Soziale Arbeit in der Integrierten Versorgung

Soziale Arbeit im Gesundheitswesen 2760 Soziale Arbeit in der Integrierten Versorgung Bearbeitet von Marius Greuèl, Hugo Mennemann 1. Aufl. 2006. T...
Author: Harry Winkler
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Soziale Arbeit im Gesundheitswesen 2760

Soziale Arbeit in der Integrierten Versorgung

Bearbeitet von Marius Greuèl, Hugo Mennemann

1. Aufl. 2006. Taschenbuch. 153 S. Paperback ISBN 978 3 8252 2760 9 Format (B x L): 12 x 18,5 cm

Weitere Fachgebiete > Pädagogik, Schulbuch, Sozialarbeit > Sozialarbeit > Sozialarbeit: Kranken-, Alten- und Behindertenhilfe Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei

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UTB 2760

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3

Marius Greuèl Hugo Mennemann ●

Soziale Arbeit in der Integrierten Versorgung

Mit 13 Abbildungen

Ernst Reinhardt Verlag München Basel

4

Selbstverständnis und professionsbezogene Verortung

Marius Greuèl, Dipl.-Soziologe und Master Public Health (MPH), Dozent im Studiengang Gesundheitsmanagement und Public Health an der Alice-Salomon-FH in Berlin und in der Fort-und Weiterbildung von Führungskräften in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen. Dr. Hugo Mennemann, Professur an der Kath. FH NRW in Münster, Mitglied bundesweiter Fachgruppen zu integrierten Versorgungsformen, hat integrierte Versorgungsformen aufgebaut bzw. weiterentwickelt.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. UTB-ISBN 10: 3-8252-2760-X ISBN 10: 3-497-01829-5 UTB-ISBN 13: 978-3-8252-2760-9 ISBN 13: 978-3-497-01829-1

© 2006 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München Dieses Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Satz: Ute C. Renda-Becker, Lahnstein Druck: Ebner & Spiegel, Ulm Printed in Germany ISBN 3-8252-2760-X (UTB-Bestellnummer)

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München Net: www.reinhardt-verlag.de Mail: [email protected]

5

Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

1

Selbstverständnis und gesellschaftliche Verortung Sozialer Arbeit in der IntegriertenGesundheitsversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.1

Strukturreformen im Gesundheitswesen als Herausforderung für die Soziale Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

1.2

Disziplin und Profession Sozialer Arbeit . . . . . .. . . . . . . . 13 Verortung Sozialer Arbeit in der Integrierten Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

2

Begriffsklärungen und strukturbezogene Merkmale

2.1

Versorgungsprobleme im Gesundheitswesen . . . . . . . . . . 24

2.2

Reformen und Strukturwandel im Gesundheitswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

2.3

Begrifflichkeit und Typologie von Integrationsversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

3

Integrierte Versorgung aus Sicht der Zielgruppen und Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

3.1

Die Leistungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

3.2

Die Kostenträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

3.3

Die niedergelassenen Ärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

3.4

Die neue Rolle der Kassenärztlichen Vereinigungen . . . 51

3.5

Die Stellung der Krankenhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

24

6

Inhalt Selbstverständnis und professionsbezogene Verortung

56

4

Rechtliche Aspekte und Finanzierungsmöglichkeiten

4.1

Integrierte Versorgungsverträge nach §140a bis d SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

4.2

Hausarztzentrierte Versorgung und Praxisnetze . . . . . . . 60

4.3

Die Bedeutung der Medizinischen Versorgungszentren für die sektorenübergreifende Versorgung . . . . 62

4.4

Disease-Management-Programme nach §137 f und g SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

4.5

Modellprojekte für trägerübergreifende Budgets nach §17 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

4.6

Modellprojekte im Sinne des §8 Abs. 3 SGB XI (Pflegebudget) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

5

Wege der Integration des ambulanten, teilstationären und stationären Sektors . . . . . . . . . . . 71

5.1

Der Grundsatz „ambulant vor stationär“ in der Integrierten Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

5.2

Fallbeispiele der Integration des ambulanten und stationären Sektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Stationär: Integratives Case-Management-Konzept eines Krankenhauses in Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Teilstationär: Krankenhausnachsorge durch ein Pflegehotel in Kooperation mit einem Krankenhaus . . . . . . . . . 5.2.3 Integratives ambulantes Versorgungsmanagement für schwerstkranke Patienten in Hannover . . . . . . . . . . . . . . .

