Skitouren im Festsaal der Alpen

U n t e r w e g s IN DER BERNINA Zentral und mitten auf der schweizerisch-italienischen Grenze gelegen gilt die Bernina als eine der faszinierendsten...
Author: Lena Winkler
87 downloads 0 Views 729KB Size
U n t e r w e g s IN DER BERNINA

Zentral und mitten auf der schweizerisch-italienischen Grenze gelegen gilt die Bernina als eine der faszinierendsten Gebirgsgruppen der Alpen, ihre mit 4049 Meter höchste Erhebung, der Piz Bernina, gar als „König der Ostalpen“.

Von P E T E R D O N AT S C H

Fotos: Rudi Lindner, Daniel Anker (rechts)

Von der Diavolezza aus bietet der winterliche Piz Bernina mit seiner eisgepanzerten Nordostflanke ein herausforderndes Bild für passionierte Skibergsteiger. Linke Seite: die Eisbrüche des Roseggletschers unter dem Piz Glüschaint bilden die beeindruckende Kulisse über einer Gruppe von Skitouristen beim Aufstieg zur La Muongia.

Skitouren im Festsaal der Alpen Nr. 2/2001

DAV Panorama 23

U n t e r w e g s

Fotos: Rudi Lindner

IN DER BERNINA

Oben: Beim Aufstieg zum Piz Palü müssen die Skibergsteiger ein Labyrinth mächtiger Spalten überwinden, bevor sie am Gipfelgrat die prächtige Rundsicht genießen können. Als Zähne bleckendes Ungeheuer erscheinen die Seracs des Persgletschers über den Alpinisten (unten). Rechte Seite: Der Piz Palü im letzten Licht des Tages.

in Sonntag Ende März.Wir sitzen im riesigen,menschenleeren Panoramarestaurant auf der Diavolezza. Bleischwer lasten graue Wolken über dem Oberengadin, die Wetterentwicklung ist unsicher.Wir rühren im beinahe ebenso grauen Kaffee, als ob sich dadurch die Wolken vertreiben lassen würden. Lieber wäre mir, wenn Schnee oder Regen mit aller Heftigkeit einsetzen würde: das andauernde Schönwetter der vergangenen Wochen hat seine Spuren an Gelenken, Muskeln und Haut hinterlassen.

E 24 DAV Panorama

Oben am Berg tost und krost es.Wolken hängen bis auf den Gletscher herunter und einzelne Schneeflocken wirbeln. Ich versuche mit den Freunden zu diskutieren,Zeit zu schinden. „Es ist zu warm“, brummle ich, halb zu mir,halb zu den anderen.Ich sage,in Erinnerung an den kitschigen Himmel, der uns im Oberengadin empfangen hatte, bevor die Wolkenschwaden zuzogen:„Morgenrot macht Bergsteiger tot“.Die anderen deuten zum Berg, wo sich die Wolken etwas gelichtet haben. Dort steigen mehrere Seilschaften bergan, einige haben schon bald die Hälfte des Aufstiegs hinter sich. Die werden noch schauen, wie sie runterkommen, wenn der Schneesturm dann richtig losbricht, denke ich laut. „Paradestück“ Piz Palü So sitzen wir da und die Zeit vergeht. Hans sagt kein Wort, steht unvermittelt auf, steigt in die Skibindung und fährt auf den Gletscher hinab. Franz hinterher. Ich bin allein. Also auch rein in die Bindung und los. Bergsteiger-Demokratie! Murrend klebe ich auf dem flachen Persgletscher die Felle auf die Ski. Ich habe mich der Mehrheit gebeugt,aber innerlich bin ich noch immer dagegen. Muss denn das sein?, frage ich, mittlerweile nur noch leise.Angeseilt marschieren wir los,die Beine bleischwer,der Körper hat kaum genug Energie, um die Ski nach vorne zu schieben. Und den letzten Rest an Energie blockiert der randalierende Kopf – so ein Mist, so ein Mist, denkt es im Kreis. Ein Ruck geht durch die Gruppe, sie stoppt.Der letzte hat sein Steigfell verloren, ich bin dankbar für die Pause. Anhalten,den Körper ruhen lassen, ganz flach atmen, die Höhe knapp unter der Viertausend-MeterGrenze ist spürbar. Ich versuche an etwas anderes zu denken, zum Beispiel wie es wäre, unten im Restaurant zu sitzen oder auf dem weichen Lager zu liegen.Schon geht es weiter. Leere im Kopf und Gewichte an den Nr. 2/2001

Beinen.Einen Ski vor den anderen schieben. Wieder ein Halt. Eine Gletscherspalte muss überquert werden. Das Seil strafft sich, Herzklopfen, einige hastige Schritte, ein scheuer, kurzer Blick ins unendliche Schwarz der Tiefe,nach der Spalte erneut anhalten. Atempause. Den Kopf zum Himmel heben, wo es heller und heller wird. Ich schaue nach vorn und begegne einem anderen Augenpaar. Es lächelt, eine Hand zeigt nach oben, ich nicke.Weitersteigen, Schritt um Schritt.Schon etwas beschwingter jetzt. An den Cambrena-Eisbrüchen holen wir eine Dreierseilschaft ein. Über eine Steilstufe

müssen die Ski getragen werden: die Stelle ist nur einzeln zu begehen. Stocken. Am Himmel wird es immer heller. Plötzlich kommt Freude auf, sind wir nicht mehr zu bremsen.Wir rennen fast,achten nicht mehr auf den keuchenden Atem.Leicht,leicht sind auf einmal die Beine und der Gipfel, der noch vor weniger als drei Stunden unerreichbar fern schien, ist schon in greifbare Nähe gerückt. Die warme Märzsonne, die jetzt durch lichte Wolken scheint,hat uns die trübseligen Gedanken aus dem Hirn gebrannt. Die mächtige Randspalte, die den Skiaufstieg völlig verhindert und die ohne schlechtes Gewissen ein ausreichender Grund für eine Umkehr wäre, hält uns nur einen kurzen Moment auf.Wir queren hinüber zum Ostgrat,schnallen die Steigeisen an und klettern über kurze Eisstufen hinauf auf

den Ostgipfel und den schwindelerregenden Grat zum Hauptgipfel. Kein Lüftchen weht, die Sonne scheint und die Wolken haben sich bis auf ein paar harmlose Wattebäuschen verzogen.Wir stehen am höchsten Punkt – die Idylle ist total. Skitouren in der Bernina! Natürlich sind wir,trotz anfänglich zweifelhafter Witterung nicht allein.An und auf dem Piz Palü,sommers wie winters das Paradestück der Bernina,tummeln sich meistens viele Bergsteiger. Das bringt ein Gipfel halt mit sich, der von einer Seilbahn-Bergstation in nur vier bis fünf Stunden über nirgends schwieriges oder besonders steiles Gelände erreichbar ist. Seine anmutige, dreigipflige Gestalt und die Gipfelsicht,welche über beinahe ganz Graubünden, die Ost- und Zentralschweiz bis zu den Berner und Walliser Alpen sowie weite Teile der italienischen und österreichischen Alpen reicht, trägt das ihre zur Berühmt- und Beliebtheit des Berges bei.

U n t e r w e g s IN DER BERNINA grenze. Meistbesuchte italienische Hütten sind das Rifugio Marinelli und das Rifugio Marco-e-Rosa, die man entweder von der Berninagruppe oder von dem Val Malenco aus erreichen kann. Einige Gipfel in seiner direkten Nachbarschaft sind noch etwas höher als der Piz Palü, der beinahe unbestritten das Prädikat „der Schönste“ führt: der versteckte Piz Zupò, der silbrige Piz Argient, Piz Scersen und Piz Roseg.Typische Skigipfel sind sie – inklusive der dreigipfligen Bellavista – nicht, ihre Besteigung erfordert den erfahrenen Hochalpinisten und den „sehr guten Alpin-

Fotos: Rudi Lindner

Oben: La Sella und Piz Glüschaint überragen die obere Zone des Roseggletschers. Im ersten Morgenlicht brechen diese Bergsteiger von der Bovalhütte auf. Im Hintergrund Piz Bernina (links) und Piz Morteratsch (rechts).

26 DAV Panorama

Skitouren Bernina Talort Pontresina (1805 m), großer Oberengadiner Fremdenverkehrsort am Beginn der BerninapassNordrampe. Ausgangspunkt für die Täler Roseg und Morteratsch. Anreise: Mit Bahn RhB Chur-St. Moritz bis Samedan, anschliessend Samedan-Pontresina. Kur- und Verkehrsverein, Tel.: 0041/81/8 38 83 00, Fax: 0041/81/8 38 83 10; Bahnhof, Tel.: 0041/81/8 42 63 37, Fax: 0041/81/8 42 75 47; Post, Tel.:0041/ 81/8 42 63 78, Fax: 0041/ 81/8 42 70 20, Postautodienst Tel.: 0041/81/8 42 63 77. Unterkünfte Berghaus Diavolezza (2973 m), DiavolezzaBergbahnen AG, 7504 Pontresina, Tel./Reservation: 0041/81/8 42 62 05, Fax:0041/81/8 42 61 58,

sechs Vierer-Lager, drei Zweier-Lager und sieben Zwanziger-Lager. Geöffnet Mitte Juni bis Mitte Oktober und Dezember bis April. Das Berghaus liegt bei der Bergstation der Diavolezzabahn. Chamanna da Boval (2496 m), SAC-Sektion Bernina, 7500 St. Moritz, Tel. Hütte: 0041/81/8 42 64 03, 120 Plätze. Die Hütte liegt auf einer weiten Terrasse über dem Westrand des Vadret da Morteratsch, am Ostfuß des Piz Boval. Chamanna da Tschierva (2583 m), SAC-Sektion Bernina, 7500 St.Moritz, Tel. Hütte 0041/81/8 42 63 91, 100 Plätze. Die Hütte liegt am südlichen Fuß des Piz Morteratsch gegenüber dem Piz Roseg, an der Moräne des Tschiervagletschers. Chamanna Coaz (2610 m), SAC-Sektion Rätia, Tel. Hütte: 0041/81/8 42 62 78, 100 Plätze. Bewartet während der ganzen Woche von März bis Mai und Juli bis September. Die Hütte steht auf dem Felsrücken von Plattas direkt am Rande des Abbruches des Roseggletschers. Skitouren (Auswahl) Morteratschtal: Piz Palü

(3905 m), häufig begangen vom Diavolezza-Berghaus (2973 m), über den Persgletscher und durch die Eisbrüche zum Fuß der Ostflanke, über den Ostgrat zum Ostgipfel (3882 m) und bei guten Verhältnissen zum Hauptgipfel (4 St.). Auch den König der Ostalpen, Piz Bernina (4049 m), können ausgezeichnete, konditionsstarke Skibergsteiger im Winter bei entsprechenden Verhältnissen versuchen: Von der Chamanna da Boval führt die Route zum Morteratschgletscher, durch den zerklüfteten „Buuch“, dann Richtung Fuorcla Crast'Agüzza (3601 m) und über die Südostflanke sowie den Südostgrat (Spallagrat) zum Vorgipfel (4020 m) und über den Verbindungsgrat zum Hauptgipfel (6-7 Std.), weniger spaltengefährdet, aber länger ist der Aufstieg über den Fortezzagrat. Über letzteren und die Bellavistaterrasse lassen sich auch Bellavista (3892 m) und Piz Zupò (3996 m) erreichen. Weitere lohnende Tourenziele von der Chamanna da Boval sind Piz Misaun (3249 m) und Piz Mandra (3091 m). Rosegtal: Die Chamanna da Tschierva (2583 m) ist

Nr. 2/2001

Ausgangspunkt für den Piz Aguagliouls (3118 m), von der Hütte über den westlichen Arm des Tschiervagletscher, westlich zum Nordwestgrat, diesem steil folgend zum Gipfel (2 Std.). Hat man diese „Eingehtour“ hinter sich, lässt sich über das Vadrettin da Tschierva, das „Tschiervagletscherchen“ unschwierig der Piz Tschierva (3546 m) angehen (3 Std.), zunächst auf dem gleichen Weg erfolgt der längere und ungleich anspruchsvollere Anstieg zum Piz Morteratsch (3751 m), den man über den teilweise sehr steilen Nordgrat (bei ungünstigen Verhältnissen zu Fuß, evtl. Eisausrüstung) und einen Vorgipfel (3611 m) erreicht (4 Std.). Die Chamanna Coaz (2610 m) wählt man als Stützpunkt für die Gipfel im Bereich des Roseg- und Sellagletschers. Von der Hütte kann man Il Capütschin (3386 m), Piz Sella (3511 m) und die Doppelgipfel La Sella (3584 m) sowie Dschimels (3508 m) ersteigen (jeweils ca. 3-4 Std.). Gipfelsammler können bei guten Verhältnissen an einem Tag sogar fünf Dreitausender „mitnehmen". Die Rundtour führt

Nr. 2/2001

vom zerklüfteten Roseggletscher in eine Mulde zwischen La Sella und Dschimels. Von der Einsattelung zwischen den zwei La-Sella-Gipfeln lassen sich beide Gipfel erreichen, anschließend kann man unschwierig zum Westgipfel des Dschimels auf- und zum Ostgipfel weitersteigen. Über den verbindenden Gratverlauf erreicht man schließlich den Piz Sella, von wo man zur Hütte abfahren kann (5-6 Std.). Als krönender Abschluss empfiehlt sich guten Skibergsteigern der „Leuchtende“, Piz Glüschaint (3594 m). Über den Roseggletscher führt die Tour in die Mulde unterhalb des Nordgrates, dann westlich zur Fuorcla dal Glüschaint (3369 m) und von dort mit aufgeschnallten Ski über die Gratverbindung zum Gipfel.

Ist die Überschreitung West-Ost nicht möglich, kann man auch von der Gletschermulde Richtung Süd, zwischen Piz Glüschaint und La Sella und den oberen Teil des Nordgrates zum höchsten Punkt gelangen (4 Std.). Beste Tourenzeit Dezember – April/Mai Karten Landeskarte der Schweiz, 1:25.000 Blatt 1277 Piz Bernina Landeskarte der Schweiz mit Skirouten 1:50.000, Blatt 268 S St. Moritz Führerliteratur SAC-Führer „Alpine Skitouren“ Band 2, „Graubünden“, SAC-Verlag, Bern SAC-Clubführer Bündner Alpen 5 „Bernina“, SACVerlag, Bern

Chamanna da Tschierva im Neuschnee.

Foto: Daniel Anker

Bernina, höchstes Gebirge in Graubünden Der „Kern“ des Grenzgebirges Bernina zwischen Engadin (Schweiz),Puschlav (Schweiz), Bergell (Schweiz) und Val Malenco (Italien) lässt sich grob in zwei Teile scheiden: die Berge vom Piz Cambrena im Osten über Piz Palü, Bellavista, Piz Bernina bis zum Piz Morteratsch mit den beiden großen Gletschern Vadret Pers und Vadret da Morteratsch zum einen,der westliche Teil vom Piz Morteratsch über Piz Bernina zum Piz Roseg mit den Gletschern Vadret da Tschierva, Vadret da la Sella und Vadret da Roseg, und der anschließenden Sellagruppe, die vom Piz Sella über Dschimels und Piz Glüschaint bis zum Chapütschin reicht, zum anderen. Daran anschließend, als Talschluss des Val Fex, stehen noch die Berge vom Piz Tremoggia bis zum Piz Muretto mit den Gletschern Vadret Tremoggia,Vadret da Fex und Vadret da Fedoz im Westen der Bernina, angrenzend an die Fornoberge (Bergell). Talort ist Pontresina, von wo die Diavolezza mit Seilbahnstation, Unterkunft und Restaurant, die Bovalhütte, die Tschiervahütte und die Coazhütte erreicht werden können;letztere ist auch von der Bergstation der Corvatsch-Seilbahn (Talort: Silvaplana) zugänglich. Wichtig für Skitouren in der Berninagruppe sind auch eine ganze Reihe von italienischen Biwaks nahe der Landes-

skifahrer“ (nach der Definition des SACSkitourenführers). Skitouren in der Bernina setzen Gebietskenntnisse, geübten Umgang mit Karte und Kompass, sicheres Gehen in Firn und Eis, Skifahren am Seil und gute Kondition sowie Akklimatisation voraus. Man bewegt sich ständig in vergletschertem Gelände, die Spaltengefahr ist je nach Örtlichkeit und Schneeauflage beachtlich,dazu kommt die Höhenlage immer knapp unter 4000 Meter sowie die exponierte Lage zwischen Alpensüd- und -nordseite,die extreme und extrem schnelle Wetterwechsel zur Folge hat.

U n t e r w e g s IN DER BERNINA

„Der“ oder „Die“ Bernina? Die Viertausendergrenze erreicht nur ein Berg in ganz Graubünden und damit ist er auch der östlichste Viertausender der Alpen: der Piz Bernina. Auch er ist kein typischer Skiberg, wenn er auch recht häufig im Winter bestiegen wird. Diese Tour ist lang (6-8 Std.), erfordert Felskletterei und Steigeisengehen, und die Abfahrt durch den sogenannten „Buuch“,einen Gletscherbruch am Ostfuß des Berges, hinab zum flachen Teil des Morteratschgletschers kann je nach den Verhältnissen schwierig,gefährlich oder gar unmöglich sein.Das „Labyrinth“ ist ganz aus der Mode gekommen – zu zerklüftet, zerrissen, riskant. Überhaupt sind die Auf- und Abfahrtsrouten am Ostfuß des Piz Bernina stark von den Schneemengen abhängig: „Loch“ und „Buuch“ können nur bei sehr viel Schnee begangen, bzw. befahren werden.Geht das nicht,bleibt nur der lange Weg von der Diavolezza oder von der Bovalhütte auf der „Sommerroute“, über Fortezzagrat 28 DAV Panorama

und Bellavistaterrasse. Zum Namen Bernina sei ein kleiner Rückblick gestattet: „Man muss ‘der Bernina’ sagen, wie die Romanen ‘il Bernina’ sagen“, schreibt Marcel Kurz im Berninaführer des SAC von 1932.„Die weibliche Form wurde durch J. C. Heer mit seinem Roman ‘Der König der Bernina’ eingeführt.Flaig ist der Ansicht,dass besonders in deutschen Bergsteigerkreisen die unglückliche weibliche Form auf den Brauch zurückzuführen ist,‘die’ Bernina als ganze Gruppe so anzusprechen, wobei im Geist das Wort -Gruppe hinzugedacht ist.Tatsächlich wird bei der Bezeichnung des Piz Bernina selbst auch immer selbstverständlich der männliche Artikel verwendet.“ So,damit ist es „amtlich“. Die meisten Skialpinisten nehmen sich eine Woche Zeit für die Bernina. Dann sind lohnende Kombinationen möglich, zum Beispiel: Beginn und Akklimatisation in der Coazhütte und der Sella-Gruppe, danach Wechsel in die Marinellihütte des CAI, Be-

steigung des Piz Bernina und zurück zur Marinellihütte, anschließend die Teil-Überschreitung des Piz Palü. Diese Route wird – seltener – auch in umgekehrter Richtung ausgeführt. Die exponierte Lage gleich gegenüber dem berühmten Biancograt und ein nicht allzu steiler und langer Aufstieg von vier bis fünf Stunden machen den Piz Morteratsch besonders von der Tschiervahütte aus zu einem beliebten Skiziel. Allerdings hat auch an diesem Berg die Ausaperung an einigen Stellen das Gelände verändert,einige Hänge sind durch den Gletscherschwund unzugänglicher geworden, was sogar im Winter spürbar ist (steilere Hänge und Rinnen,Gletscherspalten, Steinschlaggefahr). Der Piz Morteratsch hat weitere lohnende Nachbarn, darunter Piz Misaun und Piz Mandra, die ebenfalls von der Bovalhütte mit den Ski bestiegen werden können.

Nr. 2/2001

Fotos: Peter Donatsch (o.r.), Herbert Blank (klein)

Fotos: Robert Bösch (oben groß), Herbert Blank (2, klein)

In Bildmitte die markante Firnschneide des Biancograts, der vielgerühmten „Himmelsleiter“ zum Piz Bernina, dessen Gipfel etwas schwer zu erkennen ist. Dahinter Piz Zupò und Piz Argient, und links davon die Bellavistaterrasse. Links unten die Gletscherbrüche des Buuch und des Labyrinths am Morteratschgletscher. Vom Rifugio Marco-e-Rosa, das unmittelbar hinter der Landesgrenze auf italienischem Gebiet liegt, ist es zum Hauptgipfel des Piz Bernina über den bekannten Spallagrat nicht mehr allzu weit (rechts).

Der Aufstieg über den Spallagrat, dem viel begangenen Normalweg zum Piz Palü, erfordert Bergerfahrung und eine komplette Ausrüstung mit Seil und Steigeisen. Auf dem kleinen Bild ist die markante Schulter „La Spalla“ mit ihrem Firngrat gut erkennbar.

Nr. 2/2001

U n t e r w e g s

Foto: Rudi Lindner

IN DER BERNINA

Foto: Peter Donatsch

Das Skigebiet der Coazhütte mit dem Sellagletscher. Von der Fuorcla da la Sella (links) reiht sich die Kette der Skigipfel von den Dschimels über La Sella bis zum Piz Glüschaint. Als winziger dunkler Punkt ist die Coazhütte unten in Bildmitte sichtbar. Die Abfahrt über den Roseggletscher ist nur perfekten Skibergsteigern zu empfehlen.

30 DAV Panorama

Das Skitourengebiet der Coazhütte Viel frequentiertes und beliebtes Skitourengebiet der Bernina ist ihr westlicher Teil mit Ausgangspunkt Coazhütte. Die nach dem Erstbesteiger des Piz Bernina, Johann Coaz, benannte Hütte der Sektion Rätia des SAC bietet 80 Plätze, doch an schönen Wochenenden und Feiertagen im Spätwinter und Frühling kann es durchaus vorkommen,dass hundert und mehr Bergsteiger unterkommen wollen/müssen: Beschreibungen, wie wir sie im „Bernina-Führer“ des SAC finden, zeitigen auf jeden Fall Wirkung: „Die Gipfel des Sellakamms zwischen der Fuorcla Chapütschin und der Fuorcla da la Sella können alle im Winter bestiegen werden und zwar bei guten Verhältnissen bis zum Gipfel (ausgenommen Piz Glüschaint und La Sella). Herrliche Frühjahrstouren!“ Natürlich herrscht auch hier, zwischen 3000 und 3600 Metern über Meer die Strenge des Hochgebirges und die Gletscher von Sella und Roseg sind an einzelnen Stellen

beängstigend spaltenreich! Gleichzeitig erinnere ich mich an eine Skitourenwoche Anfang April, an der wir Tag für Tag von diesen Gipfeln über endlose Hänge tiefen, stiebenden Pulverschnees abfuhren und meinten,keine einzige offene Gletscherspalte gesehen zu haben. So sind die Berge – wo Schönheit ist, lauern auch Gefahren. Und umgekehrt. Die Südseite,die italienische Bernina,ist geologisch und topografisch ganz anders gestaltet als die hier behandelte Nordseite – dort überwiegt Fels. Somit stellt sie im Sommer wie im Winter ein eigenes Kapitel dar. Deshalb darf sie wohl auch im DAVPanorama auf eine eigene Beschreibung zählen – ein andermal.

Peter Donatsch, wohnhaft in Bad Ragaz, ist renommierter Alpinjournalist und exzellenter Kenner nicht nur seiner Heimatberge. Er dankt Bruno Hasler, Bergführer aus Bern, für seine Informationen. Nr. 2/2001