„Selbst ist die Frau!“ - ERSTER TEIL Von der Geschichtslüge der Emanzipation und der sexuellen Revolution – wie die Industrie den Frauen die Unterdrückung ihrer Bestrebungen als Befreiung und sozialen Erfolg zurückspiegelt und ihre seelischkörperliche Identität durch eine Identität als Konsumentin ersetzt

Wer es mit dem Anspruch von Emanzipation zu tun hat, hat es nicht nur mit der mit kaum noch recht zu durchdringenden und kaum je aufzulösenden Instrumentalisierung des Befreiungskampfes der Frauen aus der ihnen von der Gesellschaft zuerdachten Rolle und den daraus resultierenenden Zwängen durch die Industrie zu tun, sondern auch mit einer merkwürdig gestillt-zufriedenen Haltung von Frauen, deren Fügung in ihre Instrumentalisierung sich schon beim Umgang mit dem Begriff der Emanzipation selbst als den Zwängen erlegen und der Propaganda adäquat offenbart. Was als Ausdruck des neuen Selbstverständnisses und Selbstbewusstsein gelten soll, gibt objektiv Anlass zur Sorge und lässt tief blicken. Die als bloßes Wortspiel gedachte, sich des Gleichklangs der Worte bedienend, fast schon zur emanzipatorischen Attitüde gewordene und als Statussymbol avancierte notorisch falsche Schreibweise des Begriffes

„Emanzipation“ mit zwei „n“ („Emannzipation“, auch in der Variante „eMANNzipation“ anzutreffen nach dem Film von Müller-Dorn) ist beinahe schon zur Norm der weithin von Gesellschaft und Industrie ausgetauschten Identität von Frauen geworden, die sich in jener Schreibung emphatisch sich selbst und ihren Zielen verpflichten, während sie in Wahrheit ihre Selbstverpflichtung an das Wortspiel abgeben, das ihnen die Erfüllung ihrer Ziele bloß vorbuchstabiert und sie damit mit dem Wortspiel gegen sich selbst der Gesellschaft verpflichtet. Nicht nur unterdrückt die als Etymologie ad hoc zu bezeichnende orthographische Variante das Interesse, sich der tatsächlichen Etymologie zu versichern, so dass für nicht wenige Frauen die Falschschreibung als erzwungen erstrebte Herleitung schon längst auf die Bedeutung des Wortes übergegangen ist, als ob sich „Emanzipation“ tatsächlich von „Mann“ herleiten ließe; sondern sie ist als Indiz der unbewusst akzeptierten Abwendung der Frauen von ihrem ursprünglichen Ziel zu durchschauen und darzulegen. Das Wortspiel verschiebt den Anspruch, die Befreiung der Frau tatsächlich im Konkreten zu leisten, auf das Abstraktum des Wortspiels, das die Veränderung der Gesellschaft durch die bloß orthographische Veränderung ersetzt und dadurch objektiv verwehrt, gleichsam auf die Zeit nach dem Ende der Menschheit aufschiebt. Dabei bedient das Wortspiel geschickt die Volkspsychologie „wer etwas verändern will, muss im kleinen beginnen.“ Damit aber verkehrt die Volkspsychologie geschickt das Verhältnis von Ersterem und Letzterem und nährt zudem den Volksglauben, dass sich jede Veränderung

immer von der Einzelerscheinung zum umfassenden, komplexeren Bewegung entwickele und verwirkliche: der naive Glaube an die Konstanz jedes Prozesses, die Projektion der Bewegung als Entwicklung in steten Schritten, eben die berühmten kleinen Schritte. Denn das Wortspiel steht nicht am Anfang eines Prozesses, sondern an dessen Ende, nachdem er kaum je einsetzte, es sei denn als geschickte Inszenierung; das Wortspiel ersetzt den Prozess nachgerade. Das Wortspiel verändert nicht die Gesellschaft, sondern nur die Entschlossenheit der Bewegung zu gestillter Selbstzufriedenheit. Der Begriff des Fortschritts greift diesen Glauben geschickt auf und psychologisiert ihn für die Massen. Die von der Veränderung Beseelten, Frauen jedes gesellschaftlichen Standes, sollen von der kleinen auf die große Veränderung als dahinterstehend und bereits geleistet schließen und im selben Moment die kleine Veränderung für sich aufwerten, um in der Beseelung der kleinen Veränderung die große bereits erleben zu können und nach der großen, eigentlichen, gesamtgesellschaftlichen Veränderung nicht weiter nachzufragen. Das Wortspiel entschädigt sie für ihre von der Gesellschaft insgesamt versagte wahrhafte Befreiung und Karriere, zunächst im umfassenderen Sinn von sozialer Karriere und allgemein gesellschaftlicher Wertschätzung, und gibt ihnen die gelenkte-zurückgelenkte, objektiv verhinderte Emanzipation als bloßes Wortspiel zurück, als bloße Ergänzung von Buchstaben, bloß auf dem Papier: das Papier wird zur Projektion, und zwar für beide Seiten: für die patriarchalische Mehrheitsgesellschaft, die durch das fast schon bis zur Abgegriffenheit

aufgegriffene Wortspiel ihre Macht bekräftigt, auch im rein materialen Sinn auf dem Papier fixiert, und für die Frauen, die ihr gesellschaftliches Bestreben ersatzweise auf das Papier verschieben (auch im fachsprachlichen psychologischen Sinne) und diese Verschiebung dann vor sich selbst als Verwirklichung billigen, gleichsam wie von der eigenen Handschrift emotionalisiert, so wie jeder Schriftsteller in seiner Handschrift seine eigene Größe erlebt und sich selbst glorifiziert, ja seinen eigenen Mythos schafft. Je länger die Frauen ihre reale Verhinderung noch nicht begriffen haben, erscheint ihnen ihre Verwirklichung in dem Wortspiel inbegriffen, aber eben nur als aufgegriffenes Anliegen, dem von der Gesellschaft für sie als Frauen vorgegriffen wurde. Allenfalls greifen sie noch die Teilchen der emanzipatorischen Ladung ab, die hinter den von der Gesellschaft zwischengeschalteten Widerständen noch anstehen. Diesen Zustand greift das Wortspiel auf, das sie als ihre Verwirklichung begreifen. Einmal mehr kann das Wortspiel, allen Ortes abgedruckt und aus der Hand von Frauen stets reproduziert, ganz unmittelbar als visuelle Manipulation begriffen werden. Ist Erfolg nach behavioristischer Theorie definitionsabhängig und damit subjektiv, so definieren sich die an den Glauben von der Emanzipation hingegebenen Frauen ihren Erfolg selbst, und zwar buchstäblich, eben durch die die Verdoppelung von Buchstaben. Das Wortspiel wertet den kleinen, von der Aura des Intellektualismus begleiteten abstrakten Erfolg der verbal geleisteten Veränderung auf als Kompensierung für die eigentlich simultan betriebene Abwertung der emanzipatorischen Bestrebungen durch die Gesellschaft im allgemeinen

und die Industrie im besonderen. Wächst nach behavioristischem Modell mit jedem Erfolg die Kompetenz, den Erfolg auch individuell erzielt, also sein Ziel selbständig umgesetzt zu haben, so projizi ert das Wortspiel die angestrebte Umsetzungskompetenz auf die Veränderung des Wortes, in der sie immerhin geleistet wird, wenn auch nur rein orthographisch, und bindet zugleich die Motivation jeglicher Veränderung ideologisch an sich. Das berührt im Innersten der Frauen ihre zum sogenannten Fortschrittsglauben abgerichtete Psyche; denn der Fortschrittsbegriff begriff von je her die Vorstellung mit ein, das jede Veränderung immer die nächst größere, weitreichendere Veränderung als Umsetzung der vorausgegangenen Erfahrungen und erworbenen Fähigkeiten nach sich ziehe. Dieser Glaube an den Fortschritt geht aber allein in dem Begriff der „Eman(n)zipation“, allein in der Setzung der Buchstaben auf. Die falsche Herleitung bindet die Wärme des Hochgefühls und damit den bloßen Anspruch an sich; das Wortspiel gewährt den persönlichen Stolz, in dessen Wärme der emanzipatorische Anspruch überleben kann. In dem Maße, wie die Frauen für ihre Idee leben, lebt das Wortspiel für sie. Die absichtlich falsche Schreibung bündelt den aufgestauten Hass von Frauen auf Männer in sich und regt sich als verwegenes Aufbegehren auf dem Papier, das beinahe der einzig noch verbleibende Ort ist, an dem Frauen wenn überhaupt noch aufbegehren können. Fast ist man geneigt, die psychologische Disposition, die dieses Wortspiel hervorbrachte, noch tiefer zu vermuten. Denn falsche

Herleitung bedeutet so viel wie, dass der Begriff richtig aus dem Wort „Mann“ eben nicht herzuleiten ist. Zu vermuten ist daher, dass die Unmöglichkeit, die Emanzipation ethymologisch aus ihrem Wort herzuleiten, mit der gleichermaßen Unmöglichkeit korrespondiert, die Emanzipation in der Realität aus den Ansprüchen der Männer herleiten zu können. Der Begriff verweigert sich der Begründung des gesellschaftlichen Anspruchs der Frauen in gleicher Weise wie die Männer selbst. Die falsche Schreibung des Wortes „Emanzipation“ ist psychologisch gesprochen die Objektivation des emanzipatorischen Anspruchs, die Umlenkung des Kampfes, weg von der Gesellschaft, wo er verhindert wird, aufs Papier, also in bloße Rhetorik, die den Anspruch allenfalls noch auf Transparenten am internationalen Frauentag oder als Titel von populärwissenschaftlichen Abhandlungen erhält, in denen listige Autoren und Autorinnen den Enthusiasmus der Frauen durch willkürliche, in ihrer demonstrierten Liberalität gegen die Frauen und für die Industrie kalkulierten Ratschlägen nicht etwa stärken, sondern sie sogar noch zusätzlich ökonomisch schwächen: eben indem sie bei ihnen ihr Buch absetzen zu einem im allgemeinen dem objektiven, wissenschaftlichen Gehalt und dem tatsächlichen Wert, den es für die emanzipatorischen Bestrebungen hat, völlig überhöhten Preis. Der ideologische Wert des Wortspiels, die buchstabierte Veränderung, wird bei solchen Schriftwerken zum Warenwert, der als Tauschwert auf den Autor übergeht, und nicht etwa als ideeller Wert auf die Frauen, die im gesellschaftlichen Schein des zu hoch kalkulierten Buchpreises unter

ihrem Wert verkauft werden sollen: der Preis des Buches spiegelt nicht etwa die objektiven Produktionskosten wieder, sondern hat rein disziplinierende Gründe: die Frau als Leserin soll sich in dem hohen Preis in ihrem Streben anerkannt und akzeptiert fühlen und ihr Ziel erreicht glauben und in dem hohen Buchpreis ihre eigene Geltung erleben, und so den Preis zahlen, den ihr das Buch in der Gesellschaft als Wert scheinbar zuweist. Aber es ist der falsche Wert: es ist der Wert, der ihr auf dem Markt zugewiesen wird, nicht etwa in der Gesellschaft. Mit eben jenem falschen Preis, mit ihrem Marktwert, wird sie gegen ihren eigentlichen Wert erpresst: wert fühlen soll sie sich als von dem Autor Angesprochene, scheinbar auch in ihrer Benachteiligung Geachtete und Beachtete, jedoch nur in dem Moment, wo sie das Buch kauft, weil sie allein als Kundin der Buchhandlung und als Verehrer des Autors einen Wert besitzt. Berücksichtigt wird nur ihre Kaufkraft, nicht die Kraft ihres Geistes. Nicht zufällig leitet sich wertfühlen davon ab, sich als Wert zu fühlen: nämlich den Wert des Buches als seinen eigenen zu fühlen, s ich selbst in dem Wert des Buches (in dem Preis, den man dafür entrichtet) zu erleben, den Warenwert des Buches als seinen eigenen gesellschaftlichen Wert zu erfahren. Recht eigentlich schafft sich die Frau, die solches Druckwerk kauft, ihren für sie vorkalkulierten Wert überhaupt erst selbst, eben indem sie das Buch kauft. Aber damit erhöht sie nicht etwa ihren eigenen Wert, sondern nur den Wert des Autors und des Verlages, gegen sich selbst. Hier mehr als je zuvor verkaufen sich Frauen, sie verkaufen ihre Seele als Frau an den Autor,

der sie ihnen als Seele einer Käuferin zurückgibt, als Seele treuer Gefolgschaft: damit werden Frauen einmal mehr dazu erzogen, zu folgen. Nichts anderes meinen Empfehlungen, wie sie von Literaturkritikern, zumal auch Frauen, etwa in Fernsehsendungen gegeben werden: „Sie sollten sich als Frau den Preis dieses Buch wert sein“, wobei allein schon die Tatsache, dass die Buchbesprechung mit der Kaufempfehlung schließt, die reine Gewinnabsicht des Verlags und seines Autors bereits offenbaren müsste. Einmal mehr verrät sich hier, dass die Chronologie der Emanzipation lediglich die stets neue, dem jeweiligen Zeitgeist angepasste Vermarktung ihrer Ziele ist. Aber eben damit wird die Frau als Käuferin solcher Literatur erpresst. Denn indem sie das Druckwerk falscher Aufklärung kauft, akzeptiert sie sie und wird einmal mehr in ihren wahren Bestrebungen zurückgeworfen; denn lehnt sie das Buch ab, muss sie sich gegen das für sie gesellschaftlich vorgefühlte Selbstverständnis verteidigen und wird einmal mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Aufklärung, wie sie in solchen Druckwerken betrieben wird, ist Massenbetrug. Dem Autor erschien die weit ausführenden Betrachtungen allein zum Begriff der Emanzipation unerlässlich, um seine weiteren Überlegungen darauf aufbauen und sie zugleich als Exemplifizierungen des stets selben gesellschaftlichen Prinzips erklären, gleichsam entlarven zu können. Der Wert der Frau in der Gesellschaft kann heute mehr als je zuvor nach dem Prinzip des Übergangs des Tauschwertes auf den Warenwert als reiner Marktwert angesehen werden: einen anderen Wert besitzt die Frau in der Gesellschaft

objektiv nicht; nur dass die Industrie im Verbund mit gesellschaftlichen Institutionen wie Presse und Fernsehen und überhaupt allen Institutionalisierungen von Öffentlichkeit und öffentlicher Meinung überhaupt diesen Marktwert den Frauen als ihren persönlichen, unmittelbar ideellen Humanwert zurückspiegelt. Die Industrie hat die Bestrebungen der Frauen nicht etw a aufgegriffen, sondern jener Bestrebung nur einen neuen Marktwert zuerkannt; und zwar nicht etwa, weil sie die Ziele der Frauen nicht verstanden hätte, sondern ganz im Gegenteil sogar allzu gut, und sie deshalb die Frauen von ihren Anliegen weglenken muss, indem die Industrie ihre Interessen als Produzenten den Frauen als ihre eigenen Interessen einredet. Dabei erscheint der Begriff einreden fast noch zu harmlos, weil die Methoden weit subtiler gewählt sind, so dass treffender von einem Vermittlungsprozess zu reden wäre. Was scheinbar die Scham der Frauen überwinden soll, ist schamloser kaum zu übertreffen. Von der Schönheitscreme über Behandlungsmethoden gegen Zellulitis, die Kosmetik ganz allgemein bis hin zur Kleidermode schützt die Industrie die Frauen gegen die Schamgefühle, die sie selbst durch ihr Angebot überhaupt erst erzeugt hat und durch jede Weiterentwicklung ihrer Produkte neu erzeugt: die Industrie heilt die Scham, die sie selbst zuvor den Frauen bereitet hat. Die Industrie drängt sich mit ihrer Reklame dabei als Ratgeber für die Frauen findig vor ihre eigene Produkte und lässt den Nutzen ihrer Produkte, der objektiv ihr eigener Nutzen als Produzent ist, als Einsicht der Frauen in ihr Schicksal erscheinen, nachdem sie selbst als Industrie zuvor dieses Schicksal,

nämlich den Kampf gegen das Schönheitsideal, überhaupt erst eröffnet hat. Indem sie aber ihre Produkte aus dem vorgeblichen eigenen Interesse der Frauen bewirbt, tauscht sie nicht nur die im Urzu stand der Menschheit unbeschädigten Gefühle der Frauen gegen die auf den Profit der Industrie gerichteten Gefühle aus und fühlt für die Frauen vor, sondern schüchtert sie im selben Moment auch noch massiv ein, da jede Abwendung der Frau von den Produkten, die sich allein schon als ungeschminktes Gesicht oder nicht gestylte Frisur verraten würde, sofort mit den Blicken der Öffentlichkeit verurteilt würde und zur Ausgrenzung der betreffenden Frau führen würde, die sie von der gesellschaftlichen Teilhabe und dem zähen Kampf um Gleichstellung und Selbstverwirklichung noch weiter entfernen würde. Dabei geht die Industrie mit äußerster Perfidität vor, wenn sie solche Einschüchterung, die sich als Expertise gibt, nämlich die disziplinierende Bewerbung ihrer Produkte, den Frauen vorzugsweise aus dem Mund von Frauen zuwendet. Damit sollen die Produktempfehlungen, die als Ratschläge den Frauen achtungsund verständnisvoll in den Ohren klingen sollen, noch stärker in deren Bewusstsein verankert werden, da man sich als Frau schließlich von einer Frau am ehesten verstanden glaubt. Die Frau als Werbefrau soll sich so vor das Interesse der Industrie schieben, indem sie deren Bedürfnisse als ihre eigenen als Werbefrau ausgibt und sie damit in den Augen der verunsichert zuschauenden Frauen als deren eigenen Bedürfnisse in der Psyche der Frauen befestigt, fast schon notariell beglaubigt, und diesen Bedürfnissen zugleich

Bedeutung verleiht; und zwar die Bedeutung, die sie für die Industrie hat. Die Reklame vermittelt den Frauen überhaupt erst das Gefühl, dass das Schönheitsideal in dieser Gesellschaft etwas bedeute, damit es auch den Frauen etwas bedeute. Aber eben dadurch bedeuten sie sich selbst nichts mehr. Frauen bedeuten sich heute nur noch etwas im Verhältnis zu der Bedeutung, die ihren Gefühlen von der Industrie zugesprochen wird. Slogans wie „das bin ich mir wert“ am Ende eines Spots, nachdem zuvor der Kaufpreis eingeblendet wurde, oder „So mag ich mich“, nachdem zuvor ein vorgeblich von der beworbenen Creme, tatsächlich durch Schminke, Filter und Ausleuchtung geglättetes Gesicht gezeigt wurde, müssen bei unvoreingenommener Betrachtung als Resultat der längst schon erfolgten Austauschung der weiblichen Psyche und Selbstwahrnehmung gelten. Der Satz „so mag ich mich“ spricht bereits aus der ausgetauschten weiblichen Psyche, nämlich aus der Seele der Industrie: die Frau, die sich in der Folge ihrer Manipulierung so mag, mag sich selbst bereits wie die Creme, die sie auf ihr Gesicht aufträgt, und wird so selbst zum Produkt der Industrie. Sie mag sich sich nur noch als Konstruktion der Reklame, nicht mehr als sie selbst. Hier spricht die Industrie, nicht die Frau. Dabei wird der Preis, der objektiv nur nach dem Profit des Produzenten veranschlagt ist, wahlweise den Frauen als Konsumentinnen durch die aufwendigere Produktion und die ausschließliche Verwendung von Naturprodukten gerechtfertigt oder aber ausdrücklich als Sonderangebot offeriert, was er nach unabhängigen Preiskalkulationen gar nicht ist; und zwar nach derselben Psychologie, die zuvor bereist am Beispiel des

Buchverkaufs aufgezeigt wurde: der Preis, der objektiv den reinen Tauschwert (als Gewinnwert für den Produzenten) darstellt, soll auf das Produkt übergehen und als dessen Warenwert erfahren werden. Da aber der Warenwert seinerseits zuvor durch die Slogan klar als Eigenwert der Frauen beschrieben wurde, soll der Warenwert wiederum von den Frauen als ihr eigener gesellschaftlicher Wert erfahren werden. Jede Frau kennt die Gedanken, die sie bewegen, wenn sie in der Drogerie ein bekanntes und gepriesenes Produkt in ihren Hände hält und mit dem Preis hadert, sich dann aber sagt: „Das leiste ich mir heute mal, dafür tue ich auch was für mich. Dafür arbeite ich schließlich auch.“ Aber in Wahrheit tut sie nur etwas für die Industrie: indem sie als Frau das Produkt kauft, trägt sie selb st dazu bei, die Interessen der Industrie gegen ihre eigenen zu etablieren und zu stärken ; und damit hat sie mit ihrer Erwerbstätigkeit faktisch von vornherein für die Industrie gearbeitet. Ihr Wohlbefinden ist nichts anderes als das Wohlbefinden der Produzenten im Angesicht des Profits, im Angesicht des falschen Angesichts. Hier wäre psychologisch gesehen von einer zweifachen sukzessiven Verschiebung zu sprechen: zunächst verschiebt sich der Tauschwert (Kaufpreis) auf den Warenwert, sodann der Warenwert au f den Selbstwert der Frau. Wo aber der genügende Tauschwert der Produkte durch durch Preise und Slogans noch nicht erreicht werden kann, wird nachgeholfen: wo der Marktwert des Produktes aus sich selbst heraus nicht mehr weiter nach oben getrieben werden kann, muss ein zweiter Marktwert hinzugenommen werden, der sich in der

Psyche der Konsumentinnen zu dem ersten addieren soll: kein anderes Anliegen verfolgt die Industrie damit, wenn sie ihre Produkte auch noch aus dem Munde einer oder eines Prominenten empfehlen lässt, in aller Regel Schauspieler oder Sportler, die ihrerseits zuvor über Jahre hinweg als Werbeträger und damit als Leumund der Produkte aufgebaut wurden: ihr Renommee ist zu weiten Teilen das Renommee des Produktes, das etwa auf die Schauspielerin übergeht, aber damit geht umgekehrt das Renommee der Schauspielern auch wieder auf das Produkt zurück. Ihre Autorität, die zunächst ihre Popularität ist, geht auf das Produkt über, für das sie wirbt und mit dem sie auch sich selbst als Gewährsfrau für die Qualität des Produktes als Autorität setzt: in beinahe schon lehrmeisterhafter Strenge etabliert sich die Werbeträgerin als Autorität gegenüber der als Käuferin zu gewinnenden Frau. Und wiederum erhöht sich die Autorität und damit der Konsumdruck nach dem zuvor beschriebenen tiefenpsychologischen Muster, wenn es eine weibliche Autorität ist. Die Autorität der Werbeträgerin wird zur Verbindlichkeit für das Produkt und damit zur Verpflichtung für die als Käuferin angesprochene Frau. Mag immer die einzelne Frau als Konsumentin den Schwindel der Reklame prinzipiell durchschauen – „die sagt das ja nur, weil sie dafür bezahlt wird“ -, so wirkt die Autorität des Werbeträgers dennoch nach. Mag immer sich die einzelne Frau als von der Werbung unabhängig fühlen, so wirkt die Werbung trotzdem nach. Trotz aller vordergründigen Einsicht in die Zusammenhänge durchlebt die betreffende Frau eine wenn auch oft nicht eingestandene Identifizierung mit

dem Prominenten: die Beseelung durch das Produkt läuft mit der Frau mit. Die Beseelung der Frau ist die Beseelung durch die Verehrung des Prominenten, die Beseelung in dem Moment, wo sie im Kaufregal nach der Creme greift oder sie später auf ihr Gesicht aufträgt, ist die Beseelung des Kults um diesen oder jenen Schauspieler oder Sportler. Wer sich als Frau überlegen und unabhängig wähnt, weil sie glaubt, in ihrer Einsicht über die buchstäblich gekauften Stellungnahmen der Prominenten in der Reklame das kommerzielle Wesen der Reklame beiseite schieben und sich der Manipulation entziehen zu können, unterliegt darum noch immer derselben Täuschung wie die arglose oder ihren Idolen nacheifernde Käuferin: betrogen werden beide Käufertypen, nur dass die Frau, die glaubt, sich dem Verblendungszusammenhang durch die Beteuerung, sie kaufe das Produkt nicht wegen der Werbung, sondern weil es ihr gefalle, objektiv gegenüber der arglosen und enthusiastischen Käuferin sogar doppelt betrogen wird: nämlich nach dem unmittelbaren Betrug durch die Reklame zusätzlich auch noch durch sich selbst, eben indem sie für sich geltend macht, den Betrug durchschaut zu haben: der Selbstbetrug liegt eben darin, das jene Entscheidungsfreiheit als Freiheit nur erlebt werden kann, nach die Psyche der betreffenden Käuferin zuvor bereits ausgetauscht wurde: ihre Freiheit ist die als Freiheit erlebte Unfreiheit, nachdem ihre Psyche zuvor systematisch zur Freiheit des ununterbrochenen Konsums manipuliert wurde. Was sie als Freiheit erlebt, ist allenfalls die Verdrängung des Verblendungszusammenhangs; was sie als Freiheit

erlebt, ist allenfalls die Willensfreiheit des bereits ausgetauschten und gelenkten Willens. Ihre Akzeptanz der von der Industrie für sie vorgegebenen und vorgefühlten Ideale sind nur von anderer, durch ihren Intellekt scheinhaft den Zwängen enthobener Natur. Beide Käufertypen verlieren ihren Stolz an ihre Gutgläubigkeit. Indem sie die Produkte akzeptieren, werden sie von der Industrie als Konsumentin akzeptiert: so werden sie zugleich zur akzeptierenden und akzeptierten Käuferin. (Im folgenden wird nur noch die grammatikalisch einfachere Form akzeptierte Käuferin gewählt, die aber stets beide Perspektiven einschließt.) Dabei kann die Manipulation der Industrie nicht hoch genug angesetzt werden. Was den Frauen in der Warenwelt, in der sie selbst auch nur e ine Ware für andere Waren sind, angetan wird, unterscheidet sich nur graduell, nicht aber strukturell von systematischer Vergewaltigung. Sandor Ferenczi arbeitete schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Prinzip der Introjektion heraus, das jeder Vergewaltigung zugrunde liegt und sie nachträglich zu verharmlosen und aus dem Gedächtnis des Opfers zu löschen versucht, indem der Angreifer seinen eigenen Willen in der Psyche des Opfers einsetzt („du musst mich doch verstehen!“) und den Willen des Opfers damit durch seinen eigenen ersetzt (introjiziert) und damit die Psyche des Opfers in seinem eigenen Interesse als Angreifer stabilisiert (im Sinne der tiefenpsychologischen Fachsprache), also das Opfer beruhigt und beschwichtigt. Wenn die Frau als Opfer den Willen des Angreifers in sich aufgenommen hat, wird ihr Gewalterlebnis hinter seinem Bedürfnis

zurücktreten, und die betroffene Frau wird „lernen“, seine Bedürfnisse als ihre eigenen zu erleben. Nichts anders geht die Industrie gegen die Frauen vor, in deren Namen sie deren Bedürfnisse systematisch gegen ihre eigenen als Produzenten austauscht, sieht man einmal vom dem unmittelbaren, körperlichen Gewaltaspekt ab. Sicherstes Indiz dieses Zusammenhanges ist es, dass nicht wenige Frauen, mit denen der Autor darüber sprach, diesen Zusammenhang empört und über jede Vereinnahmung erhaben zurückwiesen und statt dessen den Autor noch bezichtigten, er wolle durch leichtfertige Verwendung des Begriffes Vergewaltigung diese gar noch verharmlosen. Gerade darum aber müssten solche Frauen sich als der Verblendung erlegen erkennen: indem sie vordergründig differenzieren, um den Begriff von der ihrer Meinung nach verharmlosenden Verwendung dem Autor zu entwenden und so als Frauen die größere Sensibilisierung für die Vergewaltigungsproblematik beweisen zu können, arbeiten sie in der begrifflichen Abgrenzung aber gerade den Unterschied heraus, den die Gesellschaft ihnen zu ihrer Überlistung vorgibt: die Empörung solcher Frauen gegen den ihrer Meinung nach von mir betriebenen Missbrauch des Begriffes Vergewaltigung offenbart ihre totale Willenslenkung durch die Industrie, die nicht müde wird, solche Vergleiche weit von sich zu weisen und ihren Kundinnen den Konsum als deren freien Willen einzureden. Der Vorwurf der Verharmlosung durch den anderen hat tiefenpsychologisch immer den Sinn, umgekehrt das eigene Verhalten zu Verharmlosen, in dem man das

zum Vergleich herangezogene Verhaltensmodell als wesensmäßig extremer dramatisiert, um die Gleichsetzung des eigenen Verhaltens mit dem überdramatisierten allgemeineren Verhaltensmodell als Verharmlosung zurückweisen zu können. Wenn also die Industrie den Vergleich zurückweist, indem sie den Begriff der Vergewaltigung ausdrücklich höher wertet, so will sie psychische Gewalt ihres eigenen Vorgehens damit nur abwerten, also verharmlosen. Wer den Vergleich der Werbestrategien mit einer realen Vergewaltigung nicht zulässt, will damit nur die durch Einbedenken des Vergleichs drohende Einsicht abwehren. Mag immer die reale Vergewaltigung allemal als der schlimmst mögliche Fall von Gewalt gegen Frauen ausdrücklich anzuerkennen sein, so nützt die Tabuisierung des Begriffes nur der Industrie und nicht etwa den Frauen, die sich gegen den Vergleich wehren; denn nur im Schutze des verwehrten Vergleiches kann die Industrie, jedes Vergleiches entzogen, sich weiterhin der Psyche der Frauen bemächtigen. Die psychische Gewalt, die die Industrie den Frauen durch ihre systematische Abrichtung zur akzeptierten Käuferin antut mit all den Konsequenzen , die noch zu beschreiben sein werden, darf kaum geringer eingestuft werden als die Gewalt, die ihnen bei einer realen Vergewaltigung angetan würde: die seelische Verletzung ist allemal dieselbe. Wenn Frauen diese Argumentation zurückweisen, dann nur, weil sie d urch ihren gesellschaftlichen Zwang in ihrer Psyche längst schon so verletzt sind, dass sie ihre Psyche gar nicht mehr als verletzt empfinden. So beschädigt ist die Psyche der Frauen durch ihre systematische Formung

bereits, dass sie überhaupt erst und nur noch die in der Tat schlimmst mögliche Beschädigung ihrer Psyche durch eine reale Vergewaltigung als Beschädigung empfinden würden. Was an systematischer, zunächst vor allem seelischer Vergewaltigung der realen vorausgeht, empfinden sie allemal zynisch genug Bestätigung ihrer selbst. Aber als Bestätigung können sie es nur empfinden, weil die Industrie durch ihre Produkte sowie die dahinterstehende Gesellschaft allem voran durch die Medien ihnen die zum Konsum verharmloste seelische Zugrunderichtung durch j edes neue Produkt oder jedes neue Shooting als Bild ihrer selbst bestätigt. Und zwar nicht für sie als Frauen, sondern auch für die Männer. Wo tatsächlich zumal körperliche Übergriffe auf Frauen stattfinden, so sind sie nicht zuletzt auch als psychosexuelle Überforderung und damit als Reaktionsbildung auf dias durch die tägliche Fetischisierung der Frau von der Reklametafel bis zu ihrer Inszenierung im Film manipulierte, weil übersteigerte männliche Verlangen darzulegen. Dabei besteht der betonte Zusammenhang nicht nur in der Parallelität der psychologischen Strukturen, in den sich die Produzenten mit ihren Slogans in gleicherweise in die Psyche ihrer Käuferinnen introjizieren wie der Vergewaltiger seinen Willen in sein Opfer; denn Slogans von der Art, „dieses Kleid bestätigt Sie als Frau“ bedeuten objektiv nichts anderes, als wenn der Produzent zu seiner Käuferin sagen würde „du musst mich doch verstehen“; denn der Kauf des Kleides bestätigt nicht etwa die Frau, sondern nur die Gewinnabsicht des Produzenten sowie die gesellschaftliche Projektion an den Frauen, in deren

