Seminararbeit im Fach Geld und Kredit

Westfälische Wilhelms-Universität Münster Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Monetäre Ökonomie Seminararbeit im Fach Geld und Kredit T...
Author: Adam Heintze
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Westfälische Wilhelms-Universität Münster Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Monetäre Ökonomie

Seminararbeit im Fach Geld und Kredit Thema: Ursachen für eine zunehmende Schattenwirtschaft

Themensteller: Betreuer:

Prof. Dr. Martin T. Bohl Dipl.-Volkswirt Christian Salm

Vorgelegt von:

Walter-Johannes Spöhring

Email:

[email protected]

Abgabedatum:

04.10.2010

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis......................................................................................... I Tabellenverzeichnis ........................................................................................... II Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................... III 1.

Einleitung .................................................................................................... 1

2.

Definition, Umfang und Entwicklung von Schattenwirtschaft ................... 1

3.

Ursachen für wachsende Schattenwirtschaft ............................................... 3

3.1.

Steuern und Abgaben ............................................................................... 5

3.2.

Soziale Transferleistungen ....................................................................... 6

3.3.

Arbeitsmarktstruktur ................................................................................ 7

3.4.

Sonstige Ursachen.................................................................................... 9

4.

Fazit ........................................................................................................... 10

Literaturverzeichnis .......................................................................................... IV

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Die Volkswirtschaft als Dual Economy.…….……...……. 2 Abbildung 2: Das gefangen Dilemma des Steuerzahlers……………….. 4

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Umfang und Entwicklung der Schattenwirtschaft ….............. 3

Abkürzungsverzeichnis i.e.S.:

im engeren Sinne

i.w.S.:

im weiteren Sinne

OECD

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

1

1. Einleitung Die Idee, Steuern zu umgehen, ist vermutlich genau so alt wie die der Steuererhebung selbst, und so ist Schattenwirtschaft ein Teil der Volkswirtschaft. Schattenwirtschaft ist ein Phänomen, welches die Finanzierungsbasis eines jeden öffentlichen Haushalts bedrohen kann. Schätzungen gehen von einer Höhe von über 20% des BIP in manchen europäischen Staaten aus.1 In der Wissenschaft wird das Thema kontrovers diskutiert. Dies liegt vor allem an den erheblichen Unterschieden in den Ergebnissen im Bezug auf den Umfang. Durch das weltweite Wachsen der Schattenwirtschaft ist die Politik gefordert, sich dem Problem zu stellen und mit effektiven Mitteln für eine Verbesserung der Situation zu sorgen. Ziel dieser Arbeit ist es, die Gründe für das Wachstum von Schattenwirtschaft zu untersuchen. Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung stehen dabei im Fokus. In Kapitel zwei findet sich neben einer Definition der Schattenwirtschaft ein Überblick über den Umfang und die Entwicklung der Schattenwirtschaft. Kapitel drei beschäftigt sich analytisch mit den Gründen von wachsender Schattenwirtschaft. Den Abschluss der Arbeit bildet Kapitel vier mit einem Fazit.

2. Definition, Umfang und Entwicklung von Schattenwirtschaft Im Zusammenhang von Schattenwirtschaft spricht man von einer „Dual Economy“. Sie setzt sich aus der offiziellen Wirtschaft, in der Steuern entrichtet werden, und der Schattenwirtschaft zusammen, die in einer Konkurrenzbeziehung zueinander stehen.2 Schattenwirtschaft ist nicht einheitlich definiert. In dieser Arbeit wird die SchattenWirtschaft im engeren Sinne analysiert. Sie umfasst Schwarzarbeit und andere Arten der Steuerhinterziehung sowie den Schwarzmarkt. Ausgeschlossen ist die SelbstversorgungsWirtschaft. Sie ist Teil der Schattenwirtschaft im weiteren Sinne. Bei Schwarzarbeit handelt es sich um Dienstleistungen, welche prinzipiell in der offiziellen Wirtschaft erwünscht sind, die jedoch mit dem Ziel der Steuerumgehung nicht dem Finanzamt gemeldet werden. Der Schwarzmarkt umfasst Transaktionen, die vom Staat entweder generell verboten sind (z.B. Drogenhandel) oder zumindest der Vermeidung von staatlicher (Steuer-) Regulierung dienen. Dies ist z.B. der Handel von illegal importierten, unverzollten Zigaretten.3

1

Vgl. Schneider/Feld (2010), S. 134. Vgl. Tillmann (2009), S. 93ff. 3 Vgl. Schneider/Enste (2000a), S. 5ff. 2

2

Öffentliche Wirtschaft

Offizieller Sektor

Privatwirtschaft Volkswirtschaft ("Dual Economy") Schattenwrtschaft i.e.S.

