung bestand. Sonderrechtsbeziehung zw. K und B? Denkbar: (Spielplatz-)Benutzerverhältnis zw. K und B. Aber: Allein Benutzen des Spielplatzes genügt nicht, um über die allgem. deliktischen Rechte und Pflichten hinausgehende bes. schuldrechtl. Beziehungen entstehen zu lassen. K muss sich Mitverschulden des Vaters nicht anrechnen lassen  keine Haftungsminderung nach § 254 I i.V.m. § 278 BGB.

9. Kürzung des Anspruchs

Kürzung des Anspruchs aus dem Gesichtspunkt der gestörten Gesamtschuld? Vater des K hat nicht sorgfältig aufgepasst und trägt ein Mitverschulden am Unfall. § 840 I BGB: mehrere für einen Schaden Verantwortliche haften als Gesamtschuldner, §§ 421 ff. BGB, d.h., im Außenverhältnis haftet jeder Schuldner ohne Rücksicht auf die Einstandspflicht der übrigen in vollem Umfang gg.über dem Gläubiger; der Geschädigte kann nach seinem Belieben von jedem der Schädiger ganz oder teilweise SE verlangen, § 421 BGB. Im Innenverhältnis haften die Schädiger aber i.d.R. nur nach ihrem Verursachungs- und Verschuldensanteil (vgl. § 840 i.V.m. § 426 I 1 i.V.m. § 254 BGB). K könnte also, selbst dann, wenn ein Gesamtschuldverhältnis vorläge, von B grds. vollen SE verlangen, unabhängig von einem mögl. Verursachungs- und Verschuldensanteil des Vaters Rspr. hat jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen. Etwa dann, wenn mehrere Schuldner einem Gläubiger haften, jedoch einer dieser Schuldner dem Gläubiger gg.über auf Grund eines Vertrags oder des Gesetzes privilegiert ist, sog. „gestörtes oder hinkendes Gesamtschuldverhältnis“.

Hier: Vater könnte durch die §§ 1664 I, 277 BGB privilegiert sein. Gem. § 1664 I BGB müssen Eltern nur für diejenige Sorgfalt einstehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Vater hat die eigenübl. Sorgfalt beachtet  er ist durch §§ 1664 I, 277 BGB privilegiert.  haftet K gg.über eigentl. gar nicht.  hier könnte ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis vorliegen. Fragl. ist, wie sich die Haftung in einem solchen Verhältnis gestaltet. 3 Lösungen denkbar: E. A.: B muss gg.über K allein den Schaden tragen. Aber: oft unbillige Ergebnisse. Ferner: Dann, wenn die Haftungsprivilegierung des Mitschädigers auf einem Vertrag zw. diesem und dem Geschädigten bestünde, würde sich die Privilegierung im Erg. als unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter auswirken. A.A.: Haftungsbefreiung des Vaters gilt nur im Außenverhältnis und er muss im Innenverhältnis weiterhin für seinen Verschuldensanteil einstehen. Bei dieser Lsg. wird also ein Gesamtschuldverhältnis (für das Innenverhältnis) fingiert. Aber: Der im Außenverhältnis zum Geschädigten Privilegierte würde durch die Pflicht zum Ausgleich im Innenverhältnis seine Vorteile wieder verlieren.  Der nur beschränkt Haftende würde dann, wenn er alleine für den Schaden verantwortlich wäre, besser stehen, als wenn er nur z. T. verantwortlich ist.

Lit.: Anspruch des Geschädigten ist auf den Teil zu kürzen, den der nicht haftungspflichtbefreite Schädiger im Innenverhältnis tragen müsste.  Haftungsprivileg bleibt bestehen, geht aber gleichzeitig nicht zu Lasten des nichtprivilegierten Schädigers. Hier: Rspr. geht anderen Weg. Die aufgezeigten Rechtsfolgen können nur dann eintreten, wenn auch tatsächl. ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis nach § 840 I BGB vorliegt. Rspr.: Hieran fehle es hier. Dem Vater des K sei ein Verschulden wegen §§ 1664 I, 277 BGB gar nicht zurechenbar.  es gäbe kein Gesamtschuldverhältnis, welches gestört werden könne.  eine Anspruchskürzung der B komme von vornherein nicht in Betracht.

Nach der Rspr. hat K gegen B einen Anspruch auf SE aus § 823 I i.V.m. §§ 31, 89 BGB in voller Höhe.