Sind Ihre Patienten und Sie im Notfall sicher?

Sind Ihre Patienten und Sie im Notfall sicher? Schlichtungsverfahren Potsdam, 12.05.2017 Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutsc...
Author: Innozenz Pohl
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Sind Ihre Patienten und Sie im Notfall sicher?

Schlichtungsverfahren Potsdam, 12.05.2017

Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, Hannover Ärztekammer Berlin - Landesärztekammer Brandenburg - Ärztekammer Bremen - Ärztekammer Hamburg – Ärztekammer Mecklenburg- Vorpommern - Ärztekammer Niedersachsen - Ärztekammer Saarland – Ärztekammer Sachsen-Anhalt - Ärztekammer Schleswig-Holstein - Landesärztekammer Thüringen

1

Ärztliche Schlichtungsstellen und Gutachterkommissionen 2016 Norddeutsche Ärztekammern Schleswig-Holstein Hamburg Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen

Westfalen-Lippe

Bremen Brandenburg

Nordrhein

Berlin

Rheinland-Pfalz Saarland

Hessen

Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Saarland

Bayern

Baden-Württemberg

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Antragsentwicklung bei der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern Das Team (Stand 2016)

Ärzte

68

Patientenvertreter

1

Juristen

6

Verwaltungsangestellte

17

Seit 1976 über 105.000 Verfahren

3

Sachentscheidungen 2016 Fehler-Quote, n= 2.450

Kein Behandlungsfehler 67%

Behandlungsfehler bejaht, Kausalität verneint

Behandlungsfehler und Kausalität bejaht

27% 6%

6

26 Fälle im Bereitschaftsdienst 2012-2016 (in zehn Bundesländern)

27%

73%

19 unbegründet 7 begründet

6

begründete Fälle Keine weitere Diagnostik bzw. stationäre Einweisung bei seit 24 Std. bestehenden akuten Thoraxschmerzen (Befunderhebungsmangel)

Herzinfarkt, Tod

116

Keine Krankenhausaufnahme

Behandlungsverzögerung um Stunden bis notfallmäßige Aufnahme

113

Arzt 1: keine Dokumentation der Auskultation bei Brustschmerzen und Atembeschwerden, keine Indikation für i.m. Injektion, Arzt 2: keine Liquorpunktion, trotz progr. Kopfschmerzen, Antriebsmangel und verschlechtertem EEG (Befunderhebungsmangel)

gluteale Phlegmone,Hirnschädigung , Liquorabflusstörung, Aspirationspneumonie, ShuntVersorgung

116

Keine dokumentierte Anamnese (u.a. Fentanyl-Pflaster) und körperliche Untersuchung

Einige Stunden vermehrte Beschwerden

130

Kein Röntgen vor Reposition

Repositionsversuch, Schmerzen

100

Keine ausreichende Diagnostik, keine Krankenhauseinweisung

Aspirationspneumonie

147

Keine weitergehende Diagnostik veranlasst, trotz abdominalen Druckschmerzen und Angabe zu Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen

1 Tag vermehrte Beschwerden

100

6

Fall

Die Patientin stellte sich gegen 17.00 Uhr im Bereitschaftsdienst mit starken Rückenschmerzen seit dem Vorabend vor. Eine arterielle Hypertonie sei bekannt und behandelt. Die Patientin befand sich in zufriedenstellendem Allgemeinzustand, es fanden sich Verspannungen der Rückenmuskulatur. Die Lungenauskultation war unauffällig, der Blutdruck mit 170/120 mm/Hg erhöht, keine Luftnot oder ein Schweißausbruch und keine pathologischen Veränderungen im abgeleiteten EKG. Der Patientin wurden unter der Diagnose BWS-Syndrom Novaminsulfon-Tropfen verordnet. Wegen des Hypertonus sollten zudem 5 bis 7 Tropfen Nefedipin und zum Abend eine zusätzliche Dosis ihres Blutdruckmedikamentes eingenommen werden.

6

Externer Gutachter Der Gutachter führt aus, dass das erstmalige Auftreten von lang anhaltendem Thoraxschmerz mit Ausstrahlung in den Rücken ein schwerwiegendes Symptom sei, das den Ausschluss eines akuten Koronarsyndroms als bedeutsamste Möglichkeit eines abwendbar gefährlichen Verlaufs darstelle. Ein normales Ruhe-EKG sei hierfür kein Ausschlusskriterium. Die Konsequenz sei entsprechend den Leitlinien, dass bis zum sicheren Ausschluss in einem derartigen Fall an der Arbeitshypothese „akutes Koronarsyndrom“ festzuhalten sei. Dies bedeute in der Primärversorgung, den Patienten sofort in eine kardiologische Einrichtung einzuweisen. Die Anamnese erfordere zwingend den Ausschluss eines akuten Koronarsyndroms als wichtigste abwendbar gefährliche Diagnose beim Leitsymptom neu aufgetretener lang anhaltender Thoraxschmerzen bei Hypertonie.

6

Haftungsbewertung der Schlichtungsstelle Was war zu tun? Als wichtigste Diagnose mit abwendbar gefährlichem Verlauf war in dieser Situation ein akutes Koronarsyndrom auszuschließen. Da die Beschwerdesymptomatik bereits seit 24 Stunden bestand, wäre eine Bestimmung der CKMB und des Troponins zum Nachweis eines akuten Koronarsyndroms indiziert gewesen. Wenn die Bestimmung dieser Parameter im Rahmen des KV-Notdienstes nicht möglich gewesen wäre, wäre die Einweisung in ein Krankenhaus zur weiteren Diagnostik erforderlich gewesen. Kardiovaskuläre Erkrankungen führen die Todesursachenstatistik auch bei Frauen an, so dass bei unklaren, anhaltenden, heftigen Thoraxschmerzen der Ausschluss eines akuten Koronarsyndroms zwingend erforderlich ist.

6

Befunderhebungsmangel bedeutet Es sind Mängel in der Befunderhebung festzustellen. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit Veränderungen in der Beweislastverteilung zwischen den Parteien daraus resultieren. Eine fehlerhafte Unterlassung der medizinisch gebotenen Befunderhebung führt dann zu einer Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Schaden, wenn sich bei der gebotenen Befunderhebung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges positives Ergebnis gezeigt hätte und wenn sich die Verkennung dieses Befundes als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde (vgl. BGH NJW 2004, 1871 ff).

6

im Fall… Die Voraussetzungen eines Befunderhebungsmangels sind hier erfüllt: Bei Einweisung in ein Krankenhaus wäre die Patientin an einem EKG-Monitor überwacht worden. Das Auftreten von Kammertachykardien oder Kammerflimmern mit Herzkreislaufstillstand wäre innerhalb eines Zeitintervalls von weniger als 1 Minute festgestellt worden und es hätte innerhalb von weniger als 3 Minuten eine Behandlung stattfinden müssen. Vor dem Hintergrund der Beweislastumkehr reicht es für den Kausalitätsnachweis aus, dass die zu unterstellende fundamentale Verkennung des zu erwartenden Befundes oder die Nichtreaktion darauf generell geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen.

Gesundheitsschaden: Das Kammerflimmern mit Kreislaufstilstand führte zu einem schweren hypoxischen Hirnschaden mit Todesfolge.

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Zielsetzung der Schlichtungsstelle

Individuell

außergerichtliche Konfliktlösung Arzt / Patient

 Verbesserung des Vertrauensverhältnisses:

Generell

Ärzteschaft – Patienten weniger Zivilprozesse weniger Strafprozesse  Behandlungsfehlerprophylaxe im Dienste der Patienten- und Arztsicherheit

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-

auf „medical error reporting system“ basierende Berichte und Aktivitäten der Schlichtungsstelle:

Erfassung und Auswertung medizinischer Sachverhalte nach sachverständiger medizinischer und juristischer Prüfung von Behandlungsfehlervorwürfen Kongresse

Fallberichte

Qualitätszirkel

Internet

Weiterbildung

regionale Ärzteblätter Fachzeitschriften

Fortbildung

 Gründung der Arbeitsgemeinschaft Patientensicherheit

Gutachter-

Wissenschaftliche Zeitschriften

schulungen

 national

(Ärztekammer Niedersachsen/ Schlichtungsstelle)

 international

 Mitglied im Aktionsbündnis Patientensicherheit, Berlin

Lehrbücher

Fehlervermeidung Patientensicherheit Arztsicherheit 8

Schlichtungsstelle Kommission § 4 Unabhängigkeit Die Mitglieder der Schlichtungsstelle sind bei der Entscheidungsfindung unabhängig und an Weisungen nicht gebunden. Sie ist nur ihrem Gewissen und ihrer fachlichen Überzeugung unterworfen. § 8 Verfahrensgrundsätze (1) Eine Kommission, die aus mindestens einem ärztlichen bzw. zahnärztlichen und einem juristischen Mitglied besteht, bearbeitet und entscheidet das jeweilige Verfahren. …

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Beteiligte des Schlichtungsverfahrens

Patienten

Ärzte

Krankenhäuser

Haftpflichtversicherungen

Grundsatz der Transparenz:  Offene Kommunikation während des gesamten Verfahrens über jeden einzelnen Verfahrensschritt  § 13 Verfahrensordnung: Die Gesellschafter berichten über die

Tätigkeit der Schlichtungsstelle jährlich in ihrem Mitteilungsblatt.

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Das Verfahren nach der Verfahrensordnung

Schlichtungsantrag

Klärung der Verfahrensvoraussetzungen

Antragsberechtigte/Beteiligte: Patient, Krankenhaus, Arzt, Versicherung Verfahrenshindernisse? Zustimmung aller Beteiligten?

Sachverhaltsaufklärung

Untersuchungsgrundsatz: Vollständige Behandlungsdokumentationen

Externes Gutachten

Anhörung der Beteiligten zu  Gutachter und Fragenkatalog und  erstattetem Gutachten

Beurteilung der Haftungsfrage

Medico-legale Prüfung des Gutachtens und Juristische Bewertung

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Das Verfahren nach der Verfahrensordnung

Erneute Beurteilung

 Bei neuem Tatsachenvortrag binnen 1 Monat

Entscheidung nicht bindend

 Rechtsweg nicht ausgeschlossen

Verjährungshemmung

 Keine Gefahr von Rechtsnachteilen

Keine Verfahrenskosten

 Für Patienten, Ärzte und Krankenhäuser

Kurze Verfahrensdauer

 2016 durchschnittlich 16 Monate ab Antragsstellung des Patienten („Postkarte“ oder Mail)

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Verfahren und Qualitätsmanagement Führung des Verfahrens

• Organisationshandbuch für das gesamte Verfahren (SB, Jur., ÄM) • Automatisierte Verfahren, wo möglich • Digitale Aktenführung(nicht der Behandlungsdokumentationen)

• Standardisierter Fragebogen

• Sachbearbeitung (SB) ist speziell geschult • Volljuristen Arzthaftungsrecht

• Zuständigkeiten durch Az., dadurch feste Verantwortlichkeiten

• Regelmäßige Fortbildung für MA im med. Bereich von ÄM

• Jeder Verfahrensschritt wird jedem Beteiligten bekannt gemacht

• Fallbesprechungen

• Regelmäßige Fortbildung der ÄM durch medizinische und juristische Vorträge • Röntgenarbeitsplatz • Gesonderte Besprechungen der Traumatologen und Allgemeinund Viszeralchirurgen 13

Verfahren und Qualitätsmanagement Externes Gutachten

Sachverhalt

• ÄM prüft und notiert erforderliche Behandlungsdokumentationen • SB fordert Behandlungsdokumentationen an

Eingeholtes GA an Beteiligte zur Stellungnahme

• Prüfung des GA durch ÄM

• Vorlage bei ÄM mit Dok. für externen Gutachtenauftrag (GAA) und Gutachterauswahl

• Prüfung des GA durch Juristen

• Jurist prüft GAA und GAAuswahl GAA und GA-

• Pflege der Gutachterliste der bundesweiten Gutachter (ggf. auch aus dem deutschsprachigen Raum)

Auswahl an Beteiligte zur Stellungnahme

• Bewertung des Gutachtens – des Gutachters (GA)

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Erstellung des externen Gutachtenauftrages

durch das Ärztliche Mitglied  • • •

Durch seine Fachkompetenz für das zu prüfende Fachgebiet Gezielte Fragestellung Vollständigkeit der erforderliche Behandlungsunterlagen Beschränkung auf relevante Zeiträume (Kostenfaktor für Gutachten)

 • • •

Durch sein Wissen um Spezialgebiete der Gutachter Persönliche Animositäten Wissenschaftliche Auseinandersetzung

ÄM kann auch selbst das Gutachten erstellen (bei geeigneten Fällen)

Vorschlag von geeignetem Gutachter an die Beteiligten Ablehnung ist möglich, Neuauswahl mit Zustimmung aller Beteiligten

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Aufgabe des externen Sachverständigen = Erstellung eines wissenschaftlich begründeten korrekten Gutachtens

Prüfung des GA durch die Kommission Ist die Ansicht des Gutachters vertretbar, wird ihr gefolgt.

Wird dem Gutachten nicht gefolgt, ist dies in der rechtlichen Würdigung zu begründen. Kriterien für die Abweichung: falscher bzw. unvollständiger Sachverhalt, unzutreffender Beurteilungszeitpunkt unrichtiger Stand der Wissenschaft (belegt mit Literaturangaben) Beweislastgründe

Fachmann prüft Fachmann

Abweichen vom Gutachten in ca. 10% der Entscheidungen

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2016 Umfrage und Auswertung aus 2011

Ziel: Feststellung der Prozessvermeidungsquote Basisjahr Entscheidungsjahrgang 2002,

Basisjahr Entscheidungsjahrgang 2011,

2.360 Entscheidungen, Rücklauf 800

2.520 Entscheidungen, Rücklauf 1.586

Umfrage an Haftpflichtversicherer des in Anspruch

Umfrage an Haftpflichtversicherer des in Anspruch

genommenen Arztes/Krankenhauses

genommenen Arztes/Krankenhauses

 Von 800 waren 583 unbegründete Ansprüche,

 Von 1.586 waren 1.125 unbegründete Ansprüche,

217 Fälle (27,1%) begründete Ansprüche

461 Fälle (29,06%) begründete Ansprüche

 in 727 (90,9%) Fällen konnten Zivilprozesse

 in 1.354 Fällen (85,37%) konnten Zivilprozesse

vermieden werden

 in 73 (9,1%) Fällen kam es nachfolgend zu einem Gerichtsverfahren  "Prozessvermeidungsquote" damit bei 90,9 %

vermieden werden

 in 232 Fällen (14,63%) kam es nachfolgend zu einem Gerichtsverfahren  "Prozessvermeidungsquote" damit bei 85,37 %

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2016 Umfrage und Auswertung aus 2011

Ziel: Feststellung der Bestätigungen durch Gerichte und der Konformität der Entscheidungen Basisjahr Entscheidungsjahrgang 2002,

Basisjahr Entscheidungsjahrgang 2011, 2.520 Entscheidungen, Rücklauf 1.586

2.360 Entscheidungen, Rücklauf 800  Von 73 Fällen (9,1%) im Gerichtsverfahren

 Von 232 Fällen (14,63%) im Gerichtsverfahren

 Wurden 46 bestätigt (63,01%)

 Wurden 135 bestätigt (58,19%)

 27 konträr entschieden (36,99%)

 55 konträr entschieden (23,71%)  42 sind noch anhängig (18,1%)

 Gesamtkonformität der Entscheidungen von

773 Fällen, 96,63%

 Gesamtkonformität der Entscheidungen von 1.489 Fällen, 96,43%

Schlichten statt Richten funktioniert auf hohem Niveau 21

Mehr Informationen unter: www.norddeutsche-schlichtungsstelle.de Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern Hans-Böckler-Allee 3, 30173 Hannover , Tel.: 0511/380-2416

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