Zuströmbereiche von Grundwasserentnahmen: Berechnungsmethode und Anwendung im Grundwassermodell Gäu/Solothurn U. Kuhlmann1, P. Jordan2, J. Trösch1 TK Consult AG, Zürich Amt für Wasserwirtschaft, Kanton Solothurn 1

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Zusammenfassung Die auf Anfang 1999 in Kraft gesetzte Eidg. Gewässerschutzverordnung sieht vor, dass bei einer Grundwasserfassung von öffentlichem Interesse ein Zuströmbereich auszuscheiden ist, wenn die Gefahr einer dauerhaften Verunreinigung durch Schadstoffe besteht. Zuströmbereiche bezeichnen das Aufenthaltsgebiet des genutzten Wassers von seiner Versickerung bis zur Entnahme. Abhängig vom Strömungszustand variiert ihre Ausdehnung mit den aktuellen hydrologischen und operationellen Bedingungen. Es wird eine Berechnungsmethode vorgestellt, die auf Grundlage eines numerischen Grundwassermodells quantitative Angaben über Herkunft und Fliessweg des entnommenen Wassers ermöglicht. Das stochastische Verfahren ermittelt zunächst die Bahnlinien des infiltrierten Wassers auf Basis eines Particle-Tracking-Algorithmus. Dabei wird die hydrodynamische Dispersion mit Hilfe eines Random-Walk-Ansatzes berücksichtigt. Monte-Carlo-Simulationen erlauben schliesslich, die Zuströmbereiche auf der Basis von Wahrscheinlichkeiten zu definieren. Das Verfahren wurde im Rahmen einer vom Bund und vom Kanton Solothurn initiierten Pilotstudie angewendet. Anhand des Lockergesteins-Grundwasserleiters Gäu wird gezeigt, wie sinnvolle Zuströmbereiche ausgeschieden werden können und wie sich das entnommenen Wasser aus den drei Zuflusskomponenten, Niederschlag, Gewässer und randliche Zuflüsse zusammensetzt. Auf Grundlage des im Vorfeld der Studie erstellten und gut kalibrierten Grundwassermodells werden eine Reihe von Fallbeispielen untersucht und die entstehende Problematik diskutiert. Dabei wird der Einfluss der zugrunde gelegten hydrologischen und operationellen Bedingungen auf die Ausdehnung der Zuströmbereiche, auf die Zusammensetzung des Infiltrats und auf die Wechselwirkung mehrerer Fassungen erläutert.

1 Erschienen in:

Gas, Wasser, Abwasser Heft 4/2000, s. 278-286

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Einleitung Einzugsgebiete von Grundwasserentnahmen spielen eine wichtige Rolle in der Wasserwirtschaft. Sie bezeichnen das Aufenthaltsgebiet des genutzten Wassers von seiner Versickerung bis zur Entnahme. Abhängig vom Strömungszustand variiert ihre Ausdehnung mit den aktuellen Neubildungsraten aus Niederschlag, Hangzufluss oder Flussinfiltration. Die Kenntnis der Zuströmbereiche ist angesichts der vielfältigen Problemstellungen sowohl quantitativer als auch qualitativer Art eine wichtige Voraussetzung bei der Entwicklung von Nutzungs- oder Schutzkonzepten. Diese Erkenntnis wird von der Eidg. Gewässerschutzverordnung (GSchV) vom 28. Oktober 1998 umgesetzt. Sie besagt, dass bei bestehenden oder geplanten, im öffentlichen Interesse liegenden Grundwasserfassungen die Zuströmbereiche dann auszuscheiden sind, wenn das Wasser durch Stoffe (z.B. Nitrat, Atrazin) verunreinigt ist, die nicht genügend abgebaut oder zurückgehalten werden, oder wenn die konkrete Gefahr einer Verunreinigung durch solche Stoffe besteht (Art. 22, Abs. 1, Buchst. c). Der unterirdische Zuströmbereich Zu (im Gegensatz zum oberirdischen Zuströmbereich Zo, welcher zur Trinkwassergewinnung genutzte Seen und andere Gewässer schützt) umfasst dabei das Gebiet, aus dem bei niedrigem Wasserstand etwa 90 Prozent des Grundwassers stammt, das bei einer Grundwasserfassung höchstens entnommen werden darf. Sollte dieses Gebiet nur mit einem unverhältnismässigen Aufwand bestimmt werden können, so umfasst der Zuströmbereich das gesamte Einzugsgebiet (Anhang 4 Absatz 113 GSchV). Die Gewässerschutzverordnung äussert sich nicht, wie, d.h. mit welcher Methode oder welchen konzeptuellen Modellen, der Zuströmbereich bestimmt werden soll. Vor allem bei vielen, vergleichsweise kleinen Grundwasserfassungen in einem grossen Grundwassergebiet bestand bislang grosse Unklarheit über die Form und Ausdehnung solcher Zuströmbereiche. Zudem wurde unter Fachleuten oft diskutiert, ob sich die Zuströmbereiche verschiedener Grundwasserfassungen überlagern können. Die genaue Bemessung der Zuströmbereich ist dabei nicht nur aus Sicht des Gewässerschutzes, sondern auch aus Sicht des ökonomischen und rechtmässigen Einsatzes der Mittel von Bedeutung. Innerhalb der Zuströmbereiche sollen nämlich den Landwirten Abgeltungen für produktionstechnische Massnahmen sowie für die Änderung der Bewirtschaftung und Anpassung der Betriebsstruktur entrichtet werden, sofern diese Unterfangen der Verbesserung der Wasserqualität dienlich sind und im Rahmen eines Zuströmbereichs festgelegt wurden. Bis zu einem bestimmten Prozentsatz der anrechenbaren Kosten werden diese Abgeltungen vom Bund übernommen (Art. 62a, GSchV). Um die Effektivität dieser Massnahmen zu prüfen und Erfahrungen mit der Festlegung der Massnahmen und der Erfolgskontrolle zu sammeln, wurden vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) und dem Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) drei Pilotstudien initiiert. Eine davon wird in Zusammenarbeit mit dem Kanton Solothurn und der örtlichen Wasserversorgung, dem Zweckverband Wasserversorgung Gäu, im Bereich Oensingen – Olten, dem sogenannten Gäu, umgesetzt. Das Pumpwerk Neufeld in Neuendorf, welches über eine Konzession von 6'000 l/min verfügt, weist seit Jahren einen deutlich steigenden Nitratgehalt auf, welcher heute zwischen 37 und 39 mg NO3 pro Liter pendelt. Ein Überschreiten des Interventionswertes von 40 mg/l ist absehbar und ohne Gegenmassnahmen unausweichlich. Um die Massnahmengebiete genau zu lokalisieren und eventuell sogar in ihrer relativen Bedeutung zu gewichten, muss vorerst der Zuströmbereich festgelegt werden. Im Hinblick auf einen integralen Schutz des Grundwassers aber auch zur Beleuchtung der Abgrenz- und Überschneidungsproblematik wurde die Erhebung auf alle Gäuer Pumpwerke ausgedehnt.

