Sind Menschen mit geistiger Behinderung "normal"? - Reflexionen zur Normalismusdiskussion

Pädagogik Christina Bohlen Sind Menschen mit geistiger Behinderung "normal"? - Reflexionen zur Normalismusdiskussion Examensarbeit Sind Menschen ...
Author: Stephan Arnold
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Pädagogik

Christina Bohlen

Sind Menschen mit geistiger Behinderung "normal"? - Reflexionen zur Normalismusdiskussion

Examensarbeit

Sind Menschen mit geistiger Behinderung „normal“? -Reflexionen zur Normalismusdiskussion-

Schriftliche Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt für Sonderpädagogik, dem Staatlichen Prüfungsamt für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen in Köln vorgelegt von:

Christina Bohlen

Köln, 12. Januar 2006 Heilpädagogische Fakultät der Universität zu Köln Seminar für Geistigbehindertenpädgogik

INHALTSVERZEICHNIS

0. EINLEITUNG......................................................................................Seite 3 0.1 Aufbau der Arbeit................................................................................Seite 5

1. NORMALITÄT....................................................................................Seite 7 1.1. Etymologie..........................................................................................Seite 7 1.1.1 Normal, Normalität...........................................................................Seite 9

1.2. Normativität......................................................................................Seite 13 1.3 Normenkonzepte................................................................................Seite 15 1.3.1 Die Statistische Norm.....................................................................Seite 17 1.3.2 Technische Normen........................................................................Seite 19 1.3.3 Biologische/funktionelle Normen...................................................Seite 20 1.3.4 Idealnorm........................................................................................Seite 21 1.3.5 Soziale Norm...................................................................................Seite 22 1.3.5.1 Bestandteile der sozialen Norm...................................................Seite 23 1.3.5.3 Normverbindlichkeiten................................................................Seite 23

1.4 Normalismus......................................................................................Seite 25 1.4.1 Protonormalismus...........................................................................Seite 27 1.4.2 Der Flexible Normalismus..............................................................Seite 27

1.5 Zusammenfassung - 1.Kapitel............................................................Seite 29

2. NORMALITÄT und GEISTIGE BEHINDERUNG......................Seite 31 2.1 Behinderung.......................................................................................Seite 31 2.1.1 WHO-Klassifikationen....................................................................Seite 33 2.1.2 Sozialpolitische Definition.............................................................Seite 35 2.1.3 Soziologische Definition.................................................................Seite 36 2.1.4 Definition: geistige Behinderung (behindertenpädagogisch)..........Seite 37

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2.1.4.1 Medizinische Sichtweise..............................................................Seite 39 2.1.4.2 Psychologische Sichtweise..........................................................Seite 39 2.1.4.3 Soziologische Sichtweise.............................................................Seite 42 2.1.5 Statistische Häufigkeit....................................................................Seite 42

2.2 Behinderungen als Abweichung........................................................Seite 44 2.3 Zusammenfassung - 2.Kapitel...........................................................Seite 48

3. BEHINDERUNG als NORMALITÄT.............................................Seite 49 3.1 Behinderung auf dem Weg zur Normalität........................................Seite 49 3.2 Verschiedenheit als neue Normalität.................................................Seite 54 3.3 Integration als Aussonderungsabsage................................................Seite 57 3.4 Zusammenfassung – 3.Kapitel...........................................................Seite 60

4.FAZIT/ STELLUNGNAHME zur FRAGESTELLUNG................Seite 62

5. LITERATUR......................................................................................Seite 64

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0. EINLEITUNG In meiner Arbeit gilt es herauszufinden, ob Menschen mit geistiger Behinderung ‘normal’ sind. Der Begriff des ‘Normalen’, der ‘Normalität’ scheint eindeutig zu sein - im Alltag wird er ganz selbstverständlich benutzt. Doch es gibt kaum einen Begriff wie den der ‘Normalität’, der so verworren und so vieldeutig ist. Auf die Frage, ob Menschen mit geistiger Behinderung normal sind, können verschiedene Menschen unterschiedlich antworten. So können zwei Personen der Ansicht sein, dass sie Menschen mit Behinderung nicht normal finden und doch etwas Unterschiedliches damit meinen, den Begriff des Normalen unterschiedlich deuten. Der Erste könnte meinen, dass es nicht normal ist, behindert zu sein, weil er ‘normal’ mit der biologischen Norm gleichsetzt, welcher Menschen mit Behinderung nicht entsprechen; der Zweite könnte ‘normal’ mit seinem Alltag vergleichen, in dem Menschen mit Behinderung nicht (oder nur in unterdurchschnittlicher Anzahl) vorkommen. Zwei weitere Personen, die die Ansicht vertreten, dass Menschen mit Behinderung normal sind, übersetzen diesen Begriff für sich wieder anders. Der Erste findet Behinderung normal, da Behinderung für ihn eine natürliche Daseinsform darstellt und der Zweite, weil er in einer Werkstatt für Menschen mit geistiger Behinderung arbeitet und jeden Tag mit dieser Personengruppe im Kontakt kommt und es so für ihn zu seiner persönlichen Normalität geworden ist. An diesen Beispielen wird deutlich, dass es eben nicht die eine, richtige Definition von ‘Normalität’ gibt und sich die verschiedensten Bedeutungen hinter ihr verbergen. Umso mehr verwundert es, dass dieses Wort so selbstverständlich verwendet wird - und das nicht nur im alltäglichen Sprachgebrauch. Auch in der Wissenschaft wird Normalität bisher weitestgehend unreflektiert benutzt. Selbst die Sonder- und Heilpädagogik hat sich mit dem Begriff der ‘Normalität’ nur sehr sporadisch beschäftigt und das, obwohl die Dichotomisierung1 1

zwischen

Behinderung

und

Dichotomisierung; Zweiteilung (Fremdwörterduden 1992, 108)

3

Normalität

der

Sonderpädagogik fundamental ist und Behinderung seit jeher als Abweichung vom ‘Normalen’ definiert wurde, was sich in Begriffen wie ‘anormal’ oder auch ‘Anomalien’ widerspiegelt (vgl. Kap. 1.1). Link (1996) bezeichnet Normalität und Behinderung als „diskurstragende Kategorien“, ohne die „das heilpädagogische Theoriegebäude wie ein Kartenhaus’ in sich zusammenfallen würde, würde man ihm diese Kategorien entziehen“ (Link 1996, zit. n. Waldschmidt 2004, 98). Die Sonder- und Heilpädagogik lebt sozusagen von dieser Unterscheidung. Aus diesem Grund ist es besonders für die Heil- und Sonderpädagogik von Bedeutung, sich nicht nur mit dem Phänomen der Anormalität oder der Abweichung zu beschäftigen, sondern auch Normalität theoretisch zu fundieren. Doch trotz der fehlenden theoretischen Fundierung hat der Normalitätsbegriff Hochkonjunktur - gerade auch in der Behindertenpädagogik. Ein Beispiel dafür ist die Aktion Grundgesetz, die 1997 eine Werbekampagne ins Leben rief, die den Begriff der Normalität in den Vordergrund setzte, um für mehr Anerkennung Behinderter in der Öffentlichkeit zu werben. Die Plakate arbeiteten mit Slogans, die alle den Begriff des Normalen verwendeten: ‘Was ist schon normal?’, ‘Sind Sie etwa normal?’, ‘Geistig behindert ist auch normal!’ (vgl. Heiden 1997). Diese Slogans bringen wieder unterschiedlichste Bedeutungen mit sich. Einmal scheint Normalität als etwas Erstrebenswertes (‘Geistig behindert ist auch normal’), ein anderes Mal scheint Normalität etwas zu sein, dass

nicht durchweg positiv zu verstehen ist („Sind Sie etwa

normal?“) - was auch an einem Beispiel aus der ‘Krüppelbewegung’ verdeutlicht werden kann; hier lautet ein Leitspruch: ‘Lieber lebendig als normal’(vgl. Mattner 2000, Waldschmidt 2003). In meiner Arbeit wird es um Fragen gehen, die ein wenig ‘Licht ins Dunkle’ des Normalitätsbegriffs bringen sollen, um mit dieser ‘Klarheit’ den unterschiedlichen Definitionen und Erklärungsmodellen näher zu kommen und die Ausgangsfrage (Sind Menschen mit geistiger Behinderung ‘normal’?) aus unterschiedlichen Perspektiven beantworten zu können:

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