Sind sie ein Freund der kalten Jahreszeit, ein begeisterter Wintersportler vielleicht, oder doch eher ein genussvoller

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Author: Otto Fuhrmann
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Editorial

Sind sie ein Freund der kalten Jahreszeit, ein begeisterter Wintersportler vielleicht, oder doch eher ein genussvoller Spaziergänger? Mögen Sie klirrende Kälte, wirbelnde Schneeflocken und zugefrorene Weiher? Oder sitzen Sie lieber gemütlich daheim auf der Ofenbank, in der warmen Stube bei einer Tasse Früchtetee und freuen sich beim Blick aus dem Fenster über den Appetit ihrer gefiederten Gäste am Futterhäusl?

In der Januarausgabe von Schöner Bayerischer Wald ist hoffentlich wieder für alle unsere Leserinnen und Leser etwas dabei. Den Herzschlag des Augenblicks spüren können die Wintersportler bei einer anspruchsvollen Skitour in die Abgeschiedenheit der Hochlagenwälder am Großen Rachel, die im milden Sonnenlicht den Blick freigeben auf das in Watte gepackte Nebelmeer der Tallagen. Familien mit Kindern werden wohl eher Ausschau halten nach dem Bärenvater Benny, der erst vor kurzem wieder heimgekehrt ist zu seiner jungen Familie im Nationalpark Bayerischer Wald. Bei einem Winterspaziergang im Tierfreigelände nahe Neuschönau werden sie sich selbst davon überzeugen wollen, dass die jungen Bären, die erst jüngst auf die Namen Luserl und Ralu getauft wurden, ihr unbeschwertes Bärenleben auch in vollen Zügen genießen.

H

öchst wahrscheinlich interessiert die Ofenbankler unter Ihnen wie es dazu kam, dass der Holzhauer-Edi Lehrgeld zahlen musste, als er vor vielen Jahren, während eines eisigen Waldwinters am Arber als Holzrücker im Einsatz war. Zu seiner Zeit gab es das Utaty noch nicht, dieses atmosphärisch wie geschmacklich etwas andere Restaurant, drunten im Tal in Bayerisch Eisenstein. Dass in seiner Heimat einmal vegan gekocht würde und der exotische Duft orientalischer Gewürze Gäste von weit her dazu bringen würde, auf Schweinsbraten und Holzhackersteak zu verzichten, das hätte sich der Holzhauer-Edi ganz bestimmt nicht träumen lassen und dafür hätte er wahrscheinlich auch kein Verständnis aufgebracht, oder was meinen Sie?

Vor allem den Gästen von weit her, denen die Ofenbank auf die Dauer dann doch zu langweilig wird, empfehlen wir in den ersten Monaten des Jahres die Beschäftigung mit den ästhetisch schönen Dingen des Lebens, beispielsweise bei einem Besuch im Weißen Haus, dem innovativen Kulturbetrieb im Landkreis Deggendorf oder im Regener Landwirtschaftsmuseum, wo die legendäre Pscheidl-Krippe heuer ihren 60. Geburtstag feiert. Obernzell an der Donau stellt niederbayerische Keramik vom Feinsten aus. Und im Frauenauer Glasmuseum können Sie noch bis Anfang März die Familie mit dem Künstler-Gen kennenlernen.

Für mich wäre damit wieder einmal bewiesen, dass im Bayerischen Wald auch die kalte Jahreszeit durchaus ihre Reize hat!

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INHALT KULTUR · FREIZEIT · UNTERHALTUNG

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Evi Pelzer: Zu Gast im Weißen Haus

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Ulrike Eberl-Walter: Messetrubel erwünscht

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Ronja Zöls: Öko-Rebellen im Bayerwald

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Sven Bauer: Familie mit Künstler-Gen

Kunst und Handwerk 24

Friedemann Fegert: Oh wie schön ist Indigo

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Karl-Heinz Paulus: Achtung vor der Schöpfung

Kultur und Brauchtum

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Ines Kohl: Keramik in Obernzell

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Jens Schörnich: Auf der Pirsch nach Mythen

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Roland Pongratz: Die Pscheidl-Krippe wird 60

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Das ansteckende Faschingstreiben hat der Maler und Grafiker Walter Mauder (1913 - 1999) mit Temperafarben im Jahr 1993 aufs Papier gezaubert. (Foto: S. Bauer)

www.schöner-bayerischer-wald.de

Natur und Landschaft Dr. Peter Dillinger: Dem Dreisessel vis-à-vis

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Hannelore Summer: Auf den Spuren von Habicht und Sperber

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Roland Schreder: Den Herzschlag des Augenblicks spüren

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Leben und Leben Lassen Sven Bauer: Kulinarische Exotik

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Michael Freund: Sukkulenten sind Überlebenskünstler

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Heinrich Zens: Wie der Holzhauer Edi Lehrgeld bezahlen musste

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Aktuelles Bücherecke

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Schöner Bayerischer Wald aktuell: Benny ist wieder daheim

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Leser werben Leser: Einkehren im Wild-Berghof Buchet

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Vorschau

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Land und Leute

Die „Öko-Rebellen“ Zu Besuch bei den „Biokreis-Waldlern“ Von Ronja Zöls Die ökologische Landwirtschaft war den Waldlern lange Zeit nicht ganz geheuer. Doch immer mehr Bauern wagen es, ihren Betrieb umzustellen. Im ökologischen Anbauverband Biokreis mit Sitz in Passau haben viele eine gemeinsame Basis, ein Bündnis und eine Struktur für ihre Arbeit und ihre Ideale gefunden.

Tapfere Schafhalter Lange Zeit hat Josef Wandl (65) kein Wirtshaus betreten. Und wenn doch, hat er seinen breiten Buckel noch ein bisschen mehr durchgestreckt. Die anderen Bauern haben ihn „angeschaut wie den letzten Deppen“, getuschelt hinter seinem Rücken und die Offensiveren haben den „Bio-Spinner“ nicht selten auch verbal angegriffen. „Viele, die mich da-

mals auszahnten, gibt es heute nicht mehr“, sagt Josef Wandl, „auf ihren Höfen laufen nur noch Katzen und Mäuse herum“. Doch ihn gibt es noch, seine Tochter Andrea (39) hat vergangenes Jahr den Betrieb in Untergriesbach übernommen. 93 Schafe leben hier, 100 Legehennen und ein paar Enten. Zwei Drittel der rund 17 Hektar Fläche sind Grünland und Bachwiesen, der Rest Ackerland für Getreide, Futtergetreide, Kleegras und Kartoffeln. Seit 20 Jahren wird der Hof ökologisch bewirtschaftet, „diese Arbeitsweise wurde mir in die Wiege gelegt“, sagt Josef Wandl. Damals tauschte er Kühe gegen Schafe aus und schloss sich vor allem wegen des lokalen Bezugs dem ökologischen Anbauverband Biokreis an.

Rebellion ist Josef Wandl von Kindesbeinen an gewöhnt. Als Achtjähriger hat er schon mit seinem Vater Gefechte ausgetragen um Monokulturen im Wald. Vielfalt war ihm immer wichtig. Mit seiner eigenen Tochter hingegen muss er sich nicht über den Sinn der ökologischen Landwirtschaft streiten. Beiden liegen Umweltschutz und Tierwohl am Herzen. Andrea hat nicht lange gezögert, den Betrieb zu übernehmen, als der Vater plötzlich krank wurde und zwischenzeitlich „mehr jenseits als diesseits war“. Die gelernte Hotelfachfrau kam zurück in die Heimat, nahm an landwirtschaftlichen Kursen teil und packte an am elterlichen Hof. „Man lässt ja nicht einfach alles den Bach runtergehen“, sagt sie. Alles funktioniere optimal, sei in die richtigen Bahnen gelenkt. Vormittags arbeitet sie in einer Frühstückspension, anschließend versorgt sie die Tiere. „Der Tag ist voll, aber die Arbeit abwechslungsreich. Als ich heute Mittag heimgekommen bin, ist gerade ein Lamm geboren worden. Solche Ereignisse machen das Leben auf dem Hof wertvoll.“ Die Tiere werden zum nahegelegenen Metzger in Hauzenberg gebracht, Kartoffeln und Eier ab Hof verkauft. Obwohl die Wandls keine Werbung machen, ist der Absatz gut und die Stammkunden kommen regelmäßig. „In letzter Zeit merke ich auch, dass wir mehr Hochachtung bekommen für das, was wir tun“, sagt Josef Wandl. „Vielen geht es doch durch den Kopf, dass das Glyphosatspritzen und die Nitratbelastung im Boden langfristig

Früher wurde Josef Wandl aus Untergriesbach als „Bio-Spinner“ beschimpft, heute bekommen er und seine Tochter Andrea immer mehr Anerkennung für ihre Öko-Schafzucht. (Fotos: R. Zöls)

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Land und Leute Johann Schauer war die treibende Kraft dafür, auf Bio umzustellen. Er hatte sein Getreide schon vorher nicht mit Kunstdünger gespritzt, trat immer für eine gesunde Lebensweise und die Schonung von Wasser und Umwelt ein. Alle BioVerbände stellten sich in Renfting vor, der Biokreis-Berater überzeugte sie letztlich. Gemeinsam besichtigten sie verschiedene Biokreis-Betriebe in Bayern und entschieden sich am Ende für die Umstellung. „Von den älteren Leuten im Dorf wurden wir verspottet, aber die Jüngeren und die Familien holten von Anfang an ihre Kartoffeln bei uns.“ Auch Dinkel, Roggen, Triticale und Körnermais werden angebaut. Insgesamt werden 190 Hektar bewirtschaftet, viel davon Grünland. Im Stall arbeiten die drei 93 Schafe leben auf dem Wandl-Hof. Zwei Drittel der zur Landwirtschaft gehörenden 17 Hektar sind Grünland und Bachwiesen.

Seine Freizeit verbringt Johann Schauer in Renfting bei Hauzenberg am liebsten mit seinen beiden Pferden. mehr Schaden als Nutzen bringen, und so mancher spekuliert, ob es nicht gescheiter wäre, ökologisch zu wirtschaften. Aber dafür muss man tapfer sein. Und Tapfere gibt es nicht viele.“

Innovative Gründer Zu den Tapferen gehört auch Johann Schauer (57). In Renfting bei Hauzenberg, dem Dorf, in dem er aufgewachsen ist, mussten die meisten Bauern aufgeben. Eingezwängt und ohne Möglichkeit, Ställe zu erweitern und sich zu entwickeln, wäre vor zehn Jahren auch sein Betrieb vor dem Aus gestanden. Er und seine beiden Mitstreiter Georg Ritzer und Franz Schätzl wollten sich nicht einfach geschlagen geben. Sie beschlossen, sich zusammenzutun und am Rande ihres Dorfes etwas ganz Großes aufzuziehen, das ihnen und ihren Familien eine Existenz von der Landwirtschaft ermöglichen würde. Für zwei Millionen Euro haben sie einen Stall gebaut, aus regionalem Tannenholz. Fast 200 Kühe und 50 Kälber leben heute dort. 3.000 Liter Milch am Tag produzieren sie für die Käserei Goldsteig.

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Land und Leute Betreiber, ein Lehrling und ein Praktikant – außerdem ein Melkroboter. Er läuft 24 Stunden am Tag und nimmt den Landwirten viel Arbeit ab. Die Milchkühe sind mit einem Chip versehen, der anzeigt, ob eine Kuh gerade gemolken werden darf, und diese dementsprechend in den Wartebereich des Roboters lässt. Alle sechseinhalb Stunden ist eine Kuh berechtigt, gemolken zu werden. Sie stellt sich freiwillig in die Maschinerie und frisst dort, während der Roboter am Euter andockt und die Milch in einen Behälter pumpt. Die meisten Tiere befinden sich im Laufstall, die zwei Monate vor der Geburt stehenden, trocken gestellten Kühe dürfen auf die Weide. Anbindehaltung, wie sie die engen Verhältnisse im Dorf einst erforderten, käme für Johann Schauer nie wieder infrage. „Es ist so schön zu sehen, dass es den Tieren gut geht, dass sie auf der Weide Luftsprünge machen, dass sie durch die Bewegung und das Futter schneller trächtig werden und die Kälber leichter auf die Welt kommen“, sagt er. Er, seine Frau und seine acht Kinder sowie zwei weitere Familien leben von der Renftinger Milch. Die Investition hat sich ausgezahlt.

Bewahrer der Schönheit Auch wenn man in Renfting erfolgreich war mit dem neuen Konzept der Landwirtschaft − Werner Fischer (60) aus Untergriesbach beneidet niemanden, der von der Landwirtschaft leben muss. „Es ist ein hartes Brot“, sagt er und lässt den Blick langsam über den schönsten Hof im Bayerischen Wald schweifen, wie er selbst ihn beschreibt. Als Junge wollte er zur See fahren, heute ist er immer noch da auf dem elterlichen, 45 Hektar großen Hof in Ornatsöd, auf dem er im Nebenerwerb zwölf Mutterkühe hält. Hier habe er die Schönheit sichtbar vor sich.

Als Kind wollte Werner Fischer zur See fahren, heute steht er immer noch mit beiden Beinen fest auf dem elterlichen Hof in Ornatsöd bei Untergriesbach.

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50 Kälber gehören zum Betrieb in Renfting, wo täglich 3.000 Liter Bio-Milch erzeugt werden.

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Land und Leute

„Die Bereitschaft, die Schönheit aufzugeben – das macht mich fuchsig“, sagt ÖkoPionier Werner Fischer, der seiner Meinung nach den schönsten Hof im Bayerischen Wald besitzt.

Philosoph: „Egal, wo man lebt, die Frage ist, wie man denkt“, sagt er schließlich. Werner Fischer gehört zu den Pionieren der Öko-Szene. 1989 stellte er seinen Betrieb um. Inhaltlich war es sein Weg, Förder-Anreize gaben den letzten Anstoß. „Damals gab es viele Weltverbesserer. Der Biokreis zeigte dagegen einen gangbaren Weg auf – einen Weg, der für alle möglich war.“ Der Biokreis habe einen eigenen Charakter, sei eigensinnig, extra, unverwechselbar und nicht zu übersehen. Die Umstellung sei kaum spürbar gewesen, schon immer habe er extensiv gewirtschaftet. Ob es prinzipiell leicht ist, als Bauer im Bayerischen Wald auf Bio umzustellen? „Das kommt auf den Typ an. Ob du ein Erlediger oder ein Schlamper bist“, sagt er frei heraus. Er selbst arbeite eigentlich immer – zumindest geistig. Seit 40 Jahren betreibt er eine Zaunbaufirma und produziert darüber

„Es gibt bei uns Ecken, die immer noch so sind wie in meiner Kindheit.“ In unserer Zeit sei der Preis für „besser“ stets „nicht mehr schön“. Und: „Die Bereitschaft, die Schönheit aufzugeben – das macht mich fuchsig“, sagt Werner Fischer. Über das Flusstal der nahe gelegenen Lebensader Donau hinüberzubauen zum Beispiel, das gehört zu dieser Bereitschaft. Aber Werner Fischer, Bruder des Kabarettisten Ottfried Fischer, ist ein Grübler und

Eines Tages wird Josef Maier aus Tiefenbach die Bio-Landwirtschaft seiner Eltern übernehmen. Seine Heimat will er nicht mehr verlassen: „Hier habe ich meine Wurzeln!“

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Land und Leute hinaus Konstruktionen für Photovoltaikanlagen. Hat er zwei Stunden Zeit, fährt er in den Wald hinaus und pflegt seine Bäume. Vor allem aber komme es bei der Umstellung auf Bio auf die Umstellung der Denkweise an. „Bio ist eine Idee, soll ein Ideal zeigen. Wenn wir uns nicht fragen, was richtig und was falsch ist, machen wir die gleichen Fehler wie alle anderen.“ Naturschutz und der Erhalt der Kulturlandschaft sollen nicht verordnet, sondern gewollt werden. „Der Waidler hat keine große Selbstsicherheit. Er glaubt immer, andere können es besser. Aber mit Mut und dem Beharren auf dem Richtigen kann man was Gutes anfangen. Diesen Weg muss man weitergehen und darf nicht vergessen, was das Wesentliche ist. Auch der Biokreis hat es immer so gemacht.“

„Bio-Waldler“ der Zukunft Josef Maier (23) aus Tiefenbach vor den Toren des Bayerischen Waldes hat diesen Weg noch vor sich. Er wird eines Tages den Hof seiner Eltern übernehmen, seit diesem Jahr, seit dem Abschluss seines Studiums der Landwirtschaft, arbeitet er auf dem Vollerwerbsbetrieb mit.

Josef kann jedes Wirtshaus betreten, das er will. Die Leute aus dem Dorf rechnen es ihm und seiner Familie hoch an, dass sie nicht mehr mit der Giftspritze auf ihren 112 Hektar landwirtschaftlicher Fläche herumfahren. 90 Milchkühe plus Nachzucht gehören zum Hof, erst 2011 haben die Maiers auf Bio umgestellt. Der Getreidepreis war vor fünf Jahren schlecht, es wurde intensiv gewirtschaftet, viel behandelt und trotz allem blieb der Erfolg aus. „Wir haben uns dann tiefgreifend mit dem Thema Bodenfruchtbarkeit auseinandergesetzt, Veranstaltungen über effektive Mikroorganismen besucht und dort viele Bio-Bauern kennen gelernt“, erzählt Josef. Während eines längeren Prozesses reifte der Entschluss zur Umstellung. Ein Berater des Biokreis half ihnen vor und nach der Umstellung. Ökologischer Landbau war für die Maiers völliges Neuland, die Getreide-Erträge brachen erst einmal ein, die Methoden mussten sie erst erlernen. Josef Maier bedauert, dass er in der Ausbildung kaum etwas über Ökolandbau gelernt hat. Die Milchleistung blieb dagegen annähernd gleich, bei der Tierhaltung war auch vorher nicht intensiv gewirtschaftet worden.

Josef mag seine Arbeit. Er hat zwar viele Arbeitsstunden, aber mit Unterstützung seiner Familie kann er auch seinen Hobbies wie dem Musizieren nachgehen. Buchten einstreuen, Gülle fahren, auf dem Feld arbeiten, Maschinen reparieren – „ich mache jeden Tag etwas anderes, bin mein eigener Chef und frei in dem, was ich tue“, sagt er. Für seine Freundin und sich baut er gerade den Dachboden aus. Mit ihr will er die Landwirtschaft eines Tages fortführen und seine Heimat nicht mehr verlassen. „Ich kenne die Leute hier, ich hab meine Freunde hier. Ich hab meine Wurzeln hier.“ Die Eier der rund 100 Legehennen bei den Wandls in Untergriesbach werden ab Hof verkauft. Auch ohne Werbung ist der Absatz gut.

Biokreis – „Wir machen Bio lebendig!“ Unter diesem Motto wirtschaften rund 1200 Landwirte und 150 Verarbeiter bundesweit nach den Richtlinien des Biokreis. Auch 200 Verbraucher gehören zu den Mitgliedern. Gemeinsam gestalten sie kreativ und konsequent ökologischen Landbau. Der Biokreis mit Hauptsitz in Passau und bundesweit tätigen Beratern steht seit 1979 für regionale, vertrauensvolle Netzwerke, Tierwohl, handwerkliche Lebensmittelverarbeitung und tritt basisdemokratisch mit neuen Ideen, politischer Arbeit und wirksamer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für seine ganzheitliche Vorstellung von Ökolandbau sowie dessen Weiterentwicklung ein.

bioNachrichten – Das Magazin des Biokreis erscheint alle zwei Monate und informiert mit zahlreichen Fachartikeln über Aktuelles rund um den ökologischen Landbau. Jeder kann den Biokreis durch eine Verbraucher-Mitgliedschaft unterstützen und erhält dann die Zeitschrift kostenlos. Mehr Infos zu Tierhaltung, Anbaumethoden, Richtlinien, Siegeln, Hofläden, „Bio im Urlaub“-Anbietern und vieles mehr unter: www.biokreis.de

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Kultur und Brauchtum

Mit „Krattlerarbeit“ wurde das Geschirr schon vorsorglich gegen Beschädigungen geschützt, aber auch nachträglich repariert.

Niederbayerische Keramik in Obernzell Vom Schloss zum Museum Von Ines Kohl Etwa zwanzig Kilometer östlich von Passau liegt die Marktgemeinde Obernzell, früher auch Hafnerzell genannt, weil zeitweilig bis zu siebzehn Keramikwerkstätten am Ort tätig waren. Heute gibt es hier noch zwei Meisterbetriebe, Nikolaus Pollok gleich neben dem Museum und Hubert Eller in der Lukas-Kern-Straße. Das Schloss am linken Ufer der Donau wurde in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts von den Passauer Fürstbischöfen „in der Zell“ als gotische Wasserburg errichtet und im 16. Jahrhundert durch Fürstbischof Urban von Trennbach als repräsentatives Renaissanceschloss „modernisiert“. Schon von seiner Baugeschichte her ist das

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Schloss also interessant, auch der Rittersaal im Obergeschoss mit rekonstruierter Kassettendecke ist sehr eindrucksvoll. Heute wird er vor allem bei Ausstellungseröffnungen genutzt. Seit 1803/1806 ist das Schloss Eigentum des Freistaats Bayern. 1965 bis 1982 wurde es umfassend saniert und als Zweigmuseum des Bayerischen Nationalmuseums eingerichtet. Mit seinem Bestand, der vor allem die regionale Töpfertradition umfangreich dokumentiert, genießt das Haus einen hervorragenden Ruf. Schwerpunkt ist eine umfassende Sammlung von Hafnerzeller Schwarzware und bayerischer Hafnerware. Daneben gibt es Exponate aus Schwaben und Franken, Keramik

Wasservorratsgefäß aus dem Kröning bei Landshut, 18. Jahrhundert (Fotos: I. Kohl) aus dem Kröning um Landshut, aus dem Rottal, Niederbayern, Böhmen, Altbayern und Österreich als Steinzeug, Steingut, Porzellan, Fayence aus Dießen am Ammersee sowie Nymphenburger Porzellan, nachdem zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Schloss ein Zweigwerk der Nymphenburger Manufaktur geplant war. Eine Abteilung ist dem Ofenbau und keramischen Bauelementen gewidmet. Darüber hinaus gibt das Museum Einblick in die keramischen Techniken und ihre Weiterentwicklung bis hin zur Industrieproduktion und zeitgenössischer Keramik.

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Kultur und Brauchtum Die Hafnerzeller Schwarzware Keramik kann auf zwei verschiedene Arten geschwärzt werden, zum einen durch den Zusatz von Grafit, zum anderen durch Reduktionsbrand, was vor der Einführung der Glasur weit verbreitet war. Die Grafitvorkommen im Bayerischen Wald und in Böhmen bis ins niederösterreichische Waldviertel hinein förderte vor allem im Passauer Raum die Herstellung grafitierter Schwarzware. Die Schmelztiegelhersteller und Hafner in Obernzell waren Hauptabnehmer des Grafits und besaßen im 16. Jahrhundert bereits das Privileg auf dessen Verwendung. Die Hafnerei an und für sich aber muss in Obernzell schon im Mittelalter vorhanden gewesen sein, schriftliche Quellen belegen den Handel auf der Donau.

Töpfe, Schüsseln, Schmelztiegel Bauchige Henkeltöpfe und flache Doppelhenkelschüsseln stammen aus der Spätzeit und zeigen, dass bis zum 20. Jahrhundert mit Grafit gearbeitet wurde. Sogar fein poliertes Kaffeegeschirr und Leuchter wurden aus grafitierter Ware hergestellt. Das wichtigste Produkt aber waren wohl die Hafnerzeller Schmelztiegel; im Museum stehen sie aufgereiht wie die Orgelpfeifen in allen Größen. Sie wurden bis an die kaiserliche Münzprägeanstalt nach Wien geliefert und an die Münzen nach München und Prag. Die grafitierten Schmelztiegel halten große Temperaturunterschiede aus; bei jedem Schmelzvorgang verbrannten allerdings geringe Mengen des Grafits, so dass nach etwa einem Dutzend Schmelzvorgängen ein neuer Tiegel notwendig wurde – damit war die Produktion sichergestellt. Im 18. Jahrhundert begannen im Gebiet des heutigen Bayern vereinzelte Steinzeugproduktionen, meist durch aus dem Rheinland zugewanderte Kannenbäcker. Das Museum zeigt einige Beispiele von Mineralwasserflaschen, die zu der Zeit haltbarer und billiger waren als Glas und als Einwegflaschen produziert wurden.

Die wichtigste Gegend aber ist der Kröning südöstlich von Landshut. Im Jahr 1767 gab es dort und an der Bina insgesamt 72 Werkstätten. Das frühe Datum der Kröninger Hafnerordnung von 1428 lässt darauf schließen, dass die Hafnerei in diesem Gebiet bereits im Mittelalter eine bedeutende Rolle spielte. Im Kröning entstanden eine Reihe charakteristischer Gefäßformen, wie der Weidling, eine halbtiefe Schüssel zum Aufstellen der Milch, damit sich der Rahm absetzen kann, Suppenschüsseln, Teigschüsseln und hohe Gefäße für Eier, Rahm, Nudeln und Kraut sowie die typische Bratreine. Neben dem glasierten, teils auch dekorierten Irdengeschirr aus dem 19. und 20. Jahrhundert und dem blauen Geschirr der Kröninger spielte das durch Reduktionsbrand entstandene Schwarzgeschirr eine Rolle. Neben dem Haushaltsgeschirr entstanden Sonderformen, die durch Fertigkeiten in der Herstellung auffallen, wie Nadel-

körbchen mit fein geschnittenem Flechtwerk, die als Brautgeschenke dienten, Körbchen für Wolle, Weihwasserkessel, Tintenzeuge, Blumenübertöpfe, Sparbüchsen und Heiligenfiguren. Neben dem Kröning war das Rottal ein weiteres Zentrum der Hafner und im angrenzenden Böhmen arbeiteten tschechische Töpfer, die ihre Ware nach Bayern verkauften. Im Gegensatz zum strengen Dekor des niederbayerischen Geschirrs ist die tschechische Ware mit Malhorndekor und Bordüren reich verziert, Schüsseln und Töpfe haben einen ziegelroten Scherben. Eine Besonderheit niederbayerischer Hafnerware ist die „Krattlerarbeit“. Gebrauchsware, die hoher Beanspruchung ausgesetzt war, Milchschüsseln, Krüge oder Kochgeschirr, erhielt eine vorsorgliche Drahtbindung als Schutz gegen Beschädigung, bereits beschädigte Gefäße wurden auf diese Weise repariert. Diese „Krattlerarbeit“ ist ein besonderes ästhetisches Merkmal niederbayerischer Gebrauchskeramik.

Zeitgenössiche Keramik Eine Abteilung ist der zeitgenössischen Keramik gewidmet und zeigt Arbeiten von Keramikern aus der Region, wie Monika Drescher-Linke, Heinz Fischer und Jörg von Manz sowie von weiteren Vertretern neuerer Keramik wie Walter Heufelder, Ernst Loesche und Christoph Möller. Schloss Obernzell, Keramikmuseum, 94139 Obernzell, Tel. 08591/1066 www.bayerisches-nationalmuseum.de/php?id=75 Weitere Fotos der Ausstellungsstücke finden Sie auf unserer Homepage: www.schöner-bayerischerwald.de

Formschön und funktional: ein perfektes Gefäß von Walter Heufelder, 1975-1988 Direktor der staatlichen Berufsfachschule für Keramik in Landshut

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VORSCHAU AUF DAS HEFT MÄRZ/APRIL 2017

Eine Zweimonatszeitschrift für alle Freunde des Bayerischen Waldes

Impressum

Treffpunkt mit Tradition

Herausgeber: Verein der Nationalpark-Freunde e. V. Bahnhofstraße 22, 94481 Grafenau

Leserservice

Die Wallfahrtskirche St. Hermann bei Bischofsmais ist beliebt bei Wanderern und Wallfahrern, Urlaubern oder Brautpaaren, die einen schönen Ort für ihr Ja-Wort suchen – und beim Hermannsritt auch für Hunderte Rösser und Reiter.

Kontakt: Silvia Wolf, Tel.: 08552/625366 (von 9 – 12 Uhr) Telefax 08552/625380, e-mail: [email protected]

Redaktion Anschrift: Bahnhofstraße 22, 94481 Grafenau Tel.: 08552/625060 (von 8.30 - 12.30 Uhr) Fax: 08552/920529 e-mail: [email protected] internet: www.schöner-bayerischer-wald.de Redaktionsleitung: Eva Pongratz Redaktionsbüro: Michaela Hoßfeld

Shabby Chic in Weiß Die Liebe zu alten Möbeln und ihr handwerkliches Geschick verhalfen Gabriele Gendritzki zu einem eigenen Laden. Sie sammelt Unikate auf Flohmärkten in Deutschland und den angrenzenden Nachbarländern, um sie anschließend im Vintage-Stil aufzubereiten.

Ständige Autoren in der Redaktion: Sven Bauer, Dr. Peter Dillinger, Ulrike Eberl-Walter, Susanne Ebner, Prof. Dr. Reinhard Haller, Ellen Huber, Ines Kohl, Regina Kremsreiter, Karl-Heinz Paulus, Roland Pongratz, Willi Schindler, Jens Schörnich, Roland Schreder, Hannelore Summer, Heinrich Zens, Marcel Zens Graphische Gestaltung/Anzeigenmarketing: Donau-Isar-Bayerwald-Presse-GmbH Bahnhofstraße 28, 94469 Deggendorf Telefon: 09 91/3 70 09 48 e-mail: [email protected] Anzeigen: Am Sand 11, 94209 Regen, Tel.: 0 99 21/88 27 13 od. 14 e-mail: [email protected]

Bilder, die bleiben Seit 2015 dokumentiert der Passauer Fotograf und Spurensammler Rudolf Klaffenböck in seinem faszinierendes Langzeitprojekt „Migranten“ die Geschehnisse an den Grenzen, am Bahnhof und in den Unterkünften.

Die Wildkatze kommt wieder In einem groß angelegten Forschungsprojekt hat der Bund Naturschutz erkannt: Vom Spessart aus wandern die Wildkatzen nach Südbayern. Auch im Bayerischen Wald haben die Forscher Haare von Wildkatzen gefunden.

Druckservice: Passavia Druckservice GmbH & Co. KG Medienstraße 5 b 94036 Passau Telefon: 08 51/96 61 80-0 e-mail: [email protected] Abonnements: Jahresabonnement: (6 Ausgaben jährlich) 27,50 € zuzügl. 6,00 € Versandkosten Einzelheft: 4,90 € Geschenkabonnement inkl. Geschenkurkunde: 27,50 € zuzügl. 7,00 € Versandkosten Kündigungen jeweils 3 Monate zum Jahresende, spätestens am 30. September. Das Jahres-Abo zuzüglich Versandkosten wird mit der Auslieferung von Heft 1 berechnet und ist innerhalb von 30 Tagen ohne Abzug zu bezahlen. Die Zeitschrift Schöner Bayerischer Wald ist im Zeitschriften- und Buchhandel erhältlich oder direkt: Redaktion Schöner Bayerischer Wald Postfach 1318, 94477 Grafenau [email protected] Erscheinungsort: Grafenau · ISSN 0941-7052 Schöner Bayerischer Wald darf nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion in Lesezirkeln geführt werden. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt; Verwertung und Nachdruck mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle nur mit Genehmigung der Redaktion. Dies gilt auch für elektronische Datenbanken und Vervielfältigungen auf CD-ROM. Erfüllungsort und Gerichtsstand ist 94078 Freyung.

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