78 78 81 85

6

Strategien und Handlungskompetenzen . . . . . . . . . . . 88

6.1. 6.1.1 6.1.2 6.1.3

Das „Ahlener System“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisation und Arbeitsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.2

Bundesmodellprojekt HomeCare Nürnberg . . . . . . . . . . 94

88 89 92 93

Inhalt

7

6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4

Der methodische Rahmen – Case Management . . . . . . . 98 Begriffsklärung und Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Leitprinzipien und Case-Management-Modelle . . . . . . . 102 Case Management auf Einzelfall- und Systemebene . . . 105 Case Management – eine effektive und effiziente Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

7

Ethische Grundlagen Integrierter Versorgung . . . . . 115

7.1

Spannungsfelder ethischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . 116

7.2

Aspekte ethischer Grundlagen im Handlungsfeld Integrierter Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

8

Internationale Managed-Care-Entwicklung und Positionsbestimmung Sozialer Arbeit . . . . . . . . . 126

8.1

Managed-Care-Entwicklung am Beispiel USA und Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

8.2

Aktuelle Positionsbestimmung der Sozialen Arbeit mit Blick auf die Integrierte Versorgung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

8

Inhalt Selbstverständnis und professionsbezogene Verortung

9

Einleitung

Mit der Integrierten Versorgung hat der Gesetzgeber ein neues vertrags- und leistungsrechtliches Systemelement im bundesdeutschen Gesundheitswesen verankert. Ziel ist es, durch kooperative Versorgungsverträge der beteiligten Leistungserbringer mit den Kostenträgern eine gemeinsam abgestimmte Gesamtverantwortung für die sektorenübergreifende Betreuung und Behandlung, insbesondere von schwerst- und chronisch kranken, behinderten oder pflegebedürftigen Menschen, sicherzustellen. Hierbei können die Vertragspartner Inhalt, Ziel und Vergütung der medizinischen, therapeutischen, pflegerischen und sozialen Leistungen eigenverantwortlich und flexibel aushandeln. Dies ermöglicht innerhalb der Integrierten Versorgung den Abschluss von zum Teil deutlich höheren Leistungsentgelten für innovative Betreuungsaufgaben oder auch für Leistungen, die bislang innerhalb der Regelfinanzierung nicht berücksichtigt wurden. Für den Gesetzgeber und das Gesundheitsministerium bildet die Integrierte Versorgung die zukünftige Vertragsarchitektur im Gesundheitswesen. Daher besteht der Auftrag dieses Buches darin, der Sozialen Arbeit neben den detaillierten vertrags- und leistungsrechtlichen Informationen auch die Wirkungsmechanismen der Integrierten Versorgung in allen ihren Ausprägungen zu erschließen, mit dem Ziel, die qualifizierte und engagierte Mitwirkung der Sozialen Arbeit an zukünftigen integrativen Versorgungsstrukturen zu gewährleisten. Integrierte Versorgung wird in diesem Buch breiter gefasst und beinhaltet nicht nur die übliche Fokussierung auf §140a bis d SGB V. Sie steht in diesem Kontext als Synonym für eine ganze Reihe von Instrumenten für neue Versorgungsformen im Gesundheitswesen. Neben Verträgen zur Integrierten Versorgung nach §140a bis d SGB V, die aufgrund ihrer Gestaltungsfreiheit einen Boom von Vertragsangeboten und Konzepten bei den Kostenträgern ausgelöst haben, sind für das Gesundheitswesen völlig neuartige Organisations-

