Seit Jahren gibt es eine kontroverse Debatte

Beermann: Deutsche Energiepolitik in der Diskussion – Die zukünftige Rolle der regenerativen Energien im Energiemix ENERGIEPOLITIK Deutsche Energiep...
Author: Rudolf Wagner
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Beermann: Deutsche Energiepolitik in der Diskussion – Die zukünftige Rolle der regenerativen Energien im Energiemix

ENERGIEPOLITIK

Deutsche Energiepolitik in der Diskussion – Die zukünftige Rolle der regenerativen Energien im Energiemix Dr. Wilhelm Beermann, Ehrenpräsident des Gesamtverbands des deutschen Steinkohlenbergbaus (GVSt), Essen

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eit Jahren gibt es eine kontroverse Debatte und einen Richtungsstreit über die deutsche Energiepolitik und seit 25 Jahren gibt es kein nationales Energieprogramm mehr. Die CDU-geführte Regierung unter Bundeskanzler Kohl hatte im Jahr 1991 immerhin noch gemeinsame „Leitlinien der Energiepolitik im vereinten Deutschland” formuliert, doch bald darauf ist der nationale Energiekonsens zerbrochen, insbesondere betrifft das die Frage der weiteren Nutzung der Kernenergie. Gleichzeitig ist die europäische Ebene für die deutsche Energiepolitik immer wichtiger geworden, auch wenn die EU formal nur sehr begrenzte Energiezuständigkeiten hatte und mangels europäischen Verfassungsvertrags noch immer kaum hat. Aber über die Binnenmarkt- und Umweltvorschriften der EU sind die Liberalisierung der leitungsgebundenen Energieversorgung eingeleitet, vor einem Jahr europaweit der CO2-Emissionsrechtehandel eingeführt und unlängst die Vorschriften zur Energiebesteuerung auch in Deutschland geändert worden. Europa übt also einen starken Einfluss aus, die grundsätzlichen Entscheidungen über den Energiemix liegen aber nach wie vor in nationaler Kompetenz. Die rot-grüne Bundesregierung von 1998 bis 2005 hat sehr viele Einzelmaßnahmen gerade im Bereich der Energiepolitik beschlossen – vom Atomausstieg bis zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) –, aber kein schlüssiges und einvernehmliches Gesamtkonzept entworfen. Im Jahr 2001 gab es nach vorherigen Bemühungen um einen partei- und gruppenübergreifenden Energiedialog einen bis heute wegweisenden „Energiebericht” des Bundeswirtschaftsministeriums, der jedoch nicht die Zustimmung des grünen Koalitionspartners und des seinerzeitigen Umweltministers Trittin fand. Auch danach haben weder eine Enquêtekommission des Bundestags zur Energiepolitik noch die Bemühungen in der zweiten Amtszeit von Rot-Grün ein energiepolitisches Gesamtkonzept erreichen können.

Deutsche Energiepolitik heute Die jetzige große Koalition unter Bundeskanzlerin Merkel hat sich in der Koalitionsvereinbarung darauf verständigt, ein energiepolitisches Gesamtkonzept zu entwickeln, das „eine Vorsorgestrategie im Hinblick auf weltweit knapper werdende fossile Ressourcen beinhaltet”. Noch immer

