Schnelle Fahrt in den Umweltschutz mit dem Transrapid

INTERVIEW | RICARDO MELCHIOR Schnelle Fahrt in den Umweltschutz mit dem Transrapid Ricardo Melchior, Präsident von Teneriffa, möchte den Verkehr auf ...
Author: Karoline Kappel
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INTERVIEW | RICARDO MELCHIOR

Schnelle Fahrt in den Umweltschutz mit dem Transrapid Ricardo Melchior, Präsident von Teneriffa, möchte den Verkehr auf der Insel umweltfreundlicher machen. Der Transrapid soll Staus und Abgaswolken auf der Ferieninsel ein Ende bereiten. ETR sprach mit Melchior über steile Strecken, schnelle Züge und saubere Energien.

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Herr Präsident, Sie wollen eine Transrapidstrecke auf Teneriffa bauen. Warum? Mobilität und Nachhaltigkeit sind die großen Themen unserer Zeit. Teneriffa hat mit 800 PKW pro 1000 Einwohner die höchste Autodichte in ganz Europa. Der Verkehr ist deshalb bei uns ein großes Problem. Augenblicklich braucht man zwei Stunden, um vom Norden, wo 45 Prozent der Bevölkerung wohnen, in den Süden zu gelangen, wo die meisten Arbeitsplätze sind. Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Bisher gibt es nur das Auto oder den Bus als Verbindung zwischen den Städten und Regionen. In allen Metropolen der Welt sehen wir, dass der Schienenverkehr die einzige pünktliche und nachhaltige Alternative ist. Mit dem Transrapid kommen sich der

Norden und der Süden näher. Den eine Million Einwohnern von Teneriffa erschließen sich durch eine schnelle Bahnverbindung beruflich wie privat neue Möglichkeiten. Auch der Tourismus könnte sich verändern. Jährlich besuchen fünf Millionen Menschen die Insel, die meisten den Süden. Der Transrapid würde aus den zwei Flughäfen, die wir heute haben, einen Flughafen mit zwei Terminals machen. Wir hoffen außerdem, den Tourismus weiter in den Norden verlagern zu können. Und schließlich wollen wir bei den Transportarten, die wir beeinflussen können, die Mobilität so nachhaltig wie möglich machen. Warum eine Magnetschwebebahn und nicht ein konventionelles Rad-SchieneSystem?

» Zur Energieversorgung des Transrapid würden wir auf den Ständern Sonnenkollektoren installieren. «

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Teneriffa ist nur gut zweimal so groß wie Berlin. In der Inselmitte erhebt sich der Pico de Teide, mit 3718 Meter höher als die Zugspitze. Vom Meeresspiegel bis zur Inselmitte steigt das Land schnell und stark an. Pläne für den Bau einer Eisenbahn gibt es seit 1880. Auch wir prüfen den Bau einer konventionellen Eisenbahnstrecke. Für die 120 km lange Bahnstrecke wären rund 41 km Tunnelbau notwendig, da Rad-Schiene-Systeme nur Stei-

VITA Ricardo Melchior Präsident von Teneriffa Seit 1999 leitet Ricardo Melchior als Präsident die Geschicke Teneriffas, im Mai wurde er für weitere vier Jahre in seinem Amt bestätigt. Melchior studierte im spanischen San Sebastian Maschinenbau und ging dann mit einem DAAD-Stipendium an die RWTH Aachen, wo er innerhalb von vier Jahren zwei weitere Diplomabschlüsse machte: in Fertigungstechnik und als Wirtschaftsingenieur. Zurück auf Teneriffa, war Melchior von 1977 bis 1981 zuerst für das Hafenmanagement dieser größten Insel der Kanaren zuständig. Danach wechselte er zur Unión Eléctrica de Canarias (Unelco), wo er für die Forschung und Entwicklung regenerativer Energien zuständig war. Ab 1987 war Melchior Planungschef und Verantwortlicher für die wirtschaftliche Entwicklung in der Cabildo, der Regionalverwaltung Teneriffas. In den zwölf Jahren seit seinem Amtsantritt hat der Präsident sich besonders für die Einführung regenerativer Energien und die Aufforstung eingesetzt. Unter seiner Ägide entstand das Instituto Tecnológico y de Energías Renovables (Iter), das Demonstrationsanlagen zur Energiegewinnung aus Sonne, Wasser, Wind und Wellen betreibt und auf Teneriffa das erste CO2-freie Dorf aufgebaut hat. Ein wichtiges Projekt ist auch der Aufbau eines zweiten Transatlantik-Kabels, das die Kosten der Datenkommunikation zwischen Europa, Amerika und Afrika senken soll.

