Sonja Draxler & Max E. Lippitsch. Astronomie und Kalender der Maya

Sonja Draxler & Max E. Lippitsch Astronomie und Kalender der Maya Sonja Draxler & Max E. Lippitsch Astronomie und Kalender der Maya Sonja Draxle...
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Sonja Draxler & Max E. Lippitsch

Astronomie und Kalender der Maya

Sonja Draxler & Max E. Lippitsch

Astronomie und Kalender der Maya

Sonja Draxler & Max E. Lippitsch

Astronomie und Kalender der Maya Begleitbuch zur Ausstellung im UniGraz@Museum 10.10.2012 bis 31.1.2013

Titelbild: Madrider Codex, S. 12, Ausschnitt.

© 2012 bei den Autoren

Inhalt Vorwort ............................................................................. 11 Einleitung .......................................................................... 12 Die Maya ........................................................................... 13 Lebensraum ................................................................... 14 Geschichte ..................................................................... 15 Lebensweise ................................................................... 16 Bauwerke ....................................................................... 17 Glaubenswelt und Kosmologie .......................................... 18 Schrift und Mathematik ....................................................... 20 Das Schriftsystem der Maya ............................................. 20 Das Zahlensystem der Maya ............................................ 23 Kalender ........................................................................... 26 Der Ritualkalender Tzolk‘in .............................................. 26 Der Sonnenkalender Haab ............................................... 29 Kalenderrunde und Jahresträger ...................................... 31 Die lange Zählung ........................................................... 31 Astronomie ........................................................................ 34 Beobachtung von Sonne und Mond .................................. 35 Beobachtungen von Planeten ........................................... 36 Beobachtung von Milchstraße und Sternbildern .................. 37 Astronomische Ausrichtung von Gebäuden ........................ 38 Codices ............................................................................. 39 Dresdner Codex .............................................................. 39 Madrider Codex .............................................................. 40 Pariser Codex ................................................................. 41 Die 2012-Hysterie .............................................................. 42 Entstehung..................................................................... 42 Was sagen die Maya-Schriften? ........................................ 43 Endzeitpropheten und Weltuntergangsszenarien ................ 46 Ausstellungskatalog ............................................................ 51 Literaturverzeichnis .......................................................... 112

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11

Vorwort Das UniGraz@Museum wurde am 7. April 2011 eröffnet. In mehrmonatiger Bauzeit waren die ca. 600 m2 umfassenden Räumlichkeiten des ehemaligen Sportinstituts zu einem modernen Museum umgestaltet worden. Seitdem präsentiert die Karl-Franzens-Universität eine Dauerausstellung zur Geschichte der Universität und unseres Weltbildes sowie die reichhaltige Sammlung historischer physikalischer Geräte. Zusätzlich bieten die Räume aber auch die Möglichkeit für temporäre Sonderausstellungen. Diese Gelegenheit wurde bisher bereits für acht Ausstellungen genützt, die von historischen und rechtsgeschichtlichen Themen über Naturwissenschaft bis zu Design und Kunst reichten. Diese junge, aber erfolgreiche Tradition wird nun durch die Ausstellung „Astronomie und Kalender der Maya“ fortgesetzt, die interdisziplinär der eindrucksvollen Geschichte einer mittelamerikanischen Völkergruppe nachgeht. Anlass dazu ist die jüngst in allen Medien ausgeschlachtete angebliche Prophezeiung der Maya über das baldige Ende unserer Welt. Wissenschaftlich seriös und doch spannend soll hier vermittelt werden, was uns die Maya dazu wirklich zu sagen haben. Interessierte und Verunsicherte haben die Gelegenheit, das Thema unter sorgfältiger Anleitung zu erkunden und sich eine eigene Meinung zu bilden. Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit von UniGraz@Museum, UNESCO-Landesarbeitsgemeinschaft

Steiermark

und

ArGe:SciCult

entwickelt. Die wissenschaftliche Bearbeitung wurde in dankenswerter Weise vom Land Steiermark, Abt. Wissenschaft und Forschung, finanziell gefördert. Die Gestaltung der Ausstellung wurde von der Karl-FranzensUniversität Graz und der Stadt Graz sowie privaten Sponsoren finanziell unterstützt.

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Einleitung „Am 21.12.2012 endet der Maya-Kalender!“1 meldet die angesehene deutsche Zeitung „Die Welt“. „Maya sagen den Weltuntergang voraus!“ Nachrichten dieser Art füllen in letzter Zeit die Medien. Wikipedia hat in ca. 30 Sprachen (allerdings nicht in Deutsch) einen Artikel „2012 phenomenon“. Hollywood hat das Thema aufgegriffen2. Die NASA widmet dem Phänomen eine eigene Internetseite3. Von Dresden4 und Hamburg5 bis Toronto6 und Philadelphia7 finden Ausstellungen zum Thema Mayakalender statt. Zahlreiche Internetseiten bieten mehr oder minder seriöse Informationen, esoterische Lebenshilfe oder sogar Survival Kits für den Ernstfall. Die Abfrage maya 2012 ergab bei Google im August 2012 ca. 500 Millionen Treffer. Bei einem Vortrag anlässlich des Internationalen Jahres der Astronomie 2009 ist durch die Fragen einer Schülerin klar geworden, dass das Thema Maya und Weltuntergang auch bei uns viele Menschen beschäftigt und verunsichert. Das wurde inzwischen auch durch den vom Land Steiermark herausgegebenen ESO-Jahresbericht8 festgestellt; er hält fest, dass sich durch das „Ende des Mayakalenders … Menschen, darunter auch Jugendliche, unter Druck“ gesetzt fühlen und es „zunehmend zu bedenklichen Entwicklungen“ kommt. Die genannten Umstände, zusammen mit dem wissenschaftlichen Interesse an der hoch entwickelten Astronomie und Kalenderrechnung der Maya, haben zu dem Entschluss geführt, eine Ausstellung zum Thema zu gestalten. Dass das vor kaum mehr als einem Jahr gegründete Museum der Karl-Franzens-Universität dieser Absicht sofort interessiert gegenüber gestanden ist, hat die Verwirklichung erleichtert. Die Gestalter der Ausstellung hoffen, damit Interessierten und Verunsicherten die Gelegenheit zu geben, das Thema unter sachkundiger Anleitung zu erforschen und sich eine eigene Meinung zu bilden.

13

Die Maya Zentralamerika bildet die Landbrücke zwischen den beiden Teilen des amerikanischen Kontinents und trennt den Golf von Mexiko (und damit den Atlantik) vom Pazifischen Ozean. Die Region liegt im Wesentlichen auf der Karibischen Platte, unter die sich jedoch von Westen die Cocosplatte schiebt, was zu einer Aufwölbung geführt hat und bis heute Vulkanismus und Erbeben verursacht. Die menschliche Besiedlung dieses Gebietes erfolgte vor mehr als 10 000 Jahren durch Jäger und Sammler aus dem Norden. Im Vergleich zu den meisten anderen Gebieten des Kontinents machte Mittelamerika eine erstaunliche kulturelle Entwicklung durch: In der Zeit zwischen ca. 1200 v. Chr. und 1500 n. Chr. entwickelten sich mehrere Hochkulturen mit bedeutenden Bauwerken, Gebrauch von Schrift, Mathematik und Astronomie. Die vielleicht bedeutendste davon war die der Maya. Die Maya sind eine Gruppe von ethnisch und sprachlich verwandten Völkern in Mittelamerika. Heute beträgt ihre Zahl ca. 6,1 Millionen, die sich auf die Staaten Belize, Guatemala, Honduras und Mexico verteilen. Sie sprechen ca. 70 unterschiedliche Sprachen mit weniger als 200 (Mocho), aber auch bis zu 2 Millionen (K’iche Zentral) Sprechern. Die Mehrzahl von ihnen lebt in ländlichen Gegenden und bestreitet ihren Lebensunterhalt durch Landwirtschaft. Auch zur Zeit der MayaHochkultur waren sie kein einheitliches Volk und bildeten nie eine umfassende politische Einheit. Es handelte sich um eine große Zahl unabhängiger Stämme und später Stadtstaaten. Um 2500 v. Chr. wanderten die Vorfahren der Maya mit unbekannter Herkunft in das heutige Guatemala ein und vermischten sich mit der dort ansässigen Bevölkerung. Von den Olmeken und Zapoteken übernahmen sie wohl den Gebrauch von Schriftzeichen und den Tzolk’inKalender. Sowohl Schrift als auch Kalenderwesen wurde von ihnen in außerordentlicher Weise auf ein Niveau gebracht, das sie ebenbürtig

14 an die Seite der höchst entwickelten Hochkulturen stellt. Aus noch unzureichend verstandenen Gründen zerfielen ab dem 10. Jahrhundert die größeren politischen Einheiten und die Baukultur verfiel. Als die Spanier Ende des 15. Jahrhunderts nach Zentralamerika kamen, war von der ehemaligen Hochkultur der Maya kaum noch etwas vorhanden.

Traditioneller Lebensraum der Maya.

© émhur Wikimedia Commons / CC-BY-SA-3.0 (or Free Art License)

Lebensraum Das traditionelle Siedlungsgebiet der Mayavölker umfasst etwa 300 000 km2. Dieses Gebiet reicht vom Golf von Mexico und der Halbinsel Yucatán im Norden über das Hochland von Guatemala mit seinen mehr als 4000 m hohen Vulkanen bis zur Pazifikküste im Süden. Im Westen wird es durch den Isthmus von Tehuantepec, im Osten durch die karibische Küste begrenzt. Das nördliche Tiefland von Yucatán leidet zwar nicht unter Regenmangel, der karstige Untergrund nimmt jedoch das Wasser sofort auf,

15 sodass sich keine oberirdischen Wasserläufe bilden können und der Boden trocken bleibt. Die Vegetation besteht daher aus Dornbuschsavanne und Trockenwald. Dagegen ist das Petén, der Südteil des Tieflands, von dichtem Regenwald bedeckt, er überwuchert die Ruinen der alten Kulturen.

Geschichte Die Geschichte Mittelamerikas wird in Perioden eingeteilt (siehe Zeitlinie im Ausstellungsteil). Die Frühe Präklassik, in der auch die Maya zum ersten Mal fassbar werden, erstreckt sich von ca. 3000 bis 900 v. Chr. Hier hinein fallen die ältesten festen Ansiedlungen der Maya, die etwa 2000 v. Chr. gegründet wurden (Cuello in Belize). In der Mittle-

ren und Späten Präklassik (ca. 900 bis 400 v. Chr. bzw. 400 v. bis 250 n. Chr.) entstehen die ersten großen Städte und die ersten Monumentalbauten: Die älteste bekannte Mayastadt ist Nakbé im nördlichen Guatemala, sie hatte ihre Blütezeit zwischen 800 und 400 v. Chr. 15 km nördlich davon liegt El Mirador, das zwischen dem 3. und 1. vorchristlichen Jahrhundert wahrscheinlich ca. 100 000 Einwohner zählte. Unter den zahlreichen Bauwerken ragt die Pyramide La Danta hervor, die mit 72 m Höhe die höchste bekannte Maya-Pyramide ist. Der Baukomplex ist mit 2,8 Millionen m3 Volumen größer als die Cheopspyramide in Ägypten9. Das Zeitalter der Klassik (ca. 250 bis 900) war die Blütezeit der Mayakultur. Ausgelöst wurde sie möglicherweise durch die Zuwanderung von Flüchtlingen aus dem Hochland infolge gewaltiger Vulkanausbrüche um das Jahr 250. Die kulturellen Errungenschaften der Zuwanderer verbanden sich mit denen der Tieflandbewohner in einer überaus fruchtbaren Symbiose und leiteten die Blütezeit ein. In zahlreichen Stadtstaaten entwickelten sich aristokratische Herrschaften mit beachtlichen baulichen und sonstigen zivilisatorischen Leistungen. Städte wie Calakmul, Palenque oder Tikal erweiterten unter tatkräftigen Herrschern ihr Einflussgebiet auf die umgebenden Dörfer und standen auch

16 untereinander in kulturellem, wirtschaftlichem, oft aber auch kriegerischem Kontakt. Bis heute geben die Pyramiden, Tempel, Straßen, Wandmalereien, Reliefs, Keramikprodukte und nicht zuletzt Schriftzeugnisse einen überwältigenden Einblick in diese beeindruckende Kultur. Ab dem 9. Jahrhundert wurden viele dieser blühenden Städte verlassen. Die Baukunst stagnierte. Die letzte datierte Stele der Maya-Kultur stammt aus dem Jahr 909, nachher wurden offensichtlich keine Inschriften mehr produziert. Dass die Kunst des Schreibens allerdings weiterhin gepflegt wurde, wissen wir aus den erhaltenen Codices. Der Grund für das Verschwinden größerer politischer Einheiten und damit städtischer Bautätigkeit ist nicht eindeutig geklärt. Es wird ein Zusammenwirken sozialer sowie umweltbedingter Probleme vermutet. Auch das Eindringen anderer Völker aus dem Norden dürfte sich ausgewirkt haben. In der Postklassik (ca. 900 bis 1511) gibt es mit einer Ausnahme (Mayapán) keine bedeutende Mayastadt mehr. Andere Völkerschaften wie die Tolteken, Mixteken und Azteken übernehmen die Führung. Die Maya-Kultur lebt zwar weiter, die spektakulären Kulturleistungen fehlen aber. Im Jahr 1511 betreten die Spanier Yucatán und beenden die selbständige Geschichte der Maya.

Lebensweise Die Landwirtschaft und die Jagd waren immer die beiden Pfeiler, auf denen die Versorgung der Maya beruhte. Die wichtigste Nutzpflanze war der Mais, dessen Bedeutung dadurch dokumentiert ist, dass es mehrere namentlich bekannte Maisgottheiten gab. Er wurde bevorzugt in Form von Maisfladen gegessen. Dazu kam der Kakao, der ebenfalls durch eine eigene Gottheit geheiligt war. Er diente vor allem der Oberschicht als Getränk, wurde aber auch als Gewürz verwendet. Außerdem dienten seine Bohnen als Zahlungsmittel. Er war auch ein begehrtes Handelsgut, das weithin verkauft wurde. Aus Agaven wurde das

17 alkoholische Getränk Pulque hergestellt, das auch seinen eigenen Gott hatte. Weitere Nahrungspflanzen waren vor allem Bohnen und Kürbisse, dazu Tomaten, Paprika und Chili. Verschiedene Wildfrüchte wie Papaya, Avocado oder Ramón-Nuss wurden gesammelt, später auch in Gärten gezogen. Kautschukbäume wurden angezapft, um ihren Latexsaft zu gewinnen, der als Klebe- und Dichtstoff, aber auch als Rohstoff für die Bälle des berühmten rituellen Ballspiels Verwendung fand. Tabak wurde als Genussmittel und für rituelle Zwecke angebaut, er wurde in Form von Zigarren oder Zigaretten sowie in Pfeifen geraucht. Für die Bekleidung wurden Pflanzenfasern wie Baumwolle verwendet. Die Haltung von Nutztieren war anscheinend auf Hunde, Truthühner und vielleicht Kaninchen beschränkt. Auffällig ist, dass Trag- und Zugtiere unbekannt waren. Der Bedarf an tierischem Eiweiß wurde durch Jagd auf Hirsche, Pekari (Wasserschweine) und Aguti (Meerschweinchenverwandte), aber auch Leguane, Schildkröten und Vögel sowie das Sammeln von Muscheln und Schnecken und durch Fischen gedeckt. Die Bearbeitung von Metallen spielte in der Maya-Gesellschaft keine Rolle, die wenigen bekannten Objekte aus Gold, Silber und Kupfer stammen aus der Postklassik und sind Großteils Importe von anderen Völkern. Werkzeuge wurden aus Holz, Knochen und vor allem Stein hergestellt. Keramik wurde in großem Umfang verwendet, sowohl für Alltagsgeräte als auch, in hoher künstlerischer Qualität, für Zwecke der Repräsentation und des Kults. Schmuck spielte eine große Rolle. In der gehobenen Gesellschaft war Jade der am häufigsten verwendete Schmuckstein.