10

Einleitung

strukturen realisierbar, beispielsweise im Rahmen von Praxisnetzen, hausarztzentrierter Versorgung, Medizinischen Versorgungszentren und Individualbudgets. Ferner fallen unter den Begriff Integrationsversorgung auch die Qualitätsverbünde (z. B. im Rahmen der Altenhilfe), außerdem Netzwerke für die psychiatrische Versorgung und pflegerische Vernetzungsformen (z. B. für die Krankenhausnachsorge) sowie die Kooperation von Leistungsträgern im Rahmen der trägerübergreifenden Budgets in der Behindertenhilfe. Gemeinsam ist diesen Kooperationsformen der Fokus auf ein zielgerichtetes und abgestimmtes Handeln aller Beteiligten, begrifflich als Care und Case Management gefasst. Neue Organisationsformen, wie etwa care units als interdisziplinäre Teams, orientieren sich dabei auch an internationalen Entwicklungen (z. B. der Ansatz patient focused care aus den USA). Die Gestaltung der erforderlichen Organisationsformen und die Steuerung der Behandlungs- und Versorgungsprozesse stellen typische Managementaufgaben dar. Planung, Durchführung, Kontrolle und Anpassung der damit verbundenen Maßnahmen erfordern ein hohes Maß an Professionalität, das nicht selten seitens der Leistungspartner unterschätzt wird. Dem Anspruch dieses Buches folgend, Soziale Arbeit und Integrierte Versorgung systematisch aufeinander zu beziehen, soll das eigentliche Handlungsfeld, die Reorganisation der Gesundheitsversorgung, skizziert werden, um zu verdeutlichen, inwiefern Soziale Arbeit als Disziplin und Profession diesen Themenkomplex bereichern kann. Ferner soll für die Leserinnen und Leser erkennbar werden, welche Kompetenzen Sozialpädagogen und Sozialarbeiter für dieses Tätigkeitsfeld mitbringen. Umgekehrt bereichern die nachfolgenden Ausführungen den Fachdiskurs Sozialer Arbeit, da spezifische Inhalte, wie etwa Vernetzung, exemplarisch erarbeitet werden. Das Buch richtet sich gemäß der doppelten Zielsetzung – mit Blick auf eine grundlegende Erarbeitung des (neuen) Handlungsfeldes für die Profession und die Disziplin – sowohl an professionell Tätige in der Sozialen Arbeit als auch an Fachkollegen der Disziplin. Da die skizzierten gesundheitspolitischen Voraussetzungen und Strukturmerkmale der Integrierten Versorgung von Grund auf erarbeitet werden, leistet der vorliegende Band darüber hinaus einen fachlichen Beitrag für alle Akteure in diesem gesundheitlichen Handlungsfeld. Die zu erläuternden Prinzipien sind zudem über den Gesundheitsbereich hinaus anwendbar. Nachdem