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gungen bis 4 Prozent bewältigen können. Auf einer Vulkaninsel wie Teneriffa bedeuten Tunnel ein hohes Investitions- und Baurisiko. Der Transrapid kann dagegen Steigungen bis 12 Prozent überwinden, sodass je nach Trassenvariante nur noch rund 6 km Tunnel gebaut werden müssen. Auch ist der Kurvenradius geringer, sodass sich die Trasse besser in Einbuchtungen der Insel einpasst. Der Transrapid soll mit der Autobahn gebündelt werden, zum Teil im Mittelstreifen verlaufen. Ist dies eine technische Notwendigkeit? Es gibt auf Teneriffa aufgrund seiner Topographie nicht sehr viel Gelände, das für die Bebauung infrage kommt. Mit der Autobahn haben wir einen Verlauf, der sich gut für den Transrapid eignet. Durch die systemeigenen Ständer kann die Trasse nahe bei oder über der Autobahn geführt werden. 60 Prozent der Strecke verläuft aufgeständert. Dadurch braucht die Bahn nur wenig Land. Dies ist ein weiterer großer Vorteil für uns, denn Bauland ist auf Teneriffa rar und teuer. Was wir an Kosten für das Land einsparen, können wir in die Anschaffung der Technik stecken. Doch das ist nur die ökonomische Seite. Wichtig sind auch die Auswirkungen auf die Bevölkerung. Je weniger Platz die neue Bahn beansprucht, desto weniger Menschen müssen wir durch Enteignungen auf die Füße treten. Wie steht die Bevölkerung grundsätzlich zu dem Projekt? Gibt es eine Gegenbewegung? Als wir die Straßenbahn in der Hauptstadt Santa Cruz planten, waren alle dagegen. Seit 2007 fährt die Straßenbahn und alle sind dafür. Heute nutzen täglich 55 000 Menschen die Tranvia. Es gibt wesentlich weniger Staus als vorher und die Lebensqualität der Menschen hat sich verbessert. Mit dem Transrapid wird es genauso gehen. Außerdem würde ein Infrastrukturprojekt dieser Größenordnung viele Arbeitsplätze schaffen und damit die Arbeitslosigkeit, die auf Teneriffa leider noch immer hoch ist, abbauen helfen. Der Transrapid wurde für höhere Geschwindigkeiten entwickelt. Auf Teneriffa soll er dagegen eher die Funktion eines Regionalzuges erfüllen. Ist das Projekt nicht überdimensioniert? Die von uns geplante Strecke ist 120 km lang, mit insgesamt 13 Stationen, die längste Strecke ohne Halt beträgt 40 km. Es stimmt, dass wir außer auf dieser Teilstrecke die Höchstgeschwindigkeit von 400 km/h nicht fahren können. Auf dem Großteil der Strecke würden wir maximal etwa 230 km/h bis 270 km/h erreichen. Entscheidend ist für uns jedoch, dass der Transrapid schneller beschleunigt als konventionelle Eisenbahnen, sodass wir eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit

Ricardo Melchior hat das Schicksal des Transrapid in der Hand. Baut er wie geplant die 120 km lange Strecke auf Teneriffa, hätte Europa ein wichtiges (Fotos: Norbert Michalke) Referenzprojekt

erreichen. Die Fahrzeit für die Gesamtstrecke beträgt somit nur 56 Minuten. Der Wechsel von einem Flughafen zum anderen dauert mit der Expressverbindung sogar nur noch 26 Minuten. Mit diesen kurzen Fahrtzeiten wollen wir den öffentlichen Verkehr so attraktiv wie möglich machen. Denn Umweltschutz ist uns wichtig. So ganz passen mir Umweltschutz und energieintensiver Magnetbahn-Verkehr nicht zusammen. Ich bin seit 40 Jahren von regenerativen

Energien überzeugt. Wussten Sie, dass wir im Augenblick eine Million kanarische Kiefern neu anpflanzen? Bäume ziehen das Wasser an, jeder Baum 200 Liter pro Tag. Ich habe auf Teneriffa das Institut für regenerative Energien eingerichtet. ITER ist heute das größte Demonstrationszentrum für erneuerbare Energien weltweit. Schon jetzt stammen 20 Prozent der auf der Insel verbrauchten Energie aus regenerativen Quellen. Teneriffa ist eine Sonneninsel. Zur Energieversorgung des Transrapid würden wir auf den Ständern Sonnenkollektoren installie-