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Soll der Zuströmbereich einer Entnahme bestimmt werden, ist für jeden Punkt der Geländeoberfläche zu klären, ob das hier versickernde Wasser in den Brunnen gelangt oder ob es den Brunnen umströmt und in einen Vorfluter fliesst. Prinzipiell bieten hier experimentelle Methoden mit Hilfe von Tracer-Tests (z.B. Farbversuche) die Möglichkeit, diese Frage zu beantworten, jedoch ist aufgrund der langen Aufenthaltszeiten der Tracer (u. U. mehrere Jahre) ein solches Vorgehen nur in wenigen Fällen praktikabel. Dagegen werden neben analytischen Methoden in der Praxis vor allem numerische Modelle eingesetzt werden, mit deren Hilfe die Bahnen eingebrachter Partikel effizient ermittelt werden können. Voraussetzung für die Anwendung solcher Particle-Tracking-Verfahren ist neben den Angaben über die hydrogeologischen Eigenschaften des Grundwasserleiters die Kenntnis des hydraulischen Potentialfeldes (Grundwasserstände), das beispielsweise aus einer zuvor durchgeführten Grundwassersimulation ermittelt werden kann. Die Berechnungsmethode kann sowohl in Strömungsrichtung als auch ihr entgegen sozusagen rückwärts vom Entnahmebrunnen aus angewendet werden (Backtracking). Letzteres ermöglicht eine drastische Verminderung der erforderlichen Bahnlinien mit erheblich reduzierten Rechenaufwand. Hierdurch entstehen jedoch neue Schwierigkeiten beim Berechnen der Infiltrationspunkte, wenn flächenhafte Grundwasserneubildung (Niederschläge) oder Infiltration aus Gewässerläufen zu berücksichtigen sind und demzufolge ein Teil der Bahnlinien innerhalb des Modellgebietes beginnen. Aufgrund der zeitlichen Schwankungen der Zuflüsse und Neubildungsraten ist die Ausdehnung der Zuströmbereiche ein dynamische Grösse. Weitere Unsicherheiten werden durch Modellvereinfachungen bezüglich der Heterogenität der hydrogeologischen Parameter eingeführt. Der deterministischen Modellierung mit dem resultierenden eindeutigen Umriss des Zuströmbereichs sind daher stochastische Konzepte vorzuziehen. Auf diese Weise können Konfidenzbereiche angegeben werden, die auf der Basis von Wahrscheinlichkeiten den Zuströmbereich definieren. In diesem Zusammenhang führen VASSOLO et. al. [1998] Monte-Carlo Simulationen durch, um die Heterogenität sowohl der Transmissivität als auch der Neubildungsrate zu berücksichtigen. Für jede der Realisationen ermitteln sie anschliessend den Einzugsbereich mit Hilfe des Particle-Tracking. Die Überlagerung sämtlicher erzeugter Einzelbereiche liefert schliesslich eine Verteilung, die für jeden Punkt die Wahrscheinlichkeit der Zugehörigkeit zum Zuströmbereich definiert. Eine vergleichbare Vorgehensweise wurde kürzlich auch von RUSKAUFF & RUMBAUGH [1999] dokumentiert. In der vorliegenden Studie wird der stochastische Aspekt dieser Ansätze aufgegriffen, jedoch nicht auf das zugrunde liegende Transmissivitätsfeld sondern innerhalb des Particle-Tracking angewendet. Die Ermittlung der Zuströmbereiche beruht also wie oben auf den Bahnlinien des Grundwassers, die auf Grundlage eines gut kalibrierten Strömungszustandes berechnet werden. Zur Berücksichtigung der erwähnten Inhomogenitäten (Transmissivität) kommt jedoch zusätzlich das Konzept der hydrodynamischen Dispersion (Random-Walk-Methode, z.B. KINZELBACH, 1987) in Verbindung mit Monte-Carlo Simulationen zur Anwendung. Wie beim klassischen Particle-Tracking-Verfahren werden hier (Wasser-/Tracer-) Teilchen eingesetzt, die sich mit dem Strömungsfeld bewegen. Um zusätzlich den Dispersionsprozess zu berücksichtigen, wird der advektiven Bewegung der Einzelteilchen eine normalverteilte Zufallsbewegung überlagert, deren statistische Eigenschaften den Eigenschaften des dispersiven Prozesses entsprechen. Werden schliesslich analog der obigen Vorgehensweise viele 'Random-Walk-Wege' desselben Startpunktes überlagert, kann eine Wahrscheinlichkeit der Zugehörigkeit zum Zuströmbereich abgeleitet werden.