Einleitung

11

die Praxis in diesem auch für Soziale Arbeit wichtigen Feld rasch voranschreitet und sich die einzelnen Professionen positionieren, ist es an der Zeit, die jeweiligen strukturbezogenen Merkmale Sozialer Arbeit in den unterschiedlichen Handlungsbereichen Integrierter Versorgung typologisch vorzustellen und diese aus Sicht der Sozialen Arbeit zu reflektieren. Hierbei geht es nicht darum, Integrierte Versorgung trotz aller tiefgreifenden Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung im Rahmen einer Grundsatzdiskussion kritisch zu hinterfragen. Dem Anspruch des Buches einer Rezeption der aktuellen Praxis folgend, geht es vielmehr darum, die Entwicklungen im Hinblick auf Anforderungen an die Soziale Arbeit möglichst detailgetreu abzubilden. Bislang wurden in der Literatur diese neuen Anforderungen an die Soziale Arbeit kaum behandelt. Zwar wurden mittlerweile die Themen unter den Stichworten Vernetzung im Gesundheitswesen, Case Management, Managed Care, Integrierte Versorgung, Praxisnetze oder etwa pflegerisches Entlassungsmanagement publiziert. Jedoch fehlen konkrete Arbeitshilfen für die hier adressierte Zielgruppe hinsichtlich eigener Interessen, Kompetenzen und Partizipationswünsche innerhalb dieses innovativen Arbeitsfeldes. Das vorliegende Buch hat zwei übergeordnete Ziele: zum einen möchte es für die an Integrierter Versorgung beteiligten Professionen den Kompetenzzuwachs durch Soziale Arbeit (z. B. in Bezug auf Care und Case Management) herausstellen, zum anderen soll das Berufsprofil Sozialer Arbeit am Beispiel dieses Handlungsfeldes geschärft werden. So wird im ersten Kapitel nach einem einführenden thematischen Zugang das Professionsverständnis hinsichtlich der neuen Herausforderung diskutiert. Im zweiten Kapitel folgt die Auseinandersetzung mit dem externen Kontext dieses Handlungsfeldes, dem Strukturwandel im Gesundheitswesen aus unmittelbarer Sicht der Leistungsempfänger sowie eine orientierende, typologische Systematisierung von Vernetzungsarbeit zur Bestimmung des internen Kontextes. In den Kapiteln 3 und 4 werden diese Zusammenhänge praxisnah hinsichtlich der verschiedenen Zielgruppen sowie der vertrags-, leistungs- und vergütungsrechtlichen Dimensionen operationalisiert. In Kapitel 5 werden die Möglichkeiten der Vernetzung des ambulanten mit dem stationären Bereich aus der Sicht des jeweiligen Modellträgers anhand von exemplarischen Projekten beschrieben. Hierbei wird Integrierte Versorgung nicht als Modell für eine „Modernisierung des Gesundheitswesens“

12

Einleitung

verstanden, sondern als eine neue Denkform für innovative Entwicklungsstrategien und Reorganisationsmöglichkeiten diskutiert. In Kapitel 6 wird mit Fokus auf das Care und Case Management das methodische Handwerkszeug als Verfahrenssetting für das integrierte Versorgungsmanagement vorgestellt. In Kapitel 7 wird der normativ-ethische Kontext einer zukünftig im Rahmen des Vertragswettbewerbs strukturierten Versorgungslandschaft thematisiert und die Partizipationsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit als wichtiges Korrektiv für diese tiefgreifende gesellschaftliche Entwicklungsdynamik beleuchtet. Im letzten Kapitel erfolgt vor einem abschließenden Resümee ein Blick über den gesundheitspolitischen Bereich hinaus auf internationale Trends und Aktivitäten Sozialer Arbeit innerhalb von Managed-Care-Organisationen an den Beispielen Schweiz und USA. Dies geschieht mit dem Ziel, die Ansatzmöglichkeiten Sozialer Arbeit in Deutschland zu verdeutlichen, um den zu erwartenden Transfer von Managed-Care-Instrumenten aus dem Ausland zu beurteilen und konstruktiv zu gestalten.

13

1

Selbstverständnis und gesellschaftliche Verortung Sozialer Arbeit in der Integrierten Gesundheitsversorgung