Erfüllung der Designer seine Kleider schneidern lässt, damit die Frau dann ihrerseits die Erfüllung zu Ende erfüllt, wenn sie die Kleider trägt. Vielmehr ist die gesamte Produktpalette weitgehend so entworfen, dass sie die Frauen etwa durch Super-Miniröcke, allzu tiefe Ausschnitte und Psuh-up-BHs zu eben den sexuellen Projektionen entwerfen, denen die Frauen ihrem ganzen Selbstverständnis nach eigentlich entraten wollen. Auch dagegen wurde vielfach eingewendet, der Autor wolle den Frauen ihre Selbstbestimmung und ihre sexuelle Freiheit nehmen und sie wieder zurück in die patriarchalische Ordnung drängen, in der allein die Männer und mit ihnen die weithin männlich geprägte und denkende Gesellschaft für die Frauen entscheide, wie sie als Frauen zu fühlen und sich zu zeigen hätten, was sie tragen dürfen allemal. Nichts liegt dem Autor ferner. Sieht man einmal davon ab, dass Frauen, die so argumentieren, die ihnen durch die Mode zugewiesenen „Ideale“ bereits als Garant von Selbstbestimmung und Freiheit akzeptiert und internalisiert haben, so wirkt die Produktpsychologie wesentlich komplexer. Wenn etwa durch die Industrie immer kürzere Längen für Röcke diktiert werden, so setzt die Industrie auch damit wiederum nur Standards jenseits der ursprünglichen emanzipatorischen Bestrebungen: sobald diese Standards von den Frauen als Trägerinnen solcher Mode übernommen werden, werden sie erst recht als Standards gesetzt und verstärken sich als Standards durch Vorbild und Nachahmung schließlich gegenseitig so sehr, dass sie schließlich alle Lebensbereiche erfassen und die

Garderobe für’s sommernächtliche Rendezvous genauso wie die Garderobe fürs Vorstellungsgespräch in gleicher Weise standardisieren. Auch hier wirkt der oben aufgezeigte doppelte Betrug, indem nämlich viele Frauen sich von der Standardisierung und der Sexualisierung der Mode unabhängig wähnen, sich zum Rendezvous oder Vorstellungsgespräch aber dennoch den Standards unterwerfen, aber sich diese Unterwerfung als freie Entscheidung und individuellen Geschmack auslegen: „Ich mache es nur, weil es halt dazugehört“ oder „weil ich es gerne trage.“ Aber „dazugehört“ es nur, weil es zu dem bereist vollkommen verinnerlichten Bild gehört, das die Gesellschaft und als deren Exekutor die Industrie über Jahrhunderte hinweg in die Psyche der Frauen introjiziert haben. „Gerne“ tragen sie es nur, weil die Industrie es sie gerne tragen sieht. In der Erfüllung ihres in ihrem Innersten von außen geregten Glücks, von fremder Hand bereitetem Glück, schreiten sie vor ihrem inneren Auge durch ihr Selbstbild wie frisch Verliebte durch den Sonnenuntergang: das Selbstbild, dass nur noch das Bild ihrer selbst ist um den Preis, um den es ihnen von der Industrie introjiziert wurde. Ihr Bild in der Gesellschaft hat gerade noch und genau den Preis, den sie für ihre Zurichtung aufbringen mussten. Wie Narziß in sein Spiegelbild, so haben sie sich in die Bilder der Reklame verliebt, die ihnen allemal als Spiegel vorgehalten werden. Dabei ist ihnen Narziss objektiv voraus, da er sich seine Selbstverliebtheit wenigstens noch bewahrt hat: dagegen ist es Ausdruck der beinahe schon bewirkten Auslöschung der eigenen Persönlichkeit, wenn Frauen höhnisch und verzweifelt

zugleich auflachen, wenn man ihnen rät, es Narziß doch mal gleichzutun: nur wenn es den Frauen gelingt, sich endlich wieder in ihr eigenes Bild, und zwar in das ungeschminkte, verlieben zu können und dieses mit Stolz nach außen zu tragen, haben sie irgend noch eine Chance, sich als Frau wirklich zu emanzipieren. Alles andere bleibt Etikettenschwindel. Wer die Kritik an der Mode als konservativ zurückweist, übersieht den tieferen Zusammenhang. Für sich allein genommen ließen sich die jeweiligen Moden gar nicht mal kritisieren. Es ist zunächst nur der gesellschaftliche Druck der Standardisierung, die jedes Umgehen der Standards automatisch mit mehr oder weniger offensichtlicher Ausgrenzung bestraft. Dabei sind die Ahnungslosesten gar nicht mal die, die der Mode folgen, sondern die, die ihre die Gefolgschaft verweigern. Naiv zu glauben, man könne sich durch sogenannte alternative Kleidung dem Diktat und den Zwängen zur Anpassung entziehen. Mögen immer solche Frauen argumentieren, es gäbe immer noch genügend Bereiche und Berufe, wo sie als Alternative geschätzt würden, gerade wegen ihrer Alternativität, so ist ihnen zu entgegnen, dass sie auch als Alternative auf ihre Rolle von der Gesellschaft in gleicher Weise festgelegt werden wie die Modischen; eben auf die Rolle, nicht zu den Modischen gehören. Und damit wird auch die Kleidung der Alternativen zur Mode , zum Standard: als Gegenmode zur Mode wird sie zur Mode wie jede andere auch. Sie wird genauso zum Signum ihres Geschlechts, hinter der, je größer die Zahl der Anhänger wird, in gleicher Weise die Industrie ihre Interessen verfolgt wie bei der „traditionellen“ Mode

auch. Mag immer die alternative Kleidung den Körper der Frau beim ersten Blick nach weniger betonen als die traditionelle, so betont sie sie gerade dadurch in nicht minderer Weise: indem die Trägerinnen alternativer Mode beteuern, ihre Sexualität trete etwa unter den Mustern von afrikanischen Totenmasken und Zebraköpfen hinter ihrem Intellekt und ihrer Weltgewandtheit zurück, so reproduzieren sie objektiv nur die fremde Kultur, die in ihrem eigenen Land in gleicher Weise gesellschaftliche Zwänge di ktiert, zumal den Frauen. In solcher Kleidung erleben Frauen die Zwänge anderer Kulturen als Freiheit. Aber auch die der sprachlichen Konvention nach schlicht unkonventionellen Frauen, die tragen, was ihnen der Tag zuträgt, können doch stets nur auswählen aus dem, was ihnen die Industrie zur Auswahl lässt, nicht was der wahrhaft freie Geist je auswählen könnte, und damit definieren auch sie sich zum Schluss doch wieder durch die „frei“ gewählten Bekleidungsstücke hindurch über ihre Sexualität, die in den Kleidungsstücken als gesellschaftlicher Entwurf allemal mitentworfen ist. Die sogenannte freie Zusammenstellung stellt doch wieder nur die Mode zusammen, in der der Körper der Frauen bereits mit entworfen ist. Dennoch glauben nicht wenige, sich so eine Art von profitfreiem und jeglicher Kommerzialisierung enthobenen, scheinbar von allen Konventionen frei gehaltenen Raum ihres eigenen körperlichen Erlebens schaffen zu können. Von solchen Frauen ist oftmals zu hören: „Wer mich will, muss mich so akzeptieren, wie ich bin.“ Was aber derjenige Mann, der auf diese Frau zugeht, dabei akzeptiert, ist zunächst einmal nur ihre Ideologie, ihr emanzipatorischer

Anspruch, ohne sie deswegen als Frau notwendigerweise akzeptieren zu müssen. Den Anspruch der Frau akzeptiert er zunächst nur als seinen eigenen Anspruch, ebenfalls als alternativ, als progressiv von seiner Frau akzeptiert zu sein. Damit standardisiert sich die alternative Mode zur bloßen Verständigung über die Ideologie, die sie trägt, und damit wird sie selbst wieder zur Ideologie und geht als realer Anspruch hinter der Ideologie verloren. Wenn aber der ursprüngliche alternative Anspruch hinter der Kleidung, die ihn bekundet, verloren geht, dann tritt darunter doch wieder jene Sexualität hervor, die die alternativen Frauen eigentlich unter den Stoffen zu wahrhafter, geachteter Sexualität emanzipieren wollten. Ob der betreffende Mann die betreffende Frau tatsächlich als Frau wahrhaft respektiert, kann wohl kaum in der bloßen Verständigung über die gemeinsame Ideologie versichert werden. Am Ende wird auch die alternative Mode selbst wieder zur Mode und damit zur Norm, nämlich zur Norm gegen die Norm. Unablässig darauf bedacht, alles aus der Wahl der Bekleidung auszuschließen, was die abgelehnte Norm doch wieder bestätigen würde, wird auch die alternative Mode zur Norm und damit zum Zwang, nämlich dem Zwang, vor dem Zwang auszuweichen. Jede Abweichung von der Norm wird selbst zur Norm. Ob aber die alternative Frau diesen Anspruch allein durch ihre Gegenmode sowie diverse Ausstattungsgegenstände wie Buddhas und Räucherkerzen, durchs Zimmer gespannte Tücher sowie die Kultivierung von Pflanzen ferner Länder gegen die Interessen der Mehrheitsgesellschaft und die Lenkung von Frauen durch Beruf und

Privatleben hindurch durchsetzen kann, bliebe erst noch zu beweisen. Sobald sie dennoch gesellschaftliche Akzeptanz anstreben, kommen sie nicht umhin, ihre alternative Mode solange zu modifizieren, und sei es auch nur in scheinbar unauffälligen Details, bis sie schließlich doch wieder bei den Elementen der standardisierten Mode angelangt sind. Dabei müssen die Details stets so gewählt sein, dass sie gerade auffallend genug sind, um ihren Trägerinnen die erstrebte Akzeptanz zu sichern, aber doch stets so auffallend unauffällig sind, dass sie sich ihren Anspruch von Unauffälligkeit bewahren können, mit dem sie unbedingt auffallen wollen. Wird dagegen angeführt, man wolle als sogenannte alternative Frau einfach die Konventionen auf den Kopf stellen, so werden sie ihrem Anspruch gerechter als es ihnen lieb sein dürfte; denn mit der Kleidung beanspruchen sie ihrem ganzen Bewusstsein nach, auch die Machtverhältnisse auf den Kopf zu stellen, und damit reproduzieren sie sie. Gleiches ist auch zu konstatieren für diejenigen Frauen, die ihrer Standardisierung entkommen wollen, indem sie sich betont maskulin kleiden. Durch Blazer und Jeans oder Anzug und Krawatte versuchen sie in der bloßen Übernahme der männlichen Mode, die allemal Ausdruck der patriarchalischen Macht ist, auch deren Macht zu übernehmen oder doch wenigstens an deren Macht zu partizipieren; und damit reproduzieren auch diese Frauen die Machtstrukturen, die eigentlich aufzulösen wären. Auch hier unterliegen nicht wenige Frauen dem Missverständnis, durch die Entscheidung für Hosen oder auch Rollkragenpullis sich der

Vermarktung ihres Körpers entziehen zu können. Dabei hat sich auch die maskuline Mode für Frauen längst zur Mode für Frauen weiterentwickelt oder recht eigentlich sogar zurückentwickelt, die allemal den Körper der Frau im selben Maße im Auge hat, wie die genuin weibliche Mode, nur dass die Blumen auf dem Blusenstoff nun als Anstecker am Revers des Blazers getragen werden; die Krawatte, für die Frau designt, ist natürlich kleiner als die des Mannes, wodurch nicht nur das Machtverhältnis vorab symbolisiert und mit der Spannkraft der Feder festgehalten wird, sondern einmal mehr die Stereotypisierung der Frau als zierlich und damit für die Macht des Patriarchats „ungefährlich“ kultiviert wird. Ausdrücklich werden auch die Entwürfe für diesen Stil damit beworben, dass sie den Sexappeal der Frau garantieren. Einmal mehr misst sich die Mode, die sich vom Ideal der Weiblichkeit absetzen will, am Ideal der Weiblichkeit, nur dass sie sie zur scheinhaft befreiten Mode kultiviert. Und damit wird auch sie zur Norm, jenseits jeder gesellschaftlichen Befreiung. Vollends unerträglich wird die Heuchelei der allzu fürsorglichen Modeschöpfer und –produzenten, wenn sie Modelle für Frauen entwerfen, die das sogenannte ideale Körpergewicht überschreiten. Gerne werden solche Frauen umworben, indem man sie ausdrücklich dazu ermutigt, auch Kleider und Röcke zu tragen, und zwar in einer eigenartig paradoxen Mischung der Argumentation, die einerseits ihre Kundinnen ausdrücklich dazu aufruft, sich zu ihren „Rundungen“ zu bekennen, sie aber im selben Moment darüber versichert, dass eben diese „Rundungen“ durch die Modelle wirkungsvoll verdeckt würden. Die Paradoxie

solcher Slogans hat ihre Ursache in dem Bestreben, auch den Körper dieser Frauen als Fetische zurückzugewinnen. Die Gleichbehandlung, die diese Mode verspricht, wird dabei wörtlicher realisiert, als es den betreffenden Frauen lieb sein dürfte: in dem sie nun Kleider geschneidert bekommen, mit denen sie einerseits ihre Formen zeigen sollen, wird ihnen einmal mehr vermittelt, dass sie nur gleichbehandelt werden, wenn sie sich genauso wie die anderen Frauen über ihren Körper definieren lassen, während im selben Moment die kunstvollen „Verarbeitungen“ ihrer Formen in den Stoffen stets das abwertende Urteil über sie mahnend aufrechterhalten. Mag immer die Sondermode auf ihre Trägerinnen ganz persönlich zugeschnitten sein, so ist sie allein auf ihre Fetischisierung zugeschnitten, nicht aber auf ihren Stolz. Die Slogans für die sogenannten Sondergrößen und Sondermodelle sind stets so formuliert, dass ihren Trägerinnen zwar Achtung und Verständnis entgegengebracht wird, aber in ihrer Sprache doch stets das falsche, von der Industrie konstruierte und visierte Ideal für die „zu dicken“ Frauen gemahnend gegenwärtig bleibt. Zu kritisieren ist die offizielle Mode aber auch, weil in der Folge ihrer Festsetzung als Standard der psychische Druck auf Frauen steigt. Nicht nur, dass Argumente wie die eifrig beteuerte Freiheit und Selbstbestimmung einmal mehr die internalisierte fremde Wahrnehmung des eigenen Körpers scheinbar eigenständig reflektieren – solche Frauen haben sich die Argumente der Industrie buchstäblich zu eigen gemacht; der Druck entsteht dadurch, dass die Forderungen, die die Mode impliziert, nämlich sie immer zu tragen, es objektiv zu

der persönlichen und freien Wahl gar nicht mehr kommen lässt, mit der die Industrie ihre Kleidung bewirbt: indem sie alles auf die freie Entfaltung ihrer Konsumentinnen buchstäblich zuschneidert, hebt sie auch noch die letzte Möglichkeit einer solchen freien Entscheidung auf. Wendet man dagegen ein, dass sich die Mode schließlich nicht auf kurze Röcke und tiefe Ausschnitte beschränke – der Autor hat das Beispiel nur als besonders signifikant gewählt -, sondern sich längst individualisiert habe, so ist dem wiederum zu entgegnen, dass auch diese Individualisierung längst schon gesteuert ist und nur so viel Abweichung von der Norm zulässt, dass die Abweichung die Norm nicht gefährdet und darum unbewusst immer nur als Abweichung, niemals aber als wahrhaft eigenständig erlebt werden kann, und damit die Frau psychologisch auch weiterhin auf ihren Körper festlegt. In der Abweichung wird die Norm stets mitgedacht. Wo es aber keine Norm mehr gäbe, wäre auch keine Abweichung von ihr mehr zu denken. Wer die Abweichung als Designer entwirft, bleibt gefangen in dem Zwang, in dem besonderen, alternativen Details seiner Kollektion doch immer wieder das Allgemeine mitzudenken und wenigstens partiell mit zu entwerfen, weil ohne einen Rest des Allgemeinen, allgemein Akzeptierten, nämlich der stilistischen Verbindlichkeit der jeweils aktuellen Mode, der wirtschaftliche Erfolg gefährdet wäre. Die alternative Mode zeichnet die offizielle gleichsam als deren Negativ nach: fast schon wörtlich zu nehmen, werden, wo bei der offiziellen jene Farben vorherrschten, diese beinahe wie nach der

Farbenlehre bei der alternativen Mode komplementär ersetzt: aber eben dadurch leben die ersetzten Farben in den neuen fort. (Gleiches gilt für alle Komponenten des alternativen Entwurfs.) Die Aufmerksamkeit der Trägerinnen genauso wie die ihrer Betrachter wird nicht etwa von der Mode weg auf das Wesen der Frau gelenkt, sondern erst recht zurück auf die offiziellen, akzeptierten Farben, die in den neuen gesucht und wiedererkannt werden. Wie bei jedem Sehvorgang ist das Auge damit beschäftigt, beim Wechsel von vertrauten Farben zu nicht vertrauten sich anpassen zu müssen. Aber jede Anpassung ist konditioniert durch die bisherige Gewohnheit. Mögen immer die neuen, alternativen Farben mit der Zeit akzeptiert werden, sie leben zunächst solange als bloße Alternativen fort, bis die bisherige Mode sie adaptiert hat: dann aber sind sie keine Alternativen mehr und werden zur schlechten Mode, genauso wie alle Farben vor ihnen auch. Damit bliebe allein noch die Zuflucht zur völligen Individualisierung, zur Aufhebung jeglicher Nor m. Es ist aber ihr Wesen, dass die völlige Individualisierung wieder im Kollektivismus endet, der ideologische Zwang zur kommerziellen Unabhängigkeit diese Unabhängigkeit selbst wieder zur Abhängigkeit werden lässt, und damit verfällt die Individualisierung zum Kollektivismus, zur totalen Anpassung an die Abweichung, die damit ebenfalls zur Norm wird: es gibt nichts Abhängigeres als die Organisation der totalen Unabhängigkeit. Mag immer der exemplarisch vom Autor in Rede gestellte kurze Rock für sich genommen, isoliert von der Kommerzialisierung und den ideologischen

Tendenzen, die ihn hervorgebracht haben, weiter bestehen, so kann sich der Autor des Eindrucks nicht erwehren, die (zumeist jungen) Frauen, die dieser Mode folgen, blieben gefangen und gedemütigt in eben jenem Diktat der Industrie: vergegenwärtigt man sich den Gesichtsausdruck dieser Frauen, die nur noch mit gesenkten Blicken angstvoll jedem zumal männlichen Blick ausweichen, außer den Blicken von durch den Ort der Begegnung akzeptierten Personen (etwa den Besuchern einer Diskothek), so deutet vieles auf eine innere Störung dieser (jungen) Frauen hin nach dem Modell der kognitiven Dissonanz, also einem gestörten inneren Wohlbefinden durch einander widerstrebende Bedürfnisse; umgangssprachlich könnte man auch von einer inneren Zerrissenheit sprechen, die damit zu erklären wäre, dass sie einerseits dem Diktat der Mode folgen müssen und auf Grund der von der Industrie erworbenen und internalisierten Selbstwahrnehmung auch folgen wollen, weil sie den Geschmack der Industrie längst als ihren eigenen angenommen haben und im sozialen Vergleich nicht unterliegen wollen, sie aber andererseits intuitiv spüren, dass es nicht ihre eigenen, ursprünglichen Empfindungen und Selbstbilder sind, die sie für die Gesellschaft repräsentieren müssen und sich letztlich, zumal in jungen Jahren, allzu sehr als Ziel der durch die Industrie in gleicher Weise mitgesteuerten männlichen Begierde fühlen. Dabei bedrängt die Industrie die Psyche der Frauen sogar noch in dreistester Unmittelbarkeit, indem sie ihre Produkte ausdrücklich als „Hingucker“ bewirbt. Was aber als „Hingucker“ in die Welt und damit auch in die Psyche der Frauen

gesetzt wird, wird in gleicher Weise auch in die Psyche der Männer gesetzt und verselbständigt dort sich zum „Anstarrer“. Indes legt sich der Hingucker wie die Schlinge um den Hals der Frau: jede Verweigerung der Frau als Konsumentin wirkt durch ihre Ausgrenzung im Freundeskreis oder am Arbeitsplatz als negative Verstärkung (in der Sprache der Psychologie), die sie früher oder später doch wieder dem Konsum zutreibt, der dann seinerseits wiederum durch die gesellschaftliche Akzeptanz, die den Frauen als Verkörperung des von der Industrie gesetzten Ideals zuteil wird, als positive Verstärkung wirkt, die dann ihrerseits wiederum den Konsum stärkt. Wann immer die Industrie sich damit verteidigt, ihre Mode tatsächlich nur als „Hingucker“ verstanden wis sen zu wollen, ihre Mode also durch ihre Eleganz rechtfertigt, so verrät sie erst recht ihre Verantwortungslosigkeit: denn in der Tat hat sie nicht die Integrität und Unversehrtheit ihrer Kundinnen im Blick, sondern nur die Verstärkung der selbst gesetzten Trends, indem sie mit jedem noch kürzeren Rock stets noch den Konsumdruck verstärkt, indem sie mit jedem neuen Produkt nur die jeweils nächste Frau zum Konsum bewegen will bzw. deren Partner dazu bewegen will, seine Partnerin dazu zu bewegen; ganz abgesehen davon, dass der Begriff Eleganz seinerseits schon wieder Konzeption der selben gesellschaftlichen Macht ist, die sich mit dem Begriff verteidigt: wenn sich die Industrie mit dem Begriff der Eleganz verteidigt, so verteidigt sie sich mit einem von ihr selbst gesetzten Begriff. Wo Frauen in ultra kurzen Röcken vor die Tür gehen, die kaum noch den Intimbereich abdecken, so dass sogar

das Höschenteil der Strumpfhose noch herausschaut , wird solche Mode zum „Hingucker“ für die Interessen der Industrie, auch der Erotikindustrie, die an den aufgereizten Phantasien mitverdient, gegen die Integrität der weiblichen Psyche und ihre durch solche Mode gefährdete körperliche Unversehrtheit. Wendet man dagegen ein, der Autor wolle ihnen ihre sexuelle Freiheit rauben, so wäre jene Wehr wiederum als Indiz der längst schon durch Reklame und Konsum ausgetauschten weiblichen Psyche zu indizieren. Wenn der Autor ihnen je ihre Freiheit nehmen wollte, dann nur die falsche, ihre von der Industrie als Freiheit inszenierte Erfassung, ihrer babylonischen Gefangenschaft, gleichsam als Arrest zu bezeichnen, wenngleich sie sich frei auf der Straße bewegen, aber eben „arrestiert“ in ihren Fetischen. Wer gegen den Autor das Argument der Freiheit führt, verwechselt Körperfreiheit mit gesellschaftlicher Freiheit, mit der Freiheit zur Selbstbestimmung allemal: mag immer die einzelne Frau einwenden, sich in solcher Mode selbst zu bestimmten, so bestimmt sie sich doch nur so, wie die Industrie sie bereits für sich selbst vorbestimmt hat: die Mode trägt die Bestimmung bereits in sich, fast buchstäblich: jeder Schnitt, jeder Faden und jeder Schuss bestimmen die Frau durch die Stoffe hindurch, durch die die Projektion der Gesellschaft auf ihren Körper trifft. Mag immer die einzelne Frau einwenden, sie entfalte sich in solcher Art von Mode, so entfaltet sie doch nur die Entwürfe der Gesellschaft an sich: sie entfaltet die Stoffe auf ihrem Körper, sie entfaltet ihre Fremdbestimmung an sich selbst. Die Freiheit des Geschlechts ist nicht zu verwechseln mit der designten

durch die Mode arglistig erzwungenen Entblößung ihres Körpers. Die Entblößung einzelner Körperpartien, die fortgesetzte scheinhafte Ermutigung der Frau en zum Körper-freien Umgang mit ihrer Identität, von der Reklame der Emanzipation huldigend als Ausdruck von Selbstbewusstsein verherrlicht, ist nicht zu verwechseln mit dem, wollte man es so nennen, „Ideal“ des Nudismus. Vielmehr würde eine wahrhafte Kultur des freien Körpers die ökonomische Grundlage der Industrie gefährden, die darum auch weiterhin auf den weiblichen Körper als Träger ihrer Produkte angewiesen ist, nur dass die Mode dabei eben gerade so viel Körper „freigibt“, dass sie als Mode durch den Körper aufgewertet wird, während der Körper umgekehrt zur bloßen Projektion abgewertet wird. Dazu gehören auch gewisse Formen der Werbung, wenn etwa ein Sonnenöl mit Szenen am Badestrand beworben wird, bei dem man „Zwang“-släufig nur Frauen in Bikinis sieht. So wird objektiv nicht nur das Sonnenöl, sondern auch die dazugehörende Bademode beworben und im Bewusstsein der Frauen etabliert. Mag man immer auch dagegen einwenden, dass es nun mal unüblich und schlechterdings auch kaum möglich ist, in voller Bekleidung baden zu gehen, werden doch die Körper der Frauen in der Werbung über die Beschreibung des Sonnenöls hinaus unverhältnismäßig ausgeleuchtet und dringen so auch in das männliche Bewusstsein, in dessen Phantasie die Körper der Frauen auch später, am realen Strand weiterhin unverhältnismäßig leuchten. Mit dem Sonnenöl wird so auch der Bikini zum „Hingucker“, und mit ihm auch der gesamte weibliche Körper. Das darf wohl kaum mit der

Freiheit des Körpers zur Sommerszeit verwechselt werden. Zur falschen Aufwertung der Frau gerät auch das zumal in der Werbung, aber bei aufmerksamer Betrachtung zunehmend auch durch die gesamten Medien hindurch inszenierte Lächeln, das in Wahrheit nur die alte gesellschaftliche Forderung neu formuliert: von jeher wurden Frauen direkt und indirekt dazu aufgefordert, zu Lächeln, da Lächeln nichts anderes bedeutet als die Verdrängung des eigenen Schicksals und die Akzeptanz der Wünsche des anderen. Die Aufforderung an Frauen, zu lächeln, ist nichts anderes, als die Frauen gegen ihren aufkommenden Widerwillen zu erpressen und diesen zu unterdrücken, buchstäblich aus dem Gesicht der Frau zu wischen, damit der Mann sich mit ihrer Gegenwehr oder ihrer Verletztheit nicht weiter konfrontieren muss. Nicht zufällig wurde das von Männern bei ihren Frauen eingeforderte Lächeln vielfach als Lächeln eines Kindes poetisiert. Let me see you smile like a little child heißt selbst bei dem später so progressiv für die Frauenbewegung eingetretenen John Lennon in seinem Song Dear Prudence. Hinter dieser tendenziösen Poetisierung steht aber nur die Absicht, die Frau durch das Kindeslächeln wieder in den Zustand kindlicher Unschuld zurückzuzwingen, s ie also hinter ihre gewonnenen Lebenseinsichten und ihren zögerlich gewagten Protest zurückzudrängen: Lächeln einfordern heißt, auch unabhängig vom jeweiligen gesellschaftlichen Kontext, stets, den anderen dazu zu zwingen, dass er sich wieder in den Zustand seiner Ahnungslosigkeit und bedingungslosen Gefolgschaft zurückfinden möge. Mit der Aufforderung

zum Lächeln soll jeder Widerstand gebrochen werden. Die Aufforderung zum Lächeln soll stets die durch das Leben erworbene Einsicht verbannen. Dann, so poetisierte auch Lennon, wird der Himmel in Gänseblümchen erstrahlen: the clouds will be a daisy chain. (Lennon korrigierte seine Sicht später allerdings von Grund auf und wies offen auf eben jenen Zwang für Frauen hin, ihre Bestrebungen stets unterdrücken und ihre Regungen stets verbannen zu müssen, nicht zuletzt in seinem Song Woman is the nigger of the world.) Um die gesellschaftliche Forderung zusätzlich psychologisch abzusichern, wird das Lächeln durchweg an die Produktwerbung gekoppelt, die durch die Akzeptanz des Produktes die Inszenierung des Lächelns zusätzlich absichert. Mit der Akzeptanz des erworbenen Produktes soll die Frau in der Erinnerung an die Werbung auch das ihr durch das Produkt zugewiesene Lächeln akzeptieren, gleichsam tiefenpsychologisch erwerben, und zwar auch über den Moment der unmittelbaren Anwendung des Produkts hinaus. Damit soll das Lächeln als erpresster Gesichtsausdruck der Frau auch über das Produkt hinaus legitimiert werden, und damit würde sich diejenige Frau, die ihr Lächeln verweigern würde, gegen die Legitimierung stellen. Durch die Koppelung tritt die eigentlich vom Produkt unabhängige, uralte patriarchalische Forderung hinter der Assoziation der Qualität und Funktionalität des Produktes zurück. Wie das Produkt funktioniert, so soll auch die Frau funktionieren, und allemal, etwa bei Bewerbung eines Fleckenmittels oder eines neuen Schruppers, soll die Qualität des Produkts als Lächeln auf die Frau übergehen. Durch das Lächeln sollen auch

die häuslichen „Pflichten“ der Frau für die Gesellschaft abgesichert werden. Das Lächeln in der Werbung soll den Frauen den Selbstwert vermitteln, den sie bei der Anwendung des Produktes erfahren sollen: aber es ist in Wahrheit nur ihr gesellschaftlich festgesetzter Wert, den sie als ihren eigenen erfahren soll: eben im „stolzen Lächeln“. Das ihr intojizierte Lächeln ersetzt ihr die in Wahrheit vorenthaltene wahre Anerkennung . Lächeln heißt immer auch so viel, wie sich selbst froh machen. Also soll sich die Frau durch das ihr befohlene Lächeln selbst froh machen: die Gesellschaft wird es kaum tun. Durchweg soll das Lächeln mit einem gewissen Vorteil, den das Produkt gewährt, verbunden werden, den die Frau dann als ihren eigenen, objektiv aber verwehrten gesellschaftlichen Vorteil erleben soll. Das ihr introjizierte Lächeln ist ihre eigene Verhöhnung. Das Lächeln soll als Stolz über den gesellschaftlichen Erfolg, den das Produkt verspricht, erlebt und verinnerlicht und in letzter Konsequenz auch nachgeahmt werden. So verlangt die Gesellschaft über die Produkte der Industrie der Frau willfähriges Lächeln ab, indem sie es den Frauen stets als selbstbestimmte emotionale Reaktion auf ihre Produkte vor Augen führt, so dass die Frauen beim Erwerb der Produkte diese emotionalen Reaktionen möglichst reproduzieren. Da das jeweilige Produkt ihnen gesellschaftlichen Erfolg verspricht, geht der Stolz der Werbefrau auch auf die Konsumentin über, geht ihre durch die Industrie anerzogene Akzeptanz des Produktes auch auf die Akzeptanz des Lächelns über, das das Produkt begleitet, und so lächelt sie mit dem erworbenen Willen gegen ihren Willen, so lacht die Gesellschaft über die sie.