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Sind Brunnen unvollständig (d.h. nicht über die gesamte Mächtigkeit des Grundwasserleiters) ausgebildet oder entnehmen lediglich einen Bruchteil des fliessenden Grundwasserstroms, können sich Überschneidungen der Zuströmbereiche oder nahezu deckungsgleiche Einzugsgebiete ausbilden. Im Gegensatz zur deterministischen Tracking-Methode, wo die Bahnlinien einen vorbestimmten Verlauf aufweisen und sich nicht kreuzen, können solche Fragestellungen mit Hilfe des Random-Walk-Verfahrens sehr gut untersucht werden (Kap. 7).

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Geologische und hydrologische Verhältnisse

Die Anwendung des beschriebenen Verfahrens soll am Beispiel des Dünnerngäus demonstriert werden, welches - zwischen Oensingen und Olten gelegen - das flächenmässig grösste Grundwasservorkommen im Kanton Solothurn darstellt. Hier fördern eine Reihe öffentlicher Pumpwerke und betrieblicher Entnahmen Grundwasser mit einer Gesamtmenge von bis zu 18 Mio. Liter pro Tag und versorgen damit rund 50'000 Einwohner (inkl. Gewerbe und Industrie). Das ca. 18 km lange und durchschnittlich gut 2 km breite Gäu stellt einen alten Flusslauf der Aare dar, welcher im Laufe der letzten Eiszeit im Gletschervorfeld (Sander des Stadiums von Wangen a/A.) zugeschottert und später verlassen wurde. Die Sedimentmächtigkeit beträgt bis zu 70 m, wovon an die 50 m wassergesättigt sein können. Der Flurabstand variiert zwischen 30 m im Raum Oensingen und wenigen Metern im Mittelgäu und im Raum Egerkingen. Die eiszeitlichen Schotter liegen Grundmoränen, Seesedimenten der vorwiegend mergeligen Molasse oder direkt den spätjurassischen, als Karstaquifere bekannten Malmkalken auf. In der Regel werden die Schotter von einem rund 2m mächtigen, feinkörnigen Überschwemmungssediment überlagert. Die Speisung des Grundwasservorkommens erfolgt durch den örtlichen Niederschlag, durch Infiltrationen aus dem Talbach, der Dünnern und ihren Nebengewässern sowie durch Randzuflüsse. Hier sind vor allem die Zuflüsse aus der Klus Balsthal-Oensingen, welche das innerjurassische Dünnerntal (75 km2) und das Gebiet um die Weissensteinkette (zusätzliche rund 40 km2) entwässert (HEROLD 1998), aber auch jene aus den nördlich angrenzenden Kalkhügeln des Belchen-Gebietes zu nennen. Als Vorflut des Grundwasserleiters dient hauptsächlich die Aare in Olten wobei auch ein namhafter Anteil die Aare unterströmt. Daneben kann ein interessanter, aber mengenmässig vernachlässigbarer Abfluss Richtung Süden ins sogenannte Aaregäu festgestellt werden [FRÖHLICHER, 1966]. Die isolierte Situation des Gäuer Grundwassergebietes führt zu sehr grossen jahreszeitlichen und langperiodischen Schwankungen des Grundwasserspiegels. Die Amplitude beträgt in der Regel fünf bis sechs Meter. Im weiteren hat das ungewöhnliche Verhältnis zwischen Grundwasservolumen und – umsatz zur Folge, dass Massnahmen zur Minderung von Schadstoffeinträgen nur sehr langsam zur Verbesserung der Grundwasserqualität führen.

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Numerisches Modell

Voraussetzung für eine zuverlässige Ermittlung der Zuströmbereiche ist die Existenz eines numerischen Grundwassermodells, das sich darüber hinaus für die sinnvolle Bewirtschaftung und den Schutz des Grundwasserleiters als ein umgängliches Hilfsmittel erweist. Das im Rahmen dieser Pilotstudie erstellte Grundwassermodell Gäu [BIAGGI et al. 1999] simuliert das Fliesssystem innerhalb der Niederterassenschotter des Dünnern- und des Aaregäu mit Hilfe eine zweidimensionalen Ansatzes, der allein die horizontalen Strömungskomponenten des Grundwassers berücksichtigt. Dabei wird die Transmissivität - gebildet durch das Produkt aus hydraulischer Durchlässigkeit (K-Wert) und der Mächtigkeit des am Fliessvorgang beteiligten