1.1

Strukturreformen im Gesundheitswesen als Herausforderung für die Soziale Arbeit

Das System der gesundheitlichen und sozialen Versorgung in der Bundesrepublik ist, bedingt durch den hohen medizinischen und therapeutischen Innovationsgrad, durch eine stetig wachsende, hoch arbeitsteilige Spezialisierung geprägt. Folgen dieser Tendenz sind zunehmende Koordinierungs- und Steuerungsprobleme innerhalb der Versorgungs- und Behandlungsprozesse. Kritisiert werden dabei seit Jahren insbesondere vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Gutachten 2005) die ansteigenden sektoralen und anbieterdominierten Versorgungsstrukturen mit den daraus resultierenden Insellösungen und sozialrechtlichen Abschottungen. In der Kritik stehen ferner ein zum Teil fragwürdiger, ressourcenintensiver Technologieeinsatz in der Therapie, wachsende Datenintransparenz mit entsprechenden Medienbrüchen zwischen den ambulanten und stationären Versorgungssektoren, ein ausgeprägtes Funktions- und Abteilungsdenken mit einem nur gering konturierten Prozessbewusstsein der Akteure sowie infolge der stark ausgeprägten Versorgungsschnittstellen und -brüche insgesamt steigende Kosten. Diese vordringlich organisationsbedingten Fehlentwicklungen führen nachweislich, vor allem bei der Versorgung chronisch kranker und pflegebedürftiger Menschen, zu einer inadäquaten Gesundheitsversorgung, d. h. je nach Behandlungsauftrag zu einer Fehl-, Unter- oder im Einzelfall auch Überversorgung. Als Folge davon wird auch die Sicherung einer effektiven Prozess- und Ergebnisqualität immer aufwändiger. Die mit diesen Entwicklungen einhergehenden systemspezifischen Probleme, wie beispielsweise wachsender, kostenintensiver Koordinierungs- und Steuerungsaufwand oder etwa Doppelungen bei Diagnostik oder Datenerfassung werden von Experten seit Jahren kritisiert und gelten als zentrale Herausforderungen für zukünftige

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Selbstverständnis und gesellschaftliche Verortung

Reformstrategien. Insbesondere bei Multimorbiden, chronisch Kranken oder pflegebedürftigen Patienten erweisen sich diese Systemmängel als hochprekär, da die Nachhaltigkeit der Betreuung und die Sicherung der Versorgungsqualität im Einzelfall aufwändige Abstimmungs- und Kooperationsbemühungen auslösen. Integrative Versorgungsformen im Sinne von vernetzten und sektorenübergreifenden Angeboten sollen nun diesen systemimmanenten, gewachsenen Entwicklungen entgegenwirken. Der strategische Reformansatz einer transsektoralen Versorgung, der bereits in verschiedenen Varianten in die Gesundheitsreformen der vergangenen Jahre Eingang gefunden hat, umfasst spezielle vertrags- und leistungsrechtliche Vernetzungs- und Steuerungskomponenten. Zu diesen zählen die hausarztzentrierte Versorgung, die Teilöffnung der Krankenhäuser für die verstärkte Leistungserbringung im ambulanten Sektor, die freiwillige Einschreibung von Versicherten in Disease-Management-Programme und die Gründung von medizinischen Versorgungszentren, die eine vernetzte, ausschließlich ambulante Versorgung unter einem Dach vergleichbar der Versorgungsperspektive der ehemaligen Polikliniken zum Ziel haben. Die Brisanz und Aktualität des Themas „Integrierte Versorgung“ als sozialpolitisches Handlungsfeld ergeben sich u. a. daraus, dass hinter dieser tief greifenden Reorganisation des Gesundheitswesens bedeutsame Fragen nach der Art und Weise der individuellen Steuerung von Hilfeprozessen, also letztlich professionsbezogene Statusfragen, und Fragen nach der leistungsgerechten Vergütung für komplexe Behandlungs- und Betreuungsleistungen, folglich in letzter Konsequenz auch Fragen nach nachhaltiger Existenzsicherung der Anbieter stehen. Die heterogenen Arbeitsfelder, in denen unter Beteiligung von Sozialpädagogen und Sozialarbeitern integrative Versorgungsangebote etabliert sind, wie beispielsweise Pflege- und Wohnberatungsstellen, Patienten-Leitstellen in Praxisnetzen, Beratungsstellen für Menschen mit Behinderung, Krankenhaussozialdienste, mobile Rehabilitation, Sozialstationen, Pflegezentren, Vernetzungsprojekte für psychiatrische Patienten, haben unterschiedliche Strukturmerkmale für Soziale Arbeit zur Folge. Die Spannweite reicht dabei von einer ausschließlich einzelfallbezogenen Teilaufgabe innerhalb eines festen Teams bis hin zu der Anforderung, maßgeblich Integrierte Versorgung einzelfallbezogen und auf der Systemebene zu initiieren, umzusetzen und zu verstetigen. Erste-