Schattenwirtschaft i.w.S.

Selbstversorgungswirtschaft

Abbildung 1: Die Volkswirtschaft als Dual Economy.4

Die Bestimmung des Umfangs der Schattenwirtschaft in einer Volkswirtschaft ist schwierig. Die zum Teil komplexen Erfassungsmethoden sind mit vielen Prämissen behaftet und liefern stark unterschiedliche Daten. Die so generierten Daten dienen auch als Grundlage staatlichen Handelns. Ein Abweichen vom tatsächlichen Umfang der Schattenwirtschaft birgt somit die Gefahr in sich, die Politik zu unangemessenen Fehlentscheidungen zu bewegen, die die Situation weiter verschlechtern können. In diesem Fall spricht man von Staatsversagen.5 In der folgenden Tabelle ist der Umfang sowie die Veränderung des Umfangs der Schattenwirtschaft zwischen 1989 und 2007 für eine Auswahl von Mitglieds-Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) dargestellt. Diese Länder gelten als entwickelte Staaten und sind von Entwicklungsländern zu unterscheiden. Der Umfang der Schattenwirtschaft ist wie allgemein üblich als Anteil am Bruttoinlandsprodukt angegeben. Die Zahlen wurden mittels Geldnachfrage- und MIMIC-Ansatz berechnet. Die Auswahl der Staaten ist repräsentativ.

4 5

Vgl. Schneider/Enste (2000a), S. 6. Vgl. Koch (2007), S. 165ff.

3

Umfang der Schattenwirtschaft Veränderung der 1989

2007

Schattenwirtschaft

(in % des BIP)

(in % des BIP)

(in Prozentpunkten)

Dänemark

10,8

14,6

+ 3,8

Deutschland

11,8

14,6

+ 2,8

Norwegen

14,8

15,4

+ 0,6

Österreich

10,1

10,7

+ 0,6

Schweden

15,8

15,7

- 0,1

Schweiz

6,7

8,2

+ 1,5

USA

6,7

7,2

+ 0,5

Staat

Tabelle 1: Umfang und Entwicklung der Schattenwirtschaft.6 Ein Großteil der Publikationen zur Schattenwirtschaft stammen von Friedrich Schneider, der als ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet gilt. Durch seine zahlreichen Publikationen und sein internationales Renommee genießt er Beachtung bei Politikern und Medien, die seine Argumente und besonders seine Zahlen zu ArgumentationsZwecken nutzen. Als Vertreter der Public-Choice-Theorie ist Schneider jedoch nicht unumstritten. Kritiker werfen ihm handwerkliche Fehler bei seinen Analysen vor und sprechen von systematisch zu hohen Ergebnissen. Auch warnen sie vor der Entstehung eines Meinungsmonopols und einer somit einseitigen Betrachtung des Themas in der öffentlichen Diskussion.7

3. Ursachen für wachsende Schattenwirtschaft Die Entscheidung zur Steuerhinterziehung kann entweder psychologisch oder ökonomisch motiviert sein. Diese Arbeit widmet sich aus Gründen des limitierten Umfangs den vornehmlich ökonomischen Ursachen der Schattenwirtschaft. Dies soll jedoch keine Wertung der Wichtigkeit der Aspekte darstellen.8 Aus ökonomischer Sicht betrachtet befindet sich ein Steuerzahler in einem GefangenenDilemma, wie es aus der Spieltheorie bekannt ist. In diesem Spiel wird ein Staat mit nur zwei Steuerpflichtigen Individuen betrachtet, den beiden Spielern. Ihre individuellen Handlungsalternativen sind „zahlen“ und „nicht zahlen“ von Steuern. Der jeweilige 6

Vgl. Schneider/Feld (2010), S. 134. Vgl. Graf (2008), S. 103ff. 8 Vgl. Slemrod (2007), S. 25ff. 7

