Shallow natural gas in the German North Sea

Oberflächennahes Erdgas in der deutschen Nordsee: Aktuelle Untersuchungen anhand seismischer Daten /Shallow natural gas in the German North Sea Anna F...
Author: Thilo Siegel
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Oberflächennahes Erdgas in der deutschen Nordsee: Aktuelle Untersuchungen anhand seismischer Daten /Shallow natural gas in the German North Sea Anna Frederike Trampe1, Dr. Rüdiger Lutz2, Dr. Dieter Franke2, Dr. Christian Bücker3 1 Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Hannover (Email:[email protected]), Vortrag bei der DGMK, 19.04.2013, Celle 2 Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Hannover 3 RWE Dea AG, Hamburg

Kurzfassung Das Auftreten und die Verteilung von oberflächennahem Erdgas im deutschen Nordseesektor werden im Rahmen des Projekts Geopotenzial Deutsche Nordsee (GPDN) untersucht. Oberflächennahes Erdgas stellt einen potentiellen Energierohstoff dar. Diese Erdgasvorkommen können jedoch auch Baugrundeigenschaften negativ beeinflussen, was zum Beispiel bei der Planung und Errichtung von Windparks zum Tragen kommen kann. Zur Untersuchung des Auftretens und der Verteilung von oberflächennahem Erdgas wurden in reflexionsseismischen Daten Amplitudenanomalien kartiert, die einen Hinweis auf Erdgas liefern. Exemplarisch wurden ausgewählte Amplitudenanomalien mittels AVO-Analysen (Amplitude Variation with Offset) untersucht, um die zugrundeliegenden Ursachen zu bewerten. Die Ergebnisse der Kartierung und der AVO-Analysen sollen für eine erste Volumenabschätzung des oberflächennahen Erdgases im deutschen Nordseesektor verwendet werden.

Abstract Shallow gas is considered as a potential energy resource which is to date not as commonly exploited as deep gas reservoirs. It is commonly defined as natural gas occurring within the first 1,000 meter below sea floor (mbsf). The occurrence and distribution of shallow gas in the German North Sea are investigated within the framework of the project “Geoscientific Potential of the German North Sea” (GPDN). Unlike in the Dutch North Sea sector, currently no shallow gas is extracted in the German North Sea. Larger gas reservoirs could conventionally produce. Small volumes of shallow gas might be extracted and burnt offshore for electricity generation and thus serve as backup for offshore wind farms to guarantee a continuous energy supply. However, the occurrence of shallow gas can also have adverse effects. The presence of gas might negatively alter subsoil properties. Thus, knowledge on the distribution of gas in the depth range relevant to the construction of foundations for wind plants is desirable. Our investigation in the German North Sea is based on seismic reflection data. In a first step, we mapped amplitude anomalies, so called “direct hydrocarbon indicators” (DHI). Secondly, an exemplary set of amplitude anomalies was chosen for AVO-analyses (Amplitude Variation with Offset) to identify the most likely cause for the particular observed amplitude anomaly.

The results of the DHI mapping and the AVO-analyses will be used for a first volume estimation of shallow gas in the German North Sea in the future.

Einleitung Im Rahmen des Projektes Geopotenzial Deutsche Nordsee werden grundlegende geologische Informationen ermittelt, die für die weitere Entwicklung dieses bereits intensiv genutzten Wirtschaftsraums genutzt werden können. Dieses Projekt wird gemeinsam von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), dem niedersächsischen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) und dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) durchgeführt. Ein Aspekt im Projekt ist die Untersuchung des Auftretens und der Verbreitung von oberflächennahem Erdgas im deutschen Nordseesektor. Als oberflächennahes Erdgas werden Vorkommen bis zu einer Tiefe von 1.000 m unterhalb des Meeresbodens bezeichnet. Untersucht wird es aus mehreren Gründen. Zum einen ist oberflächennahes Erdgas ein potentieller Energierohstoff. Größere Vorkommen werden beispielweise im niederländischen Nordseesektor (Abb. 1), kommerziell gefördert [1]. Darüber hinaus könnten oberflächennahe Erdgasvorkommen, die aufgrund geringer Volumina für eine konventionelle Förderung mit entsprechend aufwändiger Infrastruktur nicht in Frage kommen, als Energierohstoff zur Stromgewinnung in Gebieten nahe von Offshore-Windparks (Abb. 1) genutzt werden. Durch die Verbrennung des Erdgases auf See könnte der wetterbedingte Ausfall der Energieerzeugung während Flautephasen abgefedert werden und somit eine kontinuierliche Stromversorgung aus Windparkgebieten erfolgen. Eine weitere Motivation die Verteilung von oberflächennahem Erdgas zu untersuchen liegt daran, dass Erdgas im Porenraum die Baugrundeigenschaften negativ beeinflussen kann. Daher ist eine genauere Kenntnis der Verteilung von Erdgas in den Bereichen der Gründungstiefen von Windenergieanlagen wünschenswert..

Material und Methoden Für die Untersuchungen von oberflächennahen Erdgasvorkommen standen ca. 30.000 km reflexionsseismische 2D-Daten und etwa 4.000 km² 3D-Daten aus der deutschen Nordsee zur Verfügung (Abb. 2). Alle Datensätze waren in prozessierter Form, also als gestapelte und/oder migrierte seismische Daten verfügbar. Zusätzlich standen von einigen Datensätzen auch Rohdaten als Grundlage für AVO-Analysen zur Verfügung. Erhebliche Unterschiede in den Akquisitionsparametern, aber auch beim Processing resultieren in deutlichen Unterschieden hinsichtlich Eindringtiefe und Auflösung. Diese Untersuchungen sollen die Grundlage einer Abschätzung des Potentials von oberflächennahem Erdgas im deutschen Nordseesektor bilden. Der erste hier vorgestellte Schritt besteht in der Kartierung von Amplitudenanomalien, die auf Gas hinweisen. Um Hinweise in Form von Amplitudenanomalien verifizieren zu können, wurden exemplarisch an einzelnen seismischen Profilen AVO-Analysen durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sollen anschließend in die Berechnung des Volumens einfließen.

Ergebnisse Kartierung von Amplitudenanomalien Erdgas kann in seismischen Daten verschiedene Amplitudenanomalien hervorrufen (Abb. 3), die in der Exploration als direkte Anzeichen für Erdöl oder Erdgas (direct hydrocarbon indicator) gewertet werden können. Die am weitverbreitetsten Amplitudenanomalien, die auf

Erdgas hindeuten, sind die sogenannten bright spots. Diese zeichnen sich, im Vergleich zu umliegenden Reflektoren, durch hohe, negative Amplituden aus. Diese Phänomene in seismischen Daten sind mit der Änderung der Impedanz (Produkt aus seismischer Geschwindigkeit und Dichte) zu erklären. Normalerweise nimmt die Impedanz mit zunehmender Tiefe und der damit verbundenen zunehmenden Kompaktion zu. An einer Schichtgrenze liegt somit in der Regel ein positiver Impedanzkontrast vor, welcher sich in den seismischen Daten als Reflektor mit positiver Phase abbildet. Ändert sich die Porenfüllung und befindet sich in einigen Bereichen Erdgas anstelle von Wasser, nimmt die Impedanz ab. Eine Schichtgrenze mit einem solchen negativen Impedanzkontrast ist durch einen Reflektor mit negativer Phase charakterisiert. Der negative Impedanzkontrast wird auch an den lateralen Grenzen von einem gasführenden zu einem nicht gasführenden Bereich durch einen Phasenwechsel deutlich. Neben den bright spots wurden in den seismischen Daten aus dem deutschen Nordseesektor noch weitere Amplitudenanomalien, die auf Erdgas hinweisen können, gefunden. Hierzu zählen transparente Zonen, gas chimneys und velocity pull-downs. Akustisch transparente Zonen zeichnen sich durch einen Bereich deutlich abgeschwächter seismischer Amplituden aus. Dieses Phänomen kann sowohl durch Streuung oder Absorption der akustischen Signale an fein verteiltem Gas im Porenraum, als auch durch die nahezu vollständige Reflexion an einer Grenze zu einer gasführenden Schicht aufgrund des hohen Impedanzkontrastes verursacht sein. Die nahezu vollständige Reflexion ist vor allem an sehr hochfrequenten hydroakustischen Daten zu beobachten. Gas chimneys bilden sich in seismischen Daten als vertikale kaminartige Strukturen ab. Die Reflektoren innerhalb dieser Struktur weisen geringe Amplituden auf und zeigen vielfach ein chaotisches Muster. Diese Merkmale können durch den Aufstieg von (gashaltigen) Fluiden und die dadurch verursachte Zerstörung des ursprünglichen Sedimentgefüges erklärt werden. Im Zusammenhang mit anderen Amplitudenanomalien, die als Gasindikatoren gelten (bright spots etc.) sind auch velocity pull-downs kartiert worden. Die niedrigeren seismischen Geschwindigkeiten und somit längeren Laufzeiten von gasführenden Sedimenten im Vergleich zu wasserführenden Sedimenten führen zu einer scheinbaren Depression in zeitmigrierten seismischen Daten. Alle diese Amplitudenanomalien können, neben Erdgas im Porenraum auch durch Erdöl oder Lithologiewechsel, z.B. Kohle-, Torf- oder Tonlagen, verursacht werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, weiterführende Untersuchungen durchzuführen, mit denen sich die auftretenden Amplitudenanomalien hinsichtlich ihrer Ursache bewerten lassen. Die Kartierung von Amplitudenanomalien dient als Grundlage für weiterführende Untersuchungen hinsichtlich oberflächennaher Erdgasvorkommen (Abb. 4).

AVO-Analysen Um die Ursachen von Amplitudenanomalien qualitativ bewerten zu können, sind weitere Untersuchungen erforderlich. Hierfür eigenen sich beispielweise AVO-Analysen (Amplitude Variation with Offset). Diese wurden an ausgewählten seismischen 2D-Profilen durchgeführt. Bei AVO-Analysen wird die Änderung der Amplitude bei unterschiedlichen QuelleEmpfänger-Abständen in reflexionsseismischen Rohdaten untersucht. Hierfür muss im Voraus ein amplitudenerhaltenes Processing durchgeführt werden, um alle Störfaktoren zu minimieren, die die Amplituden beeinflussen. Aus der Art der Änderungen der Amplituden mit zunehmendem Quelle-Empfänger-Abstand können anschließend Hinweise auf die Ursachen der Amplitudenanomalien abgeleitet werden. Auf diese Weise kann abgeschätzt werden, ob z.B. ein Lithologiewechsel oder eine Änderung der Porenfüllung (z.B. Erdgas oder Erdöl) vorliegen könnten. Die exemplarischen AVO-Analysen ergaben, dass die kartierten Amplitudenanomalien nicht durchgehend durch Erdgas verursacht wurden. In einigen Fällen liegt die Interpretation eines Lithologiewechsel als Ursache nahe. In mehreren Fällen lässt sich aber auf Erdgas als Ursache schließen. Die Ergebnisse der Beispielprofile wurden auf einige andere Amplitudenanomalien in benachbarten Profilen übertragen, eine Aussage über alle Amplitudenanomalien lässt sich allerdings nicht treffen.

Ausblick: Volumenabschätzung Die hier beschriebenen Untersuchungen bilden die Grundlage einer Abschätzung der Mengen an flachem Erdgas im deutschen Nordseesektor. Für eine volumetrische Abschätzung des Potenzials des vorhandenen flachen Erdgases sind folgende Parameter notwendig, aus denen die zu erwartende förderbare Erdgasmenge errechnet werden kann: Fläche und Mächtigkeit von potentiellen Erdgasvorkommen, Porosität der gasführenden Sedimente, Gassättigung, Gasexpansionsfaktor und der Gewinnungsfaktor. Die Fläche wird auf der Basis der kartierten Amplitudenanomalien berechnet. Bei der Gasvolumenabschätzung werden die Amplitudenanomalien ausgeschlossen, bei denen die AVO-Analysen einen Lithologiewechsel als Ursache ergeben haben. Auch bright spots, die vermutlich durch Torfe verursacht wurden und gas chimneys, die zwar auf Erdgas hindeuten, aber ebenso auf undichte Fallenstrukturen, werden bei der Abschätzung nicht berücksichtigt. Weiterhin werden die Amplitudenanomalien ausgeschlossen, die aufgrund ihrer Größe wirtschaftlich nicht interessant sind, d.h. deren Ausdehnung auf ein Volumen < 1 km³ hindeutet [1]. Der Parameter Fläche bleibt trotz der hier beschriebenen Voruntersuchungen mit großen Unsicherheiten behaftet. Zum einen liegen in einem großen Teil der deutschen Nordsee nur 2D-Daten vor und somit konnten nicht alle Amplitudenanomalien flächig erfasst werden. Desweiteren wurden nicht alle Amplitudenanomalien durch AVO-Analysen verifiziert. Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass einige der Amplitudenanomalien auch durch Lithologiewechsel hervorgerufen worden sind. Außerdem lassen AVO-Analysen zwar qualitative aber keine quantitativen Ergebnisse zu, sodass auch Amplitudenanomalien mit einer sehr geringen Gassättigung von wenigen Prozent in die Berechnung einfließen. Die durchschnittlichen Werte für Mächtigkeit, Porosität, Gassättigung und Gewinnungsfaktor können aus verschiedenen bereits in Produktion befindlichen oberflächennahen Erdgasfeldern abgeschätzt werden, z.B. aus den Feldern im niederländischen Nordseesektor nahe der deutsch-niederländischen Grenze [1]. Dabei muss außerdem bedacht werden, dass alle Literaturwerte aus Erdgasfeldern stammen, die sich als wirtschaftlich erwiesen haben und aus denen bereits gefördert wird. Daraus ergibt sich, dass dieses Verfahren der Volumenabschätzung mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Überschätzung der Erdgasmenge führt [1]. Da die einzusetzenden Werte mit großen Unsicherheiten behaftet sind, soll eine Monte-Carlo-Simulation durchgeführt werden, mittels derer eine Wahrscheinlichkeitsverteilung des zu erwartenden Erdgasvolumens im Untersuchungsgebiet erstellt wird. Auf der Basis dieser Arbeiten kann durch zukünftige Untersuchungen die Volumenabschätzung weiter präzisiert werden.

Zusammenfassung Im gesamten deutschen Nordseesektor im Tiefenbereich bis 1.000 m unterhalb des Meeresbodens konnte eine Vielzahl verschiedener Amplitudenanomalien in seismischen Daten identifiziert und kartiert werden. Exemplarische AVO-Analysen ergaben teilweise Erdgas aber auch Lithologiewechsel als Ursache für die untersuchten Amplitudenanomalien. Diese Ergebnisse an exemplarisch ausgewählten Profilen lassen sich auch auf einige andere Amplitudenanomalien übertragen, so dass einige kartierte Amplitudenanomalien bei der Volumenabschätzung ausgeschlossen werden können. Für eine Aussage über die Ursache aller kartierten Amplitudenanomalien, müssten allerdings weitere Untersuchungen durchgeführt werden. Somit sollen die hier ermittelten Daten eine Grundlage für eine erste, vorläufige Volumenabschätzung von oberflächennahem Erdgas in der deutschen Nordsee bilden.

Danksagung Wir bedanken uns bei der RWE Dea AG für die finanzielle Unterstützung des Projektes.

Referenzen [1] Muntendam-Bos, A. G., Wassing, B. B. T., Heege, J. H. t., Bergen, F. v., Schavemaker, Y. A., Gessel, S. F. v., Jong, M. L. d., Nelskamp, S., Thienen-Visser, K. v., Guasti, E., Belt, F. J. G. v. d., and Marges, V. C., Inventory non-conventional gas, 188 Seiten, (2009). TNO, Utrecht. [2] http://www.bsh.de/de/Meeresnutzung/Wirtschaft/CONTIS-Informationssystem/index.jsp

Abb. 1: Windparks in der deutschen Nordsee und oberflächennahe Erdgasfelder in der niederländischen Nordsee (Erdgasfelder: [1]; Windparks: [2]).

Abb. 2: Als Datengrundlage standen für die Kartierung ca. 30.000 km seismische 2D-Daten (blaue Linien) und etwa 4.000 km² seismische 3D-Daten (gelbe Flächen) zur Verfügung.

Abb. 3: Beispiele für verschiedene Amplitudenanomalien in seismischen Daten aus dem deutschen Nordseesektor.

Abb.4: Lage der kartierten Amplitudenanomalien. Bright spots (grün), bright spots durch Torfe verursacht (dunkel blau), akustisch transparente Zonen (pink), gas chimneys (rot), velocity pull-downs (hellblau).

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