Wo aber das Lächeln zu vergehen droht, entzieht die Gesellschaft der Frau sofort wieder ihre Akzeptanz. Scheinhaft fürsorglich hält die Industrie auch hier bereits die Produkte bereit, die auf die Sicherung ihres Absatzes hin berechnet sind. In dem unsäglichen Spot für Vitasprint etwa spricht Hannelore Elsner als Werbefrau die Worte: „Du gefällst mir gar nicht. Was du brauchst, ist eine Kur!“ Du gefällst mir gar nicht heißt aber nichts anderes, als dass die Ausbeutung der Frau ihr Gesicht gezeichnet hat und so ihre Ausbeutung für die Öffentlichkeit sichtbar wird. Darum wird sie unmissverständlich dazu aufgefordert, in ihrem Gesicht wieder den Ausdruck herzustellen, der die Gesellschaft nicht weiter gefährdet. Wer nicht mehr lächelt, bekommt eine Kur verschrieben: scheinhaft als Kur von ihrer familiären und beruflichen Last (du siehst so müde und abgespannt aus), in Wahrheit aber als Kur von ihrer Lebenseinsicht, die Kur von ihrem Einspruch. Denn trotz aller Lenkung und Beeinflussung mu ss die Gesellschaft immerhin noch damit rechnen, dass im Angesicht des totalen Zusammenbruchs die betreffende Frau doch aufbegehren würde. Darum muss der Zusammenbruch der Frau verhindert werden, nicht etwa aus Sorge um ihre Gesundheit, und darum „braucht“ sie eine Kur. Worte wie Kur oder Heilung hatten immer schon den Sinn, der Zielperson fremde Interessen als deren eigene nahezubringen und im schlimmsten Falle Menschen aus der Gesellschaft zu entfernen: so wird Disziplinierung als Fürsorge hingestellt. Fast ist man geneigt, die Perfidität solcher Slogans mit der Strategie der Nazionalsozialisten zu

vergleichen, die „psychisch Kranke“ auch eine „Kur“ verschrieben: sie nannten es Schutzhaft. Darum also muss das Gesicht der Frau von der Industrie mit ihren Produkten stets umsorgt werden, die als Frau ihr „wahres Gesicht“ nicht mehr zeigen darf; denn das ungeschminkte Gesicht bricht das Licht anders: das Licht bricht so wie die Seele zerbricht. Eben darum muss es durch Schminke und Make-up, Wimperntusche und Lidstift bis hin zum Sonnenstudio und Lifting verdeckt werden, um die gebrochene Seele in der gebrochenen Welt zu verdecken. Hier spielt dann auch der Aspekt des Alters mit in die gesellschaftliche Projektion der Frauen hinein, das in gleicher Weise als Ausdruck der gebrochenen Seele, auch als mit den Jahren gereifte Einsicht in ihre Fremdbestimmung unterdrückt werden muss. Das „Alter“ des Gesichts muss aber nicht nur allein als Zeichen vergänglicher Attraktivität (aus der Perspekte der Industrie gesprochen) verbannt werden, sondern auch als Ausdruck des psychosozialen Alters, als Ausdruck von Lebenserfahrung. Wissen ist Macht, sagt der Volksmund, und eben genau jene Macht der älteren Frauen muss unterdrückt werden. Ältere Menschen, zunächst auch unabhängig ihres Geschlechts, gefährden mit ihrer Lebenserfahrung den täglichen Trott des einmal so Geschaffenen und nie Hinterfragten, sie gefährden insbesondere politische und wirtschaftliche Macht: deshalb sollen sie an ihrem Alter verzweifeln. Dabei gilt das Paradoxon, dass die Industrie, indem sie den Frauen Produkte für die Bekämpfung ihres Alters anbietet, es ihnen überhaupt erst einredet, so dass aus der Angst vorm „Alter“ noch größere Bedürfnisse in den

Frauen geweckt werden, für die die Industrie dann ihre Produkte stets weiterentwickeln und zu noch größerer Zahl absetzen kann. Aus der Angst vor dem Verlust der Jugend sollen die Frauen mit einem kaum zu beziffernden finanziellen Aufwand ihre jugendliche Ahnungslosigkeit in den Zügen des von der Ausbeutu ng gezeichneten Gesichts wiederherstellen. Jeder kosmetische Eingriff soll den Frauen immer nur wieder seine Unzulänglichkeit vor Augen führen und sie dazu bewegen, noch größeren Aufwand zu betreiben. Jede Anwendung von Anti-Aging-Cremes geschieht immer nur in der Angst, dass die Glättung schon beim nächsten Einkauf nicht mehr ausreichen wird. Allein die Indikation der einzelnen Präparate, die genau erklären, in welchem Alter welches Präparat nötig ist, weist bereits daraufhin, dass auch dieses Alter vergehen wird und jeder gerade noch betriebene Aufw and schon im nächsten Moment nicht mehr reichen wird. So sollen Frauen resignieren: die Industrie treibt sie im Glanze ihrer ökonomischen Macht und im Lichte listiger Fürsorge in Minderwertigkeitsgefühle und zwingt sie damit zum gesellschaftlichen Rückzug. Wo aber das Gesicht verdeckt werden muss, müssen alle Parameter der Erscheinung mit in die Modellierung der Erscheinung einbezogen werden. Schon als Kinder lernen die Frauen, ihrer Puppe die Haare zu kämmen. Dabei darf auch hier nicht etwa an eine angebor ene Neigung geglaubt werden. Vielmehr ist auch hier von einem Verhaltensmuster auszugehen, also einem Muster, an das das heranwachsende Mädchen von der Gesellschaft durch ihre Erziehung herangeführt wird: schon allein dadurch, dass man ihr überhaupt eine

Puppe schenkt, so dann auch über die als bloßen Vorschlag an das Kind formulierte Empfehlung: komm, kämm der Puppe doch mal die Haare! Jene früh erhaltene „Empfehlung“ wird im späteren Leben der Frauen gleichsam zur bindenden Vorgabe an sie. So wie sie insgesamt ihre Fetischisierung betreiben müssen, so müssen sie auch ihre Haare beständig den Trends anpassen. Die tiefe Enttäuschung, die Frauen durchleben, wenn sie sich wieder einmal eine neue Frisur haben empfehlen lassen und oder ihre Haare neu gefärbt haben, aber dann nicht das erwartete Gefallen finden, hat weniger in einer unmittelbar persönlichen Kränkung ihre Ursache, wie es die Volkspsychologie, zumal die männliche immer so gerne wahrnehmen möchte. Vielmehr ist es die Enttäuschung darüber, dass unterm Druck der Gesellschaft sich der Konsum nicht ausgezahlt hat. Es ist vielmehr die Regung der in diesem Moment schmerzhaft zu Bewusstsein aufsteigenden finanziellen Ausbeutung: während sie einerseits vom Patriachat zu eben jener Konsumhaltung gedrängt werden, darf dasselbe Patriachat dann auch noch über sie richten und durch Ablehnung ihrer Erscheinung sie noch weiter zum Konsum erpressen. Die den Frauen in solchen Augenblicken gebetsmühlenartig vorgehaltene und dadurch volkspsychologisch überhaupt erst zugeschriebene gekränkte Eitelkeit ist eigentlich die Eitelkeit der Männer, die insgeheim lieber mit Madonna oder Angelina Jolie ausgehen würden und darum ihre Frauen dazu anhalten, die männliche Eitelkeit in ihrem Gesicht als Frau abzubilden. Natürlich nicht direkt, sondern dadurch, dass ihr Partner eben die Platten von

Madonna hört oder die Filme mit Angelina Jolie schaut, natürlich mit seiner Partnerin zusammen: Bemerkungen zu seiner Partnerin von der Art wie „ich bin ja doch froh, dass ich dich hab“, bewältigen nur die Frustration, eben nicht von Jolie auserwählt worden zu sein. Die vermeintliche Eitelkeit in den Gesichtern der Frauen ist die von den Männern auf sie projizierte männliche Eitelkeit. Das alles provoziert die Frage, ob es ursprünglich, am Beginn der Menschheit, vor aller Erziehung und „Disziplinierung“ der Frauen überhaupt je ein originäres, unverfälschtes, psychisch unberührtes anderes Fühlen und Denken von Frauen gegeben habe. So prinzipiell unvorstellbar es wäre, anzunehmen, es habe je einen Urzustand frei von Kommerzialisierung und Instrumentalisierung gegeben, so sehr stärkt eben jene nüchterne Einsicht gerade die Position der Industrie, die zunyisch allemal argumentieren kann, dass es ein anderes Fühlen und wahrhaft, ursprünglich freies Selbstverständnis von Frauen nie gegeben habe und sie als Industrie darum die Wünsche und Bedürfnisse von Frauen präziser abbilden würde als die Kritiker es je vermöchten. Fast ist man geneigt anzunehmen, dass selbst die Vision der Emanzipation von der Industrie mit ihren Produkten miterfunden wurde, wissend, dass es sie nie gegeben hat und es darum auch keine exakte Vorstellung davon gibt, wie reale Emanzipation überhaupt zu schaffen sei, und die Frauen darum die gesellschaftliche Konzeption solchen Bestrebens, wie sie von der Industrie vermittelt wird, als Möglichkeit ihrer Verwirklichung akzeptieren müssen – mangels Alternative. Gut möglich, dass das

Ideal der Selbstverwirklichung der Frauen von Beginn an die Produkte der Industrie nur als Kaufanreiz ergänzte, als deren eigene Erfindung; dass die Industrie das Ideal nur entwarf, um eine ihr selbst günstige Konsumhaltung in den Frauen zu wecken (sogenanntes Involvement in der Wirtschaftslehre), aber ihre Produkte stets so entwickelten, dass sie nur ihre eigene Macht als Produzenten stärkten, zu keinem Zeitpunkt aber je die gesellschaftliche Stellung der Frau; dass sie für die Frauen die Vision von der Selbstverwirklichung nur aufbauten, um sie ihnen als von der Vision Verführte ein ums andere Mal vorzuenthalten: die Produkte, so scheint es fast, sind so konzipiert, dass sie die beinahe schon abgerichtete Erwartungshaltung der Frauen immer nur gerade so weit erfüllen, dass die Frauen die Produkte annehmen, aber ihre reale Selbstverwirklichung doch wieder vorenthalten bekommen, so dass die Frauen bei jedem neuen Produkt sehnsüchtig und voller Hoffnung auf den jüngsten Tag auch weiterhin zugreifen: so wird sichergestellt, dass die Kette des Konsums nicht abreißt. Darum schürt die Industrie stets aufs neue die Hoffnung auf Erlösung: nur so lange die Hoffnung nicht abreißt, reißt auch der Konsum nicht ab, nur solange die Frauen die Hoffnung nicht aufgeben, werden sie auch den Konsum nicht aufgeben; nur solange sie den Konsum nicht aufgeben, werden sie auch von der Gesellschaft nicht aufgegeben, die sie längst aufgegeben hat. Dabei tilgt die Industrie systematisch jeden Rest von Individualität, den sie durch die Vielfalt ihrer Produktpalette wirkungsvoll zurückspiegelt: sie lässt

den Frauen einen letzten Raum von freier Wahl und Individualität und erlaubt ihnen, sich innerhalb des großen, längst schon unüberschaubaren Angebots sich scheinbar selbst zu definieren: aber damit definieren sich die Frauen einmal mehr über die Industrie. Sie akzeptieren sich, wie die Industrie sie bereits definiert hat, als sie ihre Produkte konzipierte. Ob es nun das Parfum von Chanel oder Lagerfeld ist, das Kleid von Jil Sander oder Donatella Versace: sie alle bestärken die Frauen in ihrem akzeptierten Konsumverhalten. Die Individualität, die sie sich sehnsüchtig und wehmütig zugleich, fast schon verzweifelt unterm gesellschaftlichen Druck in der Entscheidung für diesen oder jenen Modeschöpfer noch zu erhalten versuchen, ist die von der Industrie zugestandene Individualität, die man auch als aufbegehrende Harmlosigkeit bezeichnen könnte; es ist die Individualität, die ihnen die Modeschöpfer schon in dem Moment, wo sie den Stift zum Entwurf ansetzen, zuweisen, die die Modeschöpfer aber durch die jeweils maximalsten Freiheiten in ihren Entwürfen bereits mit den Nadeln in den Stoffen abstecken. Es kommt empirisch allenfalls noch zur Auswahl, nicht mehr zur Wahl an sich: jenseits der Auswahl ist keine Wahl mehr möglich. Danach wäre zu konstatieren, dass die Vision von der Gleichberechtigung der Frau zurückgedrängt und aufgehoben scheint allein in der Gestaltung ihrer Erscheinung, wobei ihnen der Wert, den die Mode besitzt, präzise kalkuliert als ihr eigener Wert zurückgespiegelt wird. Wiederum verkörpert der Prominente, hier nun der Modeschöpfer, das Anse hen, das eigentlich den Frauen zuteil werden müsste und

durch die Stoffe und Substanzen, die sie an sich tragen, als ihr eigener gesellschaftlicher Wert zurückgespiegelt wird. So wie der Untergebene sich dem Diktator fügt, damit sein Heil auch auf ihn übergehe, so fügen sich die Frauen den Modeschöpfern, um in deren Glanz selbst glänzen zu können; und gerade damit verlieren sie jeden Glanz; denn es ist in der Tat nur der Glanz des Createurs, den sie auf ihrer Haut tragen, der ihren eigenen natürlichen Glanz unwiderruflich zerstört. Dabei führt die Standardisierung, die totale Erfassung der emanzipatorischen Bestrebungen durch die Industrie zur Selektion in einem Maße, wie sie vorher kaum je bekannt war. Einmal mehr werden all diejenigen Frauen, die das sogenannte Idealgewicht überschreiten bzw. die „idealen“ Proportionen nicht erfüllen, selektiert. Als Vorkämpfer für Toleranz und Menschen von Großmut, sich auch diesen Frauen anzunehmen, geben sich diejenigen Modeschöpfer, die an ihren Produkten ausdrücklich hervorheben, dass sie die „zu breiten“ Hüften oder den „zu dicken“ Bauch weniger betonen, und im übrigen damit werben, dass die Größen und Zuschnitte in ihren Weiten die Figur vorteilhafter erscheinen lassen. Gerade damit aber tabuisieren sie einmal mehr das sogenannte Übergewicht, anstatt den betreffenden Frauen und ihrer Erscheinung durch gleichwertige Mode wirklich zu Ebenbürtigkeit zu verhelfen. Worüber nicht gesprochen werden darf, das darf auch nicht geschneidert werden. Noch heute lassen sich Männer, die in nicht minderem Maße durch die Industrie in ihren Vorstellung und ihrem ganzen Empfinden manipuliert sind – auch ihre Psyche wird von der Industrie gezielt ausgetauscht, um

auch sie als akzeptierte Käufer für ihre eigene Mode zu gewinnen, aber auch, um sie als strenge Hüter über den Einkauf der Frauen zu gewinnen -, immer wieder vernehmen mit Äußerungen wie: „Wie kann die so was tragen, wie sieht denn das aus!“ Mit ihrer „rücksichtsvollen“ Mode aber verrät sich die Industrie, die sich scheinhaft mit den „zu dicken“ Frauen solidarisiert, allemal in ihrer wahren Absicht, nämlich die Frauen in erster Linie als Sexualobjekte zu etablieren. Noch heute wird den Frauen, etwa in den unzähligen Telenovelas, das fast schon zur schlechten Redensart erstarrte Argument an die Hand gegeben, das den falschen Trost verheißt: „Es macht nichts, wenn ich dick bin: es kommt auf den Charakter an.“ Nicht etwa, dass es nicht auf den Charakter ankäme. Aber der Auspruch verrät sich dadurch, dass er die Reduzierung der Frauen auf ihre Sexualität faktisch akzeptiert, indem er denjenigen Frauen, die die „Norm“ nicht erfüllen, vorformuliert, sich als „Ausgleich“ ihrer vermeintlich geringeren Attraktivität einmal mehr auf ihren Charakter zu konzentrieren: der Aufwertung des Charakters entspricht die Abwertung des Körpers. Damit sollen sie den Blick weg von ihrem Körper lenken, und damit wird ihnen ihre Scham objektiv noch tiefer introjiziert. Der als gute Ratschlag im Tonfall äußersten Mitleids formulierte Ausspruch spendet den falschen Trost: nicht wenig fehlte, dass solchen Frauen zukünftig gleich die völlige Enthaltsamkeit angeraten würde: nahegelegt wird sie durch den Ausspruch bereits. Noch mehr verrät sich jene Haltung in der ebenso oft gehörten Variante des obigen Ausspruchs: „Es macht nichts, wenn du dick bist, aber dafür hast du

ein schönes Gesicht!“ bzw. wenn Männer bei einer „dicken“ Frau auffallend immer nur das schöne Gesicht betonen. Damit reduzieren sie die Frau einmal mehr auf nur einen Teil ihres Körpers, eben ihr Gesic ht, und verbannen damit die Gesamterscheinung. Der falschen Großzügigkeit in den Slogans der Modeschöpfer für „übergewichtige“ Frauen entspricht die falsche, durch ihre industrielle Repression erzwungene Selbstgenügsamkeit. In dem Moment, wo die betreffende Frau die Abwertung ihres Körpers durch Aufwertung ihres Charakters zu relativieren versucht, hat sie die Abwertung stillschweigend akzeptiert. Toleranz grenzt hier aus. So wenig in der Tat die betreffenden Frauen sich auf ihren Körper reduzieren lassen dürfen, so wenig sollten sie sich ihre sexuelle Ausstrahlung ausreden lassen. Die betreffenden Frauen müssten ihrer gesellschaftlichen Projektion entrissen werden, um auch ihrem Körper die volle Persönlichkeit, auch die ihre sexuelle, zusprechen zu können ohne jede Einschränkung oder vergleichende Bezüge. Ergibt sich aus dem oben Analysierten die Tendenz, Frauen zu Objekten der sexuellen Begierde zu stilisieren, dann ergibt sich daraus einmal mehr, dass nicht nur die für die Frauen geschaffenen Produkte über den bloßen Warenwert hinaus kaum einen ideellen besitzen, sondern die Frau selbst als Konsumentin heute weithin zur Ware degradiert wird. Die Frau selbst wird zum bloßen Objekt, zur Projektionsfläche falscher Ideologien und unerfüllter sexueller Wünsche ihrer Partner. Dabei werden die Wünsche der Partner parallel mit der Produktion für Frauen von der Industrie mit geschaffen, indem die

Produkte für Frauen stets so formuliert werden, dass sie nicht nur die sexuellen Wünsche der Männer arglistig als Bedürfnisse und Selbstverständnis der Frauen formulieren, sondern die männlichen Sexualphantasien als Kaufanreiz weithin überhaupt erst auslösen: damit wird die Frau sozusagen von zwei Seiten kontrolliert und „diszipliniert“, nämlich gleichzeitig von der Industrie und ihrem Partner (Double Bind) und so ihre Repression durch die Industrie in ihr Privatleben hinein verlängert: da, wo die Industrie nicht mehr unmittelbar auf die Entscheidung der Frauen Einfluss nehmen kann, nämlich in ihren eigenen vier Wänden, sichert die Industrie ihren Umsatz und damit ihre Macht zusätzlich ab, indem sie auch den Mann in ihrem Sinne „diszipliniert“, der von den durch die Produkte ausgelösten Sexualphantasien getrieben weitgehend die Frau zum Kauf dieser oder jener Unterwäsche oder Parfums bewegen soll – natürlich im Namen seiner „Liebe“ zu ihr. Wo die Gesellschaft, deren Interessen durch die Industrie verdinglicht werden und deren Forderungen an die Frauen in den Produkten für sie ausgedrückt sind, muss die Industrie zur Verstärkung ihrer Akzeptanz als Anführer der falschen Revolution über ihre Werbebotschaften hinaus zusätzliche Identifikations-Figuren heranzüchten: die durch die Werbung geschaffenen Bilder müssen in Vorbilder überführt werden, die den geschaffenen Lebensentwürfen ihr Leben einhauchen: Stellvertreter „Gottes“ auf Erden, Stellvertreter des Patriarchats auf den Brettern der Weltbühne, die jene durch die Werbung bereits vermittelte Botschaft weiter

transportieren, um sie noch eindringlicher zu verkünden: als Vorbilder und Nachbildung zugleich, in deren Botschaft die Frauen von letzten Zweifeln über die ihnen zugewiesene Rolle endgültig „erlöst“ werden sollen. Jüngste zum synthetischen Leben erweckte Ikone solcher Projektion ist Lena Meyer-Landrut. Erschreckend zu erleben, wie Millionen von Fans, und darunter die weiblichen nicht am letzten, in Lena die Erfüllung ihrer Lebenswünsche erblicken, eben die Erfüllung der zuvor auf sie als Frauen projizierten Wünsche: sie projizieren die Projektion zurück auf das Konstrukt der Industrie, das seinerseits Projektion ist. Hier treffen alle drei Projektionen aufeinander: die Projektion des Frauenbildes durch die Industrie auf die von ihr geschaffene Figur Lena, die parallele Projektion desselben Bildes durch die Industrie auf die Frauen als Fans und deren Rückprojektion auf die Figur Lena, in der sich die weiblichen Fans als von der Industrie fremdentworfene Konsumentinnen wiedererkennen sollen. „Lena“, als Figur, ohne Einbeziehung ihrer realen Identität, die gleichwohl als gleichermaßen projiziert gelten dürfte, gesteht ihrer besungenen Liebe gleich zu Beginn des Songs, dass sie sich neue Unterwäsche gekauft habe: Sie sind blau, und ich habe sie gleich am nächsten Tag angezogen, nur für Dich. Ich habe sogar meine Zehennägel für Dich lackiert. „Lena“ präsentiert sich damit beinahe vom ersten Beat an als vom Konsum total erfasst, als fremde Identität, als vollendeter Fetisch: der Stolz des durch Stoffe und Farben eingegrenzten sozialen Erfolgs. Kein Wort erfährt man hingegen davon, wie „Lena“ ihrer großen Liebe etwa als intellektuelles Wesen gegenübertreten

wollte: fügsamer kann sich eine Frau kaum je selbst ihren Intellekt absprechen. Stattdessen konditioniert „Lena“ ihre Liebe als bloße Gefolgschaft gegenüber der Industrie, getragen und erfüllt vom Stolz als Konsumentin, wenn sie in jener totalen Zurichtung beschwört: Mein Ziel ist klar und aufrichtig. Was als „Ziel“ formuliert wird, ist aber die Forderung der Gesellschaft an „Lena“. Ihr Ziel ist das Ziel der Gesellschaft, die patriarchalische industriell verkörperte und vergegenständlichte Absicht. Ein Ziel indes bezieht sich in seiner vorausschauenden Perspektive immer zugleich auch zurück auf die Mittel zum Ziel. Wer sein Ziel klar vor Augen hat, muss immer auch die Mittel zu seinem Ziel entwickeln: diese sind aber von der Industrie vorentwickelt. „Lenas“ Mittel sind ihre blaue Unterwäsche und ihre lackierten Zehennägel, ihre eilfertige, kompromisslose Fügung unter die Industrie, ihre Mittel sind ihre totale Fetischisierung. Oh meine Liebe, ich kann dir gar nicht sagen, was ich für dich fühle. Der klassische, durch Poesie und Lyrik seit Menschengedanken besungene Stolz des Auserwähltseins: aber auserwählt wurde sie von ihrer imaginären Liebe nur als Trägerin ihrer blauen Unterwäsche und farbigen Nägel. Was der Volksmund harmlos abstufend als hergerichtet sein bezeichnen würde, müsste nachgerade als abgerichtet bezeichnet werden. Wie ein Satellit werde ich um dich kreisen. Sieht man einmal von einem weiteren Stereotyp ab, dass eigentlich jede wahrhaft emanzipierte Frau empört zurückweisen müsste, nämlich der völligen Auslieferung und Bezugs ihrer selbst allein auf ihren Partner, so besingen diese Worte nichts anderes als

„Lena“ Fetischisierung: was da allzeit um den Liebhaber kreisen soll, sind eben Höschen und Nagellack. Fast schon schicksalhaft, ihre totale Erfassung besingend, fällt sie zum Schluss auch noch als Summe aller Botschaften ihr eigenes Urteil: Da gibt es kein Entkommen mehr. Wer als Frau dagegen einwendet, es handele sich um reine, unberührteste Poesie, hat die Poesie als Tarnung der gesellschaftlichen Forderungen an die Frauen bereits akzeptiert und als Übersteigung dieser Forderungen und Disziplinierung in die Wärme des Fühlens und Verlangens bereist verinnerlicht. Wer weiterhin einwendet, der Autor beabsichtige trickreich, die Fetischisierung „Lena“s überhaupt erst zu schaffen, in dem er sie herbeirede und sie damit überhaupt erst im Bewusstsein der Frauen (und auch der zuschauenden Männer) etabliere, offenbart nur einmal mehr die eigene Naivität, die exakt darin besteht, noch immer zu glauben, man könne der Mode folgen, ohne sich ihr zu unterwerfen, man könne sie unabhängig von ihren gesellschaftlichen Bedingungen als reine Mode retten, als ob man ihre Ideologie ausblenden und sie dem eigenen Bewusstsein als Frau nach neu entwerfen könne: das würde vorab daran scheitern, dass das entwerfende Bewusstsein selbst schon das verinnerlichte gesamtgesellschaftliche Bewusstsein wäre. Aus dem falschen Bewusstsein heraus ist aber das richtige nicht zu schaffen. Mode ist stets Indiz ihrer Projektionen, jeder Schnitt ist stets Zuschnitt, auf den Körper ebenso wie auf das Bewusstsein, das der Körper in stolzen Schritten trägt, während umgekehrt das Bewusstsein diese Schritte misst.