4

Gesamtnutzen eines Spielergebnisses ergibt sich jeweils aus der Summation der beiden Individualnutzen. Durch das Entrichten von Steuern wird der Nutzen eines Spielers gemindert und durch den Konsum von öffentlichen Gütern wird er erhöht. Eine Geldeinheit an Steuerzahlungen stiftet einen Nutzen im Konsum der größer als eins ist. Güter werden in der Menge der eingenommenen Steuern bereitgestellt. Den höchsten Nutzen empfindet ein Spieler, wenn er selbst keine Steuern zahlt, jedoch der Gegenspieler dies tut. Er hat einen Nutzen durch den Konsum, aber keinen negativen Nutzeneinfluss durch das Entrichten von Steuern. Für den Gegenspieler ist der Nutzen negativ. Er hat einen negativen Nutzeneinfluss durch das Entrichten von Steuern, aber nur einen geringen positiven Nutzen durch den Konsum, schließlich muss er den Konsum mit dem andere Spieler teilen. Kennt ein Spieler das Kalkül seines Gegenspielers, so wird er seine eigenen Entscheidung davon abhängig machen. In diesem Beispiel würde es bedeuten, dass Spieler 2 keine Steuern zahlt, wenn er erwartet, dass Spieler 1 keine Steuern zahlt. Das Nash Gleichgewicht ist also eine Situation in der beide Spieler keine Steuern entrichten, und in Folge dessen der Zusammenbruch des Staates droht.9 Der einzige Ausweg besteht in der Änderung der Auszahlungsprofile der Spieler. Durch eine Kontrolle der Steuerzahlung und einer Strafe im Falle von nicht entrichteter Steuer kann dieses erreicht werden. Der negative Nutzen im Falle des Entdecktwerdens muss den positiven Nutzen einer Steuerhinterziehung überwiegen. Das Nash-Gleichgewicht ist dann die Situation, in der beide Spieler Steuern zahlen.10 Spieler 2 zahlen

nicht zahlen

zahlen

5 + 5 = 10

-5 + 7 = 2

nicht zahlen

7-5=2

0+0=0

Spieler 1 Abbildung 2: Das gefangen Dilemma des Steuerzahlers. Die beschriebene Wirkung der Bestrafung wurde von Cebula empirisch für die USA bestätigt. Er unterscheidet zwischen Kontrollhäufigkeit sowie der Strafzahlungshöhe im Falle einer Entdeckung. Eine geringere Kontrollhäufigkeit kann durch eine höhere Strafe im Falle der Überführung teilweise kompensiert werden. Da die Überprüfung jedoch Kosten verursacht und der Grenzerlös, der durch eine weitere Kontrolle generiert wird, 9

Vgl. Allingham/Sandmo (1972), S. 324ff. Vgl. Richter (2009), S. 71ff.

10

5

ab einem bestimmten Punkt negativ ist, kann das vollständige Unterbinden von Schattenwirtschaft kein ökonomisch sinnvolles Ziel politischen Handelns sein. Vielmehr geht es um die Durchsetzung eines für die Wohlfahrt optimalen Niveaus an Schattenwirtschaft unter Berücksichtigung der Kontrollkosten.11

3.1. Steuern und Abgaben Der wichtigste Einflussfaktor der Schattenwirtschaft ist die Belastung der Arbeitnehmer durch Steuern und Sozialabgaben. Die Verschuldung von Staaten hat sich in vielen Ländern nicht zuletzt wegen der jüngsten ökonomischen Entwicklung und der damit verbundenen Konjunktur-Stimuli stark erhöht. Durch eine Erhöhung von Steuersätzen und der Einführung neuer Steuern hoffen die Staaten auf höhere Einnahmen zur Deckung der Staatsfinanzen. Während die Entrichtung von Beiträgen der Rentenversicherung zu einer späteren Auszahlung und somit zu Nutzen führt, erhält man für andere Abgaben wie z.B. Lohnsteuer oder Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung keine Leistung, deren Umfang in Abhängigkeit zu der Höhe der geleisteten Zahlungen steht. Es besteht also ein Anreiz der Hinterziehung. Die Erhöhung der Abgabenlast öffnet die Schere zwischen dem Lohn in der offiziellen Wirtschaft und der Schwarzarbeit. Ein Individuum wird seine Allokationsentscheidung zwischen der in der offiziellen Wirtschaft und in der Schattenwirtschaft angebotenen Arbeitskraft überdenken und möglicherweise einen größeren Anteil seiner Arbeitskraft in der Schattenwirtschaft anbieten.12 Neben der reinen Höhe des Steuersatzes ist es auch Wert, einen Blick auf die Art der Steuer zu werfen. So ist der Einfluss direkter Steuern auf die Schattenwirtschaft offenbar größer als der von indirekten. Eine direkte Steuer ist z.B. die Lohnsteuer, sie kann durch das Abwandern in die Schattenwirtschaft relativ leicht umgangen werden. Ihre Wirkung auf die Höhe des erhobenen Steuervolumens dürfte deshalb verhältnismäßig gering sein. Indirekte Steuerabgaben sind hingegen oftmals schwer zu umgehen. So kann z.B. Benzin nur an Tankstellen gekauft werden, und die Überwachung der Steuerzahlung ist für den Staat relativ einfach. Geschätzte 2/3 des in der Schattenwirtschaft erwirtschafteten Einkommens fließen unmittelbar in die offizielle Wirtschaft zurück, durch eine indirekte Steuer kann auch dies besteuert werden.13