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Seit Jahren wird hierzulande über die „richtige” Energiepolitik diskutiert und immer wieder ein nationales Energiekonzept eingefordert. Das letzte Energiekonzept stammt noch aus der Zeit der sozial-liberalen Koalition unter Bundeskanzler Schmidt. Seitdem ist viel passiert: Die Partei „Die Grünen” wurde gegründet und ist mittlerweile gewähltes Mitglied in den meisten Parlamenten, der Ausstieg aus der Kernenergie ist beschlossene Sache, europaweit wurde ein Handel mit Emissionsrechten eingeführt, die Effizienzsteigerung wurde als Mittel zur Reduzierung des Energiebedarfs entdeckt und erneuerbare Energien sollen die verbleibende Lücke bei der Stromerzeugung schließen. Ein belastbares neues Energiekonzept ist bei alledem bisher jedoch nicht entstanden. Der vorliegende Beitrag beschreibt den Stand der Diskussion und beleuchtet insbesondere die Rolle, die erneuerbare Energien in Deutschland zukünftig im Energiemix spielen können. Er basiert auf einem Vortrag des Autors im Rahmen einer CDU-Veranstaltung am 21. September 2006 in Bochum. keine Einigkeit gibt es zwar hinsichtlich der künftigen Kernenergienutzung – das geltende Atomgesetz mit den darin enthaltenen Ausstiegsregelungen hat daher Bestand –, doch haben die Koalitionspartner zumindest ihre Absicht erklärt, die nukleare Sicherheitsforschung fortzusetzen und noch in dieser Legislaturperiode eine Lösung für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle zu finden. Darüber hinaus beinhaltet die Koalitionsvereinbarung noch folgende weitere energiepolitische Zielvorgaben: ➭ Intensivierung und Ausweitung der Energieforschung, Innovationsoffensive „Energie für Deutschland”. ➭ Steigerung der Energieeffizienz (Ziel: Verdoppelung der Energieproduktivität bis zum Jahr 2020 gegenüber dem Jahr 1990) unter anderem durch ein Gebäudesanierungsprogramm, weitere Initiativen zur Energieeinsparung und Modernisierung des Kraftwerkparks. ➭ Bessere Abstimmung der energiepolitischen Ziele mit dem Klimaschutz. ➭ Mehr Wettbewerb bei Strom und Gas. ➭ Eine Regelung für die Zukunft des subventionierten Steinkohlenbergbaus sowie für den

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Börsengang der RAG Aktiengesellschaft, Essen. ➭ Ambitionierte Zielsetzung für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien bei gleichzeitiger Überprüfung der Einzelregelungen. Speziell für den Ausbau der erneuerbaren Energien (EE) enthält die Koalitionsvereinbarung folgende Zielvorgaben: ➭ Steigerung des Anteils der EE an der Stromerzeugung in Deutschland bis zum Jahr 2010 auf 12,5 %, das heißt ungefähr eine Verdoppelung gegenüber dem Jahr 2000 (Anteil derzeit 10 % brutto). ➭ Erhöhung des Anteils der EE am Gesamtenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 10 % ( 2005: 4,6 %), danach kontinuierlich weiter entsprechend der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, das heißt unverbindliche Zielsetzung +/–50 % im Jahr 2050. ➭ „Mittelfristig deutliche Steigerung” – ohne Quantifizierung – des Biomasseanteils sowie bessere Erschließung der Marktpotenziale der EE im Wärmebereich (ebenfalls ohne Quantifizierung). ➭ Ausbau von nachwachsenden Rohstoffen und speziell von Biokraftstoffen auf einen Anteil von 5,75 % bis zum Jahr 2010 am gesamten Kraftstoffverbrauch. ➭ Intensivierung der Exportinitiative für EE und Initiative zur Gründung einer Internationalen Agentur für erneuerbare Energien (IRENA), um die internationalen Aktivitäten zu deren Ausbau voranzubringen.

