ScheibenWischer Informationen für die Beschäftigten der Daimler AG im Mercedes-Benz Werk Untertürkheim und Entwicklung PKW

Haben wir das Schlimmste hinter uns?

Aus dem Inhalt n Krise vorüber – Aufschwung in Sicht?

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n   Interview mit Helmut Lense und Wolfgang Nieke

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n  Kapital in Arbeiterhand

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n Ausstieg aus der Formel 1

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n Beschäftigung in PTU gesichert

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Betriebsrat

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Ausgabe Nr. 260 / September 2009 Nr. 260/September 2009

Editorial

Widersprüchliche Situation Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Nach wie vor plant das Unternehmen immer noch mit höheren Programmen, als sie dann tatsächlich kommen. Das erleben wir jetzt zum wiederholten Male, auch im 4. Quartal. Deswegen gibt es eine Vereinbarung zur Fahrweise im 4. Quartal erst wenn endgültige Zahlen auf dem Tisch liegen. Andernfalls planen wir Monat für Monat. Es ist auch Unsinn, die Kolleginnen und Kollegen erst durch die Ankündigung von Samstagsschichten verrückt zu machen und dann werden sie doch nicht gebraucht. Nach wie vor fehlt - gemessen am Tagesprogramm nicht am Gesamtprogramm - in vielen Abteilungen Personal. Die Abordnungen aus Gaggenau und Wörth helfen zwar die größten Engpässe zu überwinden, lösen das Problem aber nicht grundsätzlich. Auch deshalb ist in vielen Bereichen eine vernünftige, der Situation angepasste Fahrweise nicht möglich. Wir wollen ja gar nicht bestreiten, dass die gegenwärtige Situation nicht einfach zu meistern ist. Wenn man trotz massiver Auftragseinbrüche und Programmreduzierungen die Belegschaft nicht entsprechend abbaut, sondern mit derselben Belegschaft wie in den Boom-Jahren 2007 und 2008 weiterfährt, dann wird das natürlich sehr komplex. Und wir wollen die Gesamtbelegschaft ja auch über die Dauer der Krise hinweg halten, das ist nach wie vor das oberste Ziel, dem alles andere untergeordnet werden muss. Aber dazu gehört auch ein Mindestmaß an Kommunikation, indem die Vorgesetzten von der Unternehmensleitung in die Lage versetzt werden, ihren Mitarbeitern auch auf den ersten Blick widersprüchliche Situationen zu erklären. Wenn man will, dass die Belegschaft mitzieht, dann muss man sie auch einbeziehen – dies gilt generell, aber ganz besonders in solch schwierigen Zeiten wie wir sie jetzt gerade haben.

für die meisten von uns war´s eigentlich wie jedes Jahr: man hat ganz normal gearbeitet, ist dann ganz normal in Urlaub gegangen und seit man wieder zurück ist, arbeitet man ganz normal weiter. Und doch war diesmal etwas anders als sonst. Während die Kolleginnen und Kollegen aus den Produktionsabteilungen in Urlaub waren, gab es keine Ferienarbeiter, die an ihrer Stelle Motoren, Achsen und Getriebe produziert haben. Da in derselben Zeit niemand in Sindelfingen, Bremen und Rastatt Autos produziert hat, für die man Motoren, Achsen oder Getriebe gebraucht hätte. Weil es letztendlich keine Kunden gab, die diese Autos gekauft hätten. Die Auftragseingänge sind nach wie vor weit unter der vorhandenen Kapazität und der Absatz ist im August regelrecht eingebrochen. Auch im 4. Quartal ist wieder zusätzlich zu dem bereits reduzierten Programm mit weiteren Programmkürzungen zu rechnen. Und für das nächste Jahr will auch niemand wirklich Entwarnung geben – im Gegenteil, man rechnet im positiven Fall mit mindestens ein bis zwei Jahren, bis man wieder ein Niveau erreicht hat wie vor der Krise. Besonders dramatisch sieht es nach wie vor im Nutzfahrzeugbereich aus, der katastrophal ausgelastet ist. Neben dem Fahrzeugbau ist der Maschinenbau am Härtesten betroffen, entsprechende Meldungen konnte man vor kurzem in allen Zeitungen lesen. Die Krise scheint nun aber allerdings in der Talsohle angekommen zu sein und alle hoffen, dass es nun – wenigstens langsam – wieder aufwärts geht. Das ist die objektive wirtschaftliche Situation von der natürlich auch die Daimler AG nach wie vor massiv betroffen ist. Die Quartalsergebnisse sprechen für sich. Und trotzdem erleben viele Kolleginnen und Kollegen im betrieblichen Alltag eine andere Realität. Der Leistungsdruck ist nach wie vor hoch, das Tagesprogramm steigt eher an, als dass es zurückgeht, Kurzarbeit wird ausgesetzt, es fehlt hinten und vorne an Personal und es sind sogar wieder Überstunden am Samstag im Gespräch. Wie passt das alles zusammen? Nr. 260/September 2009