11

Vgl. Cebula (1997), S. 173ff. Vgl. Schneider/Enste (2000b), S. 82ff. 13 Vgl. Hill/Kabir (1996), S. 1554ff. 12

6

Schneider und Neck stellten fest, dass ein komplexes Steuersystem ceteris paribus zu einer Reduzierung der Schattenwirtschaft führen kann. Der Grund liegt in implizierten legalen Steuerumgehungsmöglichkeiten durch Ausnahmeregelungen. Diese verändern das Entscheidungskalkül eines Individuums. Die Alternative zur Arbeit in der offiziellen Wirtschaft ist nun nicht mehr das Abwandern in die Schattenwirtschaft sondern die Suche nach legalen Möglichkeiten, um Steuern zu sparen. Dies verursacht jedoch Transaktionskosten in Form von Zeit, die für die Suche aufgebracht wird (oder Kosten, die durch die Beauftragung eines Experten entstehen). Das Risiko eines negativen Nutzens durch eine Strafzahlung wird jedoch vermieden.14 Vertreter der Public-Choice Theorie sehen zudem eine Art Abstimmungsverhalten in der Entscheidung, schwarz zu arbeiten. Unterstützt ein Individuum ein Steuersystem nicht, so kann es entweder demokratisch an der Veränderung der gesetzlichen RahmenBedingungen mitwirken oder die so genannte „Exit Strategie“ wählen. Also durch stillschweigendes Einstellen der Steuerzahlungen durch z.B. Schwarzarbeit dem Staat die Unterstützung entziehen. Durch die Gefährdung der Finanzierungsbasis des StaatsHaushalts ist der Staat somit gezwungen zu reagieren und die Bedürfnisse der Steuerhinterzieher zu bedienen.15

3.2. Soziale Transferleistungen Soziale Transferleistungen umfassen unter anderem die Arbeitslosenversicherung, Grundsicherung, Rentenversicherung und Krankenversicherung. Sie dienen dem Schutz des Einzelnen, indem sie helfen, individuelle Risiken abzusichern. Neben diesen statischen Eigenschaft ergeben sich jedoch auch dynamische Anreizwirkungen. In Folge des geringeren Nutzenverlust im Schadensfall kann die Risikoaversion des Einzelnen abnehmen und somit zu einem größeren Gesamtschaden führen. Das Problem besteht bei allen Arten von Versicherungen, kann jedoch durch geeignete Gegenmaßnahmen eingegrenzt werden. Zudem verstärkt eine höhere Transferleistungen den Anreiz, dieses auszubeuten. Eine Reduzierung der Leistung mindert den Effekt, kann jedoch die Existenz des Einzelnen gefährden. Die Festlegung einer optimalen Höhe an Transferleistungen kann nicht rein ökonomisch fest gelegt werden, sondern bedarf normativer Klärung. Durch eine Selbstbeteiligung im Falle einer Schadensregulierung

14 15

Vgl. Schneider/Neck (1993), S. 344ff. Vgl. Schneider/Enste (2000b), S. 77f.

7

kann die Risikoaversion der versicherten Person erhöht und die Schadenssumme gesenkt werden. Diese Praxis ist in der privaten Versicherungswirtschaft üblich. Das Mittel der Selbstbeteiligung ist für soziale Sicherungssysteme jedoch nur begrenzt einsetzbar, denn durch eine hohe Selbstbeteiligung sinkt wiederum die Wirksamkeit des VersicherungsSchutzes. Soziale Sicherungssysteme sind regelmäßig Opfer von Missbrauch. Das System kann ausgebeutet werden, indem man eine Transfairleistung zu Unrecht bezieht. Ein Arbeitnehmer kann sich beispielsweise krank melden, obwohl er in der Lage ist zu arbeiten. Durch die Krankmeldung hat er Freizeit und die Möglichkeit einer alternativen Beschäftigung nachzugehen. Aufgrund einer hohen Entdeckungswahrscheinlichkeit in der offiziellen Wirtschaft kann er seine Arbeitskraft nur in der Schattenwirtschaft anbieten. Der Staat wird in diesem Fall doppelt geschädigt: Einmal durch den Missbrauch der Sozialleistung und das zweite Mal durch das Hinterziehen der Steuer.16 Missbrauchsmöglichkeiten gibt es auch bei der Arbeitslosenversicherung. Zwar besteht die Möglichkeit, trotz des Bezugs der Transferleistung in geringem Umfang in der offiziellen Wirtschaft, also legal, zu arbeiten, der Zuverdienst wird in der Regel mit dem Arbeitslosengeld verrechnet. Für das Entscheidungskalkül des Individuums ist der Grenzsteuersatz auf eine zusätzliche marginale Arbeitseinheit das entscheidende Kriterium. Dieser liegt oft bei 100%. Ein arbeitslos gemeldetes Individuum mit 400 Euro Arbeitseinkommen, erfährt eine Kürzung seines Arbeitslosengeldes im gleichem Umfang. Ein Anreiz für eine Arbeitsaufnahme in der offiziellen Wirtschaft besteht also aus statisch-ökonomischer Sicht nicht. Erst eine umfangreichere Beschäftigung wäre ökonomisch vorteilhaft. Die Aufnahme einer Vollzeit-Beschäftigung kann aber von Individuum nicht gewünscht sein.17

3.3. Arbeitsmarktstruktur Ein Arbeitsmarktes wird durch zwei Kernelemente geprägt. Zum einen durch die Arbeitnehmer der Eigenschaften und zum anderen durch das staatliche Umfeld. Die Situation in entwickelten Ländern ist grundlegend anders als in Entwicklungsländern. Eine getrennte Betrachtung beider Fälle ist also erforderlich, um die WirkungsMechanismen untersuchen zu können.

16 17

Vgl. Schneider und Enste (2000b), S. 86. Vgl. ebd., S. 86.

8

In entwickelten Ländern fördern hohe Arbeitskosten aufgrund von hohen LohnNebenkosten Arbeitslosigkeit. Es kann davon ausgegangen werden, dass der produktivere Teile der Arbeitskräfte eher Beschäftigung findet, während unproduktivere Arbeitnehmer häufiger arbeitslos sind. Grund dafür ist, dass die Grenzproduktivität der Arbeitnehmer den Lohn determiniert. Zudem droht ein eventuell bestehender gesetzlicher Mindestlohn weitere Arbeitnehmer aus dem Arbeitsmarkt zu drängen, deren Produktivität unter dem gesetzlich festgeschriebenen Niveau des Mindestlohns liegt. Viele europäische Länder haben durch gesetzliche Regelungen die Arbeitszeit reduziert. Zusätzliche Einstellungen führten in Folge dessen zu einer Reduzierung der Arbeitslosenquote. Doch manche Arbeitnehmer würden gerne länger arbeiten, als sie in der offiziellen Wirtschaft dürfen. Sie stehen vor der Alternative, sich einen zweiten Arbeitsplatz in der Schattenwirtschaft zu suchen. Ein ähnlicher Effekt ergibt sich auch für Frühverrentungsregelungen.18 In Entwicklungsländern ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt grundlegend anders. Das Niveau der Schattenwirtschaft liegt oftmals weit über dem von entwickelten Ländern. Durch unterfinanzierte Staatshaushalte und Korruption mangelt es an wirksamen Einrichtungen zur Steuerbekämpfung. 19 Das Wertschöpfungspotential vieler Bewohner von