Nationaler Energiegipfel Im April 2006 gab es auf Einladung der Bundeskanzlerin den Auftakt zum „Nationalen Energiegipfel”, mit dem die Bundesregierung gemeinsam mit Wirtschaft, Gewerkschaften und Vertretern des Verbraucher- sowie Umweltschutzes ein energiepolitisches Gesamtkonzept für die nächsten 15 bis 25 Jahre auf Basis der oben genannten Zielvorgaben ausarbeiten will. Einigkeit bestand auf dem Energiegipfel darin, dass die zunehmende Abhängigkeit Deutschlands von Energieimporten, steigende Energiepreise und der globale Klimawandel die Energiepolitik vor große Herausforderungen stellen, die auf nationaler Ebene gemeinsam angegangen werden sollen und die darüber hinaus eine verstärkte europäische und internationale Zusammenarbeit erfordern. Die Aprilsitzung war sozusagen der „Startschuss”. Die Bundesregierung plant, ihr fertiges Energiekonzept in der zweiten Jahreshälfte 2007 vorzulegen. Bis dahin sollen wichtige Bausteine von den Teilnehmern des Energiegipfels und weiteren Experten erarbeitet werden. Zunächst sind drei Arbeitsgruppen eingesetzt worden, die sich mit der „Nationalen Energieversorgung”, den „Internationalen Aspekten” sowie mit „Forschung und Energieeffizienz” befassen. Deren Ergebnisse sind noch nicht veröffentlicht. Klar scheint nur, dass die politisch derzeit besonders brisanten Themen Kernenergie und Steinkohle weitgehend ausgeklammert worden sind, denn sie sollen separat behandelt und entschieden werden.

Am 9. Oktober 2006 fand der zweite nationale Energiegipfel statt, der insbesondere Fragen der Effizienzsteigerung behandelte. Das Thema, mit welchem Mix an Energieträgern die Versorgung Deutschlands zukünftig sichergestellt werden soll, steht auf der Agenda des für das Frühjahr 2007 geplanten nächsten Treffens.

Energiepolitische Lehren aus der Vergangenheit – ein kurzer Blick zurück Um langfristige energiepolitische Entscheidungen abschätzen und einordnen zu können, ist es sehr hilfreich, einen Blick zurück in die Vergangenheit zu werfen und Lehren aus früheren Erfahrungen zu ziehen. Vor 50 Jahren, das heißt in der Mitte der 1950erJahre, spielte ähnlich wie heute das Wort „Energielücke” eine zentrale Rolle. Heute ist diese Energielücke jedoch nicht die gegenwärtige Situation im Land, sondern eine Befürchtung für die Zukunft, die sich vor allem aus absehbaren globalen Veränderungen ableitet. Damals war es eine reale alltägliche Erfahrung – Kohle war rationiert, es gab noch Sperrstunden für den privaten Stromverbrauch, und die Bahn musste ihren Reisezugverkehr aus Energiemangel beschränken. Gleichzeitig ließ der sich beschleunigende Wirtschaftsaufschwung einen immer rascher wachsenden Energieverbrauch erwarten. Doch wie sah der Energiemix seinerzeit aus? Damals lag der Anteil der Kohle am Primärenergieverbrauch in Deutschland bei 85 %. Heute sind es – Steinkohle und Braunkohle zusammengenommen – 24 %. Die führende Rolle der Kohle war seinerzeit völlig unangefochten. Das Mineralöl hatte Mitte der 1950er-Jahre erst einen Anteil von 10 %. Heute ist es der Energieträger Nr. 1 mit 36 %, wobei sein Anteil gegenüber früheren Jahren bereits wieder deutlich zurückgegangen ist. Erdgas und Kernenergie spielten im damaligen Energiemix praktisch noch gar keine Rolle. Die erneuerbaren Energien hatten dagegen – in ihren traditionellen Formen Wasserkraft und Biomasse beziehungsweise Holz – ähnlich wie heute einen Anteil von rund 5 %. Seither hat sich der Energiemix in Deutschland breit aufgefächert, und die befürchtete Energielücke konnte stets geschlossen werden, wozu allerdings alle Energieträger benötigt wurden. Eine Lösung der Energieprobleme „auf ewig” hat das nicht ermöglicht, denn es gab zu viele unvorhergesehene Entwicklungen und überraschende Wendungen, die Planbarkeit der Energiepolitik ist sehr eingeschränkt. Nachfolgend hierfür einige markante Beispiele: ➭ Ende der 1950er- und Mitte der 1960er-Jahre führte das Vordringen der Importenergien zu den Absatzkrisen der heimischen Steinkohle, die seither einen fortwährenden Anpassungsprozess und eine bis heute laufende politische Auseinandersetzung um die Steinkohlepolitik bewirkt haben. ➭ Der Jom-Kippur-Krieg im Jahr 1973 und der darauf folgende Öllieferboykott der OPECGlückauf 142 (2006) Nr. 11

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Bild 1. Energiepolitische Ziele.