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rung in Madrid. Bisher haben wir nichts aus diesem Topf bekommen, weil wir keine Eisenbahn haben. Zukünftig werden wir jedoch unseren Anteil erhalten, 100 Mio. EUR auf 30 Jahre. Dieser Betrag ist uns zugesichert. Wir haben von Prof. Peter Mnich vom Institut für Bahntechnik in Berlin und dem Ingenieurbüro Vössing in Düsseldorf prüfen lassen, ob die Magnetschwebebahn im Rahmen dieses Budgets machbar ist. Parallel prüft ein spanisches Institut die Option Rad-Schiene weiter. Die Machbarkeitsstudie hat gezeigt, dass eine Magnetbahn-Strecke zwischen Los Realejos im Norden und Playa de las Americas im Süden für etwa 3 bis 3,6 Mrd. EUR (3,1 Mrd. EUR) zu bauen ist. Dies ist das Ergebnis der Phase 1 der Machbarkeitsstudie; in der weiteren Projektbearbeitung (Phase 2) werden noch Optimierungspotenziale in den Investitionskosten erwartet. 100 Mio. EUR pro Jahr für die kommenden 30 Jahre sind zugesichert. Sie brauchen also eine Zwischenfinanzierung. Wie ist hier der Stand der Dinge? In der jetzigen Wirtschaftssituation und den aktuellen Rahmenbedingungen ist es schwer eine geeignete Zwischenfinanzierung zu finden, aber nicht unmöglich. Wir kümmern uns sehr darum. Sie waren im Sommer in Deutschland, um Gespräche über die Förderung des Projektes zu führen. Welches Interesse hätte

Deutschland, ein Regionalverkehrs-Projekt auf Teneriffa zu fördern? Teneriffa hat eine Million Einwohner, doch besuchen jährlich fünf Millionen Menschen die Insel. Aufgrund unserer Investitionen in erneuerbare Energien, aber auch durch den Aufbau eines zweiten Transatlantik-Datenkabels, haben wir uns als Insel der neuen Technologien etabliert. Jahrhundertelang war Teneriffa die Zwischenstation auf der Fahrt nach Lateinamerika, noch heute bestehen enge Verbindungen. In der jüngeren Zeit vertieften sich auch unsere Beziehungen zu Afrika. Teneriffa ist eine politische und wirtschaftliche Drehscheibe und könnte ein Schaufenster sein für ein von der deutschen Industrie entwickeltes Projekt, den Transrapid. Hier ist der geeignete Standort für ein Referenzprojekt, das rein europäisch wäre, doch mit großer internationaler Ausstrahlung. Insofern habe ich mit den Bahntechnikexperten Herrn Prof. Mnich und Herrn Kühr die ersten Ergebnisse der Machbarkeitsstudie vor ausgewählten Brüsseler Kommissionsmitgliedern für Verkehr und Regionalförderung bereits im April diesen Jahres vorgestellt. Die Gespräche in Deutschland waren sehr interessant, sowohl mit der industriellen Seite wie auch mit dem Verkehrsministerium, es bleiben noch einige Unbekannte zu klären. Wenn der Transrapid gebaut würde, wie

» Für uns ist entscheidend, dass wir eine Garantie von der Industrie erhalten, dass das System Transrapid weiter entwickelt wird. «

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sähe dann der Schienenverkehr auf der Insel aus? Nach den Vorab-Ergebnissen der Phase 1 der Machbarkeitsstudie lassen wir noch die Wirtschaftlichkeit genauer prüfen. Unser Ziel ist es, in der Hauptverkehrszeit einen 15-MinutenTakt anzubieten, in den Nebenverkehrszeiten soll im Halb- beziehungsweise Stundentakt gefahren werden, bei einer Gesamtbetriebszeit von 17 Stunden pro Tag. Im Einsatz wären Züge für 2 bis 5 Wagen geplant. Mit diesem Betriebskonzept und je nach Fahrgastkapazität der Wagen könnten wir deutlich über 20 Mio. Fahrgäste pro Jahr befördern. Dies müsste für die Zukunft sicherlich ausreichen. Außerdem ist geplant, diese Daten in der Phase 2 genauer zu untersuchen. Ist der Transrapid auf Teneriffa ein Projekt der Kanarischen Inseln insgesamt? Augenblicklich ist der Transrapid allein eine Idee und ein Projekt Teneriffas. Doch natürlich verfolgen meine Kollegen auf den anderen Inseln sehr genau die Entwicklung. Teneriffa wäre das Pilotprojekt. Gibt es aus Ihrer Sicht einen Punkt, der gegen den Transrapid spricht? Für uns ist entscheidend, dass wir eine Garantie von der Industrie erhalten, dass das System „Transrapid“ weiter entwickelt und auch in 30 bis 40 Jahren noch technisch und in der Wartung unterstützt wird. Ohne eine solche Garantie würden wir den Transrapid

Die Planer: Ricardo Melchior und Prof. Peter Mnich, der mit weiteren Bahntechnikexperten die Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit des Transrapids auf Teneriffa untersucht

nicht bauen. Vor diesem Hintergrund würden wir uns auch wünschen, dass die Technik auch außerhalb Teneriffas eingesetzt wird. Wir wollen lieber ein kleiner Fisch in einem großen Teich sein als ein großer Fisch in einem kleinen Teich. Eine private Frage: Wie entspannen Sie sich?

Mit meiner Familie und meinen Freunden genießen wir unsere schöne Insel. Auch mit der Gartenarbeit zu Hause und dem Genuss die kanarischen Vögel singen zu hören. Herr Melchior, ich danke für das Gespräch.

Das Interview führte Dagmar Rees.

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