Entwicklungsländern

ist

aufgrund

geringer

Bildung

und

geringer

Kapitalverfügbarkeit niedrig. Viele Individuen sind selbstständig tätig, entweder alleine oder als Teil eines Familienunternehmens. Würde ein Individuum von seinem ohnehin geringen Einkommen Steuern abführen, so würde dieses vermutlich seine Existenz bedrohen. In der Arbeitsmarkttheorie gibt es ein Konzept, nach dem sich Individuen in der Schattenwirtschaft wirtschaftlich entwickeln, was aufgrund der hohen Kosten in der offiziellen Wirtschaft nicht möglich wäre. Anschließend wechseln sie in die offizielle Wirtschaft. Durch die spätere Steuerzahlung soll der zuvor entstandene Steuerschaden kompensiert werden und sich die Volkswirtschaft somit insgesamt entwickeln können. Ob das funktioniert ist fragwürdig. Empirische Untersuchungen konnten diese Theorie bisher nicht bestätigen.20

18

Vgl. Schneider/Enste (2000b), S. 87. Vgl. Albrecht/Navarro/Vroman (2007), S. 1105ff. 20 Vgl. Pratap/Quintin (2006), S. 1817ff. 19

9

3.4. Sonstige Ursachen Durch

das

Erlassen

von

gesetzlichen

Regelungen

schränkt

der

Staat

die

Handlungsfreiheit des Einzelnen ein. Dies geschieht mit dem Ziel einer Zunahme der gesellschaftlichen Wohlfahrt.21 Die Wahrscheinlichkeit, mit seinem Handeln gegen ein Gesetzt verstoßen zu können, ist prinzipiell größer, wenn es viele Verbote gibt. Arbeitnehmer, die Ihre Tätigkeit in der offiziellen Wirtschaft ausgeübt haben, können durch neue Gesetze gezwungen werden in die Schattenwirtschaft abzuwandern. Das Erlassen neuer Gesetze und Regelungen ist aber vermutlich auch auf Individualinteressen beteiligter Entscheidungsträgern in der Politik zurück zu führen. Es besteht die Gefahr, dass Regierungen das Erlassen neuer Gesetze der Durchsetzung bestehender vorziehen. Ein Grund besteht in der Öffentlichkeitswirksamkeit eines neuen Gesetzes und der damit verbundenen höheren Popularität, wodurch sich die Regierung bessere Chancen zur Wiederwahl erhofft. Ein anderer Grund ist, dass zur Durchsetzung neuer Gesetze oftmals neue Behörden gegründet oder in bestehenden Behörden die Mitarbeiterzahl erhöht wird. Dies führt zu einer größeren Macht der Regierung.22 Eine empirische Untersuchung beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen der Anzahl an Gesetzen in einem Staates sowie dem Umfang von Schattenwirtschaft. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Anzahl der Gesetz mit dem Umfang der Schattenwirtschaft positiv korreliert ist. Der Grund sei, dass durch das erlassen neuer Gesetzte Einschränkungen entstehen und in Folge dessen die Arbeitskosten steigen. Im Bezug auf Steuereinnahmen merken die Autoren an, dass die tatsächliche geleistete Steuerzahlung nicht nur von den Regelungen selbst sondern vor allem von ihrer Durchsetzung abhängen. Es empfiehlt sich daher für Staaten, weniger Regelungen zu erlassen, diese aber konsequent durchzusetzen. Eine andere Ursache von Schattenwirtschaft betrifft die Bereitstellung von öffentlich Gütern. Sie umfassen z.B. Infrastruktur, rechtliche- und physische Sicherheit sowie Bildungsdienstleistungen eines Staates und werden durch Steuern finanziert. Entziehen sich Individuen der Finanzierung dieser Güter, indem sie keine Steuern mehr zahlen, schrumpft die Finanzierungsbasis des Staates. Der Staat kann versuchen, das SteuerAufkommen zu erhöhen, oder muss die Menge bzw. Qualität der öffentlichen Güter

21

Ein Beispiel ist eine höhere Qualität von Handwerksdienstleistungen, die durch den Meisterzwang im Handwerk erreicht wird. 22 Vgl. Schneider/Enste (2000b), S. 85f.