Staaten bescherten der Welt die erste globale Ölkrise. Der Sturz des Schah-Regimes in Persien löste im Jahr 1979 die zweite Ölkrise aus und stürzte die Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession. Die friedliche Nutzung der Kernenergie, die in Deutschland schon seit den 1970er-Jahren auf heftige Proteste gestoßen war, geriet nach dem GAU im Kernreaktor von Tschernobyl im Jahr 1986 weltweit in eine kritische Diskussion, die hierzulande bis heute anhält. Seit der Parteigründung der Grünen im Jahr 1980 gibt es in Deutschland eine organisierte und politisch relevante Umweltbewegung, die insbesondere die Diskussionen um die Energiepolitik immer wieder beeinflusst hat. Die politische Wende im vormaligen kommunistischen Ostblock und der früheren DDR um das Jahr 1990 herum hat auch unsere Energielandschaft in unvorhersehbarer Weise geographisch wie ökonomisch verändert. Die Schaffung des Europäischen Energiebinnenmarkts hat die Strom- und Gasmärkte seit Ende der 1990er-Jahre für den Wettbewerb geöffnet und enorme Strukturveränderungen bewirkt, wobei der Liberalisierungsprozess allerdings viele neue offene Fragen etwa hinsichtlich der jeweils funktionsfähigen Unternehmens- und Marktstrukturen oder der Stromund Gasversorgungssicherheit aufgeworfen hat. Durch das Kyoto-Protokoll von 1997 und dessen völkerrechtlich verbindliche Ratifizierung Anfang 2005 ist die Klimavorsorge ein unabdingbares Ziel jeder Energiepolitik geworden. Zuvor schon sind mit den Selbstverpflichtungen der deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge

Bild 2. Importabhängigkeit Deutschlands 2005.

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und mit der Einführung des europaweiten CO2Emissionsrechtehandels seit dem Jahr 2005 für die Energiewirtschaft und die betroffene Industrie neue klimapolitische Rahmenbedingungen etabliert worden. ➭ Seit dem Jahr 2004 anhaltend bis heute gibt es eine Aufwärtsentwicklung der internationalen Rohöl- und Erdgaspreise auf immer neue Rekordmarken. Teil- und zeitweise gilt das auch für Kohle, Koks und andere Rohstoffe. Dahinter steht ein weltweiter Rohstoffboom, ausgelöst durch einen enormen Nachfragesog der so genannten Schwellenländer wie die Volksrepublik China und Indien. Für die Industrieländer zeichnen sich unter Umständen dramatische Verteilungskämpfe um Energie und Rohstoffe ab. Hinzu kommen die Bedrohungen des internationalen Terrorismus sowie die politischen Spannungen und Kriegsgefahren im Mittleren Osten. Kurzum: Die Energieversorgung Deutschlands wird immer abhängiger von globalen Entwicklungen. Speziell für die möglichen Risiken der Erdgasversorgung in Europa könnte der russisch-ukrainische Erdgaskonflikt zum Jahreswechsel 2005/2006 ein „Weckruf” gewesen sein. Energieversorgungssicherheit – oder anders gesagt, die Sorge um eine Energielücke – ist heute wieder ein zentrales politisches Thema geworden.

Generelle Schlussfolgerungen für die Zukunft Was beim nationalen Energiegipfel letztlich und im Detail entschieden wird, lässt sich noch nicht absehen. Doch zwischen fast allen, die sich hierzulande verantwortlich mit der Energiepolitik befassen, gibt es so etwas wie einen Grundkonsens über die zentralen energiepolitischen Ziele (Bild 1), nämlich Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Umweltverträglichkeit – manche setzen auch die Sozialverträglichkeit gleich hinzu – sowie über die wesentlichen erforderlichen Leitlinien für die Zukunft: ➭ Deutschland braucht weiterhin einen möglichst breit angelegten und ausgewogenen Energiemix aus Öl und Gas, Steinkohle und Braunkohle, Kernenergie sowie erneuerbaren Energien. Auch die Mischung aus Energieimporten und heimischen beziehungsweise quasi-heimischen Energiequellen sollte nicht zu sehr die Balance verlieren. Heute ist das Land schon zu über 60 % von Energieimporten abhängig (Bild 2). In einigen Jahren dürften es mehr als 70 % sein, falls die Nutzung der Kernenergie und/oder der heimischen Steinkohle beendet wird. Für die Absicherung der externen Energieversorgung wird zudem die Berücksichtigung der internationalen Dimensionen und eine möglichst europäisch abgestimmte Energieaußenpolitik immer wichtiger. ➭ Der Wirtschaftsstandort Deutschland braucht wettbewerbsfähige Energie- und insbesondere Strompreise. Das ist nicht nur im unmittelbaren Interesse von Konsumenten und Produzenten, sondern es ist auch volkswirtschaftlich erforderlich, um Wachstum und Beschäftigung nicht

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zu hemmen. Allerdings dürfen die Preise und Wettbewerbsbedingungen auch nicht so angelegt sein, dass der deutschen Energiewirtschaft die Anreize für die nötigen Investitionen etwa in die Modernisierung der Kraftwerke und Leitungsnetze fehlen. ➭ Ein Schlüssel für die Energiezukunft liegt auf dem Feld der Energieeffizienz. Es gibt auch in Deutschland – erst recht gilt das jedoch für andere Länder – noch große Einsparpotenziale in der Energieerzeugung und -nutzung, mit denen der schnellste und effektivste Beitrag zu einer sicheren, wirtschaftlichen und umweltfreundlicheren Energieversorgung geleistet werden kann. Dies gilt besonders für den Baubereich. ➭ Ein anderer Schlüssel liegt bei modernen innovativen Energietechnologien sowie bei weiterer Forschung und Entwicklung im gesamten Energiebereich. ➭ Schließlich zweifelt niemand daran, dass die regenerativen Energien wie Wasserkraft, Windkraft, Geothermie, Solarenergie oder Bioenergie ausgebaut werden müssen. Sie bieten erhebliche Vorteile für den Umwelt- und Klimaschutz. Langfristig ist die Gesellschaft zwingend auf sie angewiesen, um die endlichen fossilen Energieträger zu ersetzen, zuallererst Erdöl und Erdgas. Doch dieser Ausbau darf nicht voreilig und ohne Rücksicht auf die Wirtschaftlichkeit und die anderen energiepolitischen Ziele erfolgen.

Spezielle Anmerkungen zur zukünftigen Rolle der regenerativen Energien Zur zukünftigen Rolle der regenerativen Energien im Energiemix sind einige spezielle und gerade aus Sicht der Steinkohle auch kritische Anmerkungen nötig. Selbstverständlich nehmen die regenerativen Energien im Energiemix einen wichtigen und immer bedeutsameren Platz ein. Doch zu warnen ist vor Übertreibungen und falschen Alternativen. Bisher, das heißt im Jahr 2005, ist das Gewicht aller erneuerbaren Energien zusammen in der inländischen Primärenergiegewinnung mit umgerechnet 22 Mill. t SKE (davon lediglich 6 Mill. t SKE Wind- und Wasserkraft) noch deutlich geringer als das der heimischen Braunkohle (55 Mill. t SKE) und auch als das der heimischen Steinkohle (26 Mill. t SKE). Der Ausbau der erneuerbaren Energien konzentriert sich bis heute hauptsächlich auf die Stromerzeugung, wo sie vor allem Kohle und Kernkraft ergänzen und mittelfristig die Kernkraft ersetzen sollen (Bild 3). Das kann aber bis zum Jahr 2020 selbst bei dem geplanten ehrgeizigen Ausbau von heute 10 auf 20 % nur zum Teil gelingen, denn der Kernkraftanteil beträgt fast 30 %. Dabei wäre der Ausbau der erneuerbaren Energien viel dringender als Ersatz beziehungsweise Ergänzung zu Öl und Gas im Wärmemarkt und im Verkehrssektor nötig. Die regenerativen Energien sind auch keineswegs frei von Umweltproblemen. Ihr Ausbau auf