Herzlichst

Helmut Lense Betriebsratsvorsitzender 2

Absatz- und Programmsituation

Krise vorüber – Aufschwung in Sicht? Schaut man in den letzten Wochen in Zeitungen und Fernsehen, so könnte man fast glauben, die Krise sei vorüber und es geht wieder aufwärts. Viele Kolleginnen und Kollegen haben diesen Eindruck auch, wenn sie auf die Situation in ihrer Abteilung oder Kostenstelle blicken. In einzelnen Bereichen sind sogar wieder Überstunden statt Kurzarbeit angesagt und viele fragen nun, ob denn die Arbeitszeitverkürzung noch weiter notwendig sei.

Richtig ist, dass sich mittlerweile die Absatzsituation bei den Pkw gegenüber dem katastrophalen Einbruch Anfang des Jahres verbessert hat. Allerdings haben sich hierbei die Fahrzeugklassen unterschiedlich entwickelt. Während beispielsweise die A-und B-Klasse offenbar von der Abwrackprämie profitiert haben, sind beide im 4. Quartal wieder rückläufig. C – und S-Klasse verzeichnen weiterhin herbe Absatzrückgänge. Die neue E-Klasse lief ganz gut an, wie sich das weiter einwickelt ist aber nicht absehbar. Dramatisch bleibt auch die Absatzsituation des ersten Halbjahres 2009 bei den Trucks (-48 Prozent) und den Vans (-52 Prozent) (Grafik 1). Hier hält der Absatzeinbruch unvermindert an und belastet das Konzernergebnis erheblich.

beit und Arbeitszeitverkürzung wechseln sich oftmals und nicht wirklich nachvollziehbar für die Betroffenen von Monat zu Monat ab.

Arbeitszeitverkürzung weiter notwendig Trotz der leicht verbesserten Situation ist davon auszugehen, dass weder die Absatzzahlen des Vorjahres noch die ursprüngliche Planung für 2009 erreicht werden (Grafik 2). Im Januar lag der Absatzeinbruch im Pkw-Bereich bei rund 35 Prozent. Hätte sich dies so fortgesetzt, wäre der Absatz in diesem Jahr auf unter 750.000 Fahrzeuge eingebrochen. Wäre dieser Fall eingetreten, hätte der Vorstand möglicherweise von sich aus die laufende Beschäftigungssicherung vorzeitig aufgekündigt. Noch immer liegt die augenblickliche Programmplanung deutlich unter den Vorjahreszahlen und der Vorstand rechnet damit, dass das Niveau von 2008 in diesem Jahr nicht erreicht wird. Und auch für den gesamten Konzern geht das Unternehmen im jüngsten Quartalsbericht sowohl von einem Absatz- als auch Umsatzrückgang aus.