10

reduzieren. Reagiert er nicht, so kann dieses zum Staatsbankrott oder der Flucht des Staates in hohe Inflation führen. Sowohl eine Steuererhöhung als auch die Reduzierung der bereitgestellten öffentlichen Güter führen dazu, dass die noch verbliebenen Steuerzahler ein schlechteres Verhältnis zwischen entrichteter Steuermenge und nutzbaren öffentlichen Gütern haben. Es besteht die Gefahr von steigender Unzufriedenheit unter den Steuerzahlern sowie einer daraus folgenden weiter fallender Akzeptanz des herrschenden Systems.23 Sinkt die Anzahl der Steuerzahler in Folge dessen weiter, so setzt sich eine Negativbewegung in Gang die nur sehr schwer kontrolliert werden kann. Einmal gewachsene schattenwirtschaftliche Strukturen sind nur schwer zu bekämpfen.24

4. Fazit Die Zahlen in Kapitel zwei zeigen, dass Schattenwirtschaft in vielen Staaten ein erhebliches Ausmaß hat. Die Tendenz zu immer höheren Niveaus an Schattenwirtschaft zwingen Staaten, Auswege zu finden. Nicht nur die entstehenden Steuerausfälle selbst sind bedrohlich, auch eine schwindende Akzeptanz des Systems birgt die Gefahr einer weiteren Verschlechterung der Situation. Durch eine weiter sinkende Steuermoral in sich. Neben einer effektiven Durchsetzung bestehender Gesetze sind Änderungen an Sozialund Steuersystemen unabdingbar. Bestehende Steuersysteme sollten auf Effizienz und Umgehungssicherheit geprüft werden. Sozialsysteme müssen weniger Angriffsfläche für Missbrauch bieten. Auch Regeln zu den Zuverdienstmöglichkeiten von Arbeitslosen sollten verbessert werden. Vor allem Staaten mit hoher Schuldenlast befinden sich in einer schwierigen Situation. Das Erhöhen von Steuern, das Reduzieren von Leistungen, das Herbeiführen einer Inflation oder die Fortführung der aktuellen Politik bergen für Staaten mit viel Schattenwirtschaft das Potential einer Abwärtsspirale, aus der es schwer ist auszubrechen. Dennoch sollten auch Staaten mir relativ kleiner Schattenwirtschaft sich intensiv dem Problemen stellen, denn wenn Schattenwirtschaft erst einmal anwächst, so ist es schwer diese zu bekämpfen.

23

Im Beispiel des Gefangenendilemmas würde es bedeuten, dass der empfundene Nutzen durch den Konsum von öffentlichen Gütern sinkt, da die Menge der öffentlichen Güter sinkt. In Folge dessen besteht die Gefahr, dass sich das Nash-Gleichgewicht verschiebt und zwar zu dem Spielergebnis in dem beide Spieler keine Steuern zahlen. 24 Vgl. Schneider/Enste (2000b), S. 87f.

IV

Literaturverzeichnis Albrecht, J., Navarro, L. & Vroman, S. (2009), The Effects of Labor Market Policies in an Economy with an Informal Sector, The Economic Journal, Band 119, Heft 539, S. 1105–1129. Allingham, M. G. & Sandmo, A. (1972), Income tax evasion: a theoretical analysis, Journal of Public Economics, Band 1, S. 323-338. Cebula, R. J. (1997), An Empirical Analysis of the Impact of Government Tax and Auditing Policies on the Size of the Underground Economy: The Case of the United States, 1993–94, American Journal of Economics and Sociology, Band 56, Heft 2, S. 173–185. Graf, G. (2007), Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Schwarzarbeit, List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik, Band 33, Heft 2, S. 106-128. Hill, R. & Kabir, M. (1996), Tax Rates, the Tax Mix, and the Growth of the Underground Economy in Canada: What Can We Infer?, Canadian Tax Journal / Revue Fiscale Canadienne, Band 44, Heft 6, S. 1552-1583. Koch, W. (2007), Zum Umfang der Schwarzarbeit in Deutschland, List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik, Band 33, Heft 2, S. 153-172. Pratap, S. & Quintin, E. (2006), Are Labor Markets Segmented in Argentina? A Semiparametric Approach, European Economic Review, Band 50, Heft 7, S. 1817-1841. Richter, W. F. (2009), Geplante Steuerhinterziehung und ihre effiziente Bestrafung, Schriften des Vereins für Socialpolitik N.F., Band 324, S.67-92. Schneider, F. & Enste, D. H. (2000a), Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit – Umfang, Ursachen,

Wirkungen

und

wirtschaftspolitische

Empfehlungen,

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V

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