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breiter Front erfordert einen immensen Rohstoffund Flächenbedarf. Dabei kann es zum Beispiel gravierende Konflikte mit dem Landschafts- und Naturschutz geben, wie man von vielen Windkraft- und auch großen Wasserkraftprojekten weiß. Die energetische Nutzung von Biomasse wiederum steht in Verwendungskonkurrenz zu anderen land- und forstwirtschaftlichen Zielen, insbesondere zur Nahrungsmittelproduktion. Die Produktion von Solarzellen führt zu ähnlichen Entsorgungsproblemen wie viele andere klassische Industrieproduktionen auch. Was den Beitrag zum Klimaschutz betrifft, könnte eine wesentlich größere und kostengünstigere CO2-Einsparung durch Modernisierung des bestehenden Kraftwerksparks und den Bau neuer effizienter Kohlekraftwerke erreicht werden (Bild 4). Der wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium hatte genau deshalb empfohlen, nach der inzwischen erfolgten Einführung des europäischen Emissionsrechtehandels auf eine gesonderte Förderung der Stromerzeugung aus regenerativen Energien durch das EEG zu verzichten. Auch unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit müssen die erneuerbaren Energien auf gewisse Bedenken stoßen. Sie stellen zwar eine heimische beziehungsweise quasi-heimische Energiequelle dar, wie das heimische Kohle oder Kernkraft auch tun. Ihr Angebot ist jedoch naturbedingt unstetig und von Witterungseinflüssen

Bild 3. Stromerzeugung und Primärenergieverbrauch in Deutschland.

Bild 4. Spezifische CO2-Vermeidungskosten.

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Bild 5. Strom aus erneuerbaren Energien und Mehrkosten nach EEG.

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abhängig. Die Speichertechnologien sind noch lange nicht soweit, diese Unstetigkeiten ausgleichen zu können. Deshalb muss die Stromerzeugung auf regenerativer Basis stets durch so genannte Regelenergie und Reservekapazitäten auf konventioneller Basis, das heißt durch Kohle- oder Erdgasstrom, abgesichert werden. Bei den in Deutschland geplanten Zubaukapazitäten der Windkraft beispielsweise gelten laut einer Studie der Deutschen Energie-Agentur (dena) nur 6 % als sicher verfügbar, der Rest benötigt ein „Backing” durch Kohle- und/oder Gaskraftwerke. Fast alle seriösen Prognosen sagen, dass Deutschland noch auf lange Zeit auf die Nutzung fossiler Energieträger angewiesen sein wird. Wenn der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch wie von der Politik geplant bis zum Jahr 2020 auf 10 % erhöht wird, bedeutet das zugleich, dass 90 % auch im Jahr 2020 weiterhin durch Öl, Gas und Kohle sowie – wenn noch verfügbar – Kernkraft geleistet werden muss. Und selbst bei einem Anteil der erneuerbaren Energien von 50 % in einigen Jahrzehnten muss die andere Hälfte des Gesamtenergieverbrauchs immer noch auf herkömmlicher Basis gedeckt werden. Wenn Erdöl und -gas immer knapper werden, können das nur Kohle und, wo das sinnvoll und möglich ist, Kernenergie sein. Entscheidend für die zukünftige Rolle der erneuerbaren Energien sind schließlich ihre wirtschaftlichen Perspektiven. Hier machen sie zwar Fortschritte und ihr Ausbau führt zu kostensenkenden Effekten, hinzu kommen die steigenden Energie- und Strompreise im nicht-regenerativen Bereich. Doch der technologische Fortschritt geht auch in den anderen Bereichen des Energiesektors weiter, zum Beispiel bei der sauberen Kohleverstromung. Noch sind die meisten erneuerbaren Energien von der Wirtschaftlichkeitsgrenze weit entfernt und zwar auch weiter als zum Beispiel die heimische Steinkohle. Das zeigen die Zahlen in aller Deutlichkeit. So betrug die Durchschnittsvergütung für Strom aus regenerativen Energien nach dem EEG im Jahr 2004 nach der Abrechnung des Verbands der Netzbetreiber (VDN) 9,29 ct/kWh. Damit wurden 8,5 % der öffentlichen Stromerzeu-

gung geleistet (so genannte EEG-Quote). Das erforderte ein Vergütungsvolumen von insgesamt 3,6 Mrd. EUR. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) wurden mit den gut 9 ct/kWh für den eingespeisten regenerativen Strom im Durchschnitt je Kilowattstunde rund 2 ct an konventionellem Strom vermieden. Rund 7 ct/kWh stellten also eine Subvention für die erneuerbaren Energien dar, die in diesem Fall nicht der Steuerzahler, sondern der Stromverbraucher über eine entsprechende Umlage auf den Strompreis zu zahlen hat. In der Summe führte das im Jahr 2004 durch das EEG zu einem Subventionsbetrag von 2,6 Mrd. EUR. Für das Jahr 2005 wird dieser Subventionsbetrag auf rund 3,3 Mrd. EUR geschätzt. Das ist inzwischen weit mehr als etwa die heimische Steinkohle noch an Beihilfen erhält – im Jahr 2005: 2,7 Mrd. EUR – und diese muss damit auch ihre Kokskohlenproduktion sowie die Aufwendungen für Stilllegungen und die Altlasten des längst stillgelegten Bergbaus decken. Während die Subventionierung der deutschen Steinkohle weiter zurückgeführt werden soll – nach den Vorstellungen wichtiger Kreise gerade auch in Nordrhein-Westfalen sogar bis auf Null –, wird an den kostspieligen Subventionen der erneuerbaren Energien erstaunlicherweise bisher von keiner Seite in vergleichbarer Weise gerüttelt. Wenn es jedoch keine grundlegenden Änderungen beim EEG gibt, werden allein die im Strompreis enthaltenen Subventionen für die erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2010 auf annähernd 5 Mrd. EUR anschwellen (Bild 5). Gleichzeitig wird schon über zusätzliche Subventionen für den Einsatz der erneuerbaren Energien in der Wärmeerzeugung nachgedacht. Kann das wirklich eine ausgewogene und zukunftsgerichtete Energiepolitik sein? Auch die Beschäftigungspotenziale der regenerativen Energien, die heutzutage gern in blühenden Beschreibungen ausgemalt werden, dürfen nicht überschätzt werden. Denn zusätzliche Arbeitsplätze schaffen sie meist nur in der Investitionsphase, weniger im laufenden Betrieb. Gleichzeitig verdrängen sie Arbeitsplätze in anderen Energie- und Wirtschaftsbereichen. Dass der Nettoeffekt positiv ist, wird von renommierten Ökonomen bezweifelt. Gefordert ist daher viel mehr Effizienz im Fördersystem der erneuerbaren Energien, sicherlich auch mehr Geduld mit ihrem Reifeprozess – noch stecken sie in den Kinderschuhen – und viel weniger Einseitigkeit in der Energiedebatte. Nicht die regenerativen Energien allein sind die Zukunftstechnologien der Energieversorgung. Vernünftige energiepolitische Zukunftsvorsorge kann nur in einem breiten Mix der Energiequellen und Energietechnologien bei Offenhalten aller verfügbaren Optionen liegen. Für eine sichere, wettbewerbsfähige und nachhaltige Energieversorgung braucht Deutschland auch keinerlei Ausstiegspläne, sondern möglichst viele offene Türen und allenfalls eine andere Mischung als heute. Das ist besser als alle vermeintlichen Patentrezepte – die gibt es sowieso nicht.

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