Wo aber die Industrie in Namen von Mode und Trends die Frauen stets aufs Neue auf ihren Körper reduziert, wird als Paradoxon gerade der Körper virtuell ausgelöscht. Was den Frauen den lang ersehnten Augenblick von Selbstbestimmung und sexueller Befreiung einlösen soll, die Erlösung von ihrem erbitterten Kampf vor Augen führen soll, fällt zurück in stärkste Formen des Patriarchats und erstarrt zum Mythos: zum Mythos der sexuellen Befreiung, in der unterschwellig der alte Mythos der allein zur Erfüllung ihrer gesellschaftlichen „Pflichten“ erzogenen Frau reetabliert und als Schein von Individualität reinszeniert wird, die nichts anderes als der organisierte Massenkonsum ist: schon jede Vitrine eine Modehauses ist Gestaltwerdung solcher Inszenierung. Die Modeschöpfer und dahinterstehend die Industrie insgesamt erfüllen den wohl lang gehegtesten Wunsch aller Frauen und betrügen sie im selben Moment um eben jenen Wunsch: sie entreißen scheinbar die Kleiderordnung, in der sich von je her die Rolle der Geschlechter spiegelte, dem Bereich des Privaten und damit auch dem Einfluss des eigenen Partners, und inszenieren Geschmack und Stil als gesellschaftlich unabhängig, nur den Gesetzen des freien Marktes und damit der freien Entscheidung unterworfen und darum dem Einfluss des Patriarchats entzogene öffentliche Angelegenheit, so dass die Frauen, so sollen sie glauben, in gleicher Weise aus der Fremdbestimmung ihres privaten Daseins in die Öffentlichkeit heraustreten können wie die für sie geschöpfte Mode. Die Mode soll gleichsam ihr Heraustreten in die neue Unabhängigkeit und Öffentlichkeit hypostasieren. Die

Weite der Schaufenster, in dem sie ihre Mode bewundern und begehren sollen, ist die Öffentlichkeit, in die sie als Frau eintreten sollen. Wo rein sie aber eintreten, wenn sie dann das Geschäft betreten, ist die jeder wahrhaften Öffentlichkeit, jeder demokratischen Mitbestimmung entzogene, durch Puppen und Stangen geschaffene Inszenierung ihrer vorbestimmten Identität. Die stets erweiterte Produktpalette soll den Frauen diese neue Öffentlichkeit, die zugleich ihre neue Freiheit sein soll, als Verwirklichung ihrer Verwirklichung buchstäblich vor Augen führen: in jedem Schaufenster, in jedem Prospekt und auf dem Laufsteg. Jedes neue Produkt soll als weitere Stufe der Verwirklichung begriffen werden, jede neue Creme, jedes neue Parfum soll stets als nächst höhere Stufe der sozialen Revolution verinnerlicht und gehuldigt werden. So soll die Öffentlichkeit auf die Frauen wie ein von jeglichem Zwang befreiter Raum wirken: so wie man zur Erholung spazieren geht und für die Dauer der Promenade das stickige Zimmer hinter sich lässt, so sollen die Frauen den Gang ins Modehaus erleben: die Kleiderregale im Schein der warm-strahlenden Deckenbeleuchtung sollen der Stadtpark, das Naherholungszentrum unter freiem Himmel sein, unter dem sie sich bewegen. In Wahrheit aber bewirkt die Industrie damit nur die Gleichsetzung von Produktvielfalt und Entscheidungsfreiheit: die Vielfalt, die die Frauen in den täglich neu auf den Markt geworfenen Produkten erleben, die eifrige Modifizierung und Variierung der Produkte ist aber in Wahrheit nichts anderes als die Modifikation und Variierung des stets selben Bildes, das die Industrie von

den Frauen für die Frauen schafft, die Objektivation ihrer Fremdbestimmung, die Versinnbildlichung des Mythos: die organisierte Vielfalt, die nur die tausend Gesichter der Produzenten sind. Im Glauben, sich aus dem Patriarchat befreit zu haben, geben sich die Frauen der neuen Fremdbestimmung schwärmerischer und eifernder hin als sie es im trauten Heim ihrem Partner gegenüber je zugelassen hätten. Recht eigentlich ist die die Industrie als das moderne Patriarchat zu kennzeichnen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass, allemal wirkungsvoll, auch Frauen unter den Designern und Createuren sich einen Namen gemacht haben und vielfach auch zu Ruhm und Ehre gelangten, oder wie Coco Chanel schon Lebzeiten zur Legende wurden. Längst schon ist das Leben von Frauen zum Leben auf dem Laufsteg geworden, und zwar im unmittelbarsten Sinne der Metapher: zum Lauf durch die Öffentlichkeit aller Konsumenten, zu denen sie selbst gehören. Der wirkliche Laufsteg erzeugt gerade wegen seiner Unerreichbarkeit das wehmütige Verlangen, es den Models gleichzutun, die ihrerseits von der Industrie gezielt als Identifikationspersonen, sogenannte Idole, und damit zur Personifizierung des Mythos etabliert werden. Dabei verstärkt sich die Neigung negativ zu einem immer größeren Verlangen, je größer ihnen der Abstand zum echten Laufsteg vorgeführt wird. Nicht obwohl, sondern gerade weil die Distanz so groß ist, die nicht nur durch die Erhöhung des Laufstegs selbst, sondern auch durch die unbezahlbaren Preise gezielt aufgebaut wird, wird das Verlangen und damit der Konsumdrang gesteigert, es wenigstens mit den

finanziellen Mitteln des Durchschnittsverdieners zu erreichen. Dabei spiegeln die Preise wiederum nicht den objektiven Warenwert wieder, sondern den rein manipulatorischen: sie sind rein psychologisch berechnet. Der Preis der Haute-Couture ist darum so unerreichbar hoch gewählt, damit gerade jene Unerreichbarkeit in den Frauen ein gewisses Maß an Zurücksetzung bewirken soll, so dass ihr ganzes Bestreben nun dem Ehrgeiz geschuldet ist, auch noch den letzten Cent aufzuwenden, um mit Konfektionsware wenigstens äußerlich mit ihren Idolen mithalten zu können, wobei die Preise der Konfektionsware ebenfalls verhältnismäßig zu hoch festgesetzt werden, um den Frauen ihren ökonomischen Stolz, dass sie sich unter Inkaufnahme monatelanger Entbehrungen das Abendkleid doch noch leisten konnten, als sozialen Erfolg zurückzuspiegeln. Wer sich damit begnügt, die zu hohen Preise der Mode lediglich als Ausbeutung zu durchschauen, hat die Ausbeutung ihrerseits nicht durchschaut. Was die betreffende Frau zu durchschauen glaubt, ist lediglich das ökonomische Interesse an sich, unleugbar beinah schon zum volkswirtschaftlichen Allgemeinplatz und damit zu r akzeptierten Bedingung von Produktion an sich geworden. Von dem ökonomischen Interesse wähnt die Frau sich unabhängig, in dem sie sich von den ohnehin unbezahlbaren Preisen abwendet: so glaubt sie, ihre Ausbeutung gebannt zu haben glaubt. Die Ausbeutung ist aber von tieferem Wesen: die ökonomische Ausbeutung ist nur die äußere Erscheinung der eigentlich seelischen Ausbeutung. Die Preise deklarieren, in dem sie den Warenwert ausweisen,

immer auch den Tauschwert: der Tauschwert der Ware aber entspricht immer auch dem gesellschaftlichen Wert, dem sogenannten sozialen Prestige, dass dem Käufer eben durch den Kauf des Produktes zukommt und das er sich durch den Kauf für sich schaffen möchte: jeder Käufer erwirbt mit dem Kauf eines Produktes nicht nur das Produkt selbst, sondern auch den gesellschaftlichen Wert, der dem Besitz des Produktes zukommt, der sich wiederum am Warenwert bemisst, und damit letztlich auch dem Besitzer selbst zukommt: der gesellschaftliche Wert, der den Frauen durch die Industrie zugewiesen wird, ist der Wert der Kleider, die sie an sich tragen. Wann immer die Frauen, die sich den Laufsteg anschauen, beteuern, sie verfolgten die Präsentationen nur, um sich inspirieren zu lassen, offenbaren sie durch jene Beteuerung nur, dass sie der Kommerzialisierung ihres Körpers bereits verfallen sind: denn was sie sich als psychologische Differenz, als Abstand vom Geschehen zugute halten, nämlich dass sie sich dem Luxus des Laufstegs niemals ausliefern würden, reflektiert lediglich und einzig die soziale Grenze, die die Industrie durch die zu hohen Preise von vornherein aufgebaut hat, und die von den Frauen, die die entzückt die Präsentationen verfolgen, ohnehin nicht zu übertreten wären. Mit solchen Beteuerungen reflektieren die Frauen nur die Grenze, die die Industrie bereits für sie gezogen hat, als eigene psychologische Leistung. Aber inspirieren lassen wollen sie sich trotzdem. Inspirierung ist in diesem Moment aber nichts anderes als Identifizierung: wer sich von der Haut-Couture inspirieren lässt, hat sich im selben Augenblick auch mit ihr identifiziert. Die Identifikat ion

mit einem Angebot ist keinesfalls gebannt durch seinen zu hohen Preis: auch das als Abwehrmechanismus durch Abwertung vor sich selbst abgelehnte , nicht finanzierbare Angebot bleibt dem Käufer als Identifikationsobjekt vor seinen Augen erhalten. Die Bilder laufen stets mit. Wer sich vom Laufsteg auch nur inspirieren lässt, ist in dem Moment bereits mit letzter Sicherheit zum Käufer der Produkte geworden, die die unerreichbaren Produkte erreichbar nachbilden : ob im Kaufhaus oder bei der Boutique, bei der man die Besitzerin persönlich kennt. Das ist der Sinn des Laufstegs. Dabei geraten die Frauen zusätzlich zu ihrem psychosozialen Druck auch noch unter einen sozioökonomischen Druck. Denn es sind dieselben Männer, die mit ihrer Frau über die Promenade schlendern wollen wie Karl Lagerfeld mit Claudia Schiffer, aber ihrer Frau, sobald sie mit ihr wieder in hinter den eigenen vier Wänden für die Öffentlich keit verborgen sind, ihr ihre enormen Ausgaben vorhalten und sie nicht selten zur ökonomischen Belastung für die Partnerschaft erklären. Manifester kann sich der Zynismus des Patriarchats kaum äußern: die Frauen, denen einerseits nach wie vor weitgehend die klassischen schlechtbezahlten Frauenberufe von der „Putzfrau“ über die Krankenschwester, die Friseuse, Kassiererin bis zur „Bedienung“ zugewiesen werden oder aber selbst in Fällen von beruflicher Karriere bei gleicher Position die gleiche Bezahlung vorenthalten wird, anderseits aber unter einem von dem selben Patriarchat geschaffenen Konsumdruck stehen, bekommen vorgehalten, dass sie bei geringerem Verdienst, aber zugleich höheren Ausgaben sich nicht

genügend an der Finanzierung der Partnerschaft beteiligten. Wo aber das Prestige der Frau dem Prestige ihrer Kleidung entspricht, wo der Warenwert auf die Frau als Trägerin, beinahe schon Werbeträgerin, übergeht, trit t die Frau hinter ihren Kleidern zurück. So wie der Warenwert auf die Frau als ihr „Wert“ übergeht, geht umgekehrt ihre Attraktivität auf die Kleidung über. Muss nach den bis hierhin dargelegten Überlegungen den Produkten an sich bereits ein fetischistischer Wert zugesprochen werden, so geht auch dieser Wert zusammen mit dem Warenwert und dem gesellschaftlichen Wert auf die Frau über: die Frau selbst, ihr Körper allemal, werden zum Fetisch. Dabei ist nicht nur von Fetischen im engeren Sinne auszugehen, wie etwa bestimmte Unterwäsche, sondern alle Produkte der Schönheitsindustrie müssen als Fetisch in Betracht gezogen werden: von der Haartönung über Schminke und Lippenstifte bis hin zu Düften aller Art übernehmen sie alle die Funktion eines Fetischs. Es gilt für die Frau, was für den Fetisch im allgemeinen gilt: als Fetische werden in der Sexualpsychologie unbelebte Gegenstände bezeichnet, weil sie nur als unbelebte, also willenlose die Phantasie des Fetischisten anregen können. Neben der rein deskriptiven Definition von Fetischismus als von der „Norm“ abweichendem Sexualverhalten liegt der tiefer e Sinn darin, dass Fetischisten ihre sexuelle Willensbildung nicht mit der Willensbildung ihrer Partnerin in Übereinstimmung bringen können. Darum können sie bevorzugt nur unbelebten Gegenständen begegnen. In keiner anderen Rolle befindet sich die

Frau, die von der Industrie zu Fetisch gedresst und gestylt wird. Ihr Wille wird ausgetauscht gegen den (männlichen) Willen, den die Kleider und Kosmetika in sich tragen. Gewalt gegen Frauen, zumal innerhalb einer Partnerschaft, ist nicht nur allgemein gesellschaftlich als Reproduktion selbst erfahrener Gewalt und Reinszenierung früherer Konflikte zu deuten, sondern einmal mehr auch als Folge sexueller Frustration, und zwar unter der besonderen Berücksichtigung der Zurückdrängung des weiblichen Willens hinter die Fetischisierung ihres Körpers. Was vielen Männern beim Vollziehen des Sexualaktes entgegentritt, ist der zwar von der Industrie in den Hauttönen der Reklame weitgehend aufgelöste, aber eben doch wehrhaft wehrlos auflebende Wille der Frau, der ihre Fetischisierung für den Mann gefährdet: der belebte Körper der Frau begehrt gegen seine unbelebte Projektion auf. Der Begriff der Ersatzbefriedigun g erfährt hier eine neue, gegen seine allgemeine Verwendung zu verwendende Bedeutung. Fast ist man geneigt, den Sexualakt aus Sicht vieler Männer als Ersatz für die Befriedigung an den Fetischen zu betrachten, die er an den Fetischen allein aus Gründen der Scham und der gesellschaftlichen Erwartungshaltung und sozialen Drucks zum Eingehen einer Partnerschaft wegen nicht suchen und erleben dürfte. Fast ist man geneigt zu sagen, dass längst schon das Höschen oder die Seidenstrümpfe nicht mehr zum Ersatz für den weiblichen Körper benutzt werden, sondern umgekehrt der weibliche Körper als Ersatz für die bloßen Kleidungsstücke, nachdem diese zum Vollzug des Beischlafs abgestreift wurden . Der

weibliche Körper wird mit all den Stoffen, die ihn umkleiden, zum Liebestorso, der, nachdem seine Seele exterminiert wurde, aus den gleichen nachgebenden und sich anpassenden Stoffen besteht wie das Torso, das bei Beate Uhse bereitgehalten wird. Die totale Fetischisierung des weiblichen Körpers löscht diesen unter ihrer Reizwäsche beinahe aus. In letzter Konsequenz haben Unterwäsche, Nylonstrümpfe sowie alle Arten von Düften bis hin zum Intimspray den Sinn, dass der Mann unterm Druck seiner durch die Vermarktung des weiblichen Körpers aufgestauten Phantasien den Körper seiner Partnerin beinahe überbrücken kann; dass der Funke seiner Entladung den Körper seiner Partnerin beinahe überspringen kann und seine Phantasien direkt in seine sexuelle Erfüllung überführt werden; dass nachgerade das Erleben des realen weiblichen Körpers, also die eigentliche Intimität übersprungen werden kann, da sein Orgasmus sonst durch das tatsächliche Erleben des weiblichen Körpers unterbrochen würde: denn der Körper seiner Partnerin, der reine nackte, von allen Fetischen befreite Körper ist der letzte Bereich, auf den die Industrie nicht weiter einwirken kann und der darum als reiner, von der Natur belassener Körper in der Vermarktung auch nicht vorkommt und darum auch nicht in der Sexualphantasie des Mannes. Diese Differenz aus seinen Phantasien und dem Erleben des realen Körpers se iner Partnerin muss er psychisch überbrücken können, und darum muss der weibliche Körper stets weiter zum Fetisch ausgestattet werden. Witze wie etwa jene, dass der Mann erstaunt feststellt, dass seine Partnerin noch Jungfrau war, sie ihm aber entgegnet, dass er in

Wahrheit ihre Strumpfhose durchstoßen habe, reflektieren objektiv die Verschiebung seiner Phantasie auf sein wahres Erleben, wonach der Mann am Ende mehr Erregung erfährt, wenn er die Strumpfhose berührt als bei Berührung des Körpers seiner Partn erin. Das häufige männliche Versagen wäre danach als Folge eben jener psychosexuellen Differenz der Fetischisierung des weiblichen Körpers und seiner realen Erfahrung zu begreifen, die real nicht mehr aufzuheben ist. Seine Zuspitzung erfährt der ungelöste intrapsychische Konflikt aus der Differenz von stimulierter Phantasie und realem sexuellen Erleben in der eigenartigen Ambivalenz zwischen der sexuellen Bewertung von Prostituierten und der eigenen Partnerin. Dieselben Männer, die geflissentlich beteuern, an einer Prostituierten, Personifizierung der Stereotype männlicher Phantasien, kein Gefallen zu finden, erwarten von ihrer Partnerin, dass sie sich in einem Maße zur Projektionsfläche männlicher Wünsche gestalte, die in der akzeptierten Fetischisierung der eigenen Partnerin der Fetischisierung einer Prostituierten in nichts nachsteht. Dabei ist eine wechselseitige und wechselvolle Bewertung beider als mögliche Geschlechtspartnerinnen zu beobachten. Während der Mann gegen die Bezahlung bei der Prostituierten einerseits seine Wünsche als Kunde ohne Rechtfertigungsdruck formulieren darf, die Prostituierte aber als Erbringerin ihrer gewerbsmäßigen „Leistung“ im selben Maße auch die Bedingungen ihres „Angebots“ formulieren darf, vermischen sich im Sexualakt mit der eigenen Partnerin beide Perspektiven zum faktisch für den Mann bedingungsfreien Vollzug

des Geschlechtsaktes. Denn durch die Fetischisierung des weiblichen Körpers, der im Sexualakt seine Erfüllung für den Mann findet, sind die Phantasien des Mannes über seine Partnerin industriell vorgebildet und gesellschaftlich abgesichert. Die Macht, die der Mann über seine Partnerin scheinbar weniger hat als über die Prostituierte, weil er sie nicht bezahlt, geben ihm zum Ersatz für die unmittelbar ökonomische Mach t die Gesellschaft und die Industrie, die in ihren Produkten die Forderungen der Gesellschaft verdinglicht und die Frauen beständig zum weiteren Konsum der Fetische anhält: so hat er über seine Partnerin mehr Macht, als er über eine Prostituierte je gehabt hätte. Die Macht über seine Partnerin ist die Macht des Patriarchats über sie, die Macht der Industrie über sie. Und damit braucht er beim Vollzug des Verkehrs schon beinahe keine Wünsche mehr zu formulieren, weil all seine Wünsche in den Fetischen von der Unterwäsche bis zu diversen Sextoys bereits verdinglicht sind und ihre verdinglichte Forderung als reale Pflicht an die Partnerin stellen. Mag immer die partnerschaftliche Sexualität im einzelnen sich ausgeglichener und differenzierter gestalten, so ist sie doch stets in dem beschriebenen Bann als Verwirklichung der Forderungen an die Frau zu sehen, die in dem akzeptierten Konsum von Kleidung und Kosmetik ihren Ursprung hat: der Liebesakt kann danach in gewissem Sinne als letzte Stufe des Konsums gelten. Wo aber je die Frau sich der Forderungen an sie verweigert, wendet sich der Mann schließlich doch dem Sex gegen Bezahlung zu, der ihm wiederum die Macht seines Geldes als seine persönliche Macht

zurückspiegelt, zunächst unabhängig davon, in welchem Maße seine Phantasien dort real erfüllt werden. Es genügt zunächst die scheinhafte Bestätigung seiner persönlichen Macht durch seine ökonomische. Die berühmte Affäre gehört dabei zum selben Bewältigungsmuster. Die schon zum Stereotyp heruntergekommene nachträgliche Beteuerung „bei ihr (der Affäre) war alles so leicht und unbeschwer t“ reflektiert wiederum nur die Differenz zwischen Phantasie und realem Erleben, die im Zustand frisch erwachter Romantik zunächst hinter den „leichten und unbeschwerten“ Nächten zurücktritt, in denen in dem anfänglich größeren gegenseitigen Entgegenkommen die sexuellen Wünsche eher erfüllt werden, hingegen der Wille der Frau auch in ihrem eigenen romantischen Erleben vorerst beschwichtigt scheint. (Die sogenannte Affäre wäre selbstverständlich auch aus prinzipiellen partnerschaftlichen, ökonomischen und weiteren Motivationen zu erklären.) Das alles bedeutet die virtuelle Auslöschung des weiblichen Körpers, und zwar, je mehr er von der Reklame ausgeleuchtet und abgelichtet wird. Alle Determinanten der Vermarktung der Produkte gehen als Charaktere auf die Frau selbst über. Wird etwa ein bestimmtes Parfum beworben, so fügt sich das Parfum nicht etwa dem Duft der Haut hinzu, sondern der Charakter des Parfums geht auf seine Trägerin über, der Warenwert des Parfums geht auf die Frau über: ihr ästhetischer Wert, ihre Eleganz bemisst sich exakt nach dem Wert des Parfums. Damit aber wird der Körper und damit auch ihre psychische Identität einmal mehr virtuell ausgelöscht. Der Autor erlebte es immer wieder,

das Frauen, denen er gestand, dass er ihren Körperduft mochte, mit einer Mischung aus Unverständnis und Erheiterung reagierten und seine Bezeugung umgehend zurückwiesen mit dem Hinweis, sie hätten doch in diesem Moment gar keinen Duft an sich. Erklärte er aber daraufhin, dass er das bemerkt habe und eben darum Gefallen an ihrem natürlichen Duft gefunden habe, so reagierten die betreffenden Frauen mindestens mit Bestürzung, oft sogar Empörung und taten das allemal ehrlich gemeinte Lob als Indiskretion ab, als ob er mit jener eigentlich als Kompliment gemeinten Äußerungen in ihre Intimsphäre eindringen wollte . Das darf allemal als Beweis dafür gelten, dass der Körper als ihr eigentliches Wesen in der Psyche der Frau ausgelöscht wurde und sie ihren Körper nur noch so erleben kann, wie er in der Reklame für sie vor -erlebt und vor-gefühlt wird. Was als Verbannung des Körpers aus dem Körper zu bezeichnen wäre, entspricht psychologisch keinem geringeren Vorgang als der sogenannten Abspaltung. Der eigene Körperduft wird aus der Selbstwahrnehmung und Selbstliebe abgespalten, in deren Folge zur Bewältigung des gesellschaftlichen Verbotes, sich zu seinem eigenen Duft zu bekennen, der eigene Duft zum bloßen, wohlmöglich sogar schlechten Geruch abgewertet werden muss, um die Tabuisierung des eigenen Körperduft durch die Industrie insgesamt bewältigen zu können. Der Begriff der Intimsphäre wäre demnach tiefenpsychologisch zu definieren als der Bereich aller abgespaltenen und mit der Kraft des Bewusstsein unterm Druck der Gesellschaft verbannten Aspekte der eigenen, zumal körperlichen Identität, also auch des

eigenes Geruchs. Denn wenngleich die Reklame an keiner Stelle den natürlichen Geruch einer Frau ausdrücklich diskriminiert, so läuft die psychologisch aufs Genaueste kalkulierte Sprache der Slogans dennoch klar auf eine Tabusierung des eigenen Duftes hinaus. Produktbeschreibungen wie „dieser Duft schmiegt sich an die Haut und unterstreicht die Persönlichkeit der Trägerin“ münden faktisch in eben diese Tabuisierung, nur dass das beabsichtigte Verbot als Gebot formuliert wird: es wird an keiner Stelle der Produktbeschreibungen der Körperduft der Frau erwähnt - eben dadurch wird er bereits tabuisiert -, sondern stattdessen der Frau, die dieses Parfum an sich trägt, eine stärkere Persönlichkeit zugesprochen. Wiederum soll der Warenwert auf die Frau als deren ästhetischer und sozialer Wert übergehen, die durch solche Slogans einmal mehr „lernt“, sich ihren Platz in der Gesellschaft nur durch die Fügung unter die Kommerzialisierung und Fetischisierung ihres Körpers zu sichern. Offener als solche Solgans es formulieren, kann die systematische Kontrolle und „Disziplinierung“ durch die Industrie kaum sein: Frauen bekommen unmissverständlich und unausweichlich erklärt, dass sie keinen Anspruch auf Ebenbürtigkeit und uneingeschränkte Akzeptanz formulieren dürfen, so lange sie nicht dem Gebot des Parfums folgen: wer sich verweigert, bekommt seine Persönlichkeit abgesprochen. Das läuft in letzter Konsequenz auf Nötigung hinaus. Dabei sind die Ärgsten mitunter diejenigen Männer, die ihrer Partnerin versichern, dass ein Parfum ja an jeder Haut anders rieche und sich dabei der Industrie

gegenüber distanziert-überlegen fühlen und ihre Feststellung auch noch als Ausdruck der tieferen Einsicht in die Zusammenhänge für sich selbst bewerten; beinahe schon so, als wollten sie ihre Expertise als Zugeständnis an die emanzipatorischen Bestrebungen von ihrer Partnerin auch noch gedankt bekommen. Vollends verraten sie sich dann, wenn sie ihrer Partnerin erklären, dass das betreffende Parfum sich an ihr viel besser sich entfalte als an der ExFreundin. Sieht man einmal von der billigen unbilligen Psychologie ab, der neuen Partnerin seine Wertschätzung durch Abwertung der vorherigen Partnerin zum Ausdruck zu bringen, wodurch eigentlich jeder Frau klar werden müsste, dass sie nicht als Wesen für sich geschätzt wird, sondern allein aus dem gesellschaftlichen Vergleich heraus, der den sexuellen miteinschließt, dass also solche Sätze einmal mehr ein Denken reproduzieren, Frauen nur als Angebote auf dem Markt zu betrachten, die als Angebot in einem ständigen Kampf um die Nachfrage der Männer stehen müssen, dass also solche Sätze die betreffende Frau objektiv nicht aufwerten, sondern einmal mehr abwerten, zum bloßen Produkt, das jederzeit ersetzbar wäre – sieht man also davon einmal ab, so verraten solche Sätze, dass selbst der seinem eigenen Verständnis nach aufgeklärte Mann in seinem Empfinden und Wahrnehmen bereits der Werbepsychologie erlegen ist, der er durch solche Sätze glaubt, entraten zu können. Mag immer er zu den Männern gehören, die die Haut ihrer Partnerin als Teil ihres Wesens und ihrer Identität überhaupt noch wahrnehmen, so mag er ihre Haut eben nur, solange sie

durch den künstlichen Duft überdeckt und damit letztlich doch wieder tabuisiert ist. Das Parfum tritt in solcher Psychologie nicht zum Duft der Haut hin zu, sondern umgekehrt tritt der Duft der Haut zum Parfum hinzu, allenfalls noch als dessen Note. So werden Frauen in der Identität ihres Körpers zweimal falsch wahrgenommen: einmal von ihren Partnern, und einmal von sich selbst, nachdem sie beide ihre natürliche Wahrnehmung durch die Wahrnehmung der Industrie ausgetauscht bekommen haben: nicht mehr der Mann nimmt seine Frau wahr oder die Frau sich selbst, sondern die Industrie nimmt die Frau wahr: für die Frau und auch für ihren Partner. Nimmt man hinzu, welchen ökonomischen Aufwand Frauen betreiben müssen, um sich die gesellschaftliche Akzeptanz zu sichern, zahlen sie allemal einen zu hohen Preis, nämlich, neben dem monitären, auch den, einer ihrer wertvollsten Charaktere zu verleugnen: es gibt nichts Erfüllenderes als den Duft einer Frau, und zwar den, den ihr die Natur mitgegeben hat. Der aber steht dem ökonomischen Interesse der Industrie entgegen, die mit dem Warenwert des von ihr selbst erzeugten Parfums den objektiven Wert des Körperduftes überbieten muss. Fast man geneigt nach diesen Beobachtungen zu vermuten, dass die Fetischisierung des weiblichen Körpers längst den Punkt erreicht hat, dass der Mann sich in seiner Phantasie zuerst die ideale Frau aus den auf dem Markt verfügbaren Fetischen wie Düfte und Kleidung zusammenstückt, und dann solange herumgeht, bis er diejenige Frau gefunden hat, die eben jene Fetischisierung erfüllt. Die Partnerwahl verkäme

danach zur Fetischwahl - ganz in dem Sinne, wie Susanna in der Eleganz ihres Hutes die Seligkeit ihrer Verlobung erfährt, aber es ist die von der Gesellschaft für sie entworfene Eleganz in eben jenem Hut. Längst vom Kleiderzwang um ihre wahre Identität beraubt, beglückt sie sich in der Hingabe an die entworfene Mode und glaubt, sich in ihrem Hut verwirklicht zu haben, während sich in Wirklichkeit die Industrie in jenem Hut an ihr als Person verwirklicht hat. Er scheint wie für mich gemacht besingt sie ihre Wonne, beglückt in den Utensilien ihrer gesellschaftlichen Projektion. Jetzt bin ich zufrieden. Aber ist die introjizierte Zufriedenheit, die innere Erfüllung, in der sich in Wahrheit die gesellschaftlichen Forderungen an sie erfüllen. Mit ihren Kleidern, ihrem Hut zumal, hat sie die fremde Identität angelegt. So besingt sie geblendet von ihrer Fetischisierung ihren Hut als ihre eigene, ganz individuelle, selbst geschaffene Verwirk lichung. So hat sich Susanna selbst geschaffen. Aber geschaffen hat sie die Industrie für sie gegen sie für Figaro. Und im nämlichen Stolz stimmt auch er in jene Überwältigung ein. Ja, so hat sich Susanna selbst geschaffen. Aber geschaffen hat sie die Industrie als Fetisch , als Erfüllung für ihren Figaro, als Erfüllung seiner Erwartungen: nur so verdient sie sich ihrem Stand nach die Hochzeit. Das Glücksgefühl der bevorstehenden Vermählung können sie beide nur im Rausch von Susannas Fetischisierung erleben. Wo aber die Frau Teile ihres Körpers und damit ihres Fühlens und damit auch einen Teil ihres Stolzes vor sich selbst und ihrem Partner, auch vor der Gesellschaft insgesamt abspalten muss, entsteht als Folge der

Bewältigung jener Spaltung der Ekel vor dem eigenen Körper. Ekel bedeutet psychologisch nichts anderes als die Abwertung dessen, wozu man sich nicht bekennen darf. Mit der Abwertung bewältigt die Frau den ursprünglich in ihr gehegten Stolz über ihren Körper: wozu man sich nicht bekennen darf, muss man vor sich selbst abwerten, um den Verzicht akzeptieren und, paradox allemal, als Befreiung erleben zu können. Jener Ekel darf als der eigentlich Grund gelten, warum es Frauen als Indiskretion zurückweisen, wenn man sie auf ihren natürlichen Duft ansprecht - während sie sich allemal geschmeichelt fühlen, wenn man sie auf ihr Parfum anspricht, als den ihr fremd zugewiesenen Duft. Weil der Mann, der eine Frau auf ihren natürlichen Duft anspricht, sie auf etwas anspricht, was sie sich selbst versagen muss, empfindet sie dies als Indiskretion. Er erinnert sie in dem Moment an etwas, an was sie sich ihrer Manipulation zufolge nicht mehr erinnern darf, und da die Frau ihren aus der Erinnerung, aus der eigenen Wahrnehmung verbannten Duft, wie oben beschrieben, als „unrein“ abwerten musste, erfährt sie das Angesprochenwerden auf ihre Hautnote als Verletzung der eigenen Wahrnehmung und damit als Verletzung der Intimsphäre: die Intimsphäre kann danach als Bereich aller aus der Fetischisierung der Frau abgespaltenen Bereiche ihrer Selbstwahrnehmung definiert werden. Die Industrie, die die Sexualität der Frau vermarktet wie nie zuvor, selbst wenn sie es noch so oft abwiegelt mit Argumenten, die zuvor in der Bewerbung des Produktes bereits enthalten waren und darum nur die Täuschung des Produktes durch seine eigene Täuschung decken,

tabuisiert den Körper der Frau zugleich in einem Maße, dass sie auch ihre Sexualität systematisch tabuisiert: von klein auf müssen Frauen aufwachsen in der merkwürdig widersprüchlichen Wahrnehmung ihres Geschlechtsorgans, über das abwechselnd a ls übel riechend oder aber als honigsüß geurteilt wird. Beides aber, die offene Beschmutzung in Witzen oder derben Ausdrücken wie „dreckige Fotze“ zur Zurückweisung oder Kompensierung der eigenen Zurückweisung oder aber die liebevolle Ansprache ihres Organs in Liebesromanen zur Verführung oder als Ausdruck des Verführtwerdens („er genoss den süßen Honig, der aus ihr floss“), verfolgen objektiv dasselbe Ziel: durch Schmähung im einen Fall oder Überforderung im anderen die Frauen zu irritieren und damit letztlich einzuschüchtern und sie, um ihrer Not zu entkommen, noch mehr zum Konsum zu bewegen, etwa von Intimsprays, die damit letztlich die Fetischisierung ihres eigenen Körpers besiegeln. Während sie durch die direkte Herabsetzung zur „dreckigen Fotze“ zur rastlosen „Pflege“ ihres Intimbereiches gedrängt werden, wird gleichzeitig durch das Bild des süßen Honig ein Maßstab formuliert, an dem sie scheitern müssen, um dieses Scheitern in noch höheren Konsum und zugleich noch größere gesellschaftliche Zurückdrängung transformieren zu können. Aber auch da, wo scheinhaft offensiv und von der Aura der sexuellen Aufklärung begleitet, unmittelbar über Sexualität gesprochen wird, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als ob auch hier die Gesellschaft Symptome behandeln muss, die sie selbst versursacht hat. Schaut man sich nur mal die Zahl der

Plattformen an, in denen sich zumeist junge Frauen, aber auch Frauen jeden Alters in einer bestürzenden Hin-und Hergerissenheit - auch hier wäre abermals von kognitiver Dissonanz zu sprechen – zwischen Scham und Verzweiflung für ihre Intimprobleme um Rat suchen, ebenso wie die kaum noch zu überschauende Zahl von Ratgebern aller Wertausrichtungen und Weltanschauungen, so muss auch diese Entwicklung im Zusammenhang mit der Fetischisierung des weiblichen Körpers und der totalen psychischen Erfassung und Steuerung gesehen werden. Nimmt man als Beispiel nur mal den mit am häufigsten therapierten sogenannten Vaginismus – schon aus dem Begriff selbst kann mit einigem Recht die partriacharliche Perspektive der Sexualität herausgelesen werden -, so ist die am häufigsten vorgetragene Erklärung die des Leistungsdrucks, des sexuellen Erfolgsdrucks, der nicht anders denn als gesellschaftlicher Druck zu indizieren ist. Dieser Leistungsdruck ist der von der Industrie und in deren Gefolge auch den Medien aufgebaute Druck, der auf den Frauen lastet. „Vaginismus“ könnte unter den zuvor beschriebenen Umständen auch als der Punkt bezeichnet werden, an dem die von der Industrie aufgebaute die Fetischisierung des weiblichen Körpers auf den Körper selbst trifft, also der Körper der Frau in diesem Augenblick trotz der Tabus, mit denen er zuvor systematisch belegt wurde, zur Praktizierung des Sexualaktes nun einmal mit einbezogen werden muss, aber eben als tabuisierter Körper und sich darum in Krämpfen verweigert: was fachsprachlich als psychosexuelle Faktoren diskutiert wird, müsste bei

vorbehaltloser Betrachtung vor allem als psychosoziale Faktoren, und damit vor allem als psychoökonomische Faktoren diskutiert werden. Dabei ist das Wort Leistungsdruck wörtlicher zu nehmen, als es beim ersten Lesen zu vermuten wäre. Denn in der Tat impliziert das zuvor analysierte soziale Prestige der Frauen durch ihren Vermarktungswert letztlich auch ihre sexuelle Bewertung, ihren gesellschaftlichen Wert muss die Frau auch in ihrer sexuellen „Leistung“ rechtfertigen, ihr Warenwert muss sich auch sexuell rechtfertigen, sonst würde der zuvor von der Industrie auf sie projizierte Warenwert Lügen gestraft: selbst noch im Sexualakt hat die Frau ihren „Preis“ zu rechtfertigen, zu dem die Industrie sie zuvor als Produkt all ihrer Produkte errichtet hat. Sie steht unter einer doppelten psychischen Verpflichtung (double bind), nämlich sowohl ihrer Fetischisierung durch die Industrie zu entsprechen als auch unter der Selbstverpflichtung, die zuvor aufgewendeten Mittel, den ökonomischen Druck, auch vor sich selbst für sich selbst rechtfertigen zu können: so fest hat die Industrie die Frauen in ihrem Griff, dass je höher der Konsumdruck wird, auch der Druck der Frauen wird, diesen Konsum, die alltäglichen Ausgaben, auch vor sich selbst rechtfertigen zu wollen: je schlechter die ökonomische Basis der betreffenden Frau, um so größer wird der Druck, und zwar nicht nur, weil der hohe Konsum zum geringeren Verdienst in einem nachteiligeren Verhältnis steht, sondern auch, weil ja gerade das geringere Verdienst in aller Regel auch einem geringen sozialen Prestige entspricht, das einen noch größeren Erfolgsdruck nach sich zieht: das alles

muss der Sexualakt zum Erfolg führen, und darum müssen die Frauen beim Sexualakt etwas „leisten“. So gesehen ist der Sexualakt die letzte Stufe des zuvor in ihnen anerzogenen Konsums zu begreifen: Sexualität setzt heute in weiten Teilen den Konsum fort. Das ist besorgniserregend, und zwar unmittelbarsten Sinne des Wortes: der Sexualakt erregt bei den Frauen vor allem Besorgnis. Mögen immer die jeweiligen RatgeberInnen und TherapeutInnen für das erste Empfinden der Frauen ihre Sexualität enttabuisieren, so enttabuisieren sie sie nur unter der geflissentlichen Bewahrung des Tabus. Wo immer der gesellschaftliche und damit vor allem industrielle und mediale Druck auf Frauen gelegentlich auch angesprochen wird, so beschränken sich die Ratschläge und Therapien doch weitgehend darauf, den sexuellen Erfolg ihrer Anvertrauten und Patienten zu sichern anstatt den Erfolg selbst als den falschen Erfolg zu entlarven; recht eigentlich sogar als Misserfolg der eigentlich angestrebten sexuellen Befreiung und Emanzipation. Denn gerade da, wo die Sexualität scheinhaft enttabuisiert und öffentlich, gleichsam veröffentlicht wird, rückt sie in einem Maße ins Bewusstsein, wie es zuvor die Fetischisierung des weiblichen Körpers durch die Industrie kaum mehr erreicht hätte. Die sogenannte Freiheit, die die öffentlichen Diskussionen den Frauen vermitteln, kann allenfalls als Deprivatisierung ihrer Bedürfnisse gelten: in der Tat können sie sich mit ihren Sorgen heute mehr als je zuvor der Öffentlichkeit mitteilen. Aber damit werden sie für die Industrie noch interessanter, die die Frauen zuvor genau an diesen Punkt getrieben hat: die Intimprobleme, die sie mitunter in Talkshows mit

äußerster Redseligkeit ausplaudern, sind genau die Probleme, die die Industrie zuvor ihn ihnen provoziert hat und für die Industrie bereits die nächsten Lösungen bereit hält. Je detaillierter, unbefangener sich die Frauen mitteilen, um so präziser kann die Industrie entlang der vorgetragenen Probleme schon wieder die nächsten Produkte entwickeln. Die sogenannte Enttabuisierung wird ihrer eigenen Instrumentalisierung nicht gewahr. Die Freiheit, die den Frauen scheinhaft erstritten wird, ist nur die Freiheit, die der Konsum braucht, um sich weiterentwickeln zu können. Gesellschaftspsychologisch entsteht das Tabu über haupt erst dadurch, das die Industrie die Frauen zu Objekten ihrer Produktion erzogen hat. Das Tabu hat seine Ursache nicht etwa in einer angeborenen Scham, wie man es unkritisch unterstellen könnte, sondern entsteht überhaupt erst als Differenz zwischen der Fetischisierung der Frauen und den psychosexuellen Folgen und Konflikten: diese Konflikte sind keine genuin biologischen oder auch anatomischen Konflikte, sondern Konflikte nur als Unterschied zwischen der Natur des Menschen und seiner virtuellen Auslöschung zu begreifen. Was zuvor für den Begriff der Intimsphäre festgestellt wurde, gilt auch für den des Tabus: das Tabu darf als begriffliche Umschreibung aller durch die Fetischisierung der Frau von ihrer Selbstwahrnehmung abgespaltenen Bereiche gelten. Männliche Sorgen um die zu enge oder auch zu weite Scheide sind objektiv als nichts anderes einzustufen denn als psychosexuelles Symptom, nämlich als die aufgestaute Manipulierung des Mannes, der die

Standardisierung der weiblichen Sexualität durch die Industrie gerne unbewusst in seinen Phantasien vollenden würde, indem er auch noch die Scheide zu standardisieren versucht. Dabei ist auch seine Enttäuschung von der Industrie mitkalkuliert, eben indem sie die falschen Standards setzt, indem sie überhaupt Standards setzt. Denn als sexuell enttäuschter Mann muss auch er nach Lösungen suchen, etwa Penisringe oder Gleitmittel, oder aber als Unterhändler der Industrie alles daran setzen, seiner Partnerin zu ihrem Erfolg zu verhelfen, der in Wahrheit sein eigener ist. Das Tabu wäre darum nicht durch Enttabuisierung aufzulösen, die das Tabu als ideologischen, im konkreten Fall auch sozioökonomischen und psychosozialen Überbau bestehen lässt, sondern nur durch die konsequente, vorbehaltlose Aufklärung der Zusammenhänge, in deren Folge die Frauen der Industrie ihre Gefolgschaft aufkündigen könnten: wo keine Ideale und Standards mehr etabliert und in den Frauen aufgerichtet würden, entstünden auch keine Tabus mehr als Bewältigung der des Zwangs von Idealisierung und Standardisierung. Nur wo keine Gebote mehr bestehen, bestehen auch keine Verbote mehr. Nur wo Frauen nicht länger zu akzeptierten Konsumentinnen erzogen würden und in der Folge dessen ihren gesellschaftlichen Wert nicht weiter über ihren Warenwert zugemessen bekämen, hätte wahrhafte Befreiung ihren Ort. Die von der Industrie bloß inszenierte sexuelle Befreiung setzt die Tabus überhaupt erst fest als Summe dessen, was für die Industrie keinen Tauschwert besitzt, also die Summe all der Empfindungen und Bedürfnisse, für die

kein Produkt entwickelt werden kann, oder aber durch eventuell doch noch zu entwickelnde Produkte kein ausreichender Konsum erzielt würde. Wo der Körper der Frau als Fetisch für die Gesellschaft erhalten bleiben muss, muss auch ihr Alter tabuisiert werden. In dem Maße, wie das Alter kosmetisch verdeckt, gleichsam zugedeckt wird, wird das Alter genauso wie zuvor auch schon andere Bereiche aus der ohnehin längst beschädigten Integrität der Frauen, aus ihrer Selbstwahrnehmung und damit auch aus ihrer Identität isoliert und abgespalten. Ihr Alter wird aus ihrer Persönlichkeit desintegriert in gleicher Weise, wie alle Frauen, deren Alter nicht mehr aus ihrer Erscheinung zu desintegrieren ist, insgesamt aus der Gesellschaft desintegriert werden. Damit g ilt für das Alter dasselbe, was zuvor auch schon für den Intimbereich gesagt wurde: schämen müssen sich die Frauen für ihr Alter nicht etwa, weil diese Scham naturgegeben sei, sondern weil sie unterm Druck ihrer Fetischisierung ihr Alter sich selbst aus ihrer Wahrnehmung verbannen müssen, gleichsam ihr Alter aus ihrem Gesicht herausschneiden müssen. Damit gehört ihr Alter, tiefenpsychologisch gesprochen , gleichsam zu ihrem Intimbereich im Sinne jener Definition, wonach der Intimbereich eben der Bereich aller von der eigenen Identität abgespaltenen Selbstwahrnehmungen ist. Dabei wird selbst in Ratgebern aller Art, die sich an Frauen jenseits ihres „vermarktungsfähigen“ Alters richten, in einer eigenartig schweigsam-resignierten Haltung die Sexualität der Frau weitgehend ausgeklammert. Zu Wort kommt die weibliche

Sexualität nur im Zusammenhang mit ihrer Erfahrung der Menopause und des Klimakteriums; allenfalls wird als positive Wahrnehmung ihres Körpers erwähnt, dass fortan das Erleben ihrer Sexualität nicht me hr von der Last der Verhütung begleitet sei, aber die allenfalls mit ein, zwei Sätzen angedeutete Aussicht, die Sexualität nun erleichterter und sorgloser erleben zu können , mündet kaum je in ein ausdrückliches Bekenntnis zu ihrem nun „alternden“ Körper und damit zu ihrer Sexualität. Vielmehr wird der Druck ihrer Fetischisierung nicht zuletzt auch von Frauen als Autorinnen für Frauen weiterhin aufrechterhalten, wenn etwa ganze Kapitel lang Ratschläge erteilt werden, wie man den ersten grauen Haaren begegnen kann, wie Krampfadern zu behandeln seien und die geeignete Kosmetik auszuwählen sei. Damit aber wird nicht etwa das Alter als Alter anerkannt, um aus solcher Anerkennung überhaupt erst je eine wahre Wahrnehmung des Alters entwickeln zu können, sondern das Alter wird auch weiterhin zur Jugend zurückgeschminkt und damit als Alter tabuisiert. Die sogenannte Midlife crisis ist darum tiefenpsychologisch weithin auch als kultursoziologisches Phänomen zu entlarven, als von der Gesellschaft überhaupt erst geschaffen, als Depression vom gesellschaftlichen Zwang, und nicht etwa als von der Biologie vorgegebene Lebensphase unwidersprochen hinzunehmen. Alle Ausführungen von Frauen, die ihre Midlife Crisis beschreiben, umschreiben letztlich nichts anderes als eben jene schicksalshafte Einsicht, dass sie ihr bisheriges Leben allein ihrer Fetischisierung (neben weiteren Aspekten der Betrachtung) fügen mussten,

dass aber im selben Moment auch für die Zukunft keine andere Aussicht bleibt, als ihre Fetischisierung weiter zu betreiben, also stets aus dem „Alter“ noch so viel „Jugend“ herauszuholen, wie Kosmetik und Chirurgische Eingriffe es noch vermögen. Scheinhaft weisen solche Autorinnen immer gerne daraufhin, dass es doch viele Prominente, zumal Schauspielerinnen gebe, die auch noch im Alter erfolgreich seien und sich zu ihrem Alter bekennen. Schaut man zunächst einmal darauf, dass dieses relativ gutaussehende Alter zumeist mit einem ökonomischen Aufwand erzielt wird, der den durchschnittlich verdienenden Frauen kaum je möglich wäre; schaut man weiterhin darauf, dass der Erfolg des Alters zunächst der rein ökonomische Erfolg ist, den sich die Stars in jungen Jahren aufgebaut haben, so wären Erfolg und Alter solcher Frauen zunächst einmal ökonomisch hergestellt. Aber selbst da, wo in wenigen Fällen Frauen tatsächlich ihr Alter weitgehend ohne jeden Eingriff zeigen, ist die Akzeptanz solcher Frauen nicht etwa als Akzeptanz ihres Alters zu verkennen, sondern allein als Akzeptanz durch ihre gesellschaftliche Position zu durchschauen, die wiederum ihre ökonomische ist. Ihre Akzeptanz ist allein ihre ökonomische, hinter der ihr Alter gerade noch geduldet wird. Da aber die durchschnittlich verdienende Frau kaum Aussicht auf entsprechende ökonomische Akzeptanz hat, wird auch ihr Alter kaum je akzeptiert werden. Danach wäre das Alter als Selbstwahrnehmung, aber auch als Wahrnehmung des anderen, weithin als erst als Folge der Sozialisierung zu kennzeichnen. Da die gleichermaßen manipulierten Männern ihre Frauen

stets nur in der Atmosphäre der Bilder von Werbetafeln und Leuchtreklamen erleben, unter denen sie Händchen halten, da Männer Frauen immer nur als Reproduzierung jener Versinnbildlichungen erleben, wird auch ihre männliche Sexualität von der Kulturindustrie so systematisch ausgetaucht, dass sie Frauen direkt durch unmittelbares Ansprechen auf ihre Erscheinung oder indirekt durch Ablehnung der betreffenden Frau auch im fortschreitenden Alter stets dazu zwingen, auch weiterhin den Männern ihr sexuelles Erleben zu garantieren, nämlich als durch die Industrie und Medien erworbenes Erleben . Es gibt objektiv keinen biologischen Zusammenhang zwischen dem Alter einer Frau und ihrer sexuellen Ausstrahlung, sondern nur psychosexuelle Faktoren, die eine von der Gesellschaft unberührte Berührung von Frauen kaum noch ermöglichen. Anstatt durch scheinhafte Angebote und Ratschläge zur Entfaltung der Persönlichkeit von Frauen jenseits der Wechseljahre sie zur Täuschung über ihre reale gesellschaftliche Abwertung intellektuell aufzuwerten, wodurch in Wahrheit nur die sexuelle Identität der Frauen zurückgedrängt wird, müsste ihre Fetischisierung insgesamt in jedem Lebensalter durchbrochen werden, um so Frauen jeden Alters stets zugleich intellektuell und sexuell zu würdigen und sie damit, wenn irgend mö glich, wahrhaft aufzuwerten. Stattdessen aber wird auch weiterhin Aufwertung durch Abwertung erschlichen. Die unermüdlich propagierte Entfaltung ihrer Persönlichkeit jenseits der Wechseljahre mutet zynisch an, wenn zuvor den Frauen die Entfaltung ihrer (realen) Persönlichkeit hinter ihrer Fetischisierung weitgehend

verwehrt wurde. Jede Aufwertung reduziert die Frau auf eben jene Aufwertung und wertet sie damit ab. Erst wenn den Frauen nicht länger arglistig geschmeichelt wird, indem man ihnen etwa sagt: „Fü r dein Alter siehst Du aber noch gut aus!“, was nichts anders heißt, als dass man die betreffende Frau stets weiter an dem Schönheitsideal der Jugend misst und ihr durch die Bemerkung zugleich ihr Alter drohend vor Augen führt und ihr ankündigt, dass auch sie schon bald mit dem Ideal nicht mehr wird mithalten können – erst wenn solche Bemerkungen ersetzt werden durch das Bekenntnis zum Alter als Alter, durch Liebe zum Alter, wäre den Frauen wahrhaft geholfen, und mit den Frauen auch den Männern, die auf diese Frauen gerne zugehen würden. Da aber auch die Sprache durch die Kulturindustrie, durch die Werbeslogan allemal, so geprägt und verzerrt ist, dass jedes Kompliment immer an seiner Rückbezüglichkeit scheitert, scheint der aufrichtige Ausdruck von Gefallen kaum noch möglich, lassen sich Gefallen und Zuneigung kaum noch adäquat in Worte fassen. Wer heute als zumal jüngerer Man einer Frau jenseits des gesellschaftlich akzeptierten Alters sein Gefallen gesteht, steht entweder als Betrüger, beinahe schon Erbschleicher, oder als von sexueller Not getrieben dar, als Don Giovanni allemal, aber kaum je als glaubhaft und verlässlich. Wo aber die Industrie auch das sexuelle Erleben und die Wahrnehmung des eigenen Körpers okkupiert, wo im Schein der gelenkten Selbstbestimmung der Frau jede Bestimmung über sich selbst verwehrt wird, muss den Frauen dieser Verlust als Gewinn zurückgespiegelt werden, als Gewinn von Macht zumal. Wo den Frauen

ihre wie auch immer zu beschreibenden je eigenen, ursprüngliche Gefühle genommen werden, müssen sie ihnen von der Industrie um so intensiver und scheinhaft unbefangener als Gefühl von Freiheit und Autonomie zurückgegeben werden, als vorgeführte und zugewiesene Gefühle und Selbstwahrnehmungen kalkuliert. Dazu dient kein anderer Lebensbereich als der, der von der Industrie und der Gesellsc haft bereits zur Projektion aufgebaute Bereich, nämlich die Sexualität, auf die ersatzweise die reell verwehrte Gleichstellung verschoben und projiziert wird. Während einerseits den Frauen versichert wird, ihre Gleichberechtigung sei nur als gleichgeteilte Macht zu verwirklichen, anstatt die patriarchalische Macht zu durchbrechen, nur als zu gleichen Teilen aufgeteilte Macht neu zu verteilen, wird andererseits die Sexualität, und damit einmal mehr auch d ie Frau, als Erlebnis von Macht definiert und damit die Macht des Patriarchats – zunächst nicht zu verwechseln mit körperlicher Gewalt, die gleichwohl ihren Ursprung darin hat - in die Intimsphäre hinein verlängert und abgesichert. Beliebtes „Stilmittel“ solcher gesamtgesellschaftlicher Interessen ist es, den Frauen innerhalb des intimen Umgangs die Initiative zuzuweisen als Ausdruck jener Macht, die psychologisch in Wahrheit nur die objektiv verwehrte Macht als Selbsterlebnis etablieren soll. Das aber gefährdet die Frauen objektiv mehr als dass es sie in ihren Bestrebungen stärkt: denn wo Sexualtität über die Verteilung von Macht definiert wird, wo also beim Ausüben des Sexualaktes Machtstrukturen nachgebildet und mit dem Akt von beiden Geschlechtern auch nach-

gelebt und mit dem Vollzug des Aktes mit-gelebt werden, wird einmal mehr jene Macht gefestigt, die die Frauen eigentlich fürchten, gesamtgesellschaftlich ebenso wie als unmittelbare körperliche, sexuelle Gewalt gegen sie. Sofern jeder Konflikt als Folge nicht zu vermittelnder, widerstrebender Macht aufzufassen ist, sind Konflikte nicht durch Aneignung (im sachrechtlichen wie im psychologischen Sinne) der Macht des anderen zu lösen, sondern nur durch die Auflösung der Macht an sich existentiell zu bewältigen: gemeint ist die Möglichkeit, jegwede soziale Aktion jenseits von Macht zu erleben. Das hieße, übertragen auf die gesellschaftliche Stellung der Frau, die Macht des Patriachats wahrhaft zu durchbrechen und nicht etwa, wie es die gegenwärtige, vorherrschende Kulturindustrie praktiziert, die Macht des Patriarchats bloß scheinhaft zu durchbrechen, indem sie den Frauen wirkungsvoll die Initiative zuweist: mag immer sich die eine oder andere Frau in solcher Initiative respektiert und in ihrem Bestreben akzeptiert sehen, so bleibt es die Initiative innerhalb der Macht des Patriarchats, die Initiative innerhalb der für jede wahrhaftige, real greifbare Initiative versperrten Gesellschaft. Nicht zufällig wird ihnen jene initiative Macht ausgerechnet im Erleben ihrer Sexualität zugewiesen. Damit aber wird die Macht der Gesellschaft nicht einfach nur in ihre Intimsphäre hinein verlängert, sondern ihnen mehr noch die Ausübung ihrer Sexualität als Aufbegehren und Überwindung ihrer Manipulation und „Disziplinierung“ eingeredet, als Ausdruck von Selbstbestimmung, mit der sie im Augenblick des intimen Verkehrs über sich selbst und damit auch über

die Gesellschaft bestimmten könnten, die aber in Wahrheit auch in diesem Moment weiterhin über die Frau bestimmt, eben indem sie der Frau die Erfüllung ihres Marktwertes als Initiative im Bett suggeriert: als Dankeschön dafür, dass die Frau in ihrer ganzen von der Industrie entworfenen Erscheinung sich den patriarchalischen Forderungen unterwarf und ihren Marktwert als Projektion allen voran männlicher Sexualphantasien „rechtfertigte“, darf sie nun in dem Moment, wo sie im „Vollzug“ des Beischlafes ihren Marktwert nachvollzieht und vollendet, weil sonst die Millionen und Milliarden, die in ihre Vermarktung gesteckt wurden, verloren gingen, die Initiative ergreifen: objektiv aber greift sie nur die Initiative der Gesellschaft und der Industrie auf: die Initiative im Bett ist die Initiative des Marktes. Die Initiative selbst darf nachgerade als Erfindung des Marktes gelten, beinahe schon, wie zuvor auch schon für Emanzipationsvision an sich vermutet, als Kaufanreiz für Schminke und Reizwäsche: dafür, dass sie als akzeptierte und in ihrer weiblichen Selbstwahrnehmung disziplinierte Käuferin sich dem Konsum unterworfen hat, der für sie gegen sie entworfen ist, wird die Frau mit der „Initiative“ im Bett „belohnt“. Witze wie der, es gebe jetzt auch Viagra in rot, die auch noch blind machten, verraten den beinahe schon Widerwillen, die Partnerin in ihrer Natur erlben zu müssen. Dafür wird sie mit der Initiative im Bett „entschädigt“. Wiederum wirkt die psychologische Konditionierung der Frauen in der Bewertung ihres eigenes Verhaltens, wenn sie die ihnen zugewiesene Initiative als „kleinen Schritt“ zu ihrer Selbstverwirklichung begreifen sollen, dabei aber ganz

der Bevormundung folgen, von der sie sich eben durch jene „Initiative“ zu befreien glauben. Die „Initiative“ aber führt sie nicht weiter als bis zur nächsten intimen Begegnung, in der sie wiederum die „Initiative“ ergreifen dürfen, sofern diese ihnen von der Kulturindustrie geschenkte „Selbstbestimmung“ real überhaupt zugelassen wird. Längst schon ist es in Filmen jedes Genre, von der Rosamunde Pilcher-Verfilmung über das Fernsehspiel, die Krimifolge oder die Telenovela bis hin zur großen Kinoproduktion zur emanzipatorischen Floskel geworden, dass die Frau beim Vollzug des Beischlafs oben liegt, während sie zuvor von ihrem Mann Leinwand- oder Bildschirmgerecht entkleidet wurde oder auch als Projektion der männlichen Phantasie, gleichsam als Ankündigung der folgenden „Initiative“ sich selbst entkleidet hat. Dabei verrät sich die Projektion der industriellen und auch gesamtgesellschaftlichen Interessen als Inszenierung der Befreiung und Selbstbestimmung der Frau nicht zuletzt durch den Cut, der die psychologisch und menschlich eigentlich bedeutungsvolle Phase der körperlichen Annäherung, der von der Wahrnehmung des ganzen Menschen getragenen Begegnung, aus dem Sexualakt herausschneidet: mag dieser Cut auch mit der Notwendigkeit zu Vermeidung von Längen bzw. mit der Differenz zwischen der reellen und der erzählten Zeit begründet werden, so sind solche Rechtfertigungen nichts weiter als die Internalisierung der Manipulation; Ausdruck dessen, dass die Menschen ihre Sexualität schon kaum noch anders es sei denn als deren gesellschaftliche Inszenierung und industrielle

Projektion wahrnehmen können. Noch unmittelbarer verrät sich jene Wahrnehmung in einer weiteren beliebten Rechtfertigung, nämlich der, man müsse als Dramaturg, Drehbuchautor oder Regisseur lernen, sich auf das wesentliche zu beschränken. Damit wird die Manipulation erst recht beim Namen genannt: denn wesentlich ist es nur aus der manipulierten Wahrnehmung, wesentlich ist es als Wesen der Kulturindustrie, nicht etwa als Wesen der unverfälschten sexuellen Begegnung, wofern solche in der Kulturindustrie überhaupt noch irgend stattfinden könnte. Die projektive Absicht verrät sich zuletzt darin, dass die Inszenierung des Beischlafes „konsequent“ zu Ende inszeniert wird: dass nämlich dem ersten Cut vom Entkleiden zum Beischlaf zumeist der Schwenk zur abgelegten Kleidung folgt, und zwar nur der weiblichen Kleidungsstücke, die zum Ausdruck der totalen Hingabe über das ganze Zimmer verstreut sind, womit der Beischlaf, der ja mit der oben liegenden Frau als Zugeständnis an ihre Emanzipation dramaturgisiert wird, in ihre Reizwäsche einge-bettet ist, also die Inszenierung der Selbstbestimmung und weiblichen Macht in die Projektion der männlichen Phantasie eingeschlossen bleibt; die Inszenierung in der Projektion befangen bleibt, der Beischlaf als scheinhafte Selbstbestimmung der Frau inszeniert in die Hingabe des Mannes an ihre Reizwäsche gefangen bleibt. Darum auch der Schwenk als Übergang, der anders als der Cut den Beischlaf und mit ihm die scheinhaft hypostasierte Macht der Frau in ihrer eigenen Reizwäsche für den Mann wieder auflöst: der Schwenk von der oben liegenden Frau zu ihrer

Reizwäsche wandelt die symbolische Selbstbestimmung zurück in ihre Bestimmung durch die Gesellschaft, die Reizwäsche filtert die scheinhafte Erfüllung der Frau zur Erfüllung des Mannes zurück. Die Selbstbestimmung wird durch den Schwenk, den sanften Übergang ausgeblendet, aus der Wahrnehmung heraus geblendet. Dabei entspricht die Sanftheit des Schwenkes der der inszenierten Berührungszärtlichkeit. Der Schwenk führt die zärtlichen Berührungen zurück auf die Reizwäsche, die sie in wesentlichem Maße überhaupt nur erregt hat. Wurde zuvor von der Fetischisierung der Frau gesprochen, so wird sie da am augenfälligsten, wo sie ideologisch hinter der Befreiung der Frau zurücktreten soll: selbst da, wo die Frauen ihren Körper von den Fetischen, die auch sie selbst zum Fetisch machen, befreien muss, weil anders der Beischlaf nicht zu vollziehen wäre – sieht man einmal von weiteren männlichen Phantasien ab -, müssen die Fetische stets gegenwärtig bleiben: im Fernsehen oder Kino nicht anders als im wirklichen Leben. Die Zuweisung der falschen Initiative ist aber nicht erst als Phänomen der elektronischen Medien zu entlarven. Längst schon war sie in Literatur und Dramaturgie als Stereotyp etabliert und dürfte sich vermutlich so früh belegen lassen, wie man in der Geschichte der Menschheit zurückgehen würde. Schon in der Zauberflöte heißt es: Bei Männern, welche Liebe fühlen, fehlt auch ein gutes Herz nicht. Die süßen Triebe mitzufühlen, ist dann der Weiber erste Pflicht. Allein diese Liedzeile ist in ihrer Konstruktion, den Entsprechungen der Versteile sowie durch die Musik, die die Entsprechungen als Parallelen und damit als