Bauwerke Nicht nur Im Hinblick auf die eher einfachen Werkzeuge sind die Bauwerke der Maya ganz erstaunlich. Sie brauchen weder in der Größe noch in der künstlerischen Gestaltung den Vergleich mit anderen Hochkulturen scheuen. Der Ausgangspunkt war das einfache Wohn-

18 haus aus Holzstämmen und mit Palmblattdeckung. Den Höhepunkt bildeten gigantische Pyramiden, Ehrfurcht gebietende Tempel und prunkvolle Paläste. Im Gegensatz etwa zu Ägypten wurden keine riesigen Steinquader verarbeitet, sondern Blöcke in handlichem Format, aber riesigen Mengen. Der Gewölbebau im eigentlichen Sinn war unbekannt. Die Überdeckung von Räumen erfolgte mit Holzstämmen. Nur für Gräber, Kultbauten und Paläste wurde eine Art Kraggewölbe verwendet. Das Baumaterial war mehrheitlich der örtliche Kalkstein. Die Gebäude waren besonders auf Außenwirkung ausgelegt. Die Räume öffnen sich mit zahlreichen Türen nach außen, sodass das Leben praktisch in aller Öffentlichkeit abläuft, Fenster sind kaum vorhanden. Die Dekoration der Gebäude besteht nach außen aus großflächigen Reliefs und nach innen aus Wandmalereien.

Glaubenswelt und Kosmologie Die Maya verehrten zahlreiche Gottheiten, Wikipedia zählt mehr als 100 Namen auf10, darunter etwa 10 weibliche. Allerdings waren diese Gottheiten nicht streng unterschieden. Manche scheinen nur verschiedene Aspekte ein und derselben „Person“ zu repräsentieren, und umgekehrt werden verschiedene Götter zu einer „Person“ vereinigt, ein fest definiertes Pantheon existiert nicht. Dennoch kommt einigen Gottheiten besondere Bedeutung zu. Der oberste Gott, Hunab ku, ist allerdings erst seit dem 16. Jahrhundert belegt und wohl als Rezeption des christlichen Gottes zu verstehen. Itzamná wird oft als Hauptgott Yucatáns betrachtet, ist aber wohl die Synthese verschiedener Götter, wie eines Schöpfergottes, eines Fruchtbarkeitsgottes, eines Himmelsgottes und eines Kulturheroen. Von ihm haben die Maya Mais und Kakao erhalten, er brachte die Schrift, den Kalender und sogar die Heilkunst. Die Verbindung zwischen den Menschen und den Göttern vermitteln die Könige und Priester. Der König muss durch Opfer und Riten sicher-

19 stellen, dass die Ordnung des Universums aufrechterhalten wird und die Götter für das Überleben der Menschen sorgen. Die Welt der Maya gliedert sich in die Oberwelt, die Unterwelt und dazwischen die von Menschen bewohnte Mittelwelt. Diese ist ein Viereck und schwimmt im Wasser, dem „Ort des schwarzen Ozeans“. Oft wird sie als Schildkröte oder Krokodil dargestellt. Die Ecken der Mittelwelt werden durch die Sonnenauf- und –untergänge zu den Sonnenwenden markiert. Vier Pawahtun genannte Götter bewachen die vier nach den Himmelsrichtungen ausgerichteten Teile der Welt. Die Oberwelt wird häufig durch ein so genanntes Himmelsband dargestellt, auf dem sich Symbole für die Sternbilder und Planeten befinden. Das westliche und östliche Ende des Bandes bilden zwei Köpfe bizarrer Ungeheuer, sodass das Band zum doppelköpfigen Drachen wird. Im Zenit des Himmels sitzt Gott Itzamná in Gestalt eines gewaltigen Himmelsvogels. Aus dem Zentrum der Mittelwelt wächst der Weltenbaum, dessen Äste bis zum Himmelsband reichen. Die Unterwelt Xibalbá, der „Ort der Angst“, erstreckt sich in neun Stufen in die Tiefe. Sie wird beherrscht von den Göttern Hun Came und

Vucum Came. Mit zehn weiteren Unterweltgöttern sorgen sie dafür, dass die Toten zahlreiche Prüfungen zu bestehen haben, ehe sie als transformierte Wesen in die Welt der Ahnen eingehen können.

20

Schrift und Mathematik Das Schriftsystem der Maya Die Maya verwendeten eine logosyllabische Schrift, d.h. sie benutzten einerseits Bildzeichen, die ganze Worte darstellen, andererseits auch Zeichen, die für Silben oder Vokale stehen. Der erste Versuch, diese Hieroglyphenschrift zu entziffern, stammt von Bischof Diego de Landa. In seinem Bericht11 „Relación de las cosas de Yucatán“ (Bericht über die Dinge von Yucatán) von 1566 versuchte er mithilfe von einheimischen Gelehrten das „Maya-Alphabet“ zu rekonstruieren. Er ging fälschlicherweise davon aus, dass es für jeden unserer Buchstaben ein Äquivalent in der Maya-Schrift gibt, und die Schrift damit ähnlich aufgebaut ist. Obwohl er die Maya-Hieroglyphen nicht verstanden hatte, sollte sein Landa-Alphabet noch wertvolle Dienste bei der Entzifferung dieser Schrift leisten. Danach geriet die Schrift bis ins 19. Jh. in Vergessenheit. Erst der deutsche Sprachwissenschaftler Ernst Förstemann legte um 1880 eine weitere wichtige Grundlage zur Entzifferung der Maya-Schrift. Er analysierte den Dresdner Codex und konnte das Kalendersystem und damit auch das Zahlensystem der Maya entschlüsseln. Der Russe Juri W. Knorosow erkannte 1952 die Mischung von Silben- und Bildzeichen in der Mayaschrift und führte damit die nachfolgenden Wissenschaftler auf die richtige Spur. Heute sind ca. 90% der beinahe 800 derzeit bekannten Maya-Hieroglyphen entziffert.

21 Die Maya-Schrift wirkt auf den ersten Blick undurchschaubar, da viele verschiedene Formen existieren. Die Komplexität der Maya-Schrift ergibt sich aus der Tatsache, dass die einzelnen Zeichen zu Glyphenblöcken kombiniert werden. Dabei können diese Zeichen nebeneinander, überlappend oder auch ineinander geschachtelt werden: Ein Begriff kann in abstrakter Form dargestellt werden … oder als Kopf eines Gottes. Ein

Zeichen

einem

kann

anderen

hinter

versteckt

werden. Zwei Zeichen können mit einander verschmelzen.

Begriffe können als Götter oder Tierfiguren dargestellt werden.

Auch für ein und dasselbe Wort gibt es verschiedene Schreibweisen. So kann zum Beispiel das Wort Jaguar, in Maya-Sprache b’alam, auf mindestens folgende 5 verschiedene Arten dargestellt werden: B‘ALAM

B’ALAM ma

b’a B‘ALAM

b’a B’ALAM ma

ba‘ la ma

22 Für eine Silbe oder ein Wort existieren oft auch mehrere Zeichen 12, wie man an folgenden zwei Beispielen sehen kann: 1.) Das persönliche Fürwort in der 3. Person Einzahl (er/sie/es), in Maya-Sprache „‘u-“, kann auf folgende Arten geschrieben werden:

2.) Ähnliches gilt für das Wort „AJAW“ - Herr, Herrscher:

AJAW

AJAW

AJAW

AJAW

AJAW

AJAW

‚a-ja-wa

AJAW-wa

AJAW

‘a-AJAW-wa

AJAW-wa

‘-AJAW-wa

Diese zwei Beispiele zeigen deutlich, wie viele Möglichkeiten existieren, um ein und dasselbe Wort darzustellen; das macht den besonderen Reiz, aber auch die Schwierigkeit dieser Schrift aus.

23 Damit aber noch nicht genug. Ein und dasselbe Zeichen kann auch ganz unterschiedliche Bedeutungen haben. So kann das Maya-Wort „chan“ die Bedeutung Himmel, Schlange oder die Ziffer 4 haben. Man konnte also z.B. den Kopf einer Schlange malen, wenn der Himmel gemeint war, oder das Zeichen für Himmel für die Schlange verwenden. Die Bedeutung des Wortes musste damit aus dem Kontext erschlossen werden. Mithilfe dieser Schrift konnten die Maya lange Texte darstellen, die üblicherweise in Doppelspalten angeordnet und gelesen werden. Es gab religiöse Almanache, Texte, die den Besitz verschiedener Objekte anzeigen, Berichte über Zeremonien und historische Texte über das Leben von Herrschern.

Das Zahlensystem der Maya Die Maya verwendeten ein Zwanzigersystem, d.h. die Zahl 20 war die Basis ihrer Berechnungen. Mithilfe von 3 Zeichen konnten sie sämtliche Zahlen darstellen: 

eine Muschel für die Null,



einen Punkt für die Eins,



ein Strich für die Fünf.

Es gab zwanzig verschiedene Ziffern (von 0 bis 19), die durch Zusammensetzen der drei Zeichen gebildet wurden. Die Ziffern eins bis vier wurden mit Punkten geschrieben, die Ziffern ab sechs durch eine Kombination aus Punkten und Strichen.

24 1 JUUN

11 BULUCH

2 CHA‘

12

CHALAJU-

UN 3 ´UX

13 ´UXLAJUUN

4 CHAN

14

CHAN-

LAJUUN

5 HO‘

15 HOLAJUUN

6 WAK

16

WAKLAJU-

UN

7 HUK

17

HUKLAJU-

UN 8 WAXAK

18 WAXAKLAJUUN

9 BOLON

19

BOLON-

JALUUN 10 LAJUUN

20

=

MIH/JUUN K‘AL

0

25 Üblicherweise wurden Ziffern und Zahlen mithilfe dieser Strich-PunktMuschel-Kombinationen geschrieben. In den Codices und auf Stelen wurden manchmal aber auch Namensbezeichnungen oder Zahlengötter12 verwendet, d.h. man ordnete den Ziffern jeweils einen Namen oder den Kopf eines Gottes zu (siehe vorige Seite). So wie wir die Ziffern 0 bis 9 verwenden, und für die nächsthöhere Zahl um eine Stelle nach links rücken, so schreiben die Maya die nächsthöhere Zahl, in ihrem Fall die 20, darüber. Nebenan ist die Darstellung der Zahl 32 gezeigt. Jede Position im Stellenwertsystem

20er 1er Zahl

32

der Maya steht für eine Zwanzigerpotenz. Die kleinste Potenz, nämlich 200 = 1 steht dabei ganz unten, die jeweils höchste Potenz ganz oben. Von unten nach oben gelesen hat man daher folgende Potenzen: 1, 20, 202=400, 203 = 8000, 204 = 160.000, usw. Die Position nach oben hin sagt uns also aus, welchen Wert die Zahl hat. Die dargestellte Zahl aus dem Dresdner Codex kann somit folgendermaßen von unten nach oben gelesen werden: 12 x 1 + 2 x 20 + 7 x 20² = 2852 Das Zahlensystem der Maya wurde sowohl für den tagtäglichen Gebrauch wie den Handel verwendet als auch für Zeitberechnungen, Astronomie und für kultische Zwecke.

26

Kalender Die Maya nutzten ihre mathematischen und astronomischen Kenntnisse für die Erstellung eines Kalenders. Damit konnten sie wichtige astronomische Ereignisse vorausberechnen, aber auch vorhersagen, welche positiven oder negativen Eigenschaften von den Göttern für die einzelnen Tage zu erwarten sind. Diese Prognosen dienten den Kalenderpriestern zur Vorbereitung ihrer Zeremonien, mit denen die Wirkung der Götter auf den Einzelnen und auf die Gemeinschaft möglichst positiv beeinflusst werden sollte. Die Maya verwendeten eigentlich drei voneinander unabhängige Kalender, die miteinander verschmolzen werden: den Ritualkalender Tzolk‘in, den auf den Sonnenlauf bezogenen Haab und die Lange Zählung. Sie dienten der eindeutigen Identifizierung eines Tages, hatten aber auch religiöse Bedeutung.

Der Ritualkalender Tzolk‘in Für das tägliche Leben der Maya war vor allem der Ritualkalender Tzolk‘in wesentlich. Er hat eine Länge von 260 Tagen und setzt sich zusammen aus einer Kombination von 20 Tagen12 mit den Zahlen 1 bis 13 (siehe Tabelle auf der folgenden Seite). Die Reihe der ersten 20 Tzolk‘in-Tage lautet somit: 1 Imix, 2 Ik‘, 3 Akbal, 4 K’an, 5 Chikchan, 6 Kimi‘, 7 Manik‘, 8 Lamat, 9 Muluk, 10 Ok, 11 Chuwen, 12 Eb, 13 Ben, 1 Ix, 2 Men, 3 Kib, 4 Kaban, 5 Etz’nab, 6 Kawak, 7 Ajaw Die nächste Reihe beginnt dann wieder mit 8 Imix, 9 Ik‘, 10 Akbal, usw. Der Kalenderzyklus schließt mit 13 Ajaw, um darauf wieder neu mit 1 Imix zu beginnen. Insgesamt gibt es, wie schon gesagt, 260 Kombinationsmöglichkeiten, und somit 260 Tage im Tzolk’in-Kalender.

27 Imix

Chuwen

Ik‘

Eb

Akbal

Ben

K‘an

Ix

Chikchan

Men

Kimi‘

Kib

Manik‘

Kaban

Lamat

Etz‘nab

Muluk

Kawak

Ok

Ajaw

28 Die Entstehung dieses Kalenders geht wahrscheinlich auf die olmekische Kultur13 zurück. Die frühesten handschriftlichen Hinweise finden sich in den Steininschriften von Monte Alban bei Oaxaca aus dem 5. Jh. v. Chr. Die erste Darstellung in Form eines Kreises stammt von Diego de Landa11, der den Kalender in seinem Bericht über Yucatán beschreibt. Über die Hintergründe der Länge des 260-Tage-Zyklus gibt es verschiedene

Theorien14.