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Querschnitts - als variabel (heterogen) angenommen. Als Funktion des örtlich und zeitlich veränderlichen Strömungszustandes wird die Mächtigkeit des Aquifers jeweils berechnet aus der Differenz der Wasserspiegelkote und der Höhenlage des wenig durchlässigen Untergrundes. Die Ausdehnung des zu modellierenden Gebietes ergibt sich aus der Topographie unter Berücksichtigung der oben erläuterten geologischen und hydrologischen Gegebenheiten. Die Diskretisierung des Projektgebietes wurde mit Hilfe des Preprocessors im Programmpaket SPRING (GKW, 1998) vorgenommen. Neben der Digitalisierung erforderlicher Strukturen (Modellrand, Gewässer) auf der Basis von digitalen Rasterkarten erlaubt das Programm eine weitgehend automatische Netzerstellung. Das resultierende Finite-Elemente Netz umfasst insgesamt ca. 6000 Elemente mit 14000 Knoten. Für die Zuweisung der K-Werte auf die Elemente des FE-Netzes wurde ebenso wie bei der Berechnung der Stauerkoten ein Interpolationskonzept angewendet. Die punktuell an den verschiedenen Bohrungen verfügbaren Informationen werden dabei mit Hilfe der geostatistischen Kriging-Methode auf jedes einzelne Element des Modells interpoliert (BlockKriging). Eine solche Vorgehensweise gewährleistet die wesentlich glattere Repräsentation der heterogenen Durchlässigkeit im Modell und vermeidet die meist willkürliche Zonenaufteilung innerhalb der hydrogeologischen Einheiten. Das Netz für die Stützstellen der Interpolation wird unter Berücksichtigung der vorhandenen Bohrungen und den jeweiligen Eichresultaten während der anschliessenden Kalibrierung sukzessive verfeinert. Sämtliche hydraulischen Simulationen im Rahmen der Grundwassermodellierung und der Ermittlung der Zuströmbereiche wurden mit dem Computercode CASA durchgeführt. Das Programm löst die stationäre oder instationäre 2d/3d-Grundwassergleichung nach der Methode der Finiten Elemente. Als sogenanntes inverses Modell konzipiert, ermöglicht es darüber hinaus die effiziente Kalibrierung eines Grundwassermodells anhand von Messungen der Grundwasserstände sowie der Zu- und Wegflüsse [KUHLMANN, 1992, 1994].

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Modellkalibrierung

Die aus den Bohrungen oder hydraulischen Versuchen bekannten Parameter für Durchlässigkeit und Speicherverhalten des Grundwasserleiters gehen lediglich als Vorkenntnisse in die numerische Modellierung ein. Sie wurden im Vergleich mit den gemessenen Felddaten mit Hilfe inverser Simulationen optimiert. Ein instationäres Modell diente dazu, diese automatische Modellkalibrierung vorzunehmen. Hierzu wurden die Mittelwasserverhältnisse (1996/1997) über einen 18-monatigen Zeitraum mit den entsprechenden zeitlichen Variation der Randbedingungen in 10-Tagesschritten simuliert. Anhand der Ganglinien der verfügbaren Limnigraphen (10-Tageswerte) sowie der Daten einer Simultanmessung vom 14.5.1997 (insgesamt ca. 1000 Messwerte) konnten dabei die K-Werte, Speicherkoeffizienten, sowie die Karstwasserzuflüsse des numerischen Modells mit Hilfe des inversen Algorithmus iterativ angepasst werden. Zusätzlich wurden die vorhandenen Mess- oder Schätzwerte für die Zu- und Wegflüsse des Modellgebietes innerhalb einer adäquaten Genauigkeit berücksichtigt. Die Iteration endet dann, wenn im Vergleich zu den Messungen ein Optimum erreicht wird. Die so gewonnenen Eichresultate zeigen durchgängig eine sehr gute Übereinstimmung zwischen berechneten und gemessenen Wasserspiegeln. Die mittlere absolute Abweichung zu den ca. 1000 Messungen beträgt hier weniger als 10 cm (s. Figur 1).

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Im Anschluss an die Kalibrierung wurde im Zuge einer sogenannten Modellvalidierung die gesamte Zeitspanne der verfügbaren Daten simuliert (Jahre 1995, 1996, 1997). Anhand des Vergleichs der Berechnungsergebnisse mit den (unabhängigen) Messdaten, die vorher nicht für die Kalibrierung verwendet wurden, wurde somit die Eignung des Modells für spätere Prognoserechnungen nachgewiesen.

Figur 1:

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Vergleich gemessener (Symbole) und berechneter (rote Linie) Wasserspiegel an exemplarischen Pegeln für die Eichperiode 96/97.

Massgebliche Entnahmemengen

Laut Gewässerschutzverordnung umfasst der (unterirdische) Zuströmbereich das Gebiet, aus dem bei niedrigem Wasserstand etwa 90 Prozent des Grundwassers stammt, das bei einer Grundwasserfassung höchstens entnommen werden darf. Wie im vorliegenden Anwendungsfall kann hier bei der Ermittlung des massgeblichen Rechenfalls ein Problem entstehen, wenn bei ungünstigen hydrologischen Verhältnissen (Niedrigwasser) sämtliche Brunnen des Gebietes ihre maximal genehmigten Entnahmemengen fördern. Hierdurch können die Kapazitätsgrenzen des Grundwasserleiters erreicht werden und/oder die entstehenden Strömungsverhältnisse sind rechnerisch mit den heutigen Verfahren nicht mehr zu handhaben (Trockenfallen). Eine Gesamtentnahme im Bereich der Kapazitätsgrenze erscheint jedoch nicht praxisrelevant, so dass für die Ermittlung der Zuströmbereiche ein Kompromiss zu finden ist zwischen den praktizierten (mittleren) Pumpmengen der letzten Jahre und den vertraglich verankerten (konzessionierten) Maximalentnahmen. Hierzu wird vorgeschlagen, ausgehend von den mittleren Entnahmemengen (MQ) unter Annahme einer maximalen Pumpleistung die Betriebsdauer sämtlicher Entnahmen schrittweise zu erhöhen, wobei die konzessionierten Entnahmemengen (KQ) nicht überschritten werden dürfen. Tabelle 1 zeigt beispielhaft die so errechneten Pumpmengen der zu untersuchenden Grundwasserfassungen. Auf Basis dieser unterschiedlichen hydraulischen Zustände können anschliessend die zugehörigen Zuströmbereiche verglichen und bewertet werden.

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Tabelle 1:

Fassung Moos Neufeld Einschlag Zelgli Wangen GheidII GheidIII GheidB GheidC Summe

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Beispiel für die Ermittlung der massgeblichen Entnahmemengen [l/min]: Da die konzessionierte Menge (KQ) in keinem einheitlichen Verhältnis zur installierten Pumpenleistung oder zur tatsächlichen Entnahme (MQ) steht, wurde für den in der GSchV Anhang 4 Ziffer 113 vorgesehenen Fall der maximal zulässigen Entnahmemenge unterschiedliche Szenarien (Betriebszeit 8 bis 14 Stunden/Tag) angenommen. Pumpleistung 15000 6000 3700 8000 7600 12000 12000 5400 5400

MQ (95-97)

KQ

Q8h

Q10h

Q12h

Q14h

1240 918 463 1451 1058 717 711 1614 2108

4300 6000 2200 8000 6000 6200 6200 2800 2800

4300 2000 1233 2667 2533 4000 4000 1800 1800

4300 2500 1542 3333 3167 5000 5000 2250 2250

4300 3000 1850 4000 3800 6000 6000 2700 2700

4300 3500 2158 4667 4433 6200 6200 2800 2800

10279

44500

25033

29342

34350

37058

Berechnung der Zuströmbereiche

Grundlage für die Ermittlung der Zuströmbereiche bildet ein stationär simulierter Strömungszustand, der eine gute Näherung der 1997 beobachteten Niedrigwasserverhältnisse darstellt. Nach dem oben beschriebenen Verfahren werden zunächst MonteCarlo-Simulationen für die Bahnlinien mit N=100 Realisationen durchgeführt (ForewardTracking). Der hier verwendete Particle-Tracking Algorithmus beruht auf einem Programmcode nach VON KÄNEL [1989], der entsprechend der vorliegenden Bedürfnisse erweitert wurde (Random Walk). Nach einer groben Vorauswahl entsprechend des Strömungsbildes werden als Startpunkte die Knoten des FE-Netzes eingesetzt (>5000), unabhängig, ob an diesem Gebietspunkt eine tatsächliche Infiltration stattfindet (Stichwort: Oberflächenversiegelung). Für die Querdispersion wird in diesem Anwendungsfall gemäss den hydrogeologischen Verhältnissen eine Dispersionslänge von aT=10m eingesetzt. Ein Beispiel der so berechneten Bahnlinien ist für drei der Startpunkte in Figur 2 dargestellt.

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Figur 2:1

Mit Hilfe der Random-Walk-Methode berechnete Bahnlinien ausgehend von drei Startpunkten (d.h. 3 Monte-Carlo-Simulationen). Die rot eingezeichneten Bahnlinien erreichen den untersuchten Brunnen.

Nach Zählen derjenigen Bahnlinien n kx , die den Brunnen k erreichen, erhält man für jeden Gebietspunkt x (hier: FE-Knoten) eine Aussage über den in k zuströmenden Anteil des in x infiltrierten Wassers:

p kx = nkx / N mit

p kx N

(1)

- in Brunnen k zuströmender Anteil der in x infiltrierten Wassermenge - Gesamtzahl der in x gestarteten Bahnlinien

Eine flächenhafte Darstellung der so ermittelten Zuströmanteile ist am Beispiel der Entnahmestelle Neufeld im Dünnerngäu in Figur 3 gezeigt. Es ergibt sich ein (theoretischer) Zuströmbereich, der für jeden Punkt den entnommenen Prozentanteil px einer virtuellen Infiltration angibt. Dies ist nützlich beispielsweise für die Ausscheidung von Schutzzonen, wenn gezeigt werden kann, von wo aus Schadstoffe bei möglichen Unfällen den Brunnen erreichen können. Auch eine Abschätzungsmöglichkeit der in den Brunnen gelangenden Schadstoffkonzentration ist mit Angabe des Faktors px gegeben (Verdünnung).

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Reproduziert mit Bewilligung des Bundesamtes für Landestopographie (BA002113)

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Figur 3:

Zuströmanteile einer örtlichen (virtuellen) Infiltration für die Entnahmestelle Neufeld

Andererseits interessiert aus Sicht der landwirtschaftlichen Massnahmeplanung die Herkunft des Wassers, d.h., wie sich die Gesamtentnahme des Brunnens aus den drei Hauptquellen, randliche Zuflüsse, Versickerung entlang der Oberflächengewässer und örtliche Neubildung durch Niederschläge zusammensetzt. Hier können angesichts der örtlich und zeitlich variierenden Neubildungsraten (Vegetation) sehr unterschiedliche Bilder entstehen. Eine solche Aussage ist jedoch mit Hilfe der in Figur 3 gezeigten Darstellungsweise nicht möglich. Auch grossflächig versiegelte Flächen, wo keine Infiltration stattfindet, würden auf dieser Darstellung nicht sichtbar. Hier schafft eine Überlagerung des oben berechneten Zuströmanteils p kx (Gl. 1) mit den Gesamtraten der örtlichen Infiltration q x Abhilfe. Die (reale) Infiltrationsrate qkx , die vom Punkt x für den Entnahmebrunnen k wirksam wird, ergibt sich somit aus

qkx = p kx × q x

(2)

Mit Hilfe von Gl. (2) lassen sich also diejenigen Infiltrationsraten ermitteln, die ausschliesslich für die Zuströmung der untersuchten Entnahmestelle verantwortlich sind. Eine Kontrollmöglichkeit der Rechnung entsteht hier, indem die so errechnete Gesamtinfiltration die Bilanzgleichung (3) erfüllen muss.

åq

k x

× A x - Qk = 0

x

mit

Ax Qk

- Flächenanteil des Gebietspunktes x - Gesamtentnahme des Brunnens k

(3)

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Mit diesem Vorgehen eröffnen sich weitere Untersuchungsmöglichkeiten. Da mit Hilfe von Gl. (1) eine quasi homogene (virtuelle) Infiltration untersucht wird, bleibt die Verteilung der Zuströmanteile (Figur 3) konstant, solange der zugrunde gelegte Strömungszustand unverändert bleibt. Für diesen Strömungszustand ist dann lediglich eine einmalige ParticleTracking-Berechnung notwendig. Darauf aufbauend können mit Hilfe von (Gl. 2) beliebige Infiltrationsverteilungen überlagert werden, sofern sie die Grundwasserströmung nicht beeinflussen. Dies ist näherungsweise der Fall bei geringen Variationen der Neubildungsraten. Es kann aber auch die Zuströmung anderer Stoffe untersucht werden, die als inerte Tracer keinen Einfluss auf die Strömung ausüben. Auf diese Weise können beispielsweise verschiedene landwirtschaftliche Szenarien in Bezug auf die Nitratbelastung der Brunnen untersucht werden. Anstelle einer Infiltrationsverteilung ist in der Praxis jedoch häufig eine Summendarstellung gefragt, wo gezeigt werden kann, aus welchem Gebiet ein bestimmter Anteil der gepumpte Wassermenge stammt. Dies gelingt nach dem Prinzip der minimalen Fläche, indem Gebiete nach Infiltrationsraten sortiert zusammengefasst werden und die so aufsummierte Infiltrationsmenge in Beziehung zur Entnahmemenge gesetzt wird. Figur 4 zeigt das Ergebnis einer derartigen Auswertung. Dabei illustrieren die dunkel schattierten Bereiche das Gebiet mit den höchsten Infiltrationsraten (ausschliesslich entlang der Gewässerläufe), aus dem insgesamt 50% der Entnahmemenge stammt. 90% der Entnahmemenge infiltrieren aus dem Gebiet, das durch die helle Schattierung umrahmt wird. Obwohl im dargestellten Fall die Ausdehnung des 90%-Gebietes im Vergleich zur homogenen Infiltration (Figur 3) flüchtig betrachtet wenig Unterschiede aufzeigt, können hier sehr unterschiedliche Bilder entstehen. Während der in Figur 4 dargestellte Rechenfall Verhältnisse mit nur geringer Flächenneubildung durch Niederschlag untersucht (lange Trockenphase), zeigt Figur 5 den Zuströmbereich bei erhöhter Neubildungsrate. Hier zeigt sich eine gleichmässigere Verteilung der Infiltration. Mit Hilfe des vorgestellten Verfahrens werden also auch fallspezifische, quantitative Aussagen über die Herkunft des im Brunnen zuströmenden Wassers möglich. Es sei angemerkt, dass die in Figur 4 und Figur 5 dargestellten Zuströmbereiche unter Annahme stationärer Verhältnisse (lang anhaltende hydrologische Bedingungen) ermittelt wurden. Bei eher kurzfristigen Schwankungen der hydrologischen Bedingungen ist die Änderung des Grundwasserspiegels zu berücksichtigen, was zwar mit Hilfe eines instationären Rechenfalls durchaus zu bewerkstelligen ist, den Rechenaufwand jedoch beträchtlich erhöht.

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Figur 4:

Summenverteilung der Infiltrationsanteile bezogen auf die Entnahmemenge im Brunnen Neufeld für eine lange Trockenphase (dunkle Schattierung 50% der Entnahmemenge, mittel 70%, hell 90%). Die Zusammensetzung der Pumpmenge aus den 3 Hauptkomponenten, direkte Neubildung (Niederschlag), Gewässerinfiltration und randliche Zuflüsse ist aus dem Diagramm links oben ersichtlich.

Figur 5:

Summenverteilung der Infiltrationsanteile bezogen auf die Entnahmemenge im Brunnen Neufeld bei hoher Neubildungsrate durch Niederschlag (dunkle Schattierung 50% der Entnahmemenge, mittel 70%, hell 90%)

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Wechselwirkung mehrerer Grundwasserfassungen

Sind Brunnen unvollständig (d.h. nicht über die gesamte Mächtigkeit des Grundwasserleiters) ausgebildet oder entnehmen lediglich einen Bruchteil des fliessenden Grundwasserstroms, strömt ein Teil der Wasserpartikel am Entnahmebrunnen vorbei und ggf. stromabwärts liegenden Brunnen zu. Folglich existieren Infiltrationsgebiete, von wo das Wasser mehreren Brunnen zuströmen kann. Massgebende Parameter für die Überlappung unterschiedlicher Zuströmbereiche sind vor allem die Pumpmengen der Entnahmebrunnen. Exemplarisch zeigt Figur 6 Teilgebiete des Zuströmbereichs einer stromabwärts gelegenen Entnahme (Zelgli) im Bereich des oberhalb gelegenen Brunnens Neufeld, der in diesem Fall die maximale konzessionierte Entnahmemenge (KQ) fördert. Deutlich ist der ausschliesslich von Neufeld beanspruchte (autonome) Zuströmbereich als ausgespartes (weisses) Gebiet zu erkennen. Im Vergleich mit Figur 5 (Zuströmbereich Neufeld) kann die Überlappung der Zuströmbereiche abgeschätzt werden. Ein kombinierte Darstellung dieser beiden Einzugsgebiete ist in Figur 7 gezeigt. Dabei ist derjenige Teil der Zuströmbereiche schraffiert eingezeichnet, der beiden Pumpwerken zuzuordnen ist.

Figur 6:

Teile des Zuströmbereich eines stromabwärts gelegenen Entnahmebrunnens (Zelgli) im Bereich der Fassung Neufeld (konzessionierte Pumpmenge KQ)

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Figur 7:

Überlappung (schraffiert) der 90%-Zuströmbereiche Neufeld (blau) und Zelgli (grün)

Figur 8:

Teile des Zuströmbereich eines stromabwärts gelegenen Entnahmebrunnens (Zelgli) im Bereich der Fassung Neufeld (mittlere Pumpmenge MQ)

Auch eine Verringerung der Förderrate verändert den Zuströmbereich der stromabwärts gelegenen Brunnen. So zeigt Figur 8 einen Rechenfall, wo im Pumpwerk Neufeld die

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Entnahmemenge auf die mittlere Pumpmenge der letzen Jahre (MQ) reduziert wurde. Im dargestellten Zuströmbereich der stromabwärts gelegenen Fassung Zelgli ist nun ein autonomer Bereich für Neufeld kaum mehr wahrnehmbar (vergl. Figur 6).

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Diskussion

Die seit 1. Januar 1999 in Kraft stehende Eidg. Gewässerschutzverordnung sieht vor, dass bei Grundwasserfassungen von öffentlichem Interesse die Zuströmbereiche dann auszuscheiden sind, wenn das Wasser durch Stoffe verunreinigt ist, die nicht genügend abgebaut oder zurückgehalten werden, oder wenn die konkrete Gefahr einer Verunreinigung durch solche Stoffe besteht. Zuströmbereiche bezeichnen das Aufenthaltsgebiet des genutzten Wassers von seiner Versickerung bis zur Entnahme und sind als dynamische Grössen abhängig von den variierenden hydrologischen Bedingungen (Neubildungsrate, Flussinfiltration) und den in den Fassungen gepumpten Wassermengen. Dabei ist sowohl der Ort der Infiltration (Herkunft) als auch die Bahnlinie (Weg) eines entnommenen Wasserteilchens von Interesse. Um vor allem quantitative Aspekte über die Herkunft des geförderten Wassers zu untersuchen, wurde im Rahmen einer vom Bund und vom Kanton Solothurn initiierten Pilotstudie ein neuartiges Verfahren zur Ermittlung der Zuströmbereiche entwickelt und angewendet. Die Methode stützt sich auf ein stochastisches Particle-Tracking-Verfahren, das mit Hilfe der Random Walk Technik die hydrodynamische Dispersion des Transportprozesses berücksichtigt. In Verbindung mit Monte-Carlo-Simulationen für jeden (Start-)Punkt des Gebietes lassen sich anschliessend je nach Auswertung die Zuströmbereiche auf unterschiedliche Art ausscheiden. Zunächst ergibt sich ein (theoretischer) Zuströmbereich, der für jeden Punkt x den entnommenen Prozentanteil px einer virtuellen (Einheits-)Infiltration angibt. Dies ist nützlich beispielsweise für die Ausscheidung von Schutzzonen, wenn gezeigt werden kann, von wo aus Schadstoffe bei möglichen Unfällen den Brunnen erreichen können. Auch eine Abschätzungsmöglichkeit der in den Brunnen gelangenden Schadstoffkonzentration ist mit Angabe des Faktors px gegeben (Verdünnung). Durch anschliessende Überlagerung mit den tatsächlichen Infiltrationsraten eröffnet das vorgestellte Berechnungsverfahren weitere Untersuchungsmöglichkeiten. Unter der Voraussetzung, der zugrunde gelegte Strömungszustand bleibt unverändert, können beliebige Infiltrationsverteilungen überlagert werden. Dies ist näherungsweise der Fall bei geringen Variationen der Neubildungsraten. Es kann aber auch die Zuströmung anderer Stoffe untersucht werden, die als inerte Tracer keinen Einfluss auf die Strömung ausüben. Auf diese Weise können beispielsweise verschiedene landwirtschaftliche Szenarien in Bezug auf die Nitratbelastung der Brunnen untersucht werden. Mit Hilfe einer in der Praxis häufig benötigten Summendarstellung, kann schliesslich gezeigt werden, aus welchem Gebiet ein bestimmter Anteil der gepumpte Wassermenge stammt. Die untersuchten Fallbeispiele auf Grundlage des gut kalibrierten Grundwassermodells Gäu illustrieren die Problematik bei der Ermittlung der Zuströmbereiche. Sowohl die zugrunde gelegten hydrologischen Bedingungen als auch die Annahme bezüglich der massgebenden Entnahmemengen können dabei von entscheidender Bedeutung sein. Denn nicht nur die Ausdehnung der Zuströmbereiche sondern auch die Zusammensetzung des Infiltrats ändert sich in Abhängigkeit dieser Parameter. Beispielsweise infiltriert unter trockenen Bedingungen der Hauptanteil des Entnahmewassers entlang der Oberflächengewässer. In diesem Fall

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spielen grosse Teile der landwirtschaftlich genutzten Gebiete quantitativ eine untergeordnete Rolle, bilden jedoch zu regenreichen Zeiten den Grossteil der Infiltrationsflächen. Es scheint daher wichtig, mit Hilfe mehrerer Rechenfälle unterschiedliche Bedingungen in die Betrachtungen einzubeziehen. Dieser Umstand wird vom Gesetzestext, der lediglich "niedrigen Wasserstand" vorschreibt, nur unzureichend berücksichtigt. Darüber hinaus stellt sich in diesem Zusammenhang auch die grundsätzliche Frage, ob die relevanten Oberflächengewässer mit in das Schutzkonzept der Zuströmbereiche einzubeziehen sind. Dies hängt natürlich zum Grossteil von der jeweiligen Gewässerbelastung ab und ist im Einzelfall zu klären. Im Beispiel der Nitratbelastung im Dünnerngäu leisten die Gewässer mit ca. 15 mg/l Nitratgehalt einen vergleichsweise geringen Beitrag. Weitere Fallstudien befassen sich mit der Abgrenz- und Überschneidungsproblematik, indem die Wechselwirkung mehrerer Grundwasserfassungen untersucht wird. Hier wird deutlich, dass vor allem die zugrunde gelegten Entnahmemengen die Überlappungsbereiche beeinflussen. Eine überschlägige Abgrenzung verschiedener Zuströmbereiche lässt sich nur dann vornehmen, wenn gesamthaft grosse Fördermengen angenommen werden, die bis an die Kapazitätsgrenze des Grundwasserleiters vorstossen. Sobald jedoch die Pumpwerke einen - in Bezug auf die Gesamtmenge des Grundwasserstroms - geringen Anteil entnehmen, ist eine Zuströmung praktisch von jedem (stromauf gelegenen) Punkt aus möglich. Abschliessend ist erneut zu betonen, dass die Bewirtschaftung eines Grundwasserleiters ebenso wie ggf. erforderliche Schutzmassnahmen durch den Einsatz numerischer Grundwassermodelle wesentlich an Qualität gewinnen. Neben der hier gezeigten Anwendung zur gesetzlich geforderten Ausweisung der Zuströmbereiche können die Modelle beispielsweise auch zur Ermittlung sinnvoller Konzessionsmengen eingesetzt werden. Letztere wurden in der Vergangenheit häufig zu hoch angesetzt, weil die zum Teil komplexen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Fassungen einerseits und die natürliche Feldergiebigkeit andererseits ohne numerisches Modell kaum überschaubar sind. Verdankung Für ihren konstruktiven Beiträge bei der Durchsicht des Artikels sei Martin Würsten vom Amt für Wasserwirtschaft, Kanton Solothurn sowie Daniele Biaggi (Geotechnisches Institut, Bern) herzlich gedankt.

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Referenzen BIAGGI, D., J. TRÖSCH, U. KUHLMANN, Grundwassermodell Gäu, Synthesebericht und Technischer Bericht, Baudepartement Kanton Solothurn, ARGE Geotechnisches Institut / TK Consult AG, Bern/Zürich 1999. FRÖHLICHER, H., Das Grundwasservorkommen im Dünnergäu und die Möglichkeit seiner Nutzung, im Auftrag des AfU, Kanton Solothurn, 1966. GKW GMBH, SPRING, Programmpaket zur Simulation von Grundwasserströmungen , Bochum, 1998. HEROLD, Th., Räumliche Beziehung der Karstsysteme zu den tektonisch-geologischen Strukturen im Gebiet der Weissenstein- und Farisbergantiklinale (Solothurner Jura), Diss. ETH Zürich / Publikation Amt für Wasserwirtschaft. KINZELBACH, W., Numerische Methoden zur Modellierung des Transports von Schadstoffen im Grundwasser, Schriftenreihe Wasser – Abwasser, Oldenburg, 1987. KUHLMANN, U., Inverse Modellierung in geklüfteten Grundwasserträgern, Mitteilung Nr. 120, Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW), ETH Zürich, 1992. KUHLMANN, U., CASA Users Guide, TK Consult AG, Zürich, 1994. RUSKAUFF, G.J. UND J.O. RUMBAUGH III, Comparison of capture zone uncertainty from particle tracking and solute transport approaches, ModelCare 99, Zürich, 1999. VASSOLO, S., W. KINZELBACH, W. SCHÄFER, Determination of wellhead protection zone by stochastic inverse modeling, Journal of Hydrology, 206, 268-280, 1998. KÄNEL, A., Particle Tracking - Advektiver Transport im Grundwasser, Interner Bericht, Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW), ETH Zürich, 1992. VON