Gleichsetzung komponiert und sie damit als gesellschaftliche Gebote gleichsam einfordert, äußerster Ausdruck jener Haltung, die den Frauen die Erfüllung der männlichen Wünsche als gesellschaftliche Aufgabe zuweist, aber als solche Aufgabe ihnen zugleich auch als Initiative zuweist. Dabei darf sich die Kritik nicht auf den Hinweis beschränken, dass lediglich die männlichen Gefühle definiert werden, die von der Frau zu erfüllen sind, während das Wort Gefühl auf die Frau bezogen oder gar von ihr gesungen an keiner Stelle vorkommt. Die Verpflichtung für Frauen, sich über die Gefühle der Männer zu definieren, wird ihnen durch die minimalste lexematische Variierung von „fühlen“ zu „mitfühlen“ auferlegt, wie sie Schikaneder dichtete, die das vorausgehende Wort zu seinem nachfolgenden ideologisch umdeutet: während Männer etwas fühlen dürfen, sollen Frauen mit ihnen bloß mitfühlen: fühlen soll für Frauen so viel wie mitfühlen bedeuten. Damit nicht genug unterstreicht Mozart die gesellschaftlichen Forderungen auch noch durch ihre Vertauschung gegen die Gesangsparte als scheinhaftes Indiz der gegenseitigen Erinnerung an ihre gesellschaftliche Rollen, scheinhafte wechselseitige ebenbürtige Anrede, indem jeder von beiden die gesellschaftlichen Pflichten des anderen besingt : als ob die Pamina auch über die Pflichten des Mannes singen dürfe. Aber jene „Pflichten“ sind von verschiedener Art. Pamina besingt zuerst das gute Herz des Mannes, Papageno daraufhin die süßen Triebe, die objektiv seine eigenen sind, aber als Forderung an die Frau formuliert werden, auch durch die parallele Konstruktion der Gesangsparte, und auf ihre Selbstwahrnehmung der

Frau übergehen soll: wo die Melodie aufsteigt, werden für den Mann das gute Herz, für die Frau aber die süßen Triebe besungen. Damit wird auch hier schon der Raum der gesellschaftlichen Relevanz der Frau auf ihre sexuelle Rolle beschränkt, während aus der Einforderung ihrer ersten Pflicht, die süßen Triebe zu erfüllen, sich zugleich ihre „Initiative“ entwickeln soll: ihrer ersten Pflicht nachzukommen heißt für die Frau so viel, wie stets das Verlangen des Mannes vorauszufühlen und, da sie die süßen Triebe ja mitfühlen soll, auch sein Verlangen in Worte zu fassen, und das heißt so viel, wie die Initiative ergreifen. Auch hier wird der Frau scheinhaft ihre Initiative als Ausdruck von gesellschaftlicher Stellung zurückgespiegelt, durch Mozarts Musik allemal: nicht nur, dass Pamina als trügerisches Moment von Achtung der Frauen zuerst singen darf, ihre Stimme liegt stets über der Papagenos, wenngleich selbst der extrem auseinanderliegende Stimmumfang von Sopran und Bass es durchaus erlaubt hätte, den Sopran auch mal unterhalb der Spitzentöne des Basses zu führen. Dem stimmsatztechnischen „darüberliegen“ entspricht psychologisch allemal das Stereotyp des unmittelbaren „oben liegen“. Wendet man ein, der Autor habe ein historisch, gesellschaftlich überholtes Beispiel angeführt, so wäre auch dieser Einwand als Ausdruck der bereits internalisierten Täuschung zu kennzeichnen, da dieser Einwand nur die objektive, rein prozessuale Veränderung der Gesellschaft rationalisiert, nicht aber, dass jede Veränderung immer nur die Veränderung der Erscheinung ist, dass aber jene Veränderung in

Wahrheit nur den ursprünglichen Zustand als Veränderung vorführt, als identisch-Verändertes, als verändert-Bewahrtes. Verändert haben sich lediglich die Strukturen, die dem alten Gesellschaftsbild die Akzeptanz der neuen Gesellschaft sichern. Verändert haben sich allenfalls die Symbole; aber sie symbolisieren stets das Gleiche. Die Unterdrückung fügt sich dem Patriarchat als in Symbolen ihrer scheinhaften Überwindung aufgelöste: das Identische fügt sich als verändert Gestaltetes, kaum real Verändertes. Die Kulturindustrie liefert den Frauen lediglich neue Argumente für die alten Forderungen an sie. Objektiv formuliert ein Pafum-Createur, der sein Produkt damit bewirbt, es mache der Frau zu einer Persönlichkeit, dieselbe Pflicht zu Erfüllung der süßen Triebe als wenn Papageno mit diesen Worten Pamina auf ihre ehelichen Pflichten gegenüber Pamino vorbereitet. Als überholt und für die heutige Zeit ohne weitere Bedeutung werden solche Überlegungen darum nur von denen abgetan, die sich nicht eingestehen wollen, dass ihre Selbstwahrnehmung in der totalen Erfassung aller Regungen und Lebensentwürfe durch die Industrie vollständig aufgegangen ist und sie ihre Rolle darum nicht als dieselbe erkennen können, die sie am historischen Beispiel zurückweisen. Nicht die Zauberflöte ist überholt, sondern die Emanzipation ist von ihrer Zurückdrängung überholt. Die Reproduzierung des Stereotyps lebt vielmehr bis in unsere Tage hinein fort. Hans Hellmut Kirst etwa, dessen Roman 08/15 zum Welterfolg wurde und von Paul May mit gleichem Erfolg verfilmt wurde, formuliert die Liebeszene in seinem „Fünten

Zwischenspiel“ seines Romans „Der Nachkriegssieger“ ganz aus der Erfahrung der manipulierten Erfahrung. Aus einem Gespräch über ihre Liebe aus alten Tagen finden Isolde und Thomas zu ihrem intimen Umgang zurück. „Es fängt jetzt erst richtig an“, sagte sie innig und hingebungsbereit. „Du sagst es!“ Thomas zog sie nun fest an sich. „Und das meine ich auch.“ Einmal mehr wird hier der Wunsch nach Intimität zuerst aus dem Mund der Frau formuliert, wobei Isoldes „Initiative“ durch die stereotype Attribuierung innig und hingebungsvoll in ihrer Ausdrücklichkeit noch nachdrücklicher klingen soll; einmal mehr , nachdem dem Leser zuvor geschildert wird, dass Isolde in hastigen, vorwärts strebenden Schritten auf ihn zukam . Das Klischee von der weiblichen Besessenheit klingt hier an. Dem korrespondiert das Klischee des zurückhaltenden Mannes, der sich erst zur Intimität entschließt, nachdem er für sich und seine Freundin festhält, dass sie die Initiative ergriffen habe (Du sagst es!) und damit zugleich sein Verlangen in ihre Psyc he introjiziert, woraufhin er Isolde fest an sich zog, und selbst dabei noch betont, dass er sich dem Verlangen Isoldes nur anschließe: Und das meine ich auch.Im weiteren wird die sexuelle Erregung ausschließlich als Erregung Isoldes beschrieben: wollte man dies damit erklären, dass die Liebeszene ja schließlich von einem Mann geschrieben wurde, so würde dass sie soziokulturelle Vorprägung (Involviertheit) übersehen. Dabei wird die ideologische Tendenz der Wiedergabe noch obendrein verstärkt, indem Kirst ihren Körper als vollfleischig beschreibt. Auch dies ist nicht allein als bloße Charakterisierung ihrer Erscheinung zu

verstehen, sondern impliziert durch das Sem –fleischeinmal mehr das Klischee, die Frau auf ihren Körper zu reduzieren und damit einhergehend dem „Fleisch“ rein sexuellen Wert zuzuschreiben und das Fleisch nicht etwa als Gestaltwerdung ihrer Seele und ihrer Persönlichkeit zu erleben; gleichsam Indiz der völligen Ausblendung und damit Verleugnung ihres Wesens. Isoldes Haut glühte und glänzte verschwitzt im Mondlicht. Ihr vollfleischiger Körper erwartete Erfüllung. Während Isoldes Erleben nur als das projizierte Erleben Thomas‘ beschrieben wird, indem Isoldes Sexualität mit dem gleichermaßen Stereotyp des augenblicklich reichlich enthemmten Entgegenkommen belegt wird, wird Thomas als beherrscht charakterisiert, der ja nur Isoldes vor Sehnsucht hemmungsloses Verlangen erfüllt: als er sie entkleidet, sind seine Hände sicher. Damit entzieht sich Thomas klar der Verantwortung für sein in Wahrheit eigenes Verlangen, das er mit Isoldes „Enthemmung“ rechtfertigt und damit seine eigene Verantwortung aus seinem eigenen Bewusstsein (und auch aus dem Bewusstsein des Lesers) leugnet, beinahe als Unbeteiligter, klischeehaft mitleidvoll, eben nur zur „Erfüllung“ von Isoldes „Ungehemmtheit“. Erst nachdem Isolde ihm alle Zeichen ihrer „Ungehemmtheit“ gezeigt hat, zögert er nun nicht mehr. Zur Versicherung seiner eigenen Konditionierung des Sexualaktes zur Re-Etablierung ihrer alten Liebe, lässt Kirst im Anschluss Isolde die verpflichtenden Worte sprechen: Wir gehören nun endlich zusammen.- meinst du das nicht auch, mein Thomas. Während Isolde in ihrer Anrede an Thomas zudem das Stereotyp liebevoller Zärtlichkeit in der Anrede ihres Partners

zugewiesen bekommt (mein Thomas), genügt Kirst offenbar, dass sich Thomas der Zuneigung Isoldes versichern kann; ob sie sich auch seiner Zuneigung versichern kann, wird nicht erzählt. Zu all diesen Elementen sprachlicher Stereotypisierung, die nichts anderes als die Standardisierung von weiblichen Verhaltensmustern und männlicher Wahrnehmung wiedergeben, tritt dann noch eine „Bemerkung“ Kirsts, als Wiedergabe von Thomas Gedanken, die einmal mehr Isolde stellvertretend für alle Frauen gefangen zeigen in der doppelten Erwartungshaltung („Doppelmoral“), die sich ergibt aus der von der Industrie etablierten sexuellen Projektion auf die Frauen und dem gleichzeitigen unbedingten Bestreben, sie gesamtgesellschaftlich auch weiterhin in ihrem Verhalten zu „disziplinieren“. Isoldes reichlich ungehemmtes Entgegenkommen wollte ihm sehr bemerkenswert, wenn nicht gar verwunderlich erscheinen. Es passte doch kaum zu ihrer weiblichen Würde. Daran kann man die gesellschaftliche Lüge von der der Frau im Erleben ihrer Sexualität so gerne zugedachten Selbstbestimmung erkennen; denn toleriert und gar eingefordert wird ihre Sexualität nur dort, wo sie den Männern zur Entbindung von der Verantwortung für ihre eigene Sexualität dient, während jenes „Enthemmtsein“, sofern es tatsächlich im weitesten Sinne doch auch als Ausdruck der eigenen weiblichen Gefühle und Empfindungen gelten könnte, den Frauen sofort als ihrer Würde unangemessen wieder abgesprochen wird. Dahinter steht psychologisch nichts anderes als die Angst vor dem Machtverlust des Mannes, der im Angesicht der

„Enthemmung“ der Frau, vorbehaltlich der Klischeebehaftung des Begriffes, augenblicklich einen Ausdruck von eigenem Willen der Frau und damit auch ein Stück Macht der Frau erkennt und fürchten muss, dass sie, sofern sie je im Beischlaf Macht über ihn gewinnen könnte, diese dann auch auf den Alltag übertragen und sie auch insgesamt auf die Gesellschaft ausüben könnte. Das exakt meint die Formulierung, wenn Isoldes „Enthemmung“ als mit ihrer Würde unvereinbar bewertet, gleichsam verurteilt w ird. Die „Würde“ ist dabei nichts anderes als die ihr von der Gesellschaft zugedachte Stellung, ihre Enthemmung gefährdet ihren Marktwert als Trägerin der nur auf ihre Disziplinierung zugeschnittenen Stoffe; ihre „Enthemmung“ gefährdet ihre Fetischisierung . Dabei ist die Stereotypisierung weiblichen Sexualerlebens stets in Verbindung mit der ihr zugewiesenen Initiative als Symbol scheinhafter Selbstbestimmung keinesfalls nur Ausdruckform von Literatur im engeren Sinne, zumal von männlichen Autoren. Wesentlich perfider ist es, wenn solche Charakterisierungen weiblicher Sexualität und überhaupt die Reduzierung von weiblicher Selbstbestimmung auf ihre angeblich selbstbestimmende Sexualität aus dem Munde von Frauen in gleicher Weise nachgebildet und der ursprünglich männlichen, patriarchalischen Literatur nacherzählt werden, wie sie den Frauen etwa als Ratgeberinnen in Frauenzeitschriften begegnen. Wiederum (wie weiter oben im Zusammenhang von Produktwerbung aufgezeigt) soll eine Frau, in diesem Fall als Autorin von Ratgeber-Rubriken, sich als

Vermittlerin zwischen die gesellschaftlichen und zumal industriell-ökonomischen Interessen einerseits und die zu „disziplinierenden“ Frauen andererseits schieben und diese Interessen gegenüber den ratsuchenden Frauen vertreten. Ihre Autorität ist dabei das von den Leserinnen in die Ratgeberin gesetzte Vertrauen, das von der Ratgeberin im Einklang mit Gesellschaft und Industrie vereinnahmt und gegen die Frauen gewendet wird; ihre Autorität ist die von der Gesellschaft zur Disziplinierung der Frauen eingesetzte autorisierte Autorität; ihre Autorität verrät sich als Aufspüren der emanzipatorischen Bestrebungen gegen diese Bestrebungen, obendrein und vorab autorisiert schon durch den Titel des jeweiligen Magazins, der das Wort „Frau“ in aller Regel mit sich führt. Ihre Autorität nutzen solche Ratgeberinnen, ganz im Stil von Therapeuten, in einer Art Gegeninszenierung, wie man den Terminus auch aus der Psychotherapie kennt, indem sie als Reaktion auf die tatsächlich oder vermuteten Bestrebungen und Bedürfnisse von Frauen die Interessen der Kulturindustrie als vermeintliche Befreiung und Selbstbestimmung der Frauen vorführen. Die Sprache ist, psychologisch bis ins kleinste Detail genau berechnet, stets so gewählt, dass die Ratgeberin sich glaubhaft mit den Interessen ihrer Leserinnen identifiziert; aber in Wahrheit etabliert die Ratgeberin Zeile für Zeile jene Interessen überhaupt erst, nämlich jene Interessen, die auch hinter ihr als Frau redaktionell stehen, so dass die Ratgeberin in gedanklicher Verkehrung nachgerade ihre Leserinnen mit den Interessen der Gesellschaft identifiziert. Typisches Beispiel hierfür wäre etwa die Kolumnistin,

die ihren Leser(Innen) „Zehn gute Tips, um wieder frischen Wind in Ihre Beziehung zu bringen“ empfiehlt. Der „frische Wind“, sprichwörtlicher Ausdruck des Sprühens der Liebesfunken, beschwört in Wahrheit den frischen Wind des Konsums: wiederbelebt werden soll die Beziehung nur, um ihre gesellschaftliche Inszenierung und damit den für sie konstitutiven Fetischkonsum wiederzubeleben: Romantik als Zustand des sublimierten Konsumbewusstseins. Zu diesen „zehn Tips“ gehören noch heute Empfehlungen wie das Candlelight-Dinner oder der fast zur gezwungenen Geste verkommene Blumenstrauß. Das alles nützt der Industrie und in ihrer Gefolgschaft auch der Fixierung des Fetischismus: auch der Blumenstrauß darf nachgerade als Fetisch gelten, und das CandlelightDinner allemal als Hinweis darauf, was dem Candlelight-Dinner wohl folgen soll, gerade weil es in verlogener Scham unausgesprochen bleibt: der frische Wind, der dem Candlelight-Dinner folgen soll, impliziert klar den Fetischkult an der Frau, vom Abendkleid bis hin zur Unterwäsche und all der ergänzenden Utensilien und Anwendungen. Ein Ausschnitt aus einer von vielen solcher Rubriken soll das Dargelegte dokumentieren: Kaum war der Frühling da, verwelkte mein Mann im Garten. Ich überlegte, wie ich ihn verführen könnte, denn mit dem Sprießen und Blühen waren in mir ganz urweibliche Sehnsüchte erwacht. Ich wollte ausleben, was ich fühlte: das Ungezähmte. (…) Ich zog den Reißverschluss meines Oberteils auf, während ich meine Hand auf seinen Schoß legte und sanft knetete, was dort ruhte. Ich sah in seinem Gesicht (…) Überraschung. Misstrauen. (…) Wir gingen

unter die Dusche, mitten am Nachmittag. (..) „Ich liebe es, wenn du mir deine Lust zeigst“, flüsterte er mir ins Ohr. (…) Dieser Nachmittag hat mir Mut gemacht.(…) Es ist so leicht, ihn mit meiner Gier anzustecken.(…) Manchmal überrasche ich ihn , während wir kochen, und sage ihm direkt ins Gesicht: „Ich muss mit dir schlafen.“ Manchmal tue ich es, wenn wir abends lesen. Ich schlinge mich um ihn, und es braucht keine Worte, damit er versteht: „Ich will dich hier, ich will dich jetzt.“ (zitiert nach Frau im Trend) Auch hier kehren alle Stereotype wieder, die zuvor auch in dem Auszug aus Kirsts Roman zu beobachten waren. Da ist zunächst die Fürsorge der Frau um ihren Mann, der verwelkt, wobei in der unmittelbar sich anschließenden Reaktion der Frau klar ihre Verpflichtung syntaktisch konstruiert und damit auch als gesellschaftliche Forderung formuliert wird, ihrem Mann die Fürsorge insbesondere und vor allem durch ihre allzeitige sexuelle Verfügbarkeit zuteil werden zu lassen: sobald er verwelkt, überlegt sie, wie sie ihn verführen könnte: weibliche Sexualität im Dienste der Fürsorge für den Partner. Wiederum ist die Frau auch hier diejenige, deren ganzes Bewusstsein allein auf das sexuelle Erleben ihrer Partnerschaft ausgerichtet ist; nachgerade wird die Frau als Wesen ohn e jeden Intellekt und ohne jede soziale Prägung vorgeführt, die Krisen oder Konflikte allein dadurch lösen kann, dass sie ihren Körper anbietet; dabei dürfte gerade jene Charakterisierung einmal mehr als Projektion patriarchalischer Modelle zur „Lösung“ von Konflikten gelten. Wiederum wird die Frau als „enthemmt“ beschrieben, in diesem Fall durch Ausdrucksweisen wie

urweibliche Sehnsüchte, das Ungezähmte oder ihre Gier. Von Lust ist ausdrücklich als Lust der Frau zu lesen. Zudem dienen all diese „Charakterisierungen“ wiederum auch als Ausdrücke, die zugewiesene Initiative in der Psyche der Frau zu fixieren, damit diese sich nach solcher Lektüre künftig ganz im Sinne ihrer Ratgeberin als „Frau“ fühle. Auch die rollenspezifisch intrigant kalkulierte, mehrfache Hervorhebung, dass die Frau den Wunsch nach sexuellem Kontakt stets in ungewöhnlichen Situationen ( beim Kochen oder beim Lesen) und zu unüblichen Tageszeiten (mitten am Nachmittag) sucht, ist konzipiert als Ausdruck jener als Initiative inszenierten scheinhaften Selbstbestimmung, die sich eben auch darin ausdrücken soll, dass die Frau sich ihrer selbst bewusst absichtsvoll über Konventionen hinwegsetze und so, indem sie aus den Konventionen heraustritt, sogar Mut entwickeln könne. Einmal mehr wird hier den Leserinnen scheinhaft vermittelt, dass die Ratgeberin (als Frau!) ihnen Mut zu sprechen wolle, Mut zur eigenen Initiative und zur Überwindung von Zwängen (den Konventionen), während die Leserinnen in Wahrheit durch die Konditionierung jenes scheinhaft vor-formulierten und in der Figur der Rubrik vorgelebten Mutes kompromittiert und in ihren Bestrebungen weiter verhindert werden: denn die Rubrik schreibt den Leserinnen klar vor, in welchen Augenblicken sie ihre „Initiative“ ergreifen und in welchen Lebensbereichen sie „Mut“ entfalten sollen, nämlich ausschließlich in der Ausübung des Sexualaktes. Wird aber die Ermutigung und Förderung der Frauen ausschließlich an ihre sexuelle Rolle

gebunden, die im selben Moment wiederum von der Kulturindustrie aufs Genaueste durch ihre Produkte sowie eben jene partnerschaftlichen „Verhaltensanweisungen“ gesteuert wird, so wird die Selbstbestimmung den Frauen in dieser einzigen, ausdrücklich gewährten Situation objektiv verwehrt. Die Rubrik drängt die Bestrebungen nach Akzeptanz und Erfolg aus der Gesellschaft zurück und verschiebt sie auf den bloß sexuellen Erfolg, der noch dazu seiner ganzen Sprache nach objektiv der Erfolg des Mannes und damit auch der Industrie ist, deren Produkte in der vermeintlichen sexuellen Selbstinszenierung der Protagonistin in der Rubrik einmal mehr beworben werden. Parallel zu den Beobachtungen bei Kirst wird auch hier der Mann als zurückhaltend beschrieben, der erst und nur der Gier der Frau nachgibt. Während sie seinen Schoß sanft knetet, ruhte es dort noch. Gegen all diese Beobachtungen könnten Frauen wie Männer gleichermaßen einwenden, sie hätten ihre Sexualität in der Partnerschaft tatsächlich so oder ähnlich erlebt und die Berichte bildeten insofern die wirklichen Erfahrungen ab. In solchen Bekundungen, in denen sich die betreffenden Personen unterm Einfluss der falschen Vorbilder als freimütig aufgeklärt und lebenserfahren (im Hinblick auf die zur Exzessivität erhobene, in die Öffentlichkeit gezerrte S exualität) wahrnehmen, blitzt nur das längst von der Kulturindustrie geraubte und ausgetauschte sexuelle Erleben auf wie die flackernden und im synthetischen Schweiß und schlagenden Puls wallenden Körper auf dem Bildschirm, in dessen Bildern sie ihren eigenen Liebesakt erleben. Von erworbener Sexualität wäre hier

zu sprechen. Insbesondere für das eigene Erleben der Frauen gilt, dass sie stets mit der männlichen Erwartungshaltung konfrontiert sind, die von solchen Schilderungen klar an sie gerichtet werden, so dass sie als Frauen ihr eigenes Erleben und Verhalten früher oder später, mehr oder weniger auf die Erwartungshaltung der Männer hin zubewegen werden. Zu erfassen wäre hier nicht das Maß an realitätsgetreuer Abbildung, sondern das Maß, um das die Realität von solcher Lektüre verzerrt und am Ende dem literarischen Stereotyp nachgebildet wird. Mag immer die einzelne Frau für sich beanspruchen, sich von solcher Erwartungshaltung befreit zu haben, so bleibt die Erwartungshaltung doch stets immanent. Es gibt keine vollkommene, endgültige Befreiung vom Zwang: so lange der gesellschaftliche Zwang für die Frauen vorab durch Industrie und Medien stets erneuert wird, wie sehr auch im grellen Lichte der Emanzipation, können sich Frauen immer nur wieder von einem Zwang zum nächsten befreien. Selbst ihr e Befreiung wird ihnen von der Kulturindustrie noch als eben jene scheinhafte Initiative entworfen, und damit bleiben sie unfrei. Sie können sich nur immer wieder von einem Entwurf zu anderen Entwurf bewegen, aber entwerfen können sie sich immer nur wieder wieder innerhalb des einen großen Entwurfs, und damit werden ihre Bestrebungen verworfen. Der falschen Initiative entspricht als entgegengesetztes Extrem die falsche Aufwertung und scheinhafte Befreiung. Der 1990 von Garry Mashall gedrehte Film „Pretty Woman“ bezieht seine Attraktion nicht allein aus der Prominenz seiner Darsteller, sondern daraus,

dass unterm Glamour der Schauspieler die Projektionen weiblicher „Ideale“ scheinhaft zur Wiederherstellung weiblicher Würde liberalisiert und damit endgültig trügerisch idealisiert werden. Im Banne der Atmosphäre soziokultureller Projektionen auf die Frau und ihre zumal körperliche Erscheinung, wie sie den Zuschauern schon durch den Schlagertext „Pretty woman“ gegenwärtig sind, will der Film die scheinhafte Befreiung Vivians aus ihrer Rolle als Prostituierte in genau jenen Attributen erstrahlen lassen, die ihre Fetischisierung, ihre Herabsetzung zur Ware gesellschaftspsychologisch zuvor überhaupt erst bewirkt haben. Die Befreiung soll im Klang und Schein derjenigen Attribute vollbracht werden, die zuvor die Zwänge für Vivian geschaffen hatten, eben die Attribute ihrer gesellschaftlichen Projektion als Frau. Die scheinhafte Befreiung aus dem „Milieu“ wird geleistet nur um den Preis, dass Vivian für ihren gesellschaftlichen Aufstieg dieselben Projektionen aufrechterhalten muss, aus denen sie scheinhaft befreit werden soll. Ihre Fetischisierung als Prostituierte, als Objekt der Begierde, wird ersetzt nur allein durch den höheren gesellschaftlichen Stand. Edward ermögl icht Vivian nicht etwa ihre unabhängige, reelle Selbstverwirklichung, sondern entreißt sie ihren Freiern nur, um sie für sich selbst in gleicher Weise und nach denselben kultursoziologischen Forderungen für sich als Objekt seiner eigenen Begierde zu reetablieren, ganz im Rausch des Schlagertextes, im Sonnenschein der eigenen Begierde: Come with me baby, be mine tonight. Dabei schreitet er, je mehr er Vivian an ihre neue Rolle anpasst, stets beschwingter

und erhabener im Sound und Schwung des Schlagers neben ihr einher, der stets auch ihre Einkäufe sowie insgesamt ihren wundersamen Aufstieg begleitet. So erfüllt Vivian, auch in der Psyche der Zuschauer, stets die Attribute des Schlagertextes, die zugleich auch die ihr von der Gesellschaft insgesamt zugewiesenen Attribute sind. Die Fetischisierung gegen Bezahlung wird ersetzt durch Fetischisierung gegen Bezahlung, nur eben nicht gegen feste Sätze, sondern gegen die scheinhaft liberale Zuwendung, die Großzügigkeit des Reichen: Edward kauft sich Vivan objektiv nicht anders als die Freier von der Straße: machtökonomisch gesehen hebt er ihren Zwang als Prostituierte nicht auf, sondern fixiert ihre Abhängigkeit sogar noch, eben weil er über die größeren Mittel verfügt. Er stellt nicht etwa Vivians Würde wieder her, sondern er erhöht lediglich ihren Marktwert, nämlich für sich selbst als Vertreter der höheren Gesellschaft, indem er ihren Warenwert erhöht, eben durch die teureren Kleider an ihrem Körper. Er wertet sie scheinhaft auf, im rein ökonomischen Sinn, und eben darum wertet er sie objektiv ab, eben zur bloßen Begleiterin seines eigenen Aufstiegs. Durch die immens hohen Aufwendungen sichert sich Edward lediglich seine ökonomische Überlegenheit und damit auch seinen allein ökonomisch geschützten Stolz als Mann gegenüber den „deklassierten“ Freiern. Letztlich verwirklicht er an „seiner“ Vivian nur den alleinigen ökonomisch gesicherten Besitzanspruch. Dabei drängt er sie in ihrem Befreiungsbestreben objektiv sogar noch weiter zurück: er folgt der tiefenpsychologischen Motivation, dass er eine Prostituierte nie ganz besitzen kann, seine

eigene Frau aber sehr wohl. Sie selbst darf sich nicht besitzen. Je mehr Edward an Vivian ihre allmähliche, zart geregte scheinbare sexuelle Befreiung erlebt, um so mehr treibt er sie in ihre alte Rolle als ihre neue Rolle zurück: jede finanzielle Zuwendung geschieht nicht etwa, um ihr eine tatsächlich unabhängige ökonomische Basis zu schaffen, sondern nur, um sie stets weiter in ihre neuerliche Fetischisierung zu treiben: jedes neue Kleid, jede neue Frisur dienen nur dazu, sie erneut zum Fetisch zu nötigen und sie damit ökonomisch abhängiger von den kultursoziologischen Forderungen zu machen als sie es zuvor in ihrem Gewerbe je war. Objektiv wird Vivian nicht etwa befreit, sondern sie wechselt lediglich das Milieu. Es ist dieser flagrante Widerspruch, der Phil, Edwards Anwalt, dazu treibt, Vivian zu vergewaltigen und sie damit faktisch wieder in ihre alte Rolle zurückzuführen. Ohne den Gewaltakt rechtfertigen zu wollen, so darf Phil in dem ganzen Film als die einzige Figur gelten, die diesen Widerspruch mit seinem Übergriff auf Vivian zum Ausdruck bringt: dass sie nämlich in ihrer Bestimmung durch Edward noch immer eine „Prostituierte“ ist, nur von höherer Art, und damit auch weiterhin eine Fremdbestimmte. Objektiv hat Edward für Vivian nur ihre einstigen materiellen Zwänge, eben sich als Prostituierte ökonomisch abzusichern, ersetzt durch die noch größeren und weit umfassenderen gesellschaftlichen Zwänge, nunmehr als Frau an der Seite des Corporate Raiders mehr als je zuvor die gesellschaftlichen Entwürfe an ihr als Frau verwirklichen zu müssen, und das sind nicht zuletzt auch jene Attribute wie teure Kleidung, die ihre

Fetischisierung als Frau aufrechterhalten sollen, so wie die Fetischisierung der Frau an sich eben Teil des gesellschaftlichen Entwurfes an ihr ist. Darum erlebt Vivian auch im engeren Sinn keine sexuelle Befreiung. Vielmehr wird ihr Wille samt allen Regungen und Gefühlen mehr als je zuvor nun durch die ökonomische Basis ihres Mannes bestimmt (determiniert), bedingt (konditioniert) und stets weiter in ihrer seelisch körperlichen Identität gefestigt (stabilisiert). Wenn Edward Vivian vor den Griffen Phils rettet und ihn rausschmeißt, so rettet er sie doch wieder nur für seinen eigenen Besitzanspruch, auch wenn durch das spätere Happy End dem Zuschauer nahegelegt wird, Edward bekenne sich nun aufrichtig zu Vivian als Frau, als ob Vivian mit dem Happy End unwiderruflich ihre Würde zurückerhielte und zu wahrhafter gesellschaftlicher Akzeptanz aufgestiegen sei. Keinesfalls rettet das Happy End ihre Würde. Allenfalls rettet sich Edward seine Romanze. Emanzipatorische Bestrebungen haben auf der Feuerleiter keinen Platz. Wenn je solche Ansprüche formuliert werden sollten, dann jedenfalls nur außerhalb dieses Films. Einmal mehr hält dieser Film wie manches andere Erzeugnis auf Zelluloid oder Zellulose das gesellschaftlich geforderte Ideal der Prinzessin hoch, von der Leinwand herab. Einmal mehr leben Filme wie „Pretty woman“ vom falschen, zugewiesenen Stolz der Frauen, der objektiv nachgerade als der auf sie als Frauen projizierte Stolz der Männer und damit auch des Patriarchats insgesamt zu durchschauen wäre. Solche Frauen erleben ihren Stolz und auch ihren Erfolg allein durch den Stolz und Erfolg, der ihnen von Beginn ihres

Lebens an durch Erziehung und Sozialisierung introjiziert wird, sowie durch die Produkte der Industrie, die jenen zugewiesenen Stolz als Forderung an die Frauen bereits in sich tragen und Tag für Tag an sie herantragen. Aber auch durch die Bebilderung von Märchen lernen Frauen von klein auf, wie sie zu erscheinen haben, und jene Bilder von der Prinzessin setzen sich als Shootings von Models und Prominenten fort. Und jene Bilder sind es auch, die im Bewusstsein nicht zuletzt auch der Frauen selbst als prägende Motivation gelten dürfen für die enorme Involvierung (im psychologisch-emotionalen Sinn) von Millionen Frauen in den Homestorys der königlichen Familien, weil jene Frauen der Königshäuser und Dynastien allein durch ihre ökonomischen Mittel eben jene Bilder der Märchenprinzessin, mitunter auch im wörtlichen Sinn als Vorstellungsinhalte (sogenannte Repräsentationen im psychologischen Sinn) vor Millionen von Augen erhalten und stets aufs Neue in ihr em Bewusstsein festfügen (fixieren). Darum darf mit einigem Recht bemerkt werden, daß sich Frauen heute einmal mehr nur noch durch die Blicke der Gesellschaft auf sie als Frauen sehen. Noch immer bleibt der gesellschaftliche Erfolg von Frauen weithin an ihre Attraktivität gekoppelt, denn nichts anderes implizieren die hundert und tausend Schönheitsprodukte genau so wie die jährlich neuen Schnitte der edlen Stoffe oder die als unveränderte gesellschaftliche Projektion unendlich variierten Haarschnitte. Immer wieder wird etwa in Werbespots die jeweils neueste Mode kommentiert mit Slogans von der Art wie „ich wollte immer schon aussehen wie ein Star“,

gesprochen natürlich von Frauen im Zustand äußerster Erwartung und Erfüllung. Aus solchen Slogans, aus solcher schlecht einstudierten Beseeltheit einer typischen „zarten“ und hohen Frauenstimme spricht aber bereits die ausgetauschte Psyche: aus solchen Worten spricht bereits die in die Frauen eingesetzte (introjizierte) Psyche als Konsumentin, die ihre eigene Erfüllung nur als Erfüllung des Modediktates erleben kann, die ihre Erfüllung nur noch in der Nachahmung der Bilder von der Prinzessin erleben kann. Dennoch müssen sich wohl Millionen von Frauen mit dem für sie vorgeführten, für sie gegen sie selbst entworfenen Ideal in kaum zu ermittelnden Maße identifiziert haben, also die Inszenierung als ihre eigene Aufwertung in genau dem Maße akzeptiert und internalisiert haben, wie sie es auch sollten. Kaum zufällig wurden in den ersten Jahren nach Anlaufen des Films allein Deutschland überdurchschnittlich viele Frauen auf den Namen Vivian getauft; als wollten die Mütter und Väter in gleicher Weise sich ihre „pretty woman“ schaffen, als könnten sie sich eine wahrhafte Karriere für ihr Kind nicht anders vorstellen denn als den Aufstieg Vivians, wenngleich Mütter und Vater natürlich aus ihren je unterschiedlichen Perspektiven heraus. Zur falschen den Frauen zugewiesenen Initiative gehört desweiteren auch jene eigenartige Verschiebung ihrer gesellschaftlichen „Pflichten“ auf die Männer, wenn etwa bestimmte Produkte beworben werden mit dem Slogan: „Das kann sogar Ihr Mann!“. Psychologisch nicht ungeschickt spielt die Industrie hier mit dem legitimen Bestreben aller Frauen, ihre Partner endlich

auch mal in die Übernahme der sogenannten häuslichen Pflichten einzubinden. Wiederum weist die Industrie scheinhaft den Frauen die Chance zur Initiative zu, nämlich die Chance, die Emanzipation unmittelbar im Alltag und sozusagen an Ort und Stelle zu verwirklichen, indem sie als quasi ersten Schritt ihren Mann an die Hausarbeit heranführen. Die ausgelöste Begeisterung ist aber Indiz dafür, der Täuschung der Sprache erlegen zu sein. Mag immer der Mann in dem betreffenden Slogan mit angesprochen sein, unmittelbar wird nur die Frau angesprochen. Wollte die Industrie tatsächlich den Mann ansprechen, könnte sie auch ihn das Produkt bewerben lassen. „Das kann auch Ihr Mann“ fixiert daher entwicklungspsychologisch die Frauen eher auf der Stufe der verhinderten Emanzipation. Eben indem der Slogan das Produkt an die emanzipatorischen Bestrebungen der Frauen koppelt (konditioniert), sie also trügerisch am wichtigsten Argument ihres psychischen Erlebens anspricht, kehrt er ihr Bestreben gegen sie als Frauen. Die Psychologie solcher Slogans darf nach der Terminologie der Abwehrmechanismen als sogenannte Reaktionsbildung bezeichnet werden. Damit beschreibt die Psychologie die Neigung, ein als unangenehm bzw. den eigenen Interessen entgegenstehendes Gefühl abwehren zu können, indem es durch genau das gegensätzliche Gefühl ersetzt wird. Würde der Produzent sein Produkt ohne den Slogan den Frauen zur Erledigung „ihrer“ häuslichen Arbeit anempfehlen, würde der Produzent damit umgehend erhebliches Unbehagen und Aufbegehren bei seinen Kundinnen auslösen. Durch die Koppelung an den Slogan „Das

kann sogar ihr Mann!“, also durch die Koppelung an die emanzipatorischen Bestrebungen hingegen wird die mutmaßlich sich spontan ablehnende Haltung in den Frauen zu einem positiven Gefühl der Anerkennung ihrer Bestrebungen umgewandelt (= Reaktionsbildung in den Kundinnen durch die Konditionierung an den Slogan). So argumentiert der Slogan listig genug gegen sein eigenes Argument. Denn objektiv beschreitet die Frau, die das Produkt daraufhin kauft, keinen einzigen Schritt weiter auf dem Weg ihrer Bestrebungen. Im äußersten Fall würde der betreffende Partner sporadisch die betreffende Arbeit im Haushalt erledigen, aber wohl überwiegend nur zur Einlösung des Slogans, keinesfalls aber notwendigerweise aus Bekenntnis zu den Bestrebungen seiner Partnerin . Den Schritt, den der betreffende Mann mit den Bestrebungen seiner Frau mitgehen würde, wäre nachgerade nur der nötige Schritt, um auch als Mann in der industriell inszenierten Befreiung der Frau zu erscheinen, die die wahre Befreiung ein weiteres Mal aufschiebt. „Das kann auch Ihr Mann!“ heißt darum nur so viel wie „Sie [als Frau] können es besser!“ Solche Slogans spielen auf die Erfahrung der Frau bei der Erledigung der Hausarbeiten an, die jedoch nur die durch den Zwang zu ihrer Rolle erworbene Erfahrun g ist. Dabei verrät sich solche Reklame in ihrer Ideologie schon allein dadurch, dass die Industrie die betreffenden Produkte überhaupt durch eine Werbeperson bezeugen lässt: noch immer verrät sich die ideologische Konditionierung der Produkte dadurch, dass ihnen stets ein Platz an der Seite einer der beiden Geschlechter zugewiesen wird und damit

umgekehrt den beiden Geschlechtern ein Platz neben den Produkten. Im Lichte der totalen Erfassung der weiblichen Sexualität durch die Kulturindustrie wäre auch jen e Aufgeregtheit zu sehen, die als Aufgeregtheit für die falsche Angelegenheit zu bezeichnen wäre; wenn etwa auf Internetplattformen nicht anders als im realen Leben von Männern die Frage erörtert wird, ob sie ihrer Partnerin diese oder jene sei’s Oberbekleidung, sei’s Unterwäsche kaufen sollten oder aber lieber mit ihr zusammen shoppen gehen oder aber gar ihr besser einen Gutschein schenken sollten. Hier zeigt sich einmal mehr die Verschiebung des humanen Wertes, des Wesens selbst der Frau auf ihren Marktwert: längst hat auch die Männer die Manipulation ihres ganzen Empfindens und Denkens so sehr erfasst, dass ihre ganze Aufmerksamkeit den von der Industrie ihrem Bewusstsein eingeprägten Produkten gilt: Antworten auf solche Fragen, die von den Ratgebern gerne als Ausdruck von offenem partnerschaftlichen Umgang und wechselseitigem Eingehen verblendet werden, als Ausdruck davon, wie gut man seine Partnerin kenn e und sich mit ihren Wünschen identifiziere, mitunter sogar als Stabilisierung für die Beziehung anger aten werden, verschieben aber eben die wahrhafte Identifizierung mit der Partnerin auf die Identifizierung mit ihren Kleidungswünschen, die als die ihr zuvor anerzogenen (introjierten und internalisiserten, erworbenen) Wünsche offenzulegen sind. Allenfalls identifizieren sich solche Männer noch mit der zuvor von der Industrie für sie bereits vor-identifizierten Partnerin. So lenkt die Industrie die Gefühle des

Mannes auf die von ihr zuvor in den Frauen eingesetzten Wünsche. Stabilisiert wird im Zuge solcher Sorgen nicht etwa die Beziehung, sondern nur der Profit der Produzenten. Insofern beide Geschlechter letztlich durch die Fetischisierung der Frau in ihrem Verhalten konditioniert sind, reagieren beide Seiten letztlich nur auf das Bangen des jeweils anderen: der Mann, der die Wünsche der Frau nicht als die von der Industrie in beiden, wenngleich mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Zuweisungen introjizierten Wünsche erkennt und darum glaubt, seiner Partnerin bei ihrer Fremdverwirklichung helfen zu müssen - und die Frau, die ihrem Mann seine Hilfe als Bemühen um das ihr von der Industrie zugewiesene Erscheinungsbild dank en muss, weil sie anders, wenn sie dessen Hilfe zur Kaufentscheidung als Beihilfe für die Industrie durchschauen und zurückweisen würde, damit insgesamt auch die ihr zugewiesene Rolle zurückweisen müsste. Allenfalls stabilisieren solche Ratschläge psychologisch das Verlangen nach dem Produkt und damit mit wiederum den Konsum. Allenfalls stabilisieren sie das Verlangen, die Partnerschaft in jenem von den Produkten erzwungenen Verlangen erleben zu wollen. Sie stabilisieren das Verlangen nach dem Verlangen. Zu Stabilisierung der Macht des Patriarchats dient psychologisch als mögliche Kommunikationsform auch der Witz. Die Psychologie des Witzes besteht darin, dass seine Aussage als allgemeine und von der Allgemeinheit durch die Tradition längst schon akzeptierte Vorstellung im Raum steht und derjenige, der den Witz erzählt, als bloß Erzählender, nicht aber

als Autor in Erscheinung tritt und darum seine Verantwortung für den Witz durch die Tradition abgenommen bekommt. Der Erzähler tritt hinter seinem Witz zurück und bleibt so stets in sicherer Distanz zu dem Gesagten: wird er kritisiert, kann er sich stets noch der Verantwortung entziehen mit dem Hinweis, es sei doch nur ein Witz oder er habe den Witz ja selbst so erzählt bekommen. Dieselbe psychologische Distanz, die die Tradition des Witzes dem Erzähler sichert, sichert sie zunächst auch dem Zuhörer, der, selbst wo er als Person oder Gruppe angesprochen wird, dennoch hinter der Tradition zurücktreten und für sich selbst jeder Zeit in Anspruch nehmen kann, nicht gemeint zu sein. Dennoch ist die Distanz, die beide Seiten jeweils gegenüber dem Witz besitzen, qualitativ verschieden. Mag immer der einzelne Zuhörer die Adressierung des Witzes an seine Person verbal zurückweisen, um sich psychisch zu stabilisieren, indem er sich einredet, sich nicht persönlich angesprochen zu fühlen, so wird er dennoch von denen, die den Witz auf ihn beziehen wollen, mit dem Witz identifiziert. Stets steht zwischen dem Erzählenden und dem Angesprochen die Tradition des Witzes, die die Aussage des Witzes gegen den widerstrebenden Zuhörer absichert. Wenn etwa Klischees und Stereotype über Frauen als Ausdruck der gesellschaftlichen Forderungen an die Frauen in Witzen formuliert werden, so sichert die Tradition solcher Witze, die zugleich auch die Tradition der gesellschaftlichen Erziehung der Frauen ist, die Klischees und Stereotype mit jedem neuerlichen Erzählen stets aufs Neue ab und fixiert sie in dem

Bewusstsein beider Geschlechter: für die Männer als Bekräftigung, für die Frauen als Fügung. Die psychologische Distanz, die durch den Witz getrennt zwischen dem ansprechenden Mann und der angesprochenen Frau liegt, ist komplementär konträr: während für den Mann die Distanz zu seinem Witz als psychologischer und auch in aller Regel auch juristischer Abstand zu seiner Verantwortung zu begreifen ist, korrespondiert die Distanz der Frau zu dem an sie adressierten Witz mit der Unerreichbarkeit der gesellschaftlichen Macht, mit der Unantastbarkeit der Verhältnisse: so wie der Mann für die Frau unantastbar hinter dem erzählten Witz wie hinter Demarkationslinie zurückbleibt, so bleibt auch der Witz selbst in seiner Aussage für die Frau unantastbar. Während dem Mann seine psychologische Distanz zum Witz dazu nützt, sich seiner eigenen Projektionen auf die Frau zu versichern und zu bekräftigen und nachgerade für die nachfolgende Generation von Männern zu autorisieren, zwingt die Distanz des Witzes die Frau zur Fügung und damit zur Selbstverleugnung. Die Macht, die der Witz über die Frau hat, ist dieselbe Macht, das Patriarchat immer schon über sie hatte, das sich in dem Witz lediglich eine weitere Möglichkeit sichert, sich Gehör zu verschaffen, das sich in dem Witz eine weitere Möglichkeit zur totalen „Disziplinierung“ der Frau bereithält. Die Psychologie des Witzes wäre danach weiter zu definieren als Akzeptanz durch Unerreichbarkeit: was von niemand persönlich vertreten werden muss, aber auch von niemand persönlich zurückgewiesen werden kann, bleibt eigenwillig im Raum stehen und stimuliert in der Folge

auf beiden Seiten die Akzeptanz der Aussage , nur eben dass die Akzeptanz die je verschiedene Akzeptanz der Macht des Patriarchats einerseits und der Ohnmacht der misslungenen Emanzipation andererseits ist. Dabei dürfen sich selbst diejenigen Frauen, die frei heraus über die Witze lachen, kaum überlegen fühlen, deren Lachen allenfalls unbewusster Ausdruck von Selbstverhöhnung ist, die als Abwehrmechanismus lediglich den durch den Witz verhöhnten Bereich ihrer Identität abzuspalten versucht. Psychologisch gesehen wäre hier vom Abwehrmechanismus der Idealisierung zu sprechen. Aber in jener Idealisierung, also dem Lachen als Frau über den Witz, was so viel heißen soll wie „das macht mir nichts“, ist aber nichts anderes als die Idealisierung in den ihnen als Frau zugewiesenen, falschen und fremdbestimmten Idealen. „Nichts ausmachen“ wird ihnen der Witz nur darum, weil er nur ihre Sozialisierung reproduziert, die von Beginn ihres Lebens an darauf ausgerichtet war, daß es ihnen „nichts ausmachen“ soll. Aber die Selbstverhöhnung ist die akzeptierte, verinnerlichte, in der Psyche der Frau aufgegangene Verhöhnung durch die Gesellschaft. Noch nie gewann Lachen die Macht über Hohn. Aber auch diejenigen Frauen, die glauben, durch lautstarke Empörung und nachdrückliche Zurückweisung des Witzes ihn aus der Gesellschaft verbannen zu können, übersehen, dass der Witz nur als Symptom ihrer eigenen totalen Disziplinierung zu durchschauen wäre: seine Verbannung würde darum allenfalls die Explizitheit seines Ausdrucks bannen, allenfalls den einzelnen Witz verbannen, nicht aber das Interesse des Patriarchats, das der Witz transzendiert

und transportiert: jeder Witz kann durch einen neuen ersetzt werden, jede einzelne Kommunikationsform durch eine andere: die Literatur durch den Film, das Wort durch das Bild. Die Psyche der Frau darf als von Industrie und Gesellschaft total erfasst gelten: innerhalb der Totalität aber kann man das einzelne nicht bekämpfen, eben weil es kein Einzelnes, Isoliertes mehr gibt, aber auch, weil das je Einzelne, wo es je noch ohnmächtig zu isolieren wäre, für das Ganze zu unbedeutend, zu wenig konstitutiv wäre, als dass es das Ganze gefährden oder gar aufheben könnte. Kein je verbannter Witz kann die Gesellschaft dekonstruieren, kein je verbannter Witz kann die patriarchalische Macht verbannen, die ihn stets weiter vor der wirklichen, definitiven Verbannung bewahrt. Aus der Gesellschaft kann ihre Projektion nicht verbannt werden, weil sie selbst in ihrem Entwurf von je her immer schon Projektion war. Wer glaubt, als Frau (und auch als Mann) sich der totalen Erfassung ihrer Selbstwahrnehmung und der Lenkung ihres Selbstfindungsprozesses entziehen zu können, indem sie sich durch Rückbesinnung auf eine irgend je ursprüngliche, von der Erfassung unberührte Identität und selbst erworbene Anschauung der Welt besinne, ist bereits Opfer eben jener Erfassung und Lenkung; denn schon als sie das Licht der Welt erblickte, hat sie es als Frau erblickt, und das Licht, das sie bei ihrem ersten Weinen blendete, war bereits der Glanz und Schein der gesellschaftlichen Projektion auf sie, der Glanz und Schein der Kulturindustrie, die die Frau vom ersten Tag an durch ihre Produkte zu ihrer Rolle erzieht: bereits bei der Babykleidung wurde

immer schon der Geschlechterunterschied streng berücksichtigt. Schon vom ersten Tag an wird mit den Babys und Kleinkindern ihrem Geschlecht nach kommuniziert: vom ersten Tag an wird auch mit dem kleinen Mädchen so kommuniziert, wie die Erwachsenen selbst erzogen wurden und es unüberwindbar verinnerlicht haben. Noch immer werden Babys in dem elterlichen Bewusstsein, dass sie eine Frau in ihren Armen wiegen, anders gewogen als Männer. Noch immer wird einem kleinen Mädchen, das hinfällt, anders begegnet als einem kleinen Jungen. Darüber können auch partielle Ansätze zur Liberalisierung von Erziehung nicht hinwegtäuschen. Was als alternative Erziehung sich versteht, wählt immer nur aus solchen Alternativen aus, die zusammen wieder alternativlose Projektion erneuern. In gleicher Weise wird auch die Fixierung der Frau als Objekt gesellschaftlicher Projektionen und ihre Erziehung zur akzeptierten Käuferin der auf ihre Disziplinierung zugeschnittenen Produkte durch die Literatur vorbereitet; durch die Texte selbst sowie durch ihre Bebilderung allemal. Von klein auf lernen Frauen, wie eine von der Gesellschaft und auch von der Industrie akzeptierte Frau auszusehen hat. Das Wort von der Prinzessin hat tiefenpsychologisch eine allemal weittragendere Rolle als bloß ihre rein nachfolgerechtliche Bestimmung oder aber seine Verwendung als Kosewort, was seinerseits bereits Reproduktion der Sozialisierung ist. Das heranwachsende Mädchen erfährt schon frü h, dass nur die Prinzessin gesellschaftlich akzeptiert ist, was sowohl das akzeptierte Erscheinungsbild der Frau als

auch ihr akzeptiertes Alter konditioniert. Wer das von der Industrie zum Fetisch festgesetzte Ideal nicht erfüllt, wird den jungen Frauen abwechselnd als Magd, häßliche Schwester oder Bauersfrau vertraut gemacht, wer hingegen das für die Industrie relevante Alter überschritten hat oder aufgrund seines Alters durch seine Einsicht und Lebensweisheit der Gesellschaft gefährlich werden könnte, wird etwa als missgünstige Schwester, intrigante und hysterische Mutter oder schlicht als Hexe vorgestellt; und zwar durch den Text vorgestellt wie auch durch die Illustrierungen vor Augen gestellt. Dabei ist die psychologische Komplikation weitaus repressiver als es sich durch bloße Betrachtung, bloß literarische Wertung offenbaren würde. Die gesellschaftlichen Forderungen an die Frauen sind in den Märchen stets an allgemeine humane und moralische Forderungen geknüpft, als die sie scheinhaft formuliert werden, durch die aber in Wahrheit die Frauen in ihren Bestrebungen gegen die moralischen Forderungen ausgespielt werden, im Märchen nicht anders als im wirklichen Leben. Schon in jungen Jahren erfährt die heranwachsende Frau den totalen gesellschaftlichen, patriarchalischen Druck, den sie zu erwarten hat, wenn sie sich den Forderungen der Gesellschaft an sie entzieht. In dem Maße, wie sich jeder Leser mit den Helden seiner Romane identifiziert und Kinder allemal, identifiziert sich auch die heranwachsende Frau mit den Heldinnen und Verliererinnen, und erfährt mit ihrer ganzen emotionalen Beteiligung als keines Mädchen ihre soziale Repression, die sie in den Märchen bereits als

Vorwegnahme späterer Einschüchterung und Erpressung erlebt und durchlebt. In dem Märchen „Die Gänsemagd“ wird die Magd dafür bestraft, dass sie sich als Herrin ausgibt und ihr den für sie bestimmten Mann wegnimmt. Durch die Anklage der Anmaßung verteidigt die Gesellschaft so ihre kultursoziologischen Forderungen, indem sie scheinbar die Moral verteidigt. Am Ende wird die Magd für ihre Anmaßung bestraft, scheinhaft nur aus der Forderung nach Ehrlichkeit und Gunst. Dies zu untermauern, wird die Magd durchweg mit Eigenschaften wie Neid, Hass und Verachtung charakterisiert. Jener Hass wäre aber als der aufgestaute Hass der verwehrten gesellschaftlichen Anerkennung und Gleichstellung zu indizieren, als Verachtung der von der Magd durchschauten Forderungen an sie als Frau. Also lernt die junge Leserin dieses Märchens, dass jede noch so kleine Regung von Verachtung für die ihr zugewiesene Rolle in späteren Leben hart bestraft werden wird. Umgekehrt aufgelöst bedeutet die Konditionierung von gesellschaftlichem Streben der Frau mit den Forderungen der Gesellschaft an sie, dass jedes Aufstreben ihr als Anmaßung und Täuschung über ihren „wahren“ gesellschaftlichen Stand vorgehalten werden wird. Damit nicht genug, wird die Geschichte so konzipiert, dass die Magd, sich ihrer Täuschung noch sicher wähnend, vom Königssohn gezwungen wird, ihr eigenes Urteil zu sprechen. Auch dies ist eines der urältesten Methoden der sogenannten „Schwarzen Pädagogik“, mit dem zumal Kinder erpresst werden: es handelt sich hierbei strukturell um dasselbe methodische Vorgehen wie das von Eltern gegen ihre

Kinder, die ihre Kinder so lange durch Strafandrohung einschüchtern, bis sie bereit sind, die Forderungen der Eltern nachzusprechen und sie so selbst an sich zu richten. So kann die Verinnerlichung der elterlichen Werte am nachdrücklichsten erzwungen werden. In „Frau Holle“ etwa wird unverhohlener als es kaum je vorstellbar wäre die Zuweisung der Rolle als sorgsame und zuverlässige Haus- und Ehefrau mit der scheinhaft identischen, aber in Wahrheit bezugsfremden prinzipiellen Forderung nach Fleiß verbunden und der allgemeine gesellschaftliche Erfolg, der sich nur durch eigene Leistung rechtfertigen lasse, absichtsvoll mit dem speziellen gesellschaftlichen Erfolg der Frau gleichgesetzt: aus der allgemeinen Forderung nach gesellschaftlichem Engagement wird die spezielle Forderung nach dem Engagement der Frau abgeleitet. Wäre es den Gebrüdern Grimm, hinter deren Ideologie ja nur die Gesellschaft als Ganze stand, allein darauf angekommen, die Forderung nach dem allgemeinen Engagement zu formulieren, hätten sie die Geschichte ebensogut über einen Jungen erzählen können. Stattdessen werden, ähnlich wie zuvor auch schon für Konzeption der Reklame beschrieben, die gesellschaftlichen Forderungen an die Frau noch dadurch zusätzlich autorisiert und damit abgesichert, dass die beiden Schwestern nacheinander eben von Frau Holle, also einer Frau an ihre gesellschftlichen „Pflichten“ herangeführt werden: fast ist man geneigt der zweiten der beiden Schwestern, die sich den „Pflichten“ systematisch verweigert, als die größere Reife zuzusprechen. Aber durch die Verschiebung der gesellschaftlichen Forderungen an die Frau hinter die

vorgebliche Erziehung zu Fleiß und Engagement, wird sie solange bestraft, bis sie schließlich ihre „Pflichten“ doch annimmt: dann darf auch sie ein goldenes Kleid tragen. Damit bildet das Märchen exakt die gesellschaftliche Rolle der Frau ab: wenn sie stets brav ihre „Pflichten“ übernimmt, darf sie dafür auch die feinen Kleider tragen: beides nützt dem Patriachat. Dabei ist der Dank an die Frau, das Zugestehen der feinen Kleider, nur die Fortsetzung ihrer Verpflichtung an die Gesellschaft mit den Produkten der Industrie: zum Dank dafür, dass sie den ganzen Tag über bereits der Gesellschaft gedient hat, darf sie ihr abends nochmal dienen: als Fetisch, als Trägerin der feinen Kleider. So paradox ist das Patriarchat, dass sich die Frauen als Dank für ihre Verpflichtung nochmals verpflichten müssen. Wer die Macht über den anderen nicht verlieren will, muss den Dank stets so formulieren, dass der Dank den anderen weiterverpflichtet; das „Zugeständnis“ (die feinen Kleider) muss stets so formuliert sein, dass sich das Patriarchat auch weiterhin nur die eigenen Interessen (eigenen Projektionen auf die Frauen) zugesteht . Wahrhafter Dank würde die Frauen aus ihrer Verpflichtung entlassen. Das aber darf gesellschaftlich nicht riskiert werden. Noch gebieterischer gibt sich die Stimme der Gesellschaft im Märchen vom „Froschkönig“. Als der Frosch der Königsjüngsten anbietet, die Kugel wieder aus dem Teich zu holen, muss sie das Versprechen abgeben, ihn hinterher zu heiraten. Als sie die Kugel wieder in ihren Händen hält und sich weigert, den Frosch zu sich zu holen, wird sie vom König an ihr

Versprechen erinnert und als undankbar hingestellt. Damit wird jenes Verhaltensmuster für eine heranwachsende Frau in der Erzählung vorgebildet, mit dem sie auch im wahren Leben stets partnerschaftlic h und auch sexuell verpflichtet werden wird: die scheinhaft, scheinheilig von den Märchenerzählern formulierte Forderung, jeder habe sich zu einem einmal gegebenen Versprechen zu bekennen und es einzulösen, wird hier klar mit der Verpflichtung verbunden, sich als Frau dem Mann herzugeben. Wendet man dagegen ein, die Weigerung der Königstochter beziehe sich nur auf den Ekel vor dem Frosch als Tier, so unterliegt man nur der beabsichtigten Manipulation, die eben gerade darauf beruht, die Abneigung der Frau nur als Abneigung gegen den Frosch als Tier wahrzunehmen . Unabhängig davon wäre aber, frei von jeder Ideologie und frei von jeder phantastischen Poesie, die Ablehnung der Frau als selbstbestimmende Weigerung zu beschreiben: schließlich soll sie den Frosch mit in ihr Bett nehmen. Um die Verschiebung der gesellschaftlichen Forderung an die Königstochter auf den scheinbar bloßen Widerwillen gegen die Intimität mit einem Tier aufrechtzuerhalten und dahinter die eigentliche Forderung nach ihrer Fügung zu vollstrecken, wird die Geschichte so aufgelöst, dass sich der Frosch in einen Prinzen zurückverwandelt und die Tochter ihn daraufhin doch noch bereitwillig mit in ihr Bett nimmt und sich ihm als Frau verspricht. In Wirklichkeit wird aber durch die plötzliche Rückverwandlung des Frosches zum Prinzen nur die Disziplinierung der Tochter durch ihren Vater zur scheinhaften freien