Ein

Zusammenhang mit der Dauer der Schwangerschaft der Frau wird ebenso vermutet wie mit der Dauer der landwirtschaftlichen Arbeiten oder dem 260-TageIntervall der Zenitdurchgänge der Sonne bei ca. 15° nördlicher Breite. Jeder Tag war mit bestimmten Prognosen und Göttern verbunden. Jedem Tageszeichen war ein übernatürliches Wesen zugeordnet, das das Schicksal des Menschen von seiner Geburt an bestimmte und nachhaltig beeinflusste. Die Kraft des Tageszeichens wurde durch die hinzukommende Zahl modifiziert. Mithilfe des Kalenders konnte man gute und schlechte Tage für Aussaat, Jagd oder Hochzeiten angeben. Man konnte den Zeitpunkt bestimmen, an dem man einen Gott günstig stimmen musste, um von einer bestimmten Krankheit geheilt zu werden, oder um Komplikationen bei einer Schwangerschaft zu vermeiden. Die Bedeutung dieses Ritualkalenders für die Maya kann man auch daran erkennen, dass es den spanischen Eroberern nicht gelungen ist, den Tzolk’in zu verbieten. In vielen Teilen Mexikos und Guatemalas werden auch heute noch religiöse Zeremonien nach dem Tzolk’inKalender durchgeführt.

29 Der Sonnenkalender Haab Neben dem rituellen Kalender Tzolk’in hatten die Maya auch einen Kalender, der sich am Lauf der Sonne orientierte. Mit 365 Tagen entsprach das Haab-Jahr ungefähr einem Sonnenjahr. Es gliederte sich in 18 Haab-Monate zu je 20 Tagen. Nach Ablauf von 360 Tagen wurde noch ein Haab-Monat mit nur 5 Tagen am Jahresende eingeschoben. Diese 5 Tage im Haab-Monat Wayeb waren gefürchtete Unglückstage. Die einzelnen Haab-Monate wurden mit Glyphen12 bezeichnet und ihre Tage mit Ziffern von 0 bis 19 durchnummeriert. Am Tag 0 wurde nach Ansicht der Maya der neue Schutzpatron eingeführt. Es ist der letzte Tag des alten Jahres und bereitet auf den Beginn des neuen Jahres vor. Der erste Tag im Haab-Jahr war immer 1 Pop. Da die Zyklen von Haab und Tzolk’in unterschiedlich waren, verschob sich der Anfang des Haab-Jahres laufend relativ zum Ritualkalender. Eine Verbindung zwischen den Haab-Monaten und den Monaten in unserem gregorianischen Kalender existiert nicht. Der Haab-Monat hat 20 Tage, während unsere Monate eine Länge von 28 (29), 30 oder 31 Tage haben. Auch im Haab-Kalender waren religiöse Festtage verzeichnet. Nach dem Bericht von Diego de Landa11 war das Neujahrsfest das größte Fest, das von allen Maya gemeinsam gefeiert wurde. Im Haab-Monat Sip (zur Zeit der spanischen Eroberung im August oder September) wurde ein Bittfest für das Gelingen der Jagd abgehalten. Im Monat Tzek (Oktober) bat man um eine reiche Honigernte. Keine Feiern gab es an den 5 Unglückstagen im Haab-Monat Wayeb; da bereitete man sich auf das neue Jahr vor. Während dieser Tage wurden keinerlei schwere körperliche Arbeiten verrichtet, auch pflegte man seinen Körper nicht – es könnte einem ja ein Unglück zustoßen!

30 Pop

Yax

Wo

Sak

Sip

Keh

Sootz‘

Mak

Tzek

K’ank‘in

Xul

Muan

Yaxk‘in

Pax

Mol

K‘ayab

Ch‘en

Kumk‘u

Wayeb

Der Haab wurde vor allem für astronomische Zwecke und für die Landwirtschaft verwendet, also immer dann, wenn Phänomene mit dem Sonnenjahr in Zusammenhang standen; er spielte insgesamt eine geringere Rolle als der Tzolk‘in.

31 Kalenderrunde und Jahresträger Für die exakte Beschreibung eines Datums verwendeten die Maya eine Kombination aus Tzolk‘in und Haab-Daten, z.B. 5 Imix 9 Kumk‘u. Ein solches Datum wird als Kalenderrunde bezeichnet und wiederholte sich erst in 18 980 Tagen oder 52 Haab-Jahren wieder. Ein besonders Datum ist 4 Ajaw 8 Kumk’u, da fand die Weltschöpfung statt. Aus der Kalenderrunde ergeben sich die Jahresträger „Bakab“, das sind jene 4 Tzolk’in-Tageszeichen, die auf den Neujahrstag des HaabKalenders fallen können. Jeder dieser Jahresträger ist durch eine bestimmte Himmelsrichtung, eine Farbe und bestimmten Prophezeiungen charakterisiert. Diese Jahresträger waren übernatürliche Wesen, die bei der Weltschöpfung an 4 Seiten den Himmel trugen. Da die Tzolk’inTageszeichen mit den Koeffizienten 1 bis 13 auftreten, sind alle 52 Jahre innerhalb einer Kalenderrunde unterschiedlich bezeichnet.

Die lange Zählung Für kurze Zeiträume bis zu 52 Jahren war die Kalenderrunde ausreichend, um ein Datum eindeutig zu charakterisieren. Für größere Zeiträume wie bei astronomischen Beobachtungen oder historischen Aufzeichnungen allerdings war eine andere Lösung notwendig. Man verwendete dafür die Lange Zählung, d.h. die fortlaufende Zahl der Tage seit der Erschaffung der gegenwärtigen Welt. Als Beginn der gegenwärtigen Maya-Schöpfung wird von den Wissenschaftlern mehrheitlich der 11. August 3114 v. Chr. nach gregorianischer Zählung angegeben, auch wenn die Korrelation zwischen gregorianischem Kalender und Maya-Kalender noch eine Reihe von Interpretationen offen lässt. In der Langen Zählung wird dieses Datum als 13.0.0.0.0 4 Ajaw 8 Kumk’u geschrieben. Die folgende Abbildung zeigt dieses Datum, das auf der Ostseite der Stele C von Quirigua (Guatemala) dargestellt ist.

32 Die Stele kann folgendermaßen gelesen werden: Daten der Langen Zählung beginnen üblicherweise mit einer Einführungsglyphe, die meist wie hier über zwei Spalten geht. Danach kommt die Tageszählung in Reihen zu 2 Spalten mit der höchsten Stellenwert-Position an oberster Stelle, d.h. 13 Bak’tun 0 K’atun 0 Tun 0 Uinal 0 K’in. Danach schließen sich Tzolk’in-Tag und Haab-Monat an: 4 Ajaw 8 Kumk’u. Einführungsglyphe 13 Bak’tun

0 K’atun

0 Tun

0 Uinal

0 K‘in

4 Ajaw

8 Kumk‘u

Darstellung

Lange Zählung Bezeichnung

Tage

0.0.0.0.0.0.1

1 K’in

1

0.0.0.0.0.1.0

1 Uinal = 20 K’in

20

0.0.0.0.1.0.0

1 Tun = 18 Uinal

360

0.0.0.1.0.0.0

1 K’atun = 20 Tun

7.200

0.0.1.0.0.0.0

1 Bak'tun = 20 K’atun

144.000

0.1.0.0.0.0.0

1 Pictun = 20 Bak’tun

2.880.000

1.0.0.0.0.0.0

1 Calabtun = 20 Pictun

57.600.000

33 Die kleinste Periode ist K’in, der Tag. Die nächsthöhere Stelle ist das Uinal mit 20 Tagen. Danach kommt das Tun, entsprechend einem Jahr. Eigentlich sollten es 20x20, also 400 Tage sein. Hier gibt es bei der Kalenderrechnung aber eine Abweichung vom Zwanzigersystem. Das Uinal geht nur von 0 bis 18, entsprechend den 18 Haab-Monaten. Damit wollte man möglicherweise eine Annäherung der Langen Zählung an das Sonnenjahr erreichen. Alle folgenden Einheiten der Langen Zählung werden wieder mit 20 multipliziert (siehe Tabelle auf der vorigen Seite). Das bisher längste Datum einer langen Zählung findet sich auf Stele 1 in Cobá (Mexiko), nämlich

13.13.13.13.13.13.13.13.13.13.13.13.13.13.13.13.13.13.13.13.0.0.0.0. Auffallend ist, dass bei diesem Datum die heilige Zahl 13 verwendet wird. Einerseits wollte man mit der Größe der Zahl ausdrücken, dass es sich um eine unendlich lange Zeitspanne handelt (gemeint war damit die Schöpfung der Welt vor ewig langer Zeit), andererseits ergab sich nach jeweils 13 Zyklen immer wieder der Tzolk’in-Tag 4 Ajaw. Dieser Tag hat eine besondere mythologische Bedeutung: Ajaw bedeutet Herr, Herrscher, König; es waren laut Poopol Vuh, der Heiligen Schrift der Maya, 4 Herren, die im Schöpfungsakt entstanden: der Waldjaguar, der Nachtjaguar, der Zauderhafte und der Mondjaguar. Die Wiederkehr dieses heiligen Tages 4 Ajaw nach jeweils 13 Baktun war somit ein ganz besonderes Jubiläum.

34

Astronomie Die Maya sind bekannt für ihre hervorragenden astronomischen Kenntnisse. Das hängt vor allem damit zusammen, dass ihr gesamtes Leben von Astronomie bestimmt war. Kultur, Architektur, Kalender, Religion und Mythologie orientierten sich an Astronomie. Feste wie Inthronisierungen, Zeremonien, aber auch der Beginn eines Kriegszuges waren durch bestimmte Himmelserscheinungen vorgegeben. Astronomen waren meist Priester und hatten großen Einfluss in der Gesellschaft. Die Beobachtungen erfolgten mit bloßem Auge. Das Bild auf Blatt 34 des Madrider Codex stellt einen Astronomen bei seiner Beobachtung des Himmels dar. Die Maya verwendeten ein geozentrisches Weltbild. Im Gegensatz zu den Babyloniern, die den Himmel in Längen- und Breitengraden einteilten, um die Position von Sternen bestimmen zu können, verwendeten die Maya (zumindest nach den uns bisher bekannten Texten) nur die Zeit, ausgedrückt mittels Zeitintervallen, zur Quantifizierung ihrer Beobachtungsdaten. Die Maya verwendeten Observatorien zur Himmelsbeobachtung. Folgende Beobachtungen wurden von den Maya durchgeführt: 

Sonne und Mond: Zenitpassage der Sonne, Sonnen- und Mondfinsternisse, Sonnenwenden und Äquinoktien



Bewegung der mit freiem Auge sichtbaren Planeten



Milchstraße und Sternbilder: Positionsbestimmung

35 Beobachtung von Sonne und Mond Die Bewegungen von Sonne und Mond wurden mit sehr großer Sorgfalt durchgeführt. Aufzeichnungen von Sonnenwenden und Tag- und Nachtgleichen (Äquinoktien) im Dresdner und Madrider Codex zeigen uns, dass die Maya die jahreszeitlichen Änderungen in der Position der Sonne entlang des Horizonts bei Sonnenauf- und Untergang sehr genau verfolgten. Die Frühlings-Tag- und Nachtgleiche war eine symbolische Grenze zwischen der trockenen Zeit und dem Beginn der Regenzeit. Die Sommersonnenwende war der späteste Termin, an dem ein Anbauen von Mais noch für die Ernte im Herbst aussichtsreich war. Aus Gebäudeausrichtungen weiß man auch, dass die Maya die Tage aufzeichneten, an denen die Sonne den Zenit zu Mittag überquerte, was aufgrund der geographischen Breite in den Tropen zweimal im Jahr erfolgt. Die Maya gaben eine synodische Mondperiode (Umlaufzeit bezüglich der Erde) mit 29 oder 30 Tagen an, da sie ja nur mit ganzen Zahlen rechneten. Eine Annäherung an den exakten Wert erfolgte über eine Mittelung über mehrere Mondperioden (z.B. Mond-Formel von Palenque: 81 Mondperioden = 2392 Tage). Daten für Neumond und Vollmond findet man in den Finsternistabellen des Dresdner Codex, die Tage für mögliche Sonnen- und Mondfinsternisse angeben. Das muss man als eine Art Warnung vor diesen Ereignissen verstehen; die Finsternistabellen dürfen nicht verwechselt werden mit Aufzeichnungen von beobachteten Ereignissen. In der klassischen Periode finden wir auf Monumenten Inschriften mit dem Alter des Mondes in Tagen für das jeweils angegebene Datum, wobei diese Angabe das Datum der Langen Zählung ergänzt.

36 Beobachtungen von Planeten Mit ziemlicher Sicherheit haben die Maya alle fünf mit freiem Auge sichtbaren Planeten beobachtet, ihre synodischen Umlaufzeiten bestimmt und versucht, die Bewegungen dieser Planeten zu verstehen und mit ihrem rituellen Kalender in Einklang zu bringen. Die meisten Aufzeichnungen finden wir über den Planeten Venus, wobei den Maya die Identität von Morgen- und Abendstern bewusst war. Die Venustafeln im Dresdner Codex (Blatt 24, 46-50) befassen sich mit dem synodischen Umlauf der Venus und geben Zeiten für das erste Auftreten der Venus als Morgenstern, in oberer und unterer Konjunktion und als Abendstern an. Weiters finden wir auch Angaben über Konjunktionen zwischen Venus und Mond, oder die Beobachtung von Sternzeichen, in denen die Venus auf- oder untergeht (z.B. in den Finsternistabellen und in den Kalenderrunden-Almanachen) und die maximale Höhe, die die Venus über dem Horizont erreicht. Beispiele für diese Kenntnisse findet man auch in Gebäudeausrichtungen, wie z.B. dem GouverneursPalast in Uxmal. Auch über den Mars finden wir Aufzeichnungen betreffend seiner synodischen und empirischen siderischen Umlaufzeit im Dresdner Codex. Interessant für die Maya waren dabei vor allem die rückläufige Bewegung des Planeten Mars und die von der Jahreszeit abhängige Wanderung oberhalb oder unterhalb der Ekliptik. Sie verwendeten eine mittlere Periode von 780 Tagen für den synodischen Umlauf von Mars, was einem ganzzahligen Vielfachen des 260-Tage-Tzolk’ins beträgt. Auch die Planeten Jupiter und Saturn wurden von den Maya beobachtet und aufgezeichnet, wie aus Inschriften, vor allem aus Palenque, hervorgeht. Daten über diese Planeten in den Codices konnten noch nicht entschlüsselt werden, da die Glyphen für Jupiter und Saturn noch nicht eindeutig identifiziert wurden.

37 Beobachtung von Milchstraße und Sternbildern Sowohl die Position der Milchstraße als auch Sternbilder14, die in der Dämmerung auf- bzw. untergehen, wurden von den Maya beobachtet. Die Milchstraße war bei den Maya von zentraler Bedeutung und wurde auch als Weltenbaum bezeichnet. Zu den wichtigsten Sternbildern zählten die Plejaden, da ihr Aufgang knapp vor der Sonne für den Zeitpunkt der Aussaat wichtig war. Die Bezeichnung „tsab“ für die Plejaden stellt eine Assoziation zum Schöpfergott Itzamná her, von heutigen Maya werden sie als „eine Handvoll Maiskörner“ bezeichnet, ein Hinweis auf die Schöpfung der Menschen aus Mais. Folgende Sterne bzw. Sternbilder der Maya können bereits eindeutig zugeordnet werden: Die drei Gürtelsterne des Orion wurden von den Maya als Schildkröte bezeichnet, die Zwillinge nannten sie „kopulierende Wildschweine“, das Sternzeichen wurde laut Diego de Landa zur Orientierung verwendet. Ein weiteres Sternbild, „Drei Herdsteine“ genannt, bildeten die Sterne Rigel, Alnitak und Saiph in der unteren Orionhälfte. Als Beleg für einen Tierkreis15 mit 13 Tierkreiszeichen gelten die Tafeln 23 und 24 des Pariser Codex sowie ein Himmelsband auf dem Las MonjasGebäude in Chichén Itzá (Abbildung unten),

rechts

Abbildungen

und auf

einer aus der Präklassik stammenden

„Hauberg-

Stele“ sowie auf der Stele 1 von Tikal.

38 Astronomische Ausrichtung von Gebäuden Da fast das gesamte Leben der Maya stark von Astronomie beeinflusst war, wurden auch viele Gebäude nach bestimmten Himmelsobjekten oder Ereignissen am Himmel ausgerichtet. Besondere Bedeutung hatten dabei natürlich Sonne, Mond und Venus. Dafür bauten sie Gebäude, die speziell für die astronomische Beobachtung ausgelegt waren, wie z.B. das Caracol in Chichén Itzá. Mithilfe geeignet platzierter Stelen und Gebäude fixierten sie besondere Ereignisse am Himmel. Dazu zählten die Himmelsrichtungen, Sonnenauf- und Untergänge bei den Sonnwenden und Tag- und Nachtgleichen, Zenitdurchgänge der Sonne, nördlichster oder südlichster Stand der Venus oder das Erscheinen von Sternen oder Sternbildern nach einer Periode der Unsichtbarkeit (heliakalischer Aufgang, z.B. Plejaden). Andere Gebäude wiederum spiegeln die enorme Bedeutung des Kalenders wider, wie z.B. das Castillo in Chichén Itzá. Das Bild links zeigt die Lage der Gruppe E in Uaxactun, Guatemala. Die Gebäude waren so angeordnet, dass die Sonne am

Tag

der

Sommer-

bzw. Wintersonnenwende exakt am oberen bzw. unteren Eck der äußeren Gebäude aufgeht, dagegen bei Tag- und Nachtgleiche genau durch die mittlere

Öffnung

mittleren durchscheint.

des

Gebäudes

39

Codices Die Maya-Codices sind Bilderhandschriften, die Informationen über das Leben der Maya, ihre Religion sowie über ihre Kenntnisse aus Mathematik und Astronomie geben. Sie enthalten Ritual- und Wahrsagekalender, astronomische Berechnungen (Venustafeln, Finsternistafeln, …) sowie mythologisch-astrologische Kalender. Das Papier der Bücher, Amate genannt, wurde aus Bastfasern der Rinde des Feigenbaumes Ficus cotinifolia gewonnen. Die Rinde wurde mit Stärke vermischt, flach geklopft und an der Oberfläche mit Kreide grundiert. Die oft viele Meter langen Papierstreifen einer Bilderhandschrift ließen sich wie eine Ziehharmonika falten. Heute existieren daher nur mehr drei mit Sicherheit authentische Maya-Codices, die nach ihrem derzeitigen Aufenthaltsort benannt werden. Der Dresdner Codex (=Codex Dresdensis), der Madrider Codex (=Codex Tro-Cortesianus) und der Pariser Codex (=Codex Peresianus).

Dresdner Codex Der Codex Dresdensis ist die älteste Mayahandschrift. Sie stammt wahrscheinlich aus den südlicheren Gebieten der klassischen Mayakultur (eventuell nördliches Yucatán), wird auf 1200 – 1250 datiert16, und ist eine Abschrift einer älteren, nicht erhaltenen Vorlage. Er besteht aus 39 doppelseitig beschriebenen Blättern aus der Rinde des Feigenbaumes mit einer Gesamtlänge von 3,56 m, und ist eines der wichtigsten Dokumente zur Entschlüsselung der Maya-Schrift sowie für die Erforschung der Astronomie und des Kalenders. Im Jahre 1739 wurde der Codex als ein „unschätzbares Mexikanisches

Buch mit hieroglyphischen Figuren17“ von Johann Christian Götze in Wien bei einem Privatmann erworben und bald danach der Kurfürstlichen Bibliothek in Dresden übergeben. Nach dem Bombenangriff auf Dresden am 13. Februar 1945 erlitt die Handschrift schwere Schäden

40 durch eindringendes Wasser. Heute befindet er sich im Buchmuseum der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek in Dresden. Der Codex umfasst 10 Kapitel mit folgenden Inhalten: 

Opfer und Einkleidung der Götter



Präsentation der Götter und ihrer Opfergaben



Mondgöttin, zuständig für Krankheiten und Geburten



Venustafeln und Finsternistafeln



Multiplikationstafeln für die Zahl 78



K’atun-Prophezeiungen und Schlangenzahlen



Regenzeiten, Fluten und die 1820-Tage-Periode



Neujahrszeremonien und Bauernkalender



Marstafeln und Vielfache von 364

Madrider Codex Der Madrider Codex stammt aus der Zeit der späten Postklassik, und ist damit der jüngste der drei erhaltenen Codices. Wahrscheinlich ist er höchstens 100 Jahre vor der spanischen Eroberung in Yucatán entstanden. Auch dieser Codex ist aus Rindenpapier Amate hergestellt. Er besteht aus 56 Blättern mit insgesamt 112 Seiten und ist damit der längste Maya-Codex überhaupt. Er dürfte bald nach der spanischen Eroberung konfisziert und nach Spanien geschickt worden sein. 1860 wurde er in Spanien „wiederentdeckt“; er bestand aus zwei Teilen, dem Codex Tro und dem Codex Cortesianus. Der französische Linguist Léon de Rosny erkannte, dass die beiden Teile zusammen gehören; 1888 kam es zu einer Zusammenführung der beiden, bisher unabhängig voneinander aufbewahrten Teile. Vermutungen, die die Handschrift auf die Zeit nach der spanischen Eroberung datieren, konnten bereits widerlegt werden. Die betreffenden Stellen wurden nachweislich 18 erst später hinzugefügt, wahrscheinlich erst nachdem das Manuskript nach Europa gebracht wurde. Heute befindet der Codex sich im Museo de América in Madrid.

41 Der Madrider Codex hat folgenden Inhalt: 

Almanache und Horoskope



Astronomische Tafeln und Kalender



Neujahrszeremonien



Beschreibung von Arbeiten aus dem täglichen Leben: Weben, Jagen, Bienenzucht, Krieg und Menschenopfer



Kosmos und Götter für verschiedene Himmelsrichtungen



Bewegung astronomischer Himmelskörper (Sonne, Mond)

Pariser Codex Der Pariser Codex ist mit einer Länge von 1,4 m der kürzeste der drei Handschriften. Ursprünglich dürfte der Codex länger gewesen sein; der noch existierende Teil umfasst nur mehr 11 Blätter mit 22 beschriebenen Seiten und ist vergleichsweise schlecht erhalten. Die Beschriftung und Bemalung ist eigentlich nur mehr im Mittelteil der Handschrift zu erkennen. Die genaue Herkunft des Pariser Codex ist nicht geklärt, vermutlich entstand er zwischen 1300 und 1500 in den Gebieten Yucatán, Campeche oder Quintana Roo. Ebenso ist unklar, wie und wann die Handschrift nach Europa kam. Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen über den Erwerb des Codex von der Bibliothéque National de France in Paris stammen aus dem Jahre 1832, wo sich der Codex auch heute noch befindet. Inhalt des Pariser Codex: 

Thronszenen mit vollständigem Himmelsband



Tierkreiszeichen



Kalender, gewidmet dem Regengott Chaac

Es wird angenommen, dass der Pariser Codex ein Handbuch für MayaPriester war, die damit die Wechselwirkungen zwischen den Himmelskörpern, Göttern, Menschen und dem Kalender zu interpretieren versuchten.

42

Die 2012-Hysterie Entstehung Der hoch angesehene Maya-Forscher Michael D. Coe von der Yale University veröffentlichte 1966 ein viel gelesenes Buch über die Kultur der Maya19. Darin erwähnte er erstmals die Vermutung, „dass Armaggedon hereinbrechen würde über die verkommenen Völker und die ganze Schöpfung am letzten Tag des 13. Bak’tun“, ohne darauf einzugehen, von wem diese Vermutung stammt. Unbeab-

Maya-Forscher Michael D. Coe

sichtigt wurde er damit zum Ahnherrn

(Foto Yale University)

der 2012-Hysterie. Allerdings folgte er einer anderen als der heute üblichen Chronologie der Langen Zählung und setzte das Datum auf den 24. Dezember 2011. Neun Jahre nach Coe, 1975, berief sich der Schriftsteller Frank Waters in seinem Buch Mexico mystique20 auf dieses Datum und erklärte, das Ende des Maya-Kalenders bedeute den Anfang einer neuen Welle menschlicher Bewusstwerdung, ganz im Stil der damaligen Hippie- und Punkrock-Bewegungen. Weitere 12 Jahre später postulierte der Kunsthistoriker Jose Argüelles 21, 1987 beginne eine große „harmonische Konvergenz“ im Kosmos, deren Vollendung am 21.12.2012, dem Ende des 13. Bak’tun nach heute weitgehend anerkannter Chronologie, den Untergang der bisherigen Welt und das Aufdämmern eines „New Age“ bringen würde. Richtig ins Rollen gebracht wurde die 2012-Hysterie jedoch durch den ehemaligen Software-Programmierer John Major Jenkins22,23. Er brachte das Ende des 13. Bak’tun mit einem angeblich überaus seltenen kosmischen Ereignis in Verbindung: Am 21.12.2012 würde die Sonne den galaktischen Äquator überschreiten. Dadurch würden an diesem

43 Tag die Erde, die Sonne und das Zentrum unserer Galaxie entlang einer geraden Linie ausgerichtet liegen, was nur alle 26 000 Jahre vorkommen soll. Es würde eine „Feldumkehr“ eintreten, eine Transformation unseres Bewusstseinszustandes in eine Art kollektiven Geist der Erde. Zahllose Autoren haben seither die unterschiedlichsten Interpretationen dieser Transformation gegeben, von einer umfassenden Erleuchtung der Menschheit über die Ankunft von Außerirdischen bis zur kompletten Zerstörung unseres Planeten. Insbesondere das Internet liefert eine Unzahl von Websites zum Thema.

Was sagen die Maya-Schriften? Alle diese Interpretationen berufen sich auf Vorhersagen der Maya. In keinem der bekannten Maya-Schriftzeugnissen gibt es dafür allerdings irgendwelche Belege. In den erhaltenen Codices wird das Ende des 13. Bak’tun nicht erwähnt. Die Zahl der bisher bekannten MayaInschriften wird auf ca. 15 000 geschätzt 24, mit vielleicht 100 000 Datumsangaben.

Höchstens

drei

davon

betreffen

das

Datum

13.0.0.0.0 4 Ajaw 3 K’ankin, das Ende des 13. Bak’tun. Was verkünden uns diese drei Inschriften? Die erste davon, eine Stele des Königs Balam Ajaw, wurde in Tortuguero

gefunden,

einer

Ausgrabungsstätte im Süden des

Bundesstaates

Tabasco

(Mexico). Die Stele ist in mehrere Stücke zerbrochen, von denen einige in einem Museum in Villahermosa, andere in New York und eines in einer privaten

Sammlung

liegen.

Bruchstück fehlt überhaupt.

Ein

Die „Prophezeiung“ auf der Stele Tortuguero Monument 6

44 Die Inschrift gibt im Wesentlichen den Lebenslauf des Königs wieder, wahrscheinlich von seiner Geburt am 3.12.612, wenigstens aber von der Krönung am 9.2.644 bis zu dem wichtigen religiösen Fest einer Tempelweihe am 16.1.669. Vielleicht wurde zu diesem Anlass die Stele geschaffen. Dabei erinnert der Schreiber daran, dass über 158 Jahre früher ein Schrein geweiht worden war, und dass fast 1344 Jahre später der 13. Bak’tun enden würde. Und er fügt (frei übersetzt) hinzu: „Es wird geschehen die Erscheinung der Herrlichkeit des B’olon Yokte’ K’uh in seiner großen Prozession.“25 Das ist die ganze Prophezeiung. Es soll nicht verschwiegen werden, dass die Übersetzung nicht völlig gesichert ist, da vier der acht Glyphen beschädigt sind und daher ihre Entzifferung unsicher ist. Aber auch in der hier wiedergegebenen geglätteten Version sagt der Text nichts über den Weltuntergang oder auch nur über einen großen Umbruch, sondern bezieht sich auf eine Prozession zu Ehren eines in der Wissenschaft noch nicht sehr gut verstandenen Gottes. Wir wissen nicht, warum der Schreiber gerade diese beiden Daten zitiert. Aber vielleicht liegt die Lösung in der Person des Gottes B’olon Yokte’ K’uh, vielleicht ist er der Richter am Weltenende? Abgesehen davon, dass ein derartiges apokalyptisches Szenario in der Maya-Mythologie

nicht

vor-

kommt, gibt auch der Gott wenig Aufschluss. Nach einer jüngst erschienenen Arbeit26 ist

B’olon Yokte’ K’uh. Abbildung auf der „Vase der sieben Götter“ (K2796), Palenque, späte Klassik. Foto © Justin Kerr.

45 er identisch mit einer bisher unter dem Code „Gott L“ bekannten Gottheit. Er ist verbunden mit der Unterwelt, dem Krieg und besonders mit Opfern, die an den jeweiligen Anfangsdaten der unterschiedlichen Zyklen des Maya-Kalenders darzubringen waren, wie aus mindestens sieben bekannten Schriftzeugnissen hervorgeht27. Es erstaunt daher nicht, dass er mit dem Schöpfungsdatum am Anfang des gegenwärtigen Bak’tun in Zusammenhang gebracht wird, und selbstverständlich spielen Riten zu seinen Ehren auch an dessen Enddatum, beim Beginn des nächsten Bak’tun, eine entscheidende Rolle, wie uns die Tortuguero-Stele sagt. Nirgends ist dabei von einem Ende der Welt oder schwerwiegenden Transformationsprozessen die Rede. Die zweite Inschrift, die angeblich das Enddatum des 13. Bak’tun nennt, befindet sich auf einem unscheinbaren Ziegel aus Comalcalco, etwa 200 km nordwestlich von Tortuguero. Die undeutlichen Glyphen bedeuten allerdings nach neuesten Ergebnissen der Forschung28 nicht 4 Ajaw 3 K’ank‘in sondern 4 Ajaw 3 Xul, was auf den 12.5.769 verweisen würde. Der kurze, in der Lesung sehr unsichere Text könnte etwa lauten: „Er kommt am Ende an.“ Wer das als Endzeitprophezeiung auffassen will, mag es immerhin tun. Die Welt wäre somit vor 1243 Jahren untergegangen. Die dritte Inschrift schließlich ist erst im Juni 2012 bekannt geworden29. Sie stammt aus La Corona in Guatemala, ca. 300 km südöstlich von Tortuguero. Es handelt sich um einen Text des Königs Yuknoom Yich’aak K’ahk des Reiches Kaan mit der Hauptstadt Calakmul 300 km östlich von Tortuguero. Er wurde verfasst aus Anlass des Besuches des Königs am 3.2.696 in einer verbündeten Stadt. Einige Jahre vorher hatte er die Vollendung des 13. K’atun im 9. Bak’tun gefeiert und trug seitdem stolz den Titel „Herr des 13. K’atun”. Allerdings hatte er gerade eine große Schlacht gegen den Herrscher von Tikal verloren, sodass die Stärkung der Kontakte mit den Verbündeten von großer Bedeutung war. Ebenso musste der König seine feste Verankerung im ewigen Lauf des Kosmos unter Beweis stellen, was in der Inschrift geschieht, indem

46 auf das Datum „4 Ajaw 3 K’ank’in, drei Bak’tun später” verwiesen wird, das Enddatum der gegenwärtigen Ära, den 21.12.2012. So wird suggeriert, der „Herr des 13. K’atun“ (und seine Erben) werde herrschen bis über den 13. Bak’tun hinaus, also in alle Ewigkeit. Eine weitere Prophezeiung ist nicht vorhanden. Es werden keine Göttererscheinungen genannt, und es ist keine Rede von einer großen Wende. Übrigens erfüllte sich auch diese Vorhersage nicht, der König starb zwei Jahre später, und sein Reich konnte sich auf Dauer gegen Tikal nicht behaupten. Allerdings ist es gerade dieser Inschrift zu verdanken, dass sein Name jetzt, zum Ende des 13. Bak’tun, doch wieder im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit steht. Die gesamte bekannte Mayaliteratur ist also völlig unergiebig, was Prophezeiungen zum Ende des 13. Bak’tun angeht. Darüber hinaus ist es falsch anzunehmen, der Maya-Kalender gehe mit diesem Datum zu Ende. Es sind zahlreiche Texte bekannt, die Datumsangaben nach dem 21.12.2012 beinhalten. Den Rekord hält wohl die Stele 1 aus Cobá, die ein Datum in mehr als 41 Oktillionen (4.1 x 1028) Jahren enthält30. Das wird nur noch durch Spekulationen der heutigen Naturwissenschaften über die mögliche Lebensdauer des Universums (> 10100 Jahre) überboten31.

Endzeitpropheten und Weltuntergangsszenarien Nach Behauptung der 2012-Community sollen nicht nur die Maya für dieses Jahr den Weltuntergang prophezeit haben. Da die meisten Angaben dazu sich einer rationalen Überprüfung entziehen, seien nur einige wenige dieser Vorhersagen kurz betrachtet. Von den Hopi-Indianer in Arizona, den Dogon in Mali, den Zulu in Südafrika, den Maori in Neuseeland, und wahrscheinlich einigen anderen Völkerschaften wird berichtet, auch sie würden für 2012 den großen Umbruch prophezeien. Leider ist die Authentizität dieser Zuschreibungen kaum nachprüfbar, da nirgends verifizierbare Quellen zitiert werden.

47 Leichter fällt die Beurteilung bei Vorhersagen, die in konkreten Schriftdokumenten niedergelegt sind. An erster Stelle ist hier der christliche Glaube an einen Jüngsten Tag zu nennen, der im Neuen Testament durch verschiedene Aussagen Jesu und vor allem durch das Buch der Geheimen Offenbarung gestützt wird. Die christliche Geschichtsauffassung ist linear, vom Anfangspunkt der Schöpfung bis zum Endpunkt des Weltgerichts. Daraus hat sich eine rege Endzeit-Prophetie ergeben: Obwohl es im Matthäus-Evangelium heißt „ihr wisst weder den Tag noch die Stunde“, gibt es zahlreiche Vorhersagen des Untergangsdatums. Eine (unvollständige) Liste im englischen Wikipedia32 gibt ca. 140 verschiedene Datumsangaben, mit so bekannten Proponenten wie Martin Luther, Christoph Columbus oder Isaac Newton. Besonders großer Beliebtheit erfreut sich der französische Arzt und Apotheker Nostradamus33 (1503-1566). Von seinen Anhängern werden ihm zahlreiche richtige Vorhersagen zugeschrieben, so etwa das Auftreten Napoleons (Centurie I, Vers 60) oder Hitlers (Centurie V, Vers 29) und die Gründung des Staates Israel (Centurie III, Vers 97). Das Problem ist, dass die Vorhersagen keinerlei Datumsangaben enthalten. Es lassen sich daher beliebige Verse als Katastrophenprophezeiungen interpretieren, aber kein Hinweis auf 2012 finden. Ähnlich steht es mit der Prophezeiung des Malachias. Dabei handelt es sich um eine Liste der Päpste, die erstmals in einem Werk 34 aus 1595 aufscheint und dort dem Hl. Malachias (1094 bis 1148) zugeschrieben wird. Danach wäre der gegenwärtige Papst, Benedikt XIV., der vorletzte. Über die Zeit des letzten, genannt Petrus Romanus, heißt es: Iudex

tremendus iudicabit populum suum (Der schreckliche Richter wird sein Volk richten). Liest man das als Ankündigung des Jüngsten Tages, dann müsste er wohl wirklich in absehbarer Zeit hereinbrechen. Von 2012 ist allerdings nirgends die Rede.

48 Diese beiden Beispiele mögen genügen, um Art und Verlässlichkeit der oft zitierten Prophetien zu veranschaulichen. Interessanter erscheint es da, die angekündigten Ursachen für den Weltuntergang zu betrachten. In diversen Büchern und Internetseiten werden umfangreiche Listen möglicher Katastrophenszenarien angeboten, die demnächst unsere Welt auslöschen könnten. Hier sollen nur einige kurz erörtert werden, die einen vernünftigen naturwissenschaftlichen Hintergrund aufweisen35. Das populärste Untergangsszenario ist der Einschlag eines Asteroiden oder Zwergplaneten auf der Erde. Dabei handelt es sich um ein durchaus realistisches Szenario, die Beobachtung potentieller Kandidaten ist eine wichtige Aufgabe moderner astronomische Observatorien. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit eines Einschlags sehr gering. Damit die Gefahr einer Auslöschung der menschlichen Zivilisation gegeben wäre, müsste ein Objekt eine Größe von etwa 2 km haben. Sollte der Einschlag am 21.12.2012 erfolgen, wäre ein Objekt dieser Größe längst entdeckt worden. Weitere häufig angegebene Bedrohungen sollen von Sonneneruptionen oder Änderungen des Erdmagnetfeldes kommen. Gegenwärtig befinden wir uns in einer Periode hoher Sonnenaktivität, die Raumfahrzeuge und irdische Elektrizitätsanlagen stören kann. Gefahren für die Menschheit sind nicht auszumachen. Ein Umklappen des Erdmagnetfeldes, das innerhalb der nächsten Jahrtausende wahrscheinlich erfolgen wird, würde vielleicht die Krebsrate erhöhen, aber keine Katastrophe für die Menschheit bewirken. Verbleiben schließlich noch Szenarien, die sich auf bestimmte Orientierungseffekte im Weltall berufen. Besonders ist hier die von John Major Jenkins behauptete Galaktische Orientierung zu nennen: Die Erde, die Sonne und das Zentrum unserer Milchstraße sollen am 21.12.2012 genau auf einer Linie stehen, woraus sich katastrophale Auswirkungen auf die Erde ergeben sollen. Die scheinbare Position der Sonne ver-

49 schiebt sich gegenüber dem galaktischen Zentrum allerdings nur um einen Zehntausendstel Sonnendurchmesser pro Tag, sodass die Datumsangabe sinnlos ist, da die Orientierung Jahre vorher und nachher praktisch gleich ist. Außerdem lässt sich naturwissenschaftlich keine Erklärung für eine katastrophale Wirkung geben: Ein befürchteter Gammablitz aus dem Zentrum hat keinerlei Zusammenhang mit der Stellung der Sonne, und der so genannte galaktische Synchronisationsstrahl ist eine esoterische Erfindung. Häufig wird auch behauptet, dass sich sowohl am Beginn als auch am Ende des Maya-Kalenders (11. August 3114 v. Chr. bzw. 21.12.2012 n. Chr.) die Planeten unseres Sonnensystems in einer besonderen Anordnung zueinander befinden sollen. Astronomische Berechnungen zeigen, dass das für beide Daten falsch ist und schon deshalb den befürchteten Gezeiteneffekten durch Zusammenwirken aller Planeten jede Grundlage fehlt. Die einzige Katastrophe, die in den Schrift- und Bilddokumenten der Maya oft angesprochen wird, ist die einer großen Flut. Sowohl der Dresdner als auch der Madrider Codex liefern dafür drastische Bilder (siehe Titelbild und S. 72). In einer Gegend mit tropischen Regengüssen und verheerenden Hurrikans ist das auch nicht weiter verwunderlich. Aber dabei handelt es sich um lokale Ereignisse, die auch zeitlich nicht mit dem Ende des 13. Bak’tun in Verbindung gebracht wurden.

50

51

Ausstellungskatalog

52

53 1.

Karte der wichtigsten Mayastätten und Zeitlinie

Die Vorfahren der heutigen Maya waren Träger einer bedeutenden Hochkultur. Die ersten bekannten Siedlungen stammen aus der Zeit um 3000 v. Chr. Heute sind weit über hundert Städte bekannt und archäologisch erfasst. Die bedeutendsten sind in der Karte dargestellt. Die einzelnen Städte hatten den Charakter von Stadtstaaten. Im Lauf der Geschichte weiteten manche Städte ihren Einfluss durch Unterwerfung anderer oder durch Bündnisse aus, aber die Maya bildeten nie einen gemeinsamen Staat. Darin haben sie eine Ähnlichkeit mit den antiken Griechen.

Die Geschichte der Maya wird in folgende Perioden eingeteilt: Frühe Präklassik (ca. 3000–900 v. Chr.) Mittlere Präklassik (ca. 900–400 v. Chr.) Späte Präklassik (ca. 400 v. Chr. – 250 n. Chr.) Frühe Klassik (ca. 250–600 n. Chr.) Späte Klassik (ca. 600–900 n. Chr.) Postklassik (ca. 900 bis 1511) Seit der Eroberung Mittelamerikas durch die Spanier war die Geschichte der Maya identisch mit der der Kolonien bzw. der daraus neu entstehenden Nationalstaaten.

54

EinführungsGlyphe

8 Uinal

9 Bak’tun

16 K’in

4 K’atun

11 Tun

55 2.

Das Zahlensystem der Maya

Oben: Dresdner Codex, S. 55, Ausschnitt mit Zahlenangaben. Unten: Türbalken 48 aus Yaxchilan mit Datumsschreibung unter Verwendung der Zahlengötter. Das Zahlensystem der Mayaschrift basiert auf den Symbolen für 0 (Muschel), 1 (Punkt) und 5 (Strich). Der blau eingerahmte Block bedeutet also 5+5+5+2 = 17. Ab der Zahl 20 erfolgt die Darstellung durch ein Stellenwertsystem. Der gelb umrandete Block hat unten 16, darüber 12 und oben 7, daher 16+12x20+7x20x20 = 3056. Damit können beliebig große Zahlen dargestellt werden. Auf Inschriften und Stelen wurden die Zahlen allerdings auch in feierlicher Weise durch die Kopfglyphen verschiedener Götter dargestellt. Der Türsturz 48 aus Yaxchilan gibt das Datum in Langer Zählung 9.4.11.8.16 = 9.2.526 für die Thronbesteigung des Königs K’inich Tatbu Skull II. Die Gesichter in den linken Hälften der Glyphenblöcke sind die Zahlen, die rechten Hälften die Angaben der Zeiträume.

56

57

3.

Masken

Masken, zeitgenössisches Kunsthandwerk. Die Masken werden bei volkstümlichen Tanzveranstaltungen getragen. Leihgaben und Fotos H. Hohmann.

Von links oben bis unten Mitte: Maske von europäischem Typ, aber mit indianischem Kopfschmuck. Wahrscheinlich einen Eroberer darstellend. Guatemala. Menschliches Gesicht mit Fledermaus auf dem Kopf. Guerrero, Mexico. Jaguarmaske, Hochland von Guatemala. Tiermaske (Stinktier?), Hochland von Guatemala. Vogelmaske, Hochland von Guatemala. Totenkopfmaske, Hochland on Guatemala. Affenmaske, Guatemala. Totenmaske, Tehuacan-Stil, Postklassik (Replika). Keramik, Glas, Jade, Perlmutter.

Die Frauen der heutigen Maya tragen mit Vorliebe die sog. Huipil, ein ponchoartiges Oberteil, zu langen Röcken. Die Motive stammen großteils aus der präkolumbianischen Zeit. Jedes Dorf hat einen eigenen, charakteristischen Farben- und Formenkanon, so dass man auf den Märkten die Herkunft der Trägerinnen bereits von weiten erkennt.

58

59

4.

Die Schrift der Maya

Oben: Glyphen in Stuckarbeit, Palenque. Links: Quirigua, Stele D, Ostseite mit eingemeißelten Glyphen, oben in Ganzkörperform.

Mitte rechts: Codex Dresdensis, S. 17, Text im Codexstil. Unten rechts: Glyphen auf Mayakeramik. Foto Clifford Brown.

Schriftdokumente der Maya sind in verschiedenster Form erhalten: Als Inschriften auf Bauwerken und Monumenten, als Bücher (Codices) oder als Beschriftung auf Gebrauchsgegenständen. Entsprechend dem Zweck, der Ausführungsart und dem Beschreibmaterial können die Schriftzeichen sehr unterschiedliche Formen annehmen. Auch der Erhaltungszustand kann sehr verschieden sein. In Innenräumen wurden sie oft in Stuckarbeit ausgeführt, was eine besonders exakte und ästhetisch ansprechende Ausführung gestattet; die Stuckglyphen fallen allerdings leicht von der Wand, wodurch die Texte unlesbar werden. Auf Außenwänden und Stelen wurden die Glyphen in Stein gemeißelt. Für besonders feierliche Anlässe wurden Ganzkörperglyphen verwendet, sodass die Inschrift zum kunstvollen Relief wurde. In den Codices wurde eine Art Schreibschrift eingesetzt, die sich vom Stil der Inschriften deutlich unterschied. Diese Schreibschrift findet sich auch auf Gebrauchsgegenständen aus Keramik und Knochen.

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61 5.

Das Kalendersystem

Oben: Darstellung verschiedener Zyklen im Mayakalender: Tzolk‘in, Haab, Kalenderrunde.

Unten: Datumsangabe in der Langen Zählung. Der rituelle Tzolk‘in-Kalender wird heute noch von der Mayabevölkerung verwendet. Er verbindet dreizehn Zahlen (innerer Ring) mit zwanzig Tagessymbolen zu einem 260-tägigen Kreislauf. Der Haab-Kalender zählt 18 „Monate“ zu 20 Tagen und einen zusätzlichen Unglück bringenden Zeitraum von 5 Tagen (Wayeb) zu einem Jahr von 365 Tagen, das fast mit dem astronomischen Jahr (365,24 Tage) übereinstimmt. Eine Datumsangabe bestand aus Zahl und Symbol des Tzolk’in und Tageszahl

und

Monatsnamen

im

Haab,

lautete

also

z.

B.

4 Ajaw 8 Kumk’u wie in der Abbildung. 52 Haab-Perioden haben gleich viele Tage (nämlich 18 980) wie 73 Tzolk’in-Perioden, sodass nach dieser Zeit, der so genannten Kalenderrunde, das Datum sich identisch wiederholt. Um längere Zeiträume datieren zu können, verwendeten die Maya die sogenannte Lange Zählung. Sie begann am 11. August 3114 v. Chr. und zählt die Einzeltage (K’in), Uinal (20 Tage), Tun („Jahr“ von 360 Tagen oder 18 Uinal), K’atun (20 Tun) und Bak’tun (20 K’atun). Der 13. Bak’tun hatte eine besondere religiöse Bedeutung, und sein Ende wurde mit besonderen Festen in Verbindung gebracht. Der Kalender endete hier aber nicht, sondern lief unbegrenzt weiter. Die Abbildung gibt das Datum in Langer Zählung 12.19.19.14.8 oder den 10. Oktober 2012, den Beginn dieser Ausstellung.

62

63

6.

Tortuguero – das Datum des Weltuntergangs?

Stele Tortuguero Monument 6. Bild zusammengesetzt aus Fotos der Bruchstücke in Villahermosa, New York und einer privaten Sammlung. Die „Prophezeiung“ im Bild rechts oben (in der Übersetzung ganz unten, fett gedruckt).

Übersetzung (frei nach [24, 25]): … Pulque-Gott und der Kakao-Gott, Götter-Gefährten des Bahlam Ajaw, Herrn des Reiher-Landes. Zehn Tage, elf Uinal, elf Tun und einen K’atun nach seiner Geburt, hier am 1 Ok, 1 Kumk'u wurde eingesetzt zur Herrschaft Bahlam Ajaw. Sechzehn Tage und fünf Uinal nachdem er eingesetzt war, da ergriff er zum ersten Mal seine Waffen; Es war eine Schlacht am Krokodil-Ort; da brach zusammen König Xam vom Dreigötterort. Es ist 13 Kimi, 14 Sek. Vier Tage und zwölf Uinal: Da ist 10 Ok, 18 K'ayab; da wurde zerstört ?? Sechzehn Tage, neun Uinal und vier Tun; da ist 8 Kimi, 9 Mot; da wurde Yomop zerstört. Acht Tage und sieben Uinal; da ist 13 Hix, 17 Muwan; zerstört wurden die Waffen des Ux Bahlam, Herrn von Joy Chan; Blut wurde ein See, Schädel wurden ein Berg; neunmal wurden gestärkt seine Kraft und Atem im ersten Himmel dem Bahlam Ajaw, Herrn des Reiher-Landes. Ein Tag, siebzehn Uinal und drei Tun nachdem er eingesetzt war zur Herrschaft, da wurde ein Bündnis geschlossen am 11 Chuwen, 4 Muwan; Elf Tage und ein Uinal vorher, am 6 Ajaw 13 Mak, es war der letzte Hotun. Sechs Tage, ein Uinal, neunzehn Tun und vierzehn K’atun vorher war ein großes Bündnis geschlossen worden. Es war 11 Chicchan, 13 Muwan; Es geschah auf dem Platz Bakil. Acht Tage, fünf Uinal, fünf Tun und ein K’atun nachdem eingesetzt war zur Herrschaft Bahlam Ajaw, da wurde der Feuer-Ritus im Tempel ausgeführt; es ist 9 Etz'nab; Der Gott Nahnal trägt das Band; es ist 6 K'ayab. Achtzehn Tage, acht Uinal und ein Tun am 4 Ajaw, 13 Mol, es ist der letzte Hotun hier. Da wurden niedergelegt im Sechs-Tun-Tempel sechs verborgene Kriegsbeile – Der heilige Name von seinem ?? ?? heiliger Herr des Reiherlandes. Er ist die Frucht von Frau Wan K'oj, Herrin des ReiherLandes. Er ist die Blüte seines Erzeugers Ikh' Muy Muwan Heiliger Herr des Reiherlandes. Der eine, viel Herrn hat er eingesetzt. Neunmal wurden gestärkt der Vornehme Mais-Herr, das uranfängliche Ungeheuer, die Kraft und der Atem. Sie haben dieses gewährt, ihre Götter Schwarzer Feuermauljaguar und Blaue Fledermaus. In der Tat wecken diese die Herzen der acht Schildkrötengötter und vier Waschbärengötter, die in Gang setzten das erste Calabtun am ersten Erdplatz. Nein … ?? ?? ?? Bahlam Ajaw? Der edle Stein ist ihre Stimme, seine Verwandtschaft. Vor sieben Tagen, sieben Uinal, kein Tun und acht K’atun war ... Es geschah 8 Chuwen, 9 Mak die Einweihung des Heiligtums des Ahkal K'uk'. Zwei Tage, neun Uinal, drei Tun, acht K’atun und drei Bak’tun, es wird vollendet der dreizehnte Bak’tun; es wird sein 4 Ajaw, 3 K'ank'in. Es wird geschehen die Erscheinung der Herrlichkeit von B’olon Yokte Kuh in seiner großen Prozession.

64 Würden Sie wegen dieses Texts an den Weltuntergang glauben?

65 7.

Die Codices der Maya

Oben: Diego de Landa (1524-1579), Bischof von Yucatán. Porträt im Kloster Izamal.

Unten: Maya-Codex in der typischen Faltbuch-Form (Madrider Codex). Zur Zeit der spanischen Eroberung gab es zahlreiche Bilderhandschriften, die aber nach Diego de Landa nur Aberglauben und Teufelswerk enthielten. Er schreibt: „Wir fanden eine große Zahl von Büchern mit

Zeichnungen, aber da sie nur Aberglauben und Teufelswerk enthielten, verbrannten wir sie alle, was die Maya zutiefst bedrückte und ihnen viel Leid bereitete“. So ließ er am 12. Juli 1561 auf dem Platz vor dem Franziskanerkloster in Maní sämtliche Bücher mit Bilderhandschriften, Götterstatuen und Objekte der Maya verbrennen. Heute sind nur drei Maya-Codices bekannt, die der Vernichtung entgangen sind.

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67

8.

Dresdner Codex - Venustafeln

Codex Dresdensis, Buchmuseum der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek. Seite 46. Die Venustafeln im Dresdner Codex beschreiben den synodischen Umlauf der Venus und umfassen die Seiten 24, 46 – 50. Die Seite 24 ist eine Einführung in den Gebrauch der Venustafeln und beschreibt Vielfache des Venusjahres sowie Korrekturzahlen für den Gebrauch der Venustafeln. Die Tafeln 46 – 50 beschreiben je ein Venusjahr mit 584 Tagen (rechts: Seite 46). Die ersten vier Spalten enthalten jeweils 13 Tzolk’inDaten mit folgenden Informationen: 

Venus verschwindet an diesem Tzolk’in-Tag als Morgenstern und ist für 90 Tage unsichtbar



Venus erscheint als Abendstern und ist für 250 Tage sichtbar



Venus verschwindet als Abendstern und ist für 8 Tage unsichtbar



Venus erscheint als Morgenstern und ist 236 Tage sichtbar.

Die Angaben für die Dauer der Sichtbarkeit bzw. Unsichtbarkeit der Venus sind idealisierte Daten, die nicht durch die exakten Beobachtungen der Maya erklärt werden können. Es wird vermutet, dass ein Zusammenhang zwischen Venus- und Mondzyklus hergestellt wurde. Darunter finden wir Angaben, in welcher Himmelsrichtung die Venus jeweils zu finden ist und welcher Gott an dem jeweiligen Tag herrscht. Die Bilder auf der rechten Seite zeigen den jeweils herrschenden Morgensterngott, einmal auf seinem Thron, einmal als Krieger. Das unterste Bild zeigt jeweils ein Venusopfer. Das Auftreten der Venus als Morgenstern war bei den Maya gefürchtet, negative Auswirkungen auf die Menschen und die Erde wurden ihr zugeschrieben. Insgesamt wird erst nach 5 x13 = 65 Jahren der Venuszyklus einmal durchlaufen.

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69 9.

Dresdner Codex - Finsternistafeln

Codex Dresdensis, Buchmuseum der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek. Seite 52. Die Finsternistafeln im Dresdner Codex beschreiben mögliche Sonnenund Mondfinsternisse. Finsternisse galten für die Maya als schlechtes Omen, als ein Zeichen bevorstehender Not und Gefahren, deren Auswirkungen man durch Opfer zu lindern suchte. Die 8 Blätter (51 – 58) sind jeweils in 2 Hälften geteilt, gelesen wird zuerst die obere Hälfte von 51a bis 58a, danach die untere Hälfte von 51b bis 58b. Die Tafeln umfassen insgesamt 33 Jahre oder 405 Mondumläufe. Nach zwei Einleitungstafeln (Seiten 51+52, jeweils obere Hälfte) mit Vielfachen von 11.960 Tagen und Korrekturfaktoren folgen die eigentlichen Finsternistafeln (53a-58a, 51b-58b). Die Maya berechneten, dass sich Mond- und Sonnenbahn im Abstand von 6, manchmal auch 5 Mondumläufen, überschnitten. Finsternisse können zu diesen Terminen, aber auch 15 Tage früher oder später auftreten. Die drei Zeilen in der Mitte jeder Tafel geben die Tage an, an denen eine Finsternis möglich ist, die schwarzen Zahlen (177 bzw. 148) geben die 6 bzw. 5 Mondumläufe an. Immer wenn es nur 5 Mondumläufe waren, erwarteten die Maya eine Finsternis, dargestellt durch das Bild. Das Bild links zeigt die Tafel 52: Oben sehen wir die Einleitung mit Vielfachen von 11.960 Tagen (1.-3. Spalte), sowie eine Korrekturspalte (4. Spalte). In der unteren Hälfte ist eine Sonnenfinsternis dargestellt. Das Bild zeigt ein Himmelsband mit einer weißen und schwarzen „Wolke“, auf dem sich das k’in-Zeichen für Sonne befindet.

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71 10. Dresdner Codex – Die große Flut Codex Dresdensis, Buchmuseum der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek. Seite 74. Die letzte Seite des Dresdner Codex löst immer wieder Spekulationen über mögliche Weltuntergangsprognosen der Maya aus. Die Tafeln 61 bis 64 befassen sich mit Jahreszeiten, die Tafeln 65 bis 68 mit den Regionen des Regengottes Chaak, Tafeln 69 bis 73 sind „Regentafeln“, die in der oberen Hälfte Vielfache von 702 Tagen, in der unteren Hälfte Vielfache von 1820 Tagen enthalten. Seite 74 stellt den Abschluss dieser Tafeln über Wetterphänomene dar und zeigt eine große Flut. Im Mittel alle 5 Jahre rechnete man mit einer großen Flut, und zwar immer dann, wenn der Beginn der Regenzeit zusammenfiel mit dem Tag 4 Eb des 260-tägigen Ritualkalenders. Das Himmelsband oben enthält die Glyphen für Venus, Himmel, Sonne und Nacht. Darunter erscheinen die Glyphen für Sonnen- und Mondfinsternisse. Von jeder Finsternis geht ein Strahl Wasser nach unten zur alten Göttin Chac Chel, die mit einer Schlange am Kopf dargestellt wird. Sie gießt eine Kanne mit Wasser auf die Eule, die sich auf dem Kopf des Gottes L befindet. Gott L wird als Gott der Unterwelt üblicherweise schwarz dargestellt. Er hält Speere und eine Schleuder in seiner rechten Hand. Im Wasserstrom direkt über dem Kopf der Eule finden wir die Zahl 5.1.0 Eb, die als Ausgangsdatum für die untere Regentabelle dient. Dieses Datum ist offensichtlich nicht identisch mit dem Ende des 13. Bak’tun.

72

Seite 23

Seite 24

73 11. Pariser Codex - Sternzeichen Codex

Peresianus,

Bibliothèque

nationale

de

France

Paris.

Seiten 23 und 24. Die Seiten zeigen die Tierkreiszeichen der Maya entlang oder nahe der Ekliptik. Gelesen werden die beiden Seiten von rechts nach links, beginnend also mit Seite 24. Ganz oben finden wir auf beiden Seiten einen Hieroglyphentext mit insgesamt 13 Spalten. Darunter befindet sich ein Himmelsband und Glyphen von Sonnenfinsternissen, die auf der unteren Seite des Himmelsbandes befestigt sind. Jedes dieser Finsterniszeichen wird von einem Tier ergriffen oder gebissen. Unterhalb dieser Tierfiguren finden wir einen Kalenderalmanach. Er besteht aus 5 Reihen mit Tzolk’inDaten, die in 13 Spalten angeordnet sind. Die jeweiligen Tzolk’inKoeffizienten befinden sich links vom jeweiligen Tagesbild. Der Abstand zwischen zwei benachbarten Daten beträgt 28 Tage, bei 13 Spalten ergeben sich somit insgesamt 364 Tage. Um allerdings den Fehler von ca. 30 Stunden pro Jahr zu vermeiden, gibt es neben den Tzolk’in-Daten noch blaue Korrekturfaktoren. Danach kommt noch einmal ein Band mit einfacher Zickzack-Struktur, also wohl kein Himmelsband. Die darunter hängenden Finsternisglyphen werden wieder von Tierfiguren (einmal auch von einem Skelett) ergriffen. Dieser Teil ist aber fast vollkommen zerstört. Aufgrund der starken Beschädigung der Seiten kann nur vermutet werden, dass die Maya 13 Tierkreiszeichen hatten. Von rechts nach links werden folgende Figuren vermutet: Oben Vogel (kaum erkennbar), Klapperschlange, Schildkröte, Skorpion, Eule, Schlangenfisch, Vogel; unten Frosch, Fledermaus, Wasserschwein (kaum erkennbar), Hirsch (kaum erkennbar), Skelett, Jaguar.

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75 12. Madrider Codex Codex Tro-Cortesianus, Museo de América, Madrid. Seite 2. Der obere Teil der Seite zeigt das einzige erhaltene Fragment des synodischen Marszyklus, erkennbar an der deutlich sichtbaren und unverwechselbaren Marsfigur, die an einem Himmelsband hängt. Jede dieser jeweils 4 Figuren ist mit einer Periode verbunden, die in Summe die Zahl 78 ergibt. Da der obere Teil der Seite kaum mehr lesbar ist, bleibt nur der mittlere Teil mit den Glyphen, den Zahlen und Marsfiguren. Die Zahlen teilen sich in 4 schwarze Distanzzahlen in der Größenordnung

19,

sowie

4

roten

Tzolk’in-

Koeffizienten mit den Werten 9, 2, 8 und 3. Aus Parallelen im Dresdner Codex lässt sich auf eine Periode von 78 Tagen schließen. Die Marsfiguren in Madrider und Dresdner Codex (Bild rechts) haben dieselbe Kopfform, die Körperdarstellungen sind allerdings sehr unterschiedlich. Während die Figuren im Dresdner Codex tierähnlich gezeichnet sind, haben die Marsfiguren im Madrider Codex Ähnlichkeit mit Menschen, sowohl von der Körperform her als auch von den Händen, nur die Beine enden eher in Pfoten als in Füßen. Die Figuren haben entweder eine Fackel oder eine Axt in der Hand. Die beiden Reihen mit Marsfiguren sind nicht identisch; sowohl die Reihenfolge von Axt und Fackel sind unterschiedlich als auch die Darstellungen am Himmelsband, bei dem sich ein Zeichen für Nacht „akab“ und ein gekreuztes Band meist abwechseln.

76 Da nur dieses eine Fragment der

Marstafeln

erhalten

ist,

können nur folgende Vermutungen getroffen werden: Der Almanach enthielt Informationen

über

zwei

78-Tage

Marszyklen, die nicht identisch

waren.

77 13. Astronomie - Gebäudeausrichtung Oben: Copán, Hieroglyphentreppe auf Tempel 26 Mitte: Copán, astronomische Visierlinien der Hofgruppe 9N-836 Unten: Copán, Hofgruppe 9N-8

Die im heutigen Honduras gelegene Mayastadt Copán ist vor allem wegen ihrer Hieroglyphentreppe bekannt, die zu einem Heiligtum auf Tempel 26 führt. 2200 Hieroglyphenblöcke auf 55 Stufen erzählen von der Geschichte Copáns und bilden die bis 763 regierenden Könige von Copán ab. Die Anordnung der Gebäude der Stadt spiegelt das Weltbild der Maya wider. Die Wohnbezirke sind nach den vier Himmelsrichtungen angeordnet, die sie verbindenden Straßen stellen die Achsen des Kosmos dar. Der Herrschersitz im Zentrum der Anlage soll auf die Bedeutung des Königs als Bewahrer von göttlicher und weltlicher Harmonie und Ordnung hinweisen. Der Plan36 rechts zeigt ein Beispiel für die Ausrichtung der sogenannten Hofgruppe 9N-8 nach astronomischen Gesichtspunkten. Diese Gruppe von Gebäuden liegt etwa einen Kilometer von der Hauptgruppe mit der Hieroglyphentreppe entfernt in der Siedlungszone der „Sepulturas-Region“. Es finden sich z.B. Visierlinien zum Sonnenaufgang zur Zeit der Wintersonnenwende, weiters die Richtung zum Sonnenaufgang zur Zeit der Zenitpassage sowie Visierlinien zur Sommersonnenwende und zu den Tag- und Nachtgleichen.

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79 14. Astronomie - Zenitpassage der Sonne Oben: Xochicalco, Außenansicht des „Loches“ zur Bestimmung der Zenitpassage

Unten: Xochicalco, Lichteinfall bei Zenitpassage Die Messmethoden der Maya waren auf den Horizont und den Zenit bezogen, begünstigt durch ihre geographische Lage zwischen dem Wendekreis des Krebses und dem Äquator. In diesen geographischen Breiten steht die Sonne zweimal im Jahr genau im Zenit. Die Beobachtung dieses Phänomens erlaubte eine sehr genaue Zeitbestimmung. Die Messung der Zenitpassage37 ist einfach: Ein kleines Loch in der Decke eines Tempels und die Bestimmung des senkrecht am Tempelboden liegenden Fußpunktes reichten für die Messung. Eine für derartige Beobachtungen geeignete Anlage findet man heute noch in Xochicalco (Mexiko). Ein sechseckiges Loch im Boden lässt das Licht 8,7 m tief in einen unterirdischen Raum fallen, der mit den für die Maya typischen Farben der einzelnen Himmelsrichtungen bemalt war: rot für den Osten, gelb für den Süden, schwarz für den Westen, und weiß für den Norden. Zweimal im Jahr steht die Sonne in Xochicalco38 zu Mittag genau im Zenit, und zwar am 14/15. Mai und am 28./29. Juli, was durch den senkrechten Lichteinfall genau beobachtet werden konnte.

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© The Exploratorium, www.exploratorium.edu

81 15. El Caracol in Chichén Itzá Oben: Chichén Itzá, El Caracol. Observatorium, erbaut um 906. Mitte: Plan der Gesamtanlage, mit astronomischen Ausrichtungen. Unten: Plan des Rundbaus, mit wichtigsten astronomischen Sichtlinien. Das Caracol39 in Chichén Itzá, das wegen der sich in seinem Inneren schneckenartig hinauf windenden Wendeltreppe die Bezeichnung „Schneckenhaus“ bekam, ist das bekannteste Mayaobservatorium. Das Bild zeigt den heutigen Zustand des Gebäudes mit dem stark zerstörten oberen Teil des Turms. Der auf den ersten Blick unregelmäßige Bau hat vor allem der Beobachtung der Venus und der Sonne gedient. Besonders markante Horizontstände von Venus und Sonne wurden als Peillinien beim Bau des Gebäudes verwendet. Die Ausrichtung des Hauptgebäudes erfolgte einerseits nach den Sonnenauf- bzw. Untergängen bei Sommer- bzw. Wintersonnenwende (Diagonale des Hauptgebäudes) als auch nach dem Sonnenuntergang bei der Zenitpassage der Sonne sowie dem Sonnenuntergang bei Sommersonnenwende. Weiters ist das Gebäude auch noch nach dem nördlichsten Venusuntergang ausgerichtet. Der obere Rundbau ist leider sehr stark beschädigt. Erhalten sind nur mehr drei Öffnungen, die nach Süden bzw. Nordwesten hin ausgerichtet sind, sowie zwei enge Schächte und ein breiter Durchlass. Diese Öffnungen dienten der Bestimmung der Himmelsrichtungen, der nördlichsten und südlichsten Position der Venus sowie des Sonnenuntergangs zur Tag- und Nachtgleiche. Die Rekonstruktion versucht, die Situation eines Maya-Astronomen bei seinen Beobachtungen wiederzugeben.

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83 16. Grabdeckel von Pakal I. Sarkophagdeckel des Königs K'inich Janaab' Pakal I., auch Pakal der Große, (geb. 23. 3 603; gest. 28. 8. 683) in der Krypta des Tempels der Inschriften in Palenque. Pakal der Große war einer der bedeutendsten Mayaherrscher. Er bestieg bereits mit 12 Jahren den Thron. Seine 68-jährige Regierungszeit war durch zahlreiche Kriege, aber auch durch eine rege Bautätigkeit gekennzeichnet. Er wurde in einem monumentalen Steinsarkophag mit wertvollen Grabbeigaben bestattet, darunter eine Totenmaske aus Jade. Um den Deckel des Sarkophags zieht sich ein Himmelsband mit den Köpfen von sechs Vorfahren Pakals. In der Mitte der König, hinabsinkend in die Totenwelt, durch den Kopf der Unterweltschlange versinnbildlicht. Er trägt Attribute des Maisgottes. Über ihm wächst der Weltenbaum empor, auf dessen Wipfel befindet sich der Himmelsgott Itzamná in Vogelgestalt. Der Schweizer Schriftsteller Erich von Däniken brachte 1968 in seinem Buch „Erinnerungen an die Zukunft“40 als erster den Sarkophag mit angeblichen außerirdischen Besuchern in Verbindung. Er interpretierte den König als einen Astronauten in seiner Raumkapsel, der mit Händen und Füßen die Armaturen seines Gefährts bedient. Für Däniken sind alle alten Kulturen durch Außerirdische begründet worden, die vor Jahrtausenden auf die Erde gekommen sind und über wesentlich höheres Wissen verfügten als die heutige Menschheit. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sie zukünftige Katastrophen vorhersagen konnten. Damit wurde der Weg für die spätere Maya-Hysterie vorbereitet.

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85 17. Weltuntergangspropheten Bekannte frühe Untergangsverkünder:

Michel Nostradamus (1503-1566), Arzt und Apotheker. Links das Titelblatt seiner „Propheties“, 1. Auflage Rigaud, Lyon 1555

Malachias (1094-1148), Erzbischof von Arnagh (Irland). Bild aus der Schedel’schen Weltchronik, Nürnberg 1493. Daneben der ihm zugeschriebene Text. Weltendeprophezeiung in der rechten Spalte unten.

Die Väter der 2012-Hysterie (unten von links nach rechts):

Frank Waters (1902-1995) , amerikanischer Autor (Foto: Dan Budnik). Sein Buch Mexico mystique brachte den Mayakalender in das allgemeine Bewusstsein der Hippie- und Punkrockgeneration.

José Argüelles (1939-2011), mexikanischer Kunsthistoriker. Sein Werk The Mayan Factor machte das Datum 21.12.2012 in der New Age Bewegung bekannt.

John Major Jenkins, amerikanischer Computertechniker. Seine Bücher waren der Hauptauslöser für die 2012-Hysterie. Auf ihn geht die These vom „galactic alignment“ zurück.

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87 18. Katastrophen - Asteroideneinschlag Oben: Künstlerische Darstellung der Kollision unserer Erde mit einem Kleinplaneten. Bild NASA/JPL-Caltech.

Unten: Enuma Elish, babylonische Keilschrift, 9. Jh., v. Chr., Abschrift älterer Texte. In der 5. Tafel des babylonischen Schöpfungsmythos Enuma Elish wird ein Planet Nibiru genannt: „Nibiru, der die Übergänge von Himmel und Erde besetzt halten soll, weil jeder oben und unten Nibiru befragt, wenn sie den Durchgang nicht finden. Nibiru ist Marduks Stern, den die Götter am Himmel sichtbar werden ließen. Nibiru steht als Posten am Wendepunkt. Zum Posten Nibiru mögen die andern sagen: ‚Der die Mitte des Meeres ohne Ruhe überschreitet, sein Name sei Nibiru, denn er nimmt die Mitte davon ein‘. Die Bahn der Sterne des Himmels sollen unverändert gehalten werden.“ Als Planet X hat Nibiru in die modernen Untergangsmythen Einzug gehalten. Er soll durch seine Gravitation Kometen in Richtung Erde ablenken. Allerdings konnten die Astronomen ihn bisher nicht entdecken. Alternativ wird damit gerechnet, dass ein Asteroid mit katastrophaler Wirkung in die Erde einschlägt. Auch ein solcher wurde bisher nicht entdeckt.

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89 19. Katastrophen – Sonnensturm und Polsprung Oben: Sonneneruption am 21. Jänner 2012. NASA Solar Dynamics Observatory.

Unten: Dadurch verursachtes Polarlicht in Poker Flat, Alaska. NASA, James Spann. Eine massive Sonneneruption der Stärke X1.7 (X bezeichnet den stärksten Typ von Ausbrüchen) leitete einen gewaltigen Sonnensturm ein, der in den Raum raste. Es war der stärkste Sonnensturm seit 2003, allerdings war er nicht direkt auf die Erde gerichtet. Sonnenstürme können Schäden in elektrischen und elektronischen Anlagen anrichten. Untergangspropheten erwarten für Ende 2012 gewaltige Sonnenaktivitäten mit katastrophalen Folgen. Die Wissenschaft sieht dafür allerdings keine Anzeichen. Sonnenstürme haben einen großen Einfluss auf das Erdmagnetfeld, indem sie es stark verzerren und weiträumig abschwächen. Dadurch wird der Schutz vor energiereichen Partikeln aus der kosmischen Strahlung stark vermindert. Negative gesundheitliche Folgen für alle Organismen einschließlich Menschen wären denkbar. Das auffälligste Phänomen ist das verstärkte Auftreten von Nordlichtern. Sonnenstürme rufen kurzzeitige Änderungen im Erdmagnetfeld hervor. Geologische Daten zeigen allerdings, dass sich das Magnetfeld im Mittel alle 250 000 Jahre komplett umpolt, innerhalb der nächsten 4000 Jahre ist damit wieder zu rechnen. Dabei kommt es sogar zu einem zeitweiligen Verschwinden des Magnetfeldes. Wegen der dann höheren kosmischen Strahlung dürfte dadurch die Mutationsrate im Genom betroffener Organismen ansteigen, was Konsequenzen für die Evolution haben könnte. Über katastrophale Folgen wird spekuliert. Allerdings dürfte die Umpolung insgesamt ca. 9 000 Jahre lang dauern, sodass sie bis Ende 2012 noch nicht erfolgen sollte.

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91 20. Katastrophen – galaktische Ausrichtung Das Gebiet ca. 300 Lichtjahre um das Galaktische Zentrum, aufgenommen vom Hubble Space Telescope. Bild: NASA, ESA, und Q.D. Wang (University of Massachusetts, Amherst)

Eine gedachte senkrechte Linie durch die Mitte des Bildes ist der galaktische Äquator. Während der letzten Jahrzehnte befindet sich die Sonne, von der Erde aus gesehen, bereits auf diesem Äquator. Die Position am 21.12.2012 zeichnet sich durch nichts von der der letzten und kommenden Jahrzehnte aus. In der Mitte des Bildes befindet sich, hinter dichten kosmischen Wolken verborgen, ein massives schwarzes Loch. Die Vermutung, aus diesem schwarzen Loch könnte ein Gammablitz (siehe Abbildung unten) hervorgehen und die Erde vernichten, ist naturwissenschaftlich nicht gedeckt.

Bild. NASA,

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93 21. Traditionelles Kunsthandwerk Links: Blockflöte mit drei Grifflöchern. Rechts: Medizinbehälter. Unten: Tabakpfeife. Heute werden von der einheimischen Maya-Bevölkerung Gebrauchsgegenstände aus Keramik nach alten Vorbildern vor allem für den Tourismus gefertigt. Flöten gehörten, nach Darstellungen auf Wandgemälden und Keramiken zu den wichtigsten Musikinstrumenten der Maya. Dazu kamen Trompeten, Trommeln, Rasseln. Allerdings ist über die Musik der klassischen Zeit nichts Näheres bekannt. Das eigentümlich geformte Fläschchen diente der Aufbewahrung medizinischer Tinkturen. Die gewundenen Henkel erinnern an eine Schlange und damit an Ixchel, die Göttin der Heilkunst (siehe S. 100/101). Tabak zu rauchen war unter den Maya weit verbreitet und diente auch rituellen Zwecken. Neben einfachen zigarrenähnlichen Rollen aus Tabakblättern waren auch Pfeifen wie die ausgestellte in Verwendung.

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95 22. Nutzpflanzen der Maya Mais, Kakao, Pulque-Agave, Kautschuk (im Uhrzeigersinn). Mais war das wichtigste Nahrungsmittel der Maya. Er war mehreren Göttern zugeordnet, als Hauptgott des Mais war wohl Hun Hunapu, der Vater der Zwillinge Hunahpu und Xbalanque41, die die Urahnen der Maya-Herrschergeschlechter darstellen. Das heutige Menschengeschlecht wurde von den Göttern aus Mais und Blut geschaffen. Der Maisanbau erfolgt bis heute zusammen mit Bohnen, die sich an den Maisstauden empor ranken und Kürbissen, die als Bodendecker fungieren. Kakao war das Prestigegetränk der gehobenen Klasse. Sein Schutzgott Ek Chuah war auch Beschützer der Kaufleute und oft auch Gott des Krieges. Pulque war ein alkoholisches Getränk, das aus dem Saft verschiedener Agaven vergoren wird, und das etwa 5 % Alkohol enthält. Es wurde von der Göttin Mayahuel erfunden und war dem Gott Akan geweiht. Die Nutzung des Kautschukbaumes geht ebenfalls auf die Zeit der alten Maya zurück. Besonders wichtig war das Material für die Herstellung der Bälle, mit denen das rituelle Ballspiel ausgeführt wurde. Die Bälle hatten meist einen Durchmesser zwischen 10 und 25 cm und entsprechend ein Gewicht von 0,5 bis 8 kg.

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97 23. Grab des Yuknoom Yich’aak K’ahk’ Geb. 4.10.649, gest. 31.3.698, König des Reiches Kaan 686-698. Rekonstruktion des Grabes aus der großen Pyramide von Calakmul (Nachbildung, Museo Arqueológico Fuerte de San Miguel, Campeche).

Oben: Totenmaske aus Keramik und Jade. Replika. Unten: Teller mit Glyphen, Replika. Die Inschrift „Sein Teller, Yuknoom Yich’aak K’ahk, erlauchter Herr von Kaan“ ermöglichte die Identifikation des Toten. Das Grab in der großen Pyramide ist das am reichsten ausgestattete in Calakmul. Der Leichnam war in Jaguarfell und Stoffbinden gehüllt und mit Ketten aus Jade und Muscheln geschmückt. Die Maske war, wie eine Inschrift belegt, ein Erbe vom Vater des Toten. Der ursprüngliche Holzsarg war fast völlig zerfallen. Als Grabbeigaben dienten Obsidianklingen, Keramikbecher und -schalen sowie nur mehr als Reste erhaltene Holzfiguren. Yuknoom Yich’aak K’ahk’ wurde am 6. Oktober 649 als Sohn von Yuknoom Chen, dem Herrscher des Reiches Kaan, in der Hauptstadt Calakmul geboren. Spätestens ab 662 führte er die Amtsgeschäfte für seinen betagten Vater und bestieg nach dessen Tod am 3. April 686 den Thron. Durch erfolgreiche Feldzüge weitete er den Einflussbereich Calakmuls bedeutend aus. Seit dem 13. März 692, an dem der 13. K’atun der Langen Zählung zu Ende ging, führte er den Titel „Herr des 13. K’atun”, und eine kürzlich entdeckte Inschrift aus La Corona stellt eine Verbindung her zum Datum „4 Ajaw 3 K’ank’in, drei Bak’tun später”. Dies ist das Enddatum der gegenwärtigen Ära, der 21.12.2012. Diese Formulierung verknüpft die Regierungszeit Yuknoom Yich’aak K’ahk’s mit kosmologischen Daten und erinnert an die Worte aus dem Gloria der katholischen Messfeier “jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit”.

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99 24. Götter der Maya: Der Himmelsgott Itzamná Oben: Keramikschale, polychrom, wahrscheinlich Petén, späte Klassik. Im Zentrum der Himmelsgott Itzamná. Leihgabe aus Privatsammlung. Foto H. Homann.

Unten links: Anthropomorphes Gefäß für das Weihrauchopfer. Keramik, zeitgenössisches Kunsthandwerk nach klassischem Vorbild.

Unten rechts: Becher, polychrome Keramik im Codexstil, Klassik. Replik. Der Gott Itzamná ist auf dem Boden der Schale, wie auf den Darstellungen des Weltenbaums, als Himmelsvogel dargestellt. Der helle Kreisring ist mit Glyphen beschriftet. Der Text ist aufgrund der schlechten Erhaltung nur teilweise lesbar. Offensichtlich stellt er aber eine sogenannte Primäre Standardserie dar, d. h. eine Widmungsinschrift, deren Anfang gewöhnlich lautet „Dies wurde geschrieben für“ und dann Titel und Namen des Besitzers sowie den Verwendungszweck nennt. Die Schale wurde einem Verstorbenen als Grabbeigabe mitgegeben. Vorher wurde sie durch ein Loch im Zentrum rituell zerstört, um weitere Nutzung zu verhindern. Das Weihrauchgefäß, das im Kult Verwendung fand, stellt einen menschlichen Kopf dar, der durch die Kopfbinde als König ausgewiesen wird. Dem König oblag die Pflicht, die Opfer darzubringen, um damit die Verbindung zwischen der menschlichen und göttlichen Sphäre lebendig zu erhalten. Die königliche Kopfbinde schmückt auch den Becher. Hauptmotiv sind zwei Gottheiten, eine davon wieder der Himmelsherrscher Itzamná, zwar in menschlicher Gestalt, aber durch den reichen Federschwanz eindeutig charakterisiert.

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101 25. Götter der Maya: Die Mondgöttin Ixchel Oben links: Maske, die Mondgöttin Ixchel darstellend. Zeitgenössisches Kunsthandwerk Cancun.

Unten links: Die Mondgöttin Ixchel als Weberin. Keramik, zeitgenössisches Kunsthandwerk nach klassischem Vorbild.

Rechts: Mondgöttin Ixchel. Holzschnitzerei, zeitgenössisches Kunsthandwerk nach klassischem Vorbild. Die Mondgöttin Ixchel ist die Gemahlin Itzamnás. Sie ist durch die Wangentätowierung und die um ihre Stirn gewundene Schlange gekennzeichnet. Sie ist die Göttin der weiblichen Periode und damit der Fruchtbarkeit und auch der Heilkunst, dazu die Patronin weiblicher Tätigkeiten, wie des Webens. Sie ist, in ihrer Erscheinungsform als alte Göttin Chak Chel aber auch die Überbringerin von Krankheiten und Katastrophen aller Art, wie etwa der großen Überschwemmung im Dresdner Codex (siehe S. 70/71).

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103 26. Götter der Maya: Sonnengötter Oben:

Rituelle Holzmaske, darauf der „herabstürzende Gott“ Ah

Mucen Cab. Leihgabe und Foto H. Hohmann.

Unten: Kleinstatue, der Sonnengott K’inich Ajaw in seiner Nachtform als Jaguar. Keramik. Zeitgenössisches Kunsthandwerk Cancun. Der Gott Ah Mucen Cab war nach den religiösen Büchern des Chilam Balam42 einer der Schöpfergötter. Auf vielen Fresken, wie zum Beispiel in den archäologischen Stätten von Cobá, Tulum, Sayil und Chichén Itzá wird er, wie auf dieser Maske, als herabstürzender Gott (mit dem Kopf nach unten) abgebildet. Er symbolisierte den Sonnenuntergang und wird mit dem Sonnengott K’inich Ajaw identifiziert. Da in der Sprache der Maya das Wort für Honig dasselbe ist wie für Welt, wurde er auch als Bienengott angesehen. Sobald er bei seinem Untergang im Westen den Horizont erreichte, wurde er zu einem schwarzen Jaguar. Als solcher durchquerte er die Unterwelt in Richtung Osten und stieg dort am Morgen wieder als Bienengott empor.

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105 27. Götter der Maya: Kukulkán Oben links: Sitzende Figur des Gottes Kukulkán. Oben rechts. Maske, den Gott Kukulkán darstellend. Unten: Sitzende Figur des Gottes Kukulkán. Alle Figuren in Holz geschnitzt, polychrom gefasst. Zeitgenössisches Kunsthandwerk nach postklassischen Vorbildern, Chichén Itzá. Kukulkán, die Gefiederte Schlange, ist ein Gott, der unter verschiedenen Namen in mehreren mittelamerikanischen Kulturen bekannt war. Er ist der Gott der vier Elemente und einer der Weltschöpfer. Er trägt die Sonne über den Himmel. Bis heute hat er in den Ruinen von Chichén Itzá seine Bedeutung erhalten: An der Freitreppe der großen Pyramide „El Castillo“ erscheint jedes Jahr zu den Tag- und Nachtgleichen der Schatten der großen Schlange. Tausende Besucher verfolgen alljährlich dieses Schauspiel. Auch im einheimischen Kunsthandwerk spielt der Gott eine Rolle. Auf dem Kopf trägt er die gefährlichsten Tiere des Urwalds, den Jaguar und die Schlange, die mit aufgerissenem Rachen an die mächtigen Köpfe am Fuß der Freitreppe erinnern (siehe S. 110/111).

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28. Maya-Architektur - Pyramiden und Gräber Oben: Calakmul (Mexiko), Große Pyramide Struktur 2 Unten: Tikal (Guatemala), Tempel I Calakmul liegt im mexikanischen Bundesstaat Campeche, nahe der Grenze zu Guatemala und zählte im 6. Jh. zu den mächtigen Königsdynastien. Auf mehr als 30 km² hat man bisher über 100 Kolossalbauten und mehr als 5000 Gebäude gefunden. Man nimmt heute an, dass mehr als 50.000 Menschen im Stadtkern lebten. Aufsehen erregte vor allem der Fund der Grabkammer des Herrschers Yuknoom Yich’aak K’ahk in der sogenannten Struktur 2, einer Pyramide mit 120 m Seitenlänge und 45 m Höhe. Darunter hat man die Reste eines Palastes mit vollständig erhaltenem Reliefschmuck freigelegt sowie insgesamt 4 Gräber. Eine weitere bedeutende Maya-Stadt war Tikal, in den nördlichen Regionen Guatemalas nahe der Grenze zu Mexiko und unweit von Calakmul gelegen. Mittelpunkt der Anlage sind die beiden Tempel I und II. Die beiden Pyramiden sind radialsymmetrisch angelegt und haben eine Treppe auf jeder der 4 Seiten. Die Gebäude sind nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet und haben insgesamt 365 Stufen. Tempel I, auch bekannt als Tempel von Ah Cacao oder Tempel des Großen Jaguars, ist ca. 47 m hoch und diente als Grabstätte des Herrschers Jasaw Chan K’awil; sein Grab zierten mehr als 180 Jadeschmuckstücke. Tempel II, auch bekannt als Tempel der Masken, an der Westseite hat eine Höhe von 38 m und war der Frau von Jasaw Chan K’awil gewidmet. An den jeweiligen Türstürzen der Pyramide sind Reliefs vom Herrscher und seiner Frau dargestellt, die sich so bis in alle Ewigkeit anschauen können.

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109 29. Maya-Architektur – Tempel und Paläste Oben: Uxmal, Pyramide des Zauberers Unten: Palenque, Palast Eine der Hauptattraktionen Uxmals ist sicherlich die beeindruckende Pyramide des Zauberers (Pirámide del Adivino). Auf den ersten Blick fällt der ungewöhnliche Baustil auf: eine ovale Grundfläche. 118 steile Stufen führen hinauf zur Spitze der 38 m hohen Pyramide, wo sich ein Tempel zu Ehren des Regengottes Chaac befindet. Astronomische Symbole schmücken den Fries dieses Tempels. Laut einer Legende soll diese Pyramide von einem Zwerg innerhalb einer Nacht errichtet worden sein. Dieser, Sohn einer Zauberin, soll die in Uxmal versteckten, geheimnisvollen Musikinstrumente zum Klingen gebracht und damit den Anspruch auf die Herrschaft erwirkt haben. Der König stellte ihn darauf drei Prüfungen, die er alle erfolgreich bestand, während der König dabei starb. Daraufhin wurde der Zwerg zum Herrscher von Uxmal ernannt und regierte das Land mit großer Weisheit. Palenque, im heutigen mexikanischen Bundesstaat Chiapas gelegen, liegt mitten im Regenwald. Das Zentrum der Stadt bildeten der Tempel der Inschriften mit dem Grab ihres berühmtesten Herrschers K’inich Janaab‘ Pakal I und die riesige Palastanlage. Dieser Gebäudekomplex nimmt eine Fläche von 100 mal 80 m ein und besteht aus einer Vielzahl von verschachtelten Höfen und galerieartig gebauten Gebäuden. Modern mutet vor allem die Toilettenanlage mit Wasserspülung, ein Hinweis auf eine zumindest teilweise profane Nutzung des Palastes. Aus dem Inneren des Gebäudes ragt ein vierstöckiger Turm, der möglicherweise als Observatorium oder Wachturm gedient haben könnte. Im Palast wurden auch 3 Tafeln mit Szenen der Thronbesteigung gefunden.

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111 30. Chichén Itzá – El Castillo Zu den Highlights jedes Mayabesuches zählte das Besteigen der Pyramide des Kukulkán, auch El Castillo genannt, in Chichén Itzá. Heute ist es leider nicht mehr möglich, den atemberaubenden Ausblick von der oberen Plattform aus zu genießen, das Besteigen der Pyramide ist derzeit leider verboten. Die Pyramide war dem Schlangengott Kukulkán gewidmet, der dem Gott Quetzalcoatl der Azteken entsprach. An den Tag- und Nachtgleichen (21. März und 23. September) steigt er in Gestalt einer gefiederten Schlange von der Pyramidenspitze zu den Menschen nach unten. Die 30 m hohe Pyramide hat eine Grundfläche von 55 m und wurde von den Mayas ca. 875 n. Chr. erbaut. Vier Treppen mit dreimal 91 und einmal 92 Stufen führen unter einem Winkel von 45° zur Horizontalen zur oberen Plattform, insgesamt also 365 Stufen entsprechend der Anzahl der Tage im Haab-Jahr. Weiters besteht die Pyramide aus 9 großen Stufen zu beiden Seiten der Treppe, was auf die 18 Monate des Kalenders hinweist. An den Treppenenden befindet sich jeweils ein großer Schlangenkopf. Im Inneren der Pyramide befindet sich ein wesentlich älteres Gebäude mit 33 m Seitenlänge und einer Höhe von 17 m. Eine einzige Treppe mit 61 Stufen führte zur obersten Plattform. Aufgrund der Ummantelung durch die neuere Pyramide ist das alte Gebäude sehr gut erhalten. In seinem Inneren befindet sich noch ein Raum mit einer Opferfigur des Chac Mool und einem Jaguarthron.

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2012 geht die Welt unter. Das sollen die Maya vorhergesagt haben. Aber wer waren die Maya? Was haben sie über 2012 prophezeit? Woher wissen wir das? Und woher sollen sie überhaupt die Kenntnisse für so eine Prophezeiung gehabt haben? Diesen Fragen geht eine Ausstellung im UniGraz@Museum nach, damit wir wissen, ob wir mit dem Weltuntergang rechnen müssen.