Definition Sportliche Bewegung (Göhner 1992)
Universität Wien - WS 2004/05
3 Sportliche Bewegung Prof. Hermann Schwameder, WS 04/05
und ihre Analyse
Hermann Schwameder
Menschliche Bewegung ist genau dann eine sportliche Bewegung und ist somit Gegenstand einer Bewegungslehre des Sports, wenn sie Lösung einer im Sport gestellten Bewegungsaufgabe ist und wenn sie dabei den in der Aufgabe explizit genannten oder auch nur implizit enthaltenen Rahmenbedingungen genügt.
Definition Sportliche Bewegung (Göhner 1992)
1. Die sportspezifische Bewegungsaufgabe
Sportliche Bewegung kann immer nur in Verbindung einer sportlichen Bewegungsaufgabe gesehen werden.
Eine auf sportliche Bewegungen zentrierte Bewegungslehre muss daher auf die Bewegungsaufgaben des Sports eingehen.
Was sportliche Bewegungen sind, ist daher immer erst dann beantwortet, wenn die im Sport gestellten Bewegungsaufgaben und deren dort anerkannte Lösungen beschrieben worden sind.
Prof. Hermann Schwameder, WS 04/05
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Göhner, 1992
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1. Die sportspezifische Bewegungsaufgabe
1. Die sportspezifische Bewegungsaufgabe
Wenn nur noch das Ergebnis wichtig und der Vorgang der Verrichtung, die psychomotorische Aktivität, letztlich beliebig ersetzbar ist, dann handelt es sich nicht mehr um eine sportliche Bewegung (Sobotka, 1981).
Bewegungsaufgabe Hochsprung
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Die Nichtaustauschbarkeit der motorischen Aktivität ist ein wesentliches Kennzeichen sportlicher Bewegungen (Sobotka, 1981).
Göhner, 1992
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Viele Möglichkeiten: Leichtathletischer Hochsprung Jump-and-Reach-Test Aufsprung auf einen Kasten Absprung von einem Trampolin Leistungen bei den einzelnen Aufgaben müssen nicht zwangläufig korrelieren Leichtathletische Hochspringer schneiden beim beidbeinigen vertikalen Hochsprung nicht besser ab als gute Gewichtheber
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1.1 Grundstruktur der sportspezifischen Bewegungsaufgabe (Göhner)
1.1 Grundstruktur der sportspezifischen Bewegungsaufgabe (Göhner)
Die Frage nach einer Grundstruktur von Bewegungsaufgaben mag verwirren (Tennis, Skilauf, Rudern)
Das Gemeinsame aller sportlichen Bewegungsaufgaben lässt sich darauf zurückführen, dass stets
Auf abstrakter Ebene 5 Gemeinsamkeiten erkennbar
ein materielles Movendum von einem Beweger Prof. Hermann Schwameder, WS 04/05
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Bewegungsziel Movendum als Bewegungsobjekt Bewegungssubjekt als der Beweger Bewegungsraum Bewegungsregeln
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Alle Bewegungsaufgaben im Sport enthalten eine Zielsetzung, die durch oder mit Bewegung erreicht werden muss.
Regelbedingungen beeinflussen Operationen und Verlaufsformen einer sportlichen Bewegung Bewegerattribute
Movendumattribute Umgebungsbedingungen
Göhner, 1979 (mod.)
Ob man an die Disziplinen der Leichtathletik, des Turnens oder des Skilaufs denkt, stets ist typisch, dass Ziele genannt werden, die durch Bewegung erreicht werden müssen.
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1.1.1 Sportspezifische Bewegungsziele
1.1.1.1 Vergleichsziele
Vergleichsziele
Die mit einer Bewegung zu erzielenden Ergebnisse erlauben stets einen Vergleich und somit die Erstellung einer Rangfolge.
Movendum- und Bewegerziele Zweck- und Formbewegungen
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Erreichungsziele Prof. Hermann Schwameder, WS 04/05
auf ein Bewegungsziel hin bewegt wird
1.1.1 Sportspezifische Bewegungsziele
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Bewegungsziele
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unter Einhaltung von Regeln
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1.1 Grundstruktur der sportspezifischen Bewegungsaufgabe (Göhner)
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in einem spezifischen Bewegungsraum
Vergleiche sollten möglichst unmittelbar nach Vollzug der Bewegung vor Ort durchführbar sein (Sport muss einfach sein). Vergleiche auch bei räumlich und zeitlich getrennten Ereignissen (FISPunkte, ATP-Rangliste, Rekordlisten).
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1.1.1.1 Vergleichsziele
1.1.1.1 Vergleichsziele
Zeitminimierung
Zeitminimierung
Schwierigkeitsoptimierung Verlaufsoptimierung Fehlerminimierung Schwierigkeitssteigerung
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Start- und Zielsituation müssen genau festgelegt werden (Grundlage für die Messung)
1.1.1.1 Vergleichsziele
1.1.1.1 Vergleichsziele
Treffermaximierung Trefferoptimierung
Distanzmaximierung Distanzminimierung
Mit dem Movendum (unter bestimmten Bedingungen) eine möglichst große Anzahl von Treffern erreichen (z.B. Tore im Fußball, Bowling, Fechten) Treffer muss definiert sein (Zählung, Messung, Entscheid durch Schiedsrichter)
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Erreichen einer möglichst kurzen Zeit für eine vorgegebene Distanz (z.B. Lauf, Schwimmen, Skilauf)
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Treffermaximierung Trefferoptimierung
Mit dem Movendum eine möglichst große (bzw. kurze) Distanz erreichen (z.B. Speerwurf, Weitsprung, Dartwurf) Ausgangs- und Endsituation müssen genau festgelegt werden (Grundlage für die Messung)
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1.1.1.1 Vergleichsziele
1.1.1.1 Vergleichsziele
Schwierigkeitsoptimierung
Verlaufsoptimierung
Bewegungsaufgabe mit zunehmend schwieriger werdendem Bewegungsvorgang bzw. schwieriger gestaltbare Situation bewältigen (z.B. Gewichtheben, Springreiten) Bewältigung der Aufgabe wird beobachtet, Grad der Schwierigkeit wird gemessen
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Distanzmaximierung Distanzminimierung
Nicht einzelne Bewegungsmerkmale (Zeit, Distanz, Treffer usw.) sind Grundlage für den Vergleich, sondern der gesamte Verlauf (z.B. Turnen, Eiskunstlauf) Grundlage für den Vergleich sind Anzahl und Schwere von Fehlern bzw. Schwierigkeit des Ablaufs
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1.1.1.1 Vergleichsziele
Verlaufsoptimierung -
Verlaufsoptimierung -
Fehlerminimierung
Schwierigkeitssteigerung
Realisieren-Können mit Vermeiden-Müssen (z.B. Wasserspringen, Gerätturnen) Fehler müssen definiert sein und sind i.A. kategorial aufgelistet Beurteilung durch (zumeist mehrere) Kampfrichter Grundlage für den Vergleich ist eine idealtypische Vorgabe
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1.1.1.1 Vergleichsziele
1.1.1.2 Erreichungsziele
Verlaufsoptimierung -
Bewegungen sind nicht auf ein vergleichbares Resultat, sondern gleichsam auf sich selbst gerichtet (Gehen bei Kleinkindern, Handstand, Menschenpyramide)
Keine sukzessive Steigerung, sondern Schwierigkeit wird selbst gewählt Vergleich Stabhochsprung Wasserspringen
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Kopplung von Aktionen (Sprungkombinationen im Eiskunstlauf)
1.1.1.1 Vergleichsziele
Nicht mit Schwierigkeitsoptimierung gleichzusetzen
Das Wesen dieser Bewegungsaufgaben liegt im Gelingen der Bewegung, in der Bewältigung der im AusführenKönnen selbst steckende Problem
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1.1.1.2 Erreichungsziele
1.1.1.2 Erreichungsziele
Erhaltungsziele
Erhaltungsziele
Fertigkeitsziele
Formziele
Kombinationen möglich
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Bewältigungsziele Prof. Hermann Schwameder, WS 04/05
Überlagerung bzw. Verdichtung von Aktionen (Salto + Schraube, Sprung mit Bandbewegungen)
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Schwierigkeitssteigerung
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Unterschiedliche Einschätzung einzelner Aktionsmuster (Rolle, Salto gebeugt, Salto gestreckt)
Äußerlich gut beobachtbare Positionen statisch (quasistatisch) einnehmen und halten z.B. Handstand, Stehen auf dem Skateboard) bzw. Aktionen ausführen (Gehen auf einem freihängenden Seil)
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1.1.1.2 Erreichungsziele
1.1.1.2 Erreichungsziele
Fertigkeitsziele
Bewältigungsziele
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Bewältigen einer gut beschreibbaren Situation durch (relativ) frei wählbare Bewegungen z.B. Erreichen des Endes einer Kletterstange, Abfahren einer steilen Rinne mit Ski
1.1.1.2 Erreichungsziele
1.1.1.3 Movendum- und Bewegerziele
Formziele
Übergeordnete Zielsetzungen können auf physische (motorische) Fähigkeiten, aber auch auf psychische Dispositionen (Befindlichkeiten) des Bewegers und nur untergeordnet auf die äußerlich erkennbare (Zuschauer, Mitspieler, Gegner) Veränderungen des Movendums ausgerichtet werden.
Erreichen einer spezifischen Ausführungsmodalität, einer bestimmten Bewegungsform, ist bestimmend z.B. Durchsteigen einer Wand ohne technische Hilfsmittel
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Nicht das Erreichen einer bestimmten Position oder das Vollziehen einer Aktionsfolge steht im Vordergund
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z.B. Überschläge beim Bodenturnen, bestimmte Schwünge im Skilauf
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1.1.1.3 Movendum- und Bewegerziele
1.1.1.3 Movendum- und Bewegerziele
Movendumziele
Bewegerziele
Müssen prinzipiell bei einer wettbewerblichen Orientierung verfolgt werden
Nicht äußerlich beobachtbare Kriterien stehen im Vordergrund
Es steht die Außensicht (von außen beobachtbar und messbar) der Bewegung im Vordergrund
Verbesserung und Erhaltung der motorischen Belastbarkeit (Verbesserung von Ausdauer, Kraft und Beweglichkeit)
Kann mit Bewegerzielen eng verknüpft sein
„Übergeordnete Ziele“ mit Innenaspekt Prof. Hermann Schwameder, WS 04/05
Prof. Hermann Schwameder, WS 04/05
Äußerlich gut beobachtbare Bewegungsmuster (Aktionsfolge) erreichen
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Psychische Befindlichkeit wie Freude, Spaß, Erlebnis, Sozialkontakt Eng mit Movendumzielen verknüpft
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Aufstellen von Formgesetzen für sportliche Bewegungen (Sobotka 1974)
Aufstellen von Formgesetzen für sportliche Bewegungen (Sobotka 1974)
Zweckbewegungen
Formbewegungen
Werden analog zum Gebrauch eines Werkzeugs eingesetzt, um ein außerhalb des Bewegungsablaufs liegendes Ziel zu erreichen Ökonomie, Energieumsetzung, Energieversorgung, Präzision Vergleichbar mit den Vergleichszielen nach Göhner
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1.1.1.4 Zweck- und Formbewegungen
Vergleichbar mit den Erreichungszielen nach Göhner
1.1.2 Sporttypische Movenda
Das Movendum ist jenes Objekt, das zielgerichtet zu bewegen ist, an dessen beobachtbarem und messbarem Verlauf sich daher das Erreichen des Bewegungszieles ermitteln lassen muss.
Typisierung aufgrund ihrer Sinnhaftigkeit im Rahmen der gestellten Bewegungsaufgabe
Im Sport gibt es kaum Einschränkungen hinsichtlich der zu bewegenden Objekte. Es muss lediglich bewegbar sein, um es auf ein genanntes Bewegungsziel zu bewegen.
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Standardisiertes Movendum Ziel: Chancengleichheit, Vergleichbarkeit z.B. Speer, Diskus, Tennisball
„Freies Movendum“ Ziel: Breite Bewegungserfahrung, Erfahren von Wirkungen z.B. Jonglieren mit verschiedenen Geräten (Bälle, Tücher, Keulen) .
1.1.2 Sporttypische Movenda
1.1.2 Sporttypische Movenda
Einfluss eines Movendums auf den Verlauf einer sportlichen Bewegung
Bewegungsmodalitäten von Movenda allgemeines und überdauerndes Bewegungsverhalten
Speer, Kugel, Fußball
aktiv-reaktiv Gegner im Judo
aktiv, sich selbst bewegend Turner, Läufer, Schwimmer
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passiv-reaktiv Prof. Hermann Schwameder, WS 04/05
Harmonie, Schwierigkeit und Präzision
1.1.2 Sporttypische Movenda
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Ihr Sinn liegt in der Realisierung einer bestimmten Form der Bewegung selbst
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Prof. Hermann Schwameder, WS 04/05 Prof. Hermann Schwameder, WS 04/05
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1.1.1.4 Zweck- und Formbewegungen
Kugel im Flug
aktuelles Bewegungsverhalten Absprungverhalten eines Fußballs
Bewegbarkeitscharakteristik Volleyball, Federball, Diskus
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1.1.3 Sporttypische Beweger
1.1.3 Sporttypische Beweger
Differenzierung und Charakterisierung notwendig, um Bewegung zu verstehen
Differenzierung und Charakterisierung notwendig, um Bewegung zu verstehen
Natürlicher Beweger
Partnerunterstützter Beweger
Instrumentell unterstützter Beweger manipulatorisch (Tennisspieler, Golfspieler) lokomotorisch (Radfahrer, Snowboarder)
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Schwimmer, Läufer
Partner sind zugleich Movendum und Beweger (Synchronschwimmen, Rudern)
1.1.3 Sporttypische Beweger
Differenzierung und Charakterisierung notwendig, um Bewegung zu verstehen
Instrumentell und partnerunterstützter Beweger (Rudern, Tandem) Partnerunterstützter und gegnerbehinderter Beweger (Sportspiele)
Indirekt: Movendum und andere Beweger sind nicht identisch (Ball und Gegner im Fußball)
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Direkt Movendum kann Störungen verursachen (Ringen, Judo)
Instrumentell und gegnerbehinderter Beweger (Badminton-Einzel) Instrumentell und partnerunterstützter und gegnerbehinderter Beweger (Tennis-Doppel, Eishockey)
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1.1.4 Sportartspezifischer Bewegungsraum
1.1.5 Bewegungsregeln im Sport
Räume, die Aktivitäten des Bewegers unterstützen oder ermöglichen (Schwimmen, Skilauf)
Bewegungsaufgaben im Sport stimmen darin überein, dass das Erreichen der Bewegungsziele an das Einhalten von Regeln gebunden ist
Räume mit dem Ziel, beabsichtigte Bewegungen zu behindern (Klettern, Wildwasserfahren, Hürdenlauf) Neutrale Räume – weder Unterstützung noch Behinderung (Fußballfeld, Volleyballhalle)
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Partnerunterstützung durch strategisches Denken und Handeln (Spielzug im Basketball)
1.1.3 Sporttypische Beweger
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Bewegung aufgrund der Partnerkonstellation (Ausschuss beim Fußball)
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Gegnerbehinderter Beweger
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Geringe Beeinflussung der Bewegung (Mannschaftsturnen)
Dienen auch zum Erhalt von sportmotorischen Techniken (Brustschwimmen, klassische Technik im Skilanglauf)
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Vereinfachungen nach Roth (1990) Prinzip der Vereinfachung der Bewegungsziele
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Prinzip der Vereinfachung der Regelbedingungen Prinzip der Vereinfachung der Movendumattribute Prinzip der Vereinfachung der Bewegerattribute Prinzip der Vereinfachung der Umweltbedingungen
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