Entscheidung der Tochter für Reichtum und Ehre transzendiert, was zudem für sich genommen ein weiteres Stereotyp der kultursoziologischen Projektion auf Frauen ist. Es ändert aber nichts an der Erpressung der Frau mit ihrer Fremdbestimmung gegen ihre psychische Identität: denn die Verpflichtung, sich als Frau und in Sonderheit auch mit ihrem Körper dem zunächst verwunschenen Prinzen zu versprechen, wird zuerst formuliert: allein um aus diesem gesellschaftlich gesetzten Versprechen die Forderungen nach den Tugenden unzusammenhängend abzuleiten : der Gang der Geschichte ist danach nicht mehr aus jener Forderung zu lösen. Wäre es nur um die Forderung nach Zuverlässigkeit und Integrität gegangen, hätte es andere Möglichkeiten gegeben, wie die Prinzessin sich für die gerettete Kugel hätte dankbar erweisen können , ohne ihre eigene Person mit einbeziehen zu müssen. Und wiederum wurde für ein vorgeblich allgemein moralisches Anliegen eine Frau, nicht etwa ein Mann , als Heldin gewählt. Die gesellschaftlichen Forderungen werden aber nicht allein durch die bloße Erinnerung an die Märchen akzeptiert, an die man sich erinnert wie an die Kindheit, in der man sie gehört hat und in deren Geborgenheit die Frau als kleines Mädchen einschlief – eingeschlafen in den erweckten Träumen von der Herrlichkeit der Prinzessin -, sondern auch über die Sprache der Märchen, die nicht allein als bloßer Wortschatz in den Spracherwerb integriert wird, sondern unmittelbar in die eigene Identität integriert wird. Damit gehen auch die soziokulturellen Wertungen in die Prägung der eigenen psychosozialen

und speziell auch psychosexuellen Persönlichkeit ein. Eine Witwe hatte zwei Töchter, davon war die eine schön und fleißig, die andere häßlich und faul, heißt es etwa in Frau Holle. Durch die jeweilige Koppelung von Charaktereigenschaften fleißig und faul mit Attributen wie schön und hässlich, durch die wiederum nur Täuschung über die wahren Absichten die gesellschaftliche Forderung nach Fleiß entworfen wird, werden in Wahrheit sowohl der geforderte als auch der geächtete Charakterzug auch ästhetisch genormt: damit bleiben die Charaktereigenschaften unwiderruflich mit dem Erscheinungsbild der Frau verbunden , wobei das Erscheinungsbild, fixiert in den Begriffen schön und hässlich auch seinerseits bereits genormt ist. Damit tritt zu der Normierung der rein visuellen, äußeren Erscheinung einer Frau ihre charakterliche, innerliche Normierung, die Normierung ihres Wesens, ihrer Identität. So normieren sich die Normierungen gegenseitig. Es kommt zur Doppelnormierung. Die reine Erscheinung wird stets zum Ausdruck des Charakters stilisiert, während man umgekehrt einem Menschen seinen Charakter recht eigentlich kaum zuzusprechen bereit ist, sofern er nicht auch seine Erscheinung der Norm beugt. Nicht dass der auch nur durchschnittlich aufgeklärte und vom Leben weise Mensch nicht sehr wohl erfahren hat, dass von der Erscheinung keinesfalls unbedingt auf den Charakter zu schließen ist, dass hinter dem Gesicht das sprichwörtliche wahre Gesicht erst noch zu ergründen sei. Aber der heranwachsenden Frau wird für ihre spätere gesellschaftliche Akzeptanz nicht nur signalisiert, dass ihre fachliche Qualifikation allein

niemals reicht, sondern stets durch ihre Fetischisierung ergänzt und aufgewertet werden muss (Begriffspaar fleißig-schön) ; umgekehrt bereitet die Konditionierung von Fleiß und Faulheit mit den Attributen schön und hässlich auch die selektive Vertrauensbildung vor, wonach der schönen Frau im Leben, wenngleich dem Bewusstsein nach geflissentlich geleugnet, stets mehr zugetraut wird als der hässlichen. Denn die Prägung durch die Bebilderung der Märchen verbunden mit der unbilligen Koppelung von ästhetischen und sozialen Attributen wirkt stets fort. Mag immer der Einzelne für sich in Anspruch nehmen, sich von dieser Sozialisierung befreit zu haben, so bestimmen die Bilder und Träume, die die Bilder in freier Phantasie ausgemalt haben, aus Kindheitstagen seine Wahrnehmung weitaus mehr er als sich im allgemeinen selbst eingesteht. In der lebenslangen Partnerschaftssuche schreitet er stets wei ter durch seine Kindheitsträume. Wenn er dann einer Frau begegnet, träumt er im Reiz ihrer Erscheinung die Märchen weiter: aber so wie die Frau in seine Träume beim ersten Rendezvous eintritt, tritt sie bereits als die Erscheinung ein, die sie ihrerseits den Bildern der Märchen nachgebildet hat. So treten die Märchen in die Märchen ein, so treten die Bilder der Männer von den Frauen und die Selbstbilder der Frauen zu dem Bild zusammen, aus dem sie beide abgeschaut wurden. Die Geschichte kehrt zu sich selbst zurück. Aber die faktische Erpressung der Frauen durch ihre Sozialisierung (und die parallel auf diese Sozialisierung hin berechnete Sozialisierung der Männer) führt auch zum Zwang, jene durch die Bilder bewirkte Normierung

ihrer Erscheinung zum eigenen Vorteil nutzen zu müssen, und zwar zum uneigentlich eigenen, von der Gesellschaft durch eben jene Normierung erzwungenen Vorteil, weil den Frauen der wahre Vorteil, ihre Würdigung allein aufgrund ihres Wesens verwehrt bleibt. Wenn Frauen daher vorgehalten bekommen, sie kalkulierten mit genau jener falschen Zuschreibung ihres Wesens durch ihre Erscheinung, so beklagt das Patriarchat nur die Unlauterkeit der Zwänge, die es selbst geschaffen hat: der unlautere Wettbewerb ist exakt als der Wettbewerb zu benennen, den das Patriarchat braucht, um sich auch weiterhin ihre Projektion der Frauen aufrechterhalten zu können, um sich auch weiterhin ihre Auswahl optimieren zu können, um Frauen überhaupt nur noch auswählen zu können, nicht aber sich verantwortlich für eine Frau entscheiden zu müssen, kaum gar noch sich zu ihr bekennen zu müssen: die Auswahl, standardisiert nach denselben Kriterien, die die Auswahl geschaffen haben und ihr zugleich nachgebildet wurden, standardisiert auch die Entscheidung, die danach keine mehr ist. Wer auswählt, etwa als Personalchef aus mehreren Bewerberinnen, braucht seine Wahl aus der Wahl heraus nicht länger zu rechtfertigen. Der Wettbewerb zwingt die Frauen solange zum Wettbewerb, bis der Wettbewerb am Ende seinem eigenen Zwang erliegt. Unterm endlos-ewigen Zwang zum Wettbewerb hört der Wettbewerb auf. Wenn man den Frauen vorhält, sie würden ihre Erscheinung unlauter einsetzen, spricht daraus tiefenpsychologisch nur, dass sich in diesem Augenblick das Patriarchat der letzten wehrhaften Regung weiblicher Macht in der Gesellschaft bewusst

wird. Denn wenn Frauen nirgends sonst mehr wahrhafte Macht zugestanden wird, außer der zugewiesenen und damit gezähmten Macht, dann haben Frauen am Ende ihre letzte Macht darin, ihre Macht in ihrer Erscheinung zu erzwingen, wenn auch nach denselben falschen Kriterien der falschen Erscheinung. Das hält man den Frauen als Arglist und Vorteilsbedachtheit vor. Aber jene „Arglist“ ist nur die mit dem Glanz ihrer Haare und Seide auf das Patriarchat zurückgeworfene Arglist des Patriarc hats. Der falsche Vorteil ist der letzte Vorteil, der den Frauen noch bleibt, nachdem die Gesellschaft sie systematisch übervorteilt hat, nachdem die Gesellschaft ihnen systematisch jede Möglichkeit ausräumt, sich reale Vorteile aus realer Leistung zu sichern. Am Ende erliegt das Patriarchat in diesen Vorwürfen seiner eigenen Verblendung, aber jene Verblendung, nämlich die Unfähigkeit, die falschen Mittel der Frauen als die selbst geschaffenen Zwänge zu begreifen, projizieren sie als Schuld auf die Frauen, denen sie Eitelkeit und Berechnung vorwerfen. Jener Vorwurf wäre gegen das Patriarchat selbst zu richten. So paradox ist die Situation der Frau, dass sie sich bei völliger Befreiung aus ihren Zwängen endgültig ihrer letzten Macht selbst berauben würde. Das Streben der Frauen nach gesellschaftlicher Macht ist nach dem gegenwärtigen gesellschaftlichen Stand nur nach jenen Zwängen möglich, die die Frauen zugleich herausfordern und behindern. Die Zwänge aufzulösen, hieße das Patriarchat aufzulösen, und das müssten die Frauen erzwingen.

In gleicher Weise wie stereotypen Charaktere erfährt das kleine Mädchen beim Vorlesen der Märchen, dass „alte Frauen“ in der Gesellschaft nicht mehr geachtet und als Bruch des industriellen Schönheitsideals gefürchtet werden. Endlich kam das Mädchen zu einem kleinen Haus, daraus guckte eine alte Frau, weil sie aber so große Zähne hatte, bekam es große Angst, und es wollte fortlaufen. Das aber berührt die Sprache an sich, die in ihrem gesamten Wortschatz stets die Tradition verbürgt, die sie hervorbrachte. Wo aber Sprache aus der Tradition gelöst würde, wäre sie nicht mehr erfahrbar, weil sie den gesellschaftlichen Veränderungen vorausgehen würde, die erst noch zu schaffen wären. Aber eben dazu braucht es die Sprache, nämlich zu ihrer Vermittlung. Ohne wahrhafte Veränderung ist kein Wort zu denken, dass diese Veränderung benennt, als reale Erfahrung abbildet. Alle Versuche, mit der Sprache der Veränderung vorauszueilen, sie gleichsam sprachlich vorwegzunehmen, als ob die Gesellschaft im Anschluss nur noch die verbale Antizipation realisieren müsse, enden in eben jener verblendet-selbstzufriedenen Haltung wie sie sich in jenem als Motto dem Aufsatz vorangestellten Wahlspruch „Selbst ist die Frau!“ oder dem Wortspiel von der „Eman(n)zipation“ offenbart, die den Frauen ihre Befreiung suggerieren, die in Wahrheit nur die kalkulierte und ihnen exakt zugewiesene Freiheit ihrer totalen „Disziplinierung“ ist. Das analoge Wortspiel von der Man(n)ipulation etwa bezeugt dieselbe nicht geleistete Umsetzungskompetenz. Mit Wahlsprüchen und Wortspielen bedient sich eher das manipulierte

Bewusstsein der Sprache als dass sich wahrhaft freie Frauen der Sprache für ihre Bestrebungen bedienen würden. Nicht länger ist die Frau sie selbst, sondern sie ist nur noch die Industrie selbst. Recht eigentlich müsste es heißen „Selbst ist die Industrie!“. Der Erziehung durch die Sprache entspricht die Erziehung durch die Bebilderungen, die die Sprache stets begleiten und die in der Wortwahl vorformulierten Stereotypen noch visuell verstärken und damit noch weiter stereotypisieren. Bliebe zunächst allein durch die Sprache für das Kind die Frage offen, was als schön und was als hässlich zu gelten hat, so wird die Objektivität solcher Attribute durch die Bilder hergestellt: sie verschaffen dem heranwachsenden Kind die verbindliche Anschauung. Mehr noch als die Sprache oder die Erzählung selbst selektieren die Bilder, indem sie die Selektion der Sprache abbilden, im unmittelbarsten Sinn des Wortes. So wird in der heranwachsenden Frau bereist die Angst vor dem Alter geschürt und ihr ihre Scham vor dem Alter anerzogen und so schon als kleines Mädchen in den späteren Konsumzwang gedrängt. In den Märchen und aller in deren Geisteshaltung geschaffener Literatur für Kinder liegt darum auch die den Frauen so gerne vorgehaltene Eitelkeit, die nicht etwa, wie es die Volkspsychologie so gerne bewahren möchte, als weibliche Eigenart zu gelten hat, sondern allein durch ihre Erziehung verinnerlicht wird, weil diese Eitelkeit später der Industrie nützt. Was der Volksmund gerne als weibliche Eitelkeit beanstandet, ist in Wahrheit nur die in den Frauen von klein auf geschürte Angst, die Bewunderung der „Prinzessin“ zu

verlieren, da sie schon durch die in dunklen Winternächten beim Einschlafen verinnerlichten Märchen erfahren mussten, dass ihnen anders kaum je Bewunderung zuteil werden wird. Wendet man dagegen ein, dass die literarische Erziehung (im entwicklungspsychologischen, nicht im engeren pädagogischen Sinne) ja nicht allein durch Märchen stattfinde, so muss dem entgegnet werden, dass jeder andere Entwurf von Frauen auch in der Kinderliteratur immer nur als Gegenentwurf gesc haffen wurde, gefangen in denselben Vorstellungen, die zuvor auch schon den ersteren Entwurf hervorbrachten: der Gegenentwurf wird zum Entwurf gegen den Entwurf, eben zum bloßen Gegen-Entwurf, der nur scheinbar der Anti-Heldin huldigt und sie gesellschaftlich akzeptieren will, in Wahrheit aber durch die Charakterisierung und Konditionierung der Anti-Heldin den Gegenenwurf faktisch als Warnung formuliert, wie auch schon die bösen Mägde und niederträchtigen Geschwister in den Märchen, nur eben als Heldin etikettiert: aber als Heldin jenseits der akzeptierten Vorstellungen. Die „Rote Zora“ etwa wird trügerisch als Frau von Mut und unbeugsamen Willen vorgeführt, die sich gegen jede gesellschaftliche Forderung an sie stelle. Dem folgt die Bestrafung durch die Gesellschaft, personifiziert durch die beiden Dorfpolizisten, auf den Fuß, beinahe im wörtlichen Sinne, denn die Polizisten sind ihr in ratslosem Eifer auf den Fersen. Die gesellschaftspsychologische Konstruktion besteht nachgerade darin, dass die heranwachsende Frau als Leserin den Kampf um Unabhängigkeit und Selbstbestimmung, die Befreiung von den Zwängen nur

als ungebrochene Folge von Strafhandlungen vorgeführt bekommt. Das soll Frauen zur Resignation zwingen. Die Zora ist so konzipiert, dass sich ihr Bestreben ausschließlich in kriminellen Initiativen entäußert: mit der absichtsvoll formulierten falschen Initiative wird der Zora aber faktisch jede Initiative abgesprochen. Das tiefere gesellschaftliche Anliegen einer solchen Charakterisierung ist es, Frauen als einfallslos hinzustellen und ihnen damit faktisch jeden Intellekt abzusprechen. Damit einhergehend wird die Zora durchweg in zerrissenen Fetzen versinnbildlicht, was einmal mehr die gesellschaftliche Forderung nach dem Kleiderzwang (der Fetischisierung der Frau) durch ihr Gegenbild im Auge in der jungen Leserin (und auch im Augen der Betrachterin bei der späteren Verfilmung) festsetzt und für ihr ganzes Leben festhält. Nicht zufällig wird zudem für die Heldin ein Alter gewählt, dass allenfalls die sexuelle Reife berührt, während die Jungen ihrer Bande allesamt jünger sind und damit ein Alter repräsentieren, indem sie, zumindest nach geläufiger Vorstellung, mit der der Roman kalkuliert, noch keine sexuellen Aktivitäten zeigen. Damit wird unterm Vorwand des absichtlich zu jung gewählten Alters – man wolle schließlich eine Kindergeschichte schreiben – der Zora faktisch jede sexuelle Identität vorenthalten. Daran ändert auch das zart angedeutete, jungenhaft beschämte Interesse des Bandenneulings Branco an Zora nichts: es bleibt angedeutet; und zwar nicht nur, um die „alterstypische“ Verhaltensweise „lebenswirklich“ nachzubilden, sondern eben auch, um durch das im Hinblick auf eine mögliche sexuelle Entfaltung der Geschichte absichtlich zu früh gewählte

Alter die Zora erst gar nicht als sexuelles Wesen vor der jungen Leserin entstehen zu lassen. Wendet man dagegen ein, dass das Buch ja eben ein Kinderbuch sei und sich an Frauen wie Männer vor ihrer sexuellen Entdeckung richte, so darf das bereits als Indiz der erfolgten Internalisierung der gesellschaftlichen Forderungen eingestuft werden. Gerade wegen der Einstufung als Kinderbuch ist die asexuelle Konzeption der Zora als Negativ der später an die Frauen herantretenden „positiven“ Forderungen zu entlarven. Gerade wegen der altersmäßigen Abgrenzung des Buches wird auch die Identifikation mit dem Buch m it abgegrenzt: gerade weil das Buch weithin als Geschichte einer Lausbubenbande, angeführt von einer Landstreicherin, entworfen ist, reicht seine identifikatorische Kraft auch im wirklichen Leben nicht über das erzählte Alter hinaus. Sobald die junge Frau im wirklichen Leben in ihre Pubertät eintritt, wird sie von ihrer totalen Fetischisierung erfasst. Einzig darum wird die sexuelle Reife der Zora aus dem Roman herausgehalten, damit die Sexualität in dem Moment, wo sie im realen Leben bei den Frauen einsetzt, noch nicht mit den Jugenderzählungen besetzt ist und darum für ihre Instrumentalisierung durch die Kulturindustrie noch frei ist. Und eben darum reißt die Identifizierung einer jungen Frau mit Heldinnen wie der Roten Zora beim Eintritt in ihre Pubertät jäh ab. Was bleibt, ist die sei’s wehmütige, sei’s sich über sich selbst erhebende Rückschau auf ihre Heldin, getragen von dem Stolz, endlich eine „Frau“ zu sein: der falsche Stolz der falschen Gesellschaft, die den in die Pubertät eintretenden Frauen die Abwendung von ihrer alten

Heldin als Reife einredet, die Disziplinierung zur Selbstdisziplinierung: „Du musst jetzt erwachsen werden!“ Die neuen Heldinnen werden fortan unausweichlich und für den Rest des Lebens die Personifizierungen der gesellschaftlichen Forderungen an die Frauen seien: als „Mädchen“ träumte man noch von Zora in ihren zerrissenen Kleidern, als „Frau“ jubelt man „Lena“ für ihre blaue Unterwäsche zu. Wendet man weiterhin ein, der Autor übersehe, dass auch die Kinderund Jugendliteratur sich weiterentwickelt habe und längst auch schon die gesellschaftlichen Bestrebungen der Frauen in ihre Erzählungen integriert habe, so wäre dem entgegenzuhalten, dass die Literatur, auch ganz allgemein die Literatur für Erwachsene, je exakter sie den gesellschaftlichen Zustand abbildet, eben nur den ungelösten Zustand abbildet: entweder erzählt sie den realen Zustand der emanzipatorischen Bestrebungen bloß nach: dann endet die Erzählung genau da, wo die Gesellschaft auch endet. Oder aber sie versucht, die Wege vorzuformulieren und die Emanzipation in der Fiktion zu verwirklichen und zu vollenden: dann aber bildet die Erzählung nicht mehr die Gesellschaft ab und würde erst recht als der Gesellschaft wesensfremd von der patriarchalischen Mehrheitsgesellschaft mit einem Handstreich vom Tisch gewischt und aus dem Bewusstsein zumal der Frauen verbannt werden. Solcherart gerät Aufklärung zum Massenbetrug. So paradox war Aufklärung von je her, dass sie sich selbst verbannte: wer vorausgeht, gehört nicht mehr dazu und damit geht er nicht mehr voraus. Am Ende verharrt die Emanzipation in der Literatur genau so als

Druckschwärze in den Poren der Zellulose wie der zur bloßen Attitüde verkommene Begriff der Emanzipation selbst. Die Vision schafft nicht die Wirklichkeit, sondern täuscht bloß darüber hinweg, dass die Wirklichkeit mächtiger ist. Das aber wirft die Frage nach der Möglichkeit von Protest der Frauen gegen ihre Instrumentalisierung und Manipulierung, ihre Fetischisierung zumal, überhaupt auf. Von je her war die Konstruktion immer schon mächtiger als ihre Dekonstruktion. Nur jenseits der Konstruktion ließe sich die Befreiung der Frauen wahrhaft denken. Wo aber die Konstruktion total ist, wo die Gesellschaft als Ganzes als Konstruktion durchschaut werden muss, wo die Gesellschaft sich selbst als Gesellschaft konstruiert hat, nach ihren eigenen Forderungen, gibt es keinen jenseitigen, noch nicht durchkonstruierten Raum. Aber auch wo je ein von der Konstruktion noch unberührter Raum zu vermuten wäre, würde auch dieser Raum wieder konstruiert werden, wenn auch als Gegenkonstruktion zur vorherigen Konstruktion. Freiheit wird immer nur dort erfahrbar, wo sie von der totalen Konstruktion bedroht wird. Wo aber vollkommene Befreiung je stattgefunden hätte, würde diese Freiheit in gleicher Weise total wirken und würde in der Anarchie enden. Freiheit gibt es immer nur um den Preis, auch die Freiheit wieder zu konstruieren. Deren Konstruktion aber brächte noch größere Zwänge hervor als die vorhergehende, eben weil unterm Zwang, alles zu vermeiden, was die alte Konstruktion wiederherstellen würde, erst recht alles zwanghaft konstruiert werden müsste, und damit würde es unfrei. Der Konstruktion

der Freiheit bliebe weniger Freiheit als es der unfreien alten Konstruktion je eignete. Es gibt nichts Unfre ieres als die totale Konstruktion der Freiheit. Am Ende müsste die neue Freiheit gegen die der Erneuerung widerstrebenden Kräfte mit mehr Herrschaft verteidigt werden, als es die gegenwärtige unfreie Gesellschaft bislang kannte. Am Ende müsste über die neu e Freiheit so streng gewacht werden, dass sie mehr als die gegenwärtige Gesellschaft in der totalen Erfassung enden würde. Die neue Freiheit würde über die Frauen mehr bestimmen, als sie es je kannten. Die alten gesellschaftlichen Standards würden nur durc h neue ersetzt werden, nämlich die Standards der Freiheit: bestimmt und durchkonstruiert bis in ihren innersten Bereich. Jede Ideologie endet in ihrer Ideologisierung, auch die Gegenideologie. Die Rekonstruktion der Gesellschaft durch die Frauen gegen ihre Fremdbestimmung wäre zudem bestimmt von eben jener Fremdbestimmung. Die Frauen müssten sozusagen vor der Rekonstruktion der Gesellschaft nach wahrhaft eigenen Gesetzen als Frauen zunächst für einen Augenblick aus der Gesellschaft heraustreten können, gleichsam in einen konstruktionsfreien Raum, um auch ihr Denken und Fühlen zu dekonstruieren. Vorauszusetzen wäre demnach die totale Freiheit, aber sobald sie diese schaffen wollten, müssten sie sie wiederum konstruieren, und zwar entweder nach jenen Bestimmungen, denen sie eigentlich entraten wollten, oder jenen Bestimmungen, die sie in der neuen Freiheit überhaupt erst bestimmen müssten. Letzteres aber führt zur Voraussetzung der Konsequenz: das Ziel wäre

vorwegzunehmen, um darin das Ziel erreichen zu können. Aber selbst da, wo im Film nicht anders als im realen partnerschaftlichen Umgang Rollen partiell vertauscht werden, bringt die Reorganisation der Rollen doch stets nur wieder dieselben Rollen hervor, nur eben vertauscht. Aber auch als vertauschte behielten sie doch stets ihre gesellschaftliche Zuschreibung: erst wo keinem der beiden Geschlechter mehr eine Rolle zugeschrieben würde, würde ihr Geschlecht wahrhaft keine Rolle mehr spielen. Ansonsten bliebe es beim bloßen Tausch von Symbolen, hinter denen stets streng darüber gewacht wird, dass die Symbole sich nicht zu realen Zuständen konkretisierten. Wendet man weiter ein, der Autor wolle den Frauen ihre Identität nehmen, so gibt er das sogar offen und mit äußerstem Nachdruck zu, jedenfalls solange die betreffenden Frauen noch immer ihre von der Kulturindustrie und der Gesellschaft insgesamt ausgetauchte Identität als ihre wahre empfinden. Dabei wird er vorab mit dem Protest derjenigen Frauen zu rechnen haben, die ihre einmal unter den falschen Bedingungen erworbene Akzeptanz sei’s aus dunkler Ahnung, sei‘s aus heimlicher Gewissheit durch wahrhaft selbstbestimmte und von jeder ökonomisch und machtpolitisch zuerkannten Akzeptanz befreite Frauen gefährdet sähen. Was sie gegen die Thesen des Autors verteidigen wollen, ist nicht ihre reale Emanzipation, sondern nur die scheinhafte Verwirklichung von Emanzipation, nachdem ihre Bestrebungen von der Gesellschaft aus ihrem Blickfeld weg und hinter die Bestrebungen der Gesellschaft verschoben wurden. Je

mehr die Interessen der Frauen in die Öffentlichkeit gezerrt werden, werden ihre Interessen in Wahrheit aus der Gesellschaft verbannt. Jene Öffentlichkeit ist nur die Öffentlichkeit der Objektive und bedruckten Zellulose. Wahrhafte Öffentlichkeit wäre nur mitten im Leben. Das aber ist seinerseits für die Frauen gegen die Frauen inszeniert. Wo Frauen wahrhaft ihrer Instrumentalisierung entkommen wollten, müssten sie der Gesellschaft entkommen. Dann aber würden sie endgültig nicht mehr dazugehören. So paradox ist ihre Situation, dass ihre Emanzipation sich selbst ausschließt. Zu ergänzen wäre, dass, wie mehrfach bereits angemerkt, Männer in gleichweiser wie die Frauen in ihrer ganzen erworbenen Identität Projektionen der Gesellschaft und der Industrie sind; jedoch mit dem genuinen Unterschied, dass es ihre eigenen Projektionen sind, denen die Männer am Ende als Opfer der von ihnen selbst geschaffenen Gesellschaft erliegen. Am Ende unterliegen sie denselben Zwängen, nur aus der jeweils entgegengesetzten Perspektive, gleichermaßen als Objekte der Industrie und Medien, die weithin in ihren Händen liegt, auch da, wo sie von Frauen geführt werden: aber eben von geführten Frauen geführt. So schaffen sich die Männer ihre eigene Hölle: für sich selbst und für die Frauen. Dabei geht es dem Autor mitnichten darum, die Männer zu diskriminieren: die Diskriminierung der Frau ist nicht durch die Diskriminierung des Mannes aufzuheben. Vielmehr möchte der Autor die Frauen nicht für sie selbst, sondern auch für die Männer von ihrer falschen Befreiung befreien, nachdem er

wiederholt die Erfahrung machen musste, dass Frauen, denen er gestand, sie lieber ungeschminkt, nicht parfumiert und einfach jenseits aller Konventionen spontan und wahrhaft individuell gekleidet zu sehen, kaum die Kraft fanden, ihm zu glauben. In letzter Konsequenz bezichtigen sie eher das ehrliche Interesse an ihnen als Verführung, anstatt sich gewahr zu werden, dass sie von der Industrie in ihrer ganzen Selbstwahrnehmung und Selbsterfahrung tagtäglich verführt werden. Mit den Gedanken, die der Autor in diesem Aufsatz ausgeführt hat, arbeitete er auch seine eigenen Erfahrungen auf. Auch er wurde als Mann zum Mann erzogen und musste sich die Lösung von dem tradierten Gesellschaftsbild schmerzhaft erarbeiten. In gewissem Sinne versucht er damit auch, seine eigene Schuld abzutragen, insofern auch er zunächst die aus seiner familiären wie gesamtgesellschaftlichen Erziehung heraus erworbenen Erwartungen und Forderungen an die Frauen herantrug, mit denen je er Umgang hatte. Die Rolle der Mannes als Projektionsobjekt und Konsumsubjekt der Gegeninszenierung zur Inszenierung der Frau durch die Industrie wäre in einem gesonderten Aufsatz zu betrachten. Ebenfalls müsste sich ein weiterer Aufsatz der Frage annehmen, wie im einzelnen die Manipulierung und Fetischisierung in den allgemeinen sowie speziell partnerschaftlichen Umgang hineinwirkt bis in die Einzelerscheinungen von verbaler und auch nonverbaler Kommunikation, die durch die totale Internalisierung der gesellschaftlichen Forderungen selbst als Kommunikation, als Gesamterscheinung,

bereits als internalisiert und damit auch diszipliniert gelten darf: die Kommunikation selbst kann als erfasst und fetischisiert, auch standardisiert gelten: sie verlängert nur die Fetischisierung von den zunächst konkreten Objekten in die Sprache hinein, auf den je zwischenmenschlichen Umgang: die von der Gesellschaft standardisiert-erworbene und fetischisiertverinnerlichte Kommunikation wird selbst zur gesellschaftlichen Forderung, zum einzig noch zugelassenen Ausdruck menschlicher Regungen, nämlich der mit der Kommunikation erworbenen Regungen. Es wäre zu zeigen, dass das Denken und Empfinden der Menschen neben der unmittelbaren konkreten Beeinflussung weithin durch den Spracherwerb geschieht: was das Kind als Sprache übernimmt, versucht es als psychisches Wesen durch die lexikalische Aneignung sich auch emotional und sozial anzueignen, also als eigenes Empfinden zu erwerben, dass sich dann als erworbenes Empfinden in der zuvor erworbenen Kommunikation adäquat ausdrücken kann, und zwar nur in ihr: nur in den erworbenen Rahmen fügt sich auch das erworbene Bild. Jeder Erwerb wird als Besitz verinnerlicht und akzeptiert. Der Autor wollte lediglich die Ergebnisse langjähriger Reflexionen sowie eigener Erfahrungen aufschreiben und der etablierten öffentlichen Meinung entgegenhalten. Kaum kann er für sich beanspruchen, die Thematik wissenschaftlich abschließend behandelt zu haben. Aber er spricht der Wissenschaft jene abschließende Betrachtung in gleicher Weise ab, solange er befürchten muss, dass auch die Wissenschaft

aus der Gesellschaft heraus jedenfalls überwiegend als diszipliniert zu gelten hat. Wo die Gesellschaft als Ganzes und die Frauen im besonderen diszipliniert werden, ist zu befürchten, dass auch die Analysen, die diese Gesellschaft abbilden sollen, im selben Maße diszipliniert sind, so dass selbst die kritische Wissenschaft kritisch nur nach ihrem eigenen Maß ist, und damit ist sie es nicht. Solange aber die Industrie und das mediale Aufgreifen der totalen Vermarktung der Frauen in ihrer Macht nicht gebrochen werden, wird Frauen auch weiterhin die falsche, bloß ökonomische Akzeptanz zuteil werden, das trügerische Gefühl von Angenommensein und Achtung ihrer Würde, die buchstäbliche Wär me der schützenden Stoffe, in deren Fäden und Maschen die Frauen ihre gesellschaftliche Akzeptanz auf der Haut tragen: so bemächtigt sich die Industrie ihres Körpers, ohne ihn unmittelbar zu berühren. Sie wären dazu aufzurufen und zu ermutigen, sich eine Akzeptanz zu schaffen jenseits der Situation, die gegenwärtig einzig ihnen ihre Akzeptanz sichert. Nur jenseits jeder Akzeptanz könnten sich Frauen, wenn jemals, wahrhafte Akzeptanz schaffen.