IG Metall verfolgt damit konsequent weiter das Ziel, betriebsbedingte Kündigungen bei Daimler zu verhindern und auszuschließen. Und dabei muss unsere Solidarität auch den Kolleginnen und Kollegen in anderen Werken und im Nutzfahrzeugbereich gelten.

Hohe Tagesprogramme wegen Blockpause Obwohl der Pkw-Absatz gesunken ist, nehmen viele Kolleginnen und Kollegen derzeit die Anforderungen in der Produktion wegen hoher Stückzahlen als äußerst angespannt wahr. Die durchschnittlichen Tagesprogramme sind im laufenden 3. Quartal deutlich gestiegen. Dies hat seine Ursache vor allem in der 15-tägigen Blockpause in der Produktion. Obwohl das Gesamtprogramm für das Quartal deutlich geringer als im Vorjahr ausfällt, verteilen sich die Stückzahlen diesmal auf nur 51 statt auf 66 Arbeitstage (Grafik 3). Wir bauen

Grafik 3

Grafik 2

Grafik 1 Im Werk Untertürkheim bedeuten diese verschiedenen Entwicklungen in den PkwAufbauwerken, aber auch bei den Vans, sehr unterschiedliche Auslastungen in den Abteilungen. Je nach Baureihe für die Motoren, Getriebe und Achsen geliefert werden, stellt sich die Programmsituation verschieden dar. Einige Bereiche sind aus der Kurzarbeit heraus, andere Abteilungen haben nach wie vor einen hohen Beschäftigungsausfall. Kurzar-

Die früheren Absatz- und Produktionszahlen sind noch lange nicht in Sicht. Wenn von „Aufwärtstrend“ die Rede ist, bedeutet das nur, dass die Geschwindigkeit der Talfahrt gebremst wurde. Und auch im kommenden Jahr wird es wohl keinen steilen Anstieg geben. Das Auslaufen der Abwrackprämie, steigende Arbeitslosigkeit und so weiter sind Faktoren, die das Absatzwachstum sehr deutlich dämpfen. Deshalb hat die Gesamtbetriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung, die bis Mitte 2010 gilt für uns weiterhin eine hohe Bedeutung. Die 3

also insgesamt weniger Fahrzeuge, aber das in einer kürzeren Zeit. Die Tagesproduktion liegt dadurch höher als im Jahr zuvor. Hinzu kommt, dass im Sommer 2008 zusätzlich rund 600 Ferienarbeiter beschäftigt waren, um die Urlaubszeit zu überbrücken. In diesem Jahr gibt es keine Ferienarbeiter und zugleich fehlen rund 800 Kolleginnen und Kollegen in der Produktion. 400 davon sind bis Mai aus dem Unternehmen ausgeschieden und weitere 400 arbeiten zurzeit in der Entwicklung Pkw, wo ebenfalls dringend Personal für notwendige Entwicklungsarbeiten gebraucht wird. Der Betriebsrat unterstützt diese Verleihungen in die Entwicklung nachdrücklich, weil zum einen dadurch der verstärkte n  Fortsetzung auf Seite 4 Nr. 260/September 2009

n  Fortsetzung von Seite 3 Einsatz von Leiharbeit verhindert werden kann und zugleich Mitarbeiter aus dem Werk Untertürkheim eine Chance auf qualifizierte und höherwertige Tätigkeiten haben. Aber es zeigt sich eben, dass der von der Unternehmensleitung betriebene Personalabbau der vergangenen Jahre sowohl im Werk wie auch in der Entwicklung völlig überzogen war. Wen wundert es also, wenn trotz Absatzrückgang für die aktuelle Produktion an allen Ecken und Enden Personal fehlt. Eindeutig sichtbar wird das daran, dass es nun heftige Probleme gibt, die im Zusammenhang mit der Kurzarbeit entstandenen Freischichten, wie von der Bundesagentur für Arbeit gefordert, innerhalb eines Monats abzubauen. Und auch in Kostenstellen mit Arbeitszeitverkürzung gibt es das gleiche Problem, Freischichten zeitnah abbauen zu können.

Unterstützung aus Gaggenau und Wörth Der Betriebsrat hat deshalb schon vor Wochen gefordert, zur kurzfristigen Unterstützung Abordnungen aus den Nutzfahrzeugwerken nach Untertürkheim zu holen. Für diese Kolleginnen und Kollegen könnte dies ebenfalls von Vorteil sein, weil sie wesentlich stärker von Kurzarbeit betroffen sind und somit höhere Entgelteinbußen haben. Mittlerweile kommen nun eine ganze Reihe Beschäftigte aus Gaggenau und Wörth zur Unterstützung der Produktion nach Untertürkheim. An dieser Stelle möchten die IG Metall-Betriebsräte die Kolleginnen und Kollegen im Werk Untertürkheim begrüßen und ihnen für ihren Einsatz danken. Ist doch die morgendliche und abendliche Fahrt nach und von Untertürkheim eine große Belastung, die sie zusätzlich auf sich nehmen.

Betriebsrat fordert Kommunikationskonzept Weiterhin verhandelt der Betriebsrat über eine Vereinbarung zur Freischichtnahme. Diese soll sicherstellen, dass aufgebaute Freischichtstunden zum Beispiel aufgrund der Arbeitszeitverkürzung zumindest teilweise auch wieder zeitnah genutzt werden können. Schließlich wäre es auch dringend notwendig, dass das Unternehmen alle Kolleginnen und Kollegen über die aktuelle Situation informiert, die Zusammenhänge erklärt, warum bei uns Kurzarbeit und Arbeitszeitverkürzung mit Personalknappheit und Überstunden einhergehen. Der Betriebsrat hat von der Werkleitung hierfür ein entsprechendes Konzept eingefordert und einen Umsetzungsvorschlag dazu unterbreitet. Nr. 260/September 2009

17 Wochen Kurzarbeit in der SL- und SLK-Fertigung in Bremen „Unsere Kolleginnen und Kollegen in der SL- und SLK-Fertigung hier im Werk Bremen waren die ersten, die die Krise zu spüren bekamen. Bereits im Herbst 2008 waren sie über Wochen zuhause und haben dabei ihre Arbeitszeitkonten auf hohe Minusbestände herunter gefahren. Sie werden auch weiterhin Einschränkungen hinnehmen müssen, auch über das Jahr 2009 hinaus. Fest vereinbart ist für diesen Bereich Kurzarbeit bis Ende 2009. Das bedeutet, dass diese Kolleginnen und Kollegen insgesamt 17 Wochen Kurzarbeit und drei Wochen Betriebsruhe im Jahr 2009 hatten bzw noch haben. Wir tragen diese Last gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem C-Klasse-Bereich, die nur wenige Tage Kurzarbeit hatten. Sie tragen aber mit den Arbeitszeitverkürzungen dazu bei, dass das Kurzarbeitergeld auf mindestens 80 Prozent des Nettoentgeltes aufgestockt wird und nicht nur die gesetzlichen 60 oder 67 Prozent gezahlt werden.“ Ralf Wilke Vorsitzender Vertrauenskörperleitung Mercedes-Benz Werk Bremen

In Wörth arbeiten 40 Prozent kurz „Im Werk Wörth haben wir seit Mai 2009 Kurzarbeit. Sie wird monatlich geregelt. Insgesamt arbeiten fast 5.800 von rund 14.370 Mitarbeitern kurz. Nicht betroffen sind der Bereich Sonderfahrzeuge, das Entwicklungs- und Versuchszentrum und das Global Logistics Center in Germersheim. Die Kurzarbeit ist bis Ende des Jahres bei der Agentur für Arbeit beantragt. Es wird jedoch monatlich entschieden, ob im Folgemonat kurzgearbeitet wird. Ab September arbeiten wir drei Tage die Woche von Montag bis Mittwoch im Zweischichtbetrieb. Diese Arbeitszeit ist auch für den Oktober geregelt. Wie es im November weitergeht, entscheiden wir Ende September. Probleme haben wir in den Bereichen, in denen viel Arbeit mit wenig Personal bewältigt werden muss, wie beispielsweise im Entwicklungs- und Versuchszentrum. Denn dort muss die Belegschaft in einer verkürzten Arbeitszeit mehr Leistung erbringen. Mitarbeiter-Verleihungen helfen hier nur zum Teil. Trotz ihrer Unterstützung werden zu viele Überstunden aufgebaut. Und so besteht die Gefahr, dass die aufgebauten Überstunden am Ende des Jahres verfallen. Damit dies nicht passiert, haben wir bei der Werkleitung eine Lösung dieser Situation eingefordert.“ Ulli Edelmann Betriebsratsvorsitzender Mercedes-Benz Werk Wörth

Situation im Nutzfahrzeugbereich angespannt „Im Nutzfahrzeugbereich ist die Situation weiterhin sehr angespannt und auch keine schnelle Besserung in Sicht. Die Produktionszahlen im Werk Wörth werden 2009 nur rund die Hälfte vom Vorjahr betragen. Unser Hauptstandbein in Gaggenau ist das Nutzfahrzeuggeschäft. Entsprechend heftig sind die Auswirkungen auf unsere Beschäftigten. In vielen Bereichen arbeiten wir seit Herbst letzten Jahres nur noch an drei bis vier Tagen in der Woche. Diese vereinbarten Betriebsruhetage reichen jedoch nicht aus. Viele Kolleginnen und Kollegen werden zudem in rollierende Kurzarbeit eingeplant. Manche Beschäftigte haben im Monat bis zu 15 Kurzarbeitstage. Außerdem sind mehrere hundert Beschäftigte in andere Bereiche oder in Insourcing-Umfänge verliehen. Eine weitere Entlastung sind die Abordnungen in andere 4

Werke. So haben wir rund 170 Kolleginnen und Kollegen in unser Schwesterwerk in Rastatt abgeordnet.110 werden nach und nach ins Werk Untertürkheim abgeordnet. Wir sind froh im Konzern solche Möglichkeiten des Beschäftigungsausgleiches zu haben, auch wenn es für die Betroffenen nicht immer einfach ist. Wir befürchten, dass die Krise – insbesondere im Nutzfahrzeugbereich – noch lange nicht ausgestanden ist. Unser wichtigstes Ziel ist und bleibt: „Ohne Entlassungen durch die Krise!“. Dabei bauen wir auf eine in allen Situationen handlungsfähige Belegschaft sowie auf die Solidarität im Konzern“. Udo Roth Betriebsrat und Vorsitzender der Vertrauenskörperleitung Mercedes-Benz Werk Gaggenau

2800 Jugendliche in der Region ohne Ausbildungsplatz

Daimler stellt ab 2010 ein Drittel weniger Auszubildende ein Von Michael Schick Daimler stellt ab 2010 weniger Auszubildende ein. Gleichzeitig fehlt in den Abteilungen Personal und die Politik fordert von den Unternehmen, mehr Ausbildungsplätze bereitzustellen. Wie passt das zusammen?

Wahl zwischen zwei Übeln Die Frage ist einfach zu beantworten: Überhaupt nicht! Tatsache ist: In der aktuellen Krisensituation stellte der Vorstand den Gesamtbetriebsrat in erpresserischer Weise vor die Wahl zwischen zwei Übeln. Entweder werden die Einstellzahlen nach unten korrigiert oder künftig werden 20 Prozent der Auszubildenden nicht mehr übernommen und werden stattdessen auf die Straße gesetzt. Das Argument der Firma für die Reduzierung der Ausbildungsplätze ist, dass in der Fabrik angeblich nicht so viele Leute gebraucht werden wie ausgebildet werden. Auf der anderen Seite fehlt aber in vielen Abteilungen Personal, um das Programm und die Aufgaben in den Büros und Werkstätten erledigen zu können. Deshalb sind nun Daimler-Move-Kollegen (Jungfacharbeiter) aus Gaggenau und Wörth bei uns in Untertürkheim, um hier auszuhelfen. Nur mit dieser personellen Verstärkung können die Kollegen in den Abteilungen mit Personalmangel wieder vernünftig arbeiten und auch ihre Freischichten aus Kurzarbeit nehmen. Hätten wir, wie von der Werkleitung behauptet zu viel Personal, dann wäre dieser Schritt wohl kaum erforderlich.

Junge Leute in der Warteschleife Gleichzeitig sieht es auf dem Ausbildungsmarkt nach wie vor eng aus. Viele junge Menschen haben keine Ausbildung. Teilweise sind sie in Warteschleifen und Bildungsmaßnahmen geparkt und warten auf einen Ausbildungsplatz. Allein in der hoch industrialisierten Region Stuttgart warten rund 2800 Jugendliche auf einen Ausbildungsplatz. Trotzdem werden ab September 2010 im Werk Untertürkheim statt 244 technisch gewerblicher Ausbildungsplätze nur noch 166 angeboten. Dass die Ausbildungsplätze nicht nur im technischen Bereich reduziert werden macht die Sache nicht besser. Auch bei den Studierenden der Dualen Hochschule (früher die Studenten der Berufsakademie) findet bezüglich der Einstellzahlen ein Sinneswandel statt. Bis vor kurzem war

noch der Mangel an Ingenieuren in aller Munde. Daimler warb sogar Ingenieure von anderen Unternehmen ab. Deshalb wurden in den vergangenen Jahren zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen. Aber diese Erkenntnis war nur von kurzer Dauer. Denn auch hier werden für 2010 die Einstellzahlen rigoros nach unten korrigiert. Begründung der Firma: Es gibt nicht genügend Interessierte, die sich auf die Stellen bewerben. Tatsächlich werden von den geplanten 71 Plätzen der Dualen Hochschule nur 41 in 2009 besetzt. Deshalb lautet die daimlerinterne Konsequenz daraus: 2010 wird ein Drittel weniger Plätze ausgeschrieben. Die Schlussfolgerung wird immer auf der gleichen Grundlage getroffen: Gibt es zu wenig Bewerber, wird gekürzt. Ein anderer, ein nachhaltiger Zugang könnte sein, die Frage zu stellen: Warum nimmt - und das insbesondere bei überaus Begabten - das Interesse an Daimler als Arbeitgeber immer mehr ab?

Zu hoch für Vorstände Es ist eben anstrengend und unbequem sich der Wahrheit zu stellen. Deshalb ist es bedeutend einfacher Ausbildungsplätze zu streichen. Früher wurde mit Kopf und Verstand entschieden. Inzwischen sind die Führungskräfte nur noch hinter irgendwelchen Kennzahlen her. Was noch viel schlimmer ist: Keiner traut sich eine andere Meinung zu haben bzw. diese zu artikulieren. Die Opfer sind dann zuerst die Jugendlichen, die keine Perspektive, keinen Zugang zum Erwerbsleben und damit zur Teilhabe an dieser Gesellschaft bekommen. Opfer ist auch die 5

Zu wenig Ausbildungsplätze

Bundesweit fehlen noch mehr als 50 000 Ausbildungsplätze. Rund 156 500 Jugendliche hatten bis Juli noch nichts gefunden. Das geht aus dem jüngsten Arbeitsmarktbericht der Bundesagentur für Arbeit hervor. Der Anteil der Arbeitslosen unter den bis 25-Jährigen ist zwischen Juli 2008 und 2009 von 7,5 auf 8,9 Prozent gestiegen. Gesellschaft als ganzes, wenn Jugendliche kriminell, wenn sie gewalttätig werden. Reflexartig wird dann landauf landab nach der Politik gerufen. Aber sind für solche Konflikte nicht diejenigen mit verantwortlich, die den Jugendlichen keinen Sinn, keine Aufgabe und keine Perspektive bieten? Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Artikel 14 Grundgesetz. Das galt lange auch für Aktiengesellschaften und Deutschland ist damit nicht schlecht gefahren. Zerstört man den inneren Zusammenhalt einer Gesellschaft, zerstört man auch die wirtschaftliche Basis für das eigene Unternehmen, das Teil diese Gebildes Gesellschaft ist. Für Vorstände ist das wahrscheinlich zu hoch, die können nur noch Bilanzen und Kennzahlen lesen.

Michael Schick Betriebsrat 2 06 54

Nr. 260/September 2009

Interview mit Helmut Lense und Wolfgang Nieke

„Die Werkleitung muss endlich begreifen, dass wir ein Personalproblem haben!“ Die Gründe sind vielfältig: Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen, werden schon lange nicht mehr ersetzt. Mit Standardbegehungen und anderen Optimierungsmaßnahmen wurde Personal bis an die Grenze der Zumutbarkeit eingespart.

Unter anderem wurden 400 MontageBeschäftigte in die Entwicklung versetzt, um Aggregate für Versuchsfahrten aufzubauen. Diese Leute fehlen jetzt in der Produktion. In vielen Bereichen der PTU, PGE und PAC wurde die Kurzarbeit zurückgenommen. In der PMO wird mit Hochdruck der OM 651 hochgefahren. Die Vierzylinder-Benzinmotoren sind aus der Kurzarbeit raus. So plant auch PGE für das 4. Quartal außer in der Montage in Zuffenhausen und in GGF ebenfalls in Arbeitszeitverkürzung zu gehen. Die V6/V8-Zylinder in Bad Cannstatt sind dagegen nach wie vor in Kurzarbeit. Viele Bereiche leiden unter Personalmangel und einer noch nie da gewesenen Leistungsverdichtung. Die Löcher in der Personaldecke werden jetzt durch Abordnungen aus Wörth und Gaggenau bis zum Jahresende gestopft. Spätestens jetzt müsste der Werkleiter erkennen, dass in Untertürkheim selbst bei einem reduzierten Programm Personal fehlt. Möglicherweise wurden in der Vergangenheit KVP-Ergebnisse schön gerechnet, aber die erwarteten Produktivitätssprünge sind nicht eingetreten. Dann ließ die Agentur für Arbeit den Aufbau von Freischichtstunden während Kurzarbeit nicht mehr zu, sondern fordert den monatlichen Zeitausgleich ein. Plötzlich fliegt der Schwindel auf: In vielen Bereichen fehlt das notwendige Personal um Freischichten abzubauen. Die indirekten Bereiche, wie Entwicklung und Planung, ächzen aufgrund großer Aufgaben bei gleichzeitiger Arbeitszeitverkürzung. Die Werkleitung sollte endlich begreifen: Personalmangel heißt in der Produktion, dass Anträge auf Urlaub und Freischichten nur noch eingeschränkt genehmigt werden. Nr. 260/September 2009

Helmut Lense Betriebsratsvorsitzender In vielen Kostenstellen arbeiten die Systemführer und Meister mit. Das heißt, sie können ihre Führungsaufgaben teilweise nicht mehr wahrnehmen. Der Betriebsrat hat die Werk- und Centerleiter schon frühzeitig auf den Personalmangel hingewiesen und Lösungen eingefordert. Inzwischen liegt mit den Abordnungen aus den Nutzfahrzeugwerken eine Teillösung vor. Die SCHEIBENWISCHER-Redaktion sprach darüber mit dem Betriebsratsvorsitzenden Helmut Lense und seinem Stellvertreter Wolfgang Nieke. SCHEIBENWISCHER: Viele Beschäftigte finden es ziemlich widersprüchlich, dass einerseits Bereiche in Kurzarbeit sind und die Arbeitszeit verkürzt wird, andererseits massiv Personal fehlt. Wie ist das zu erklären? 6

Helmut Lense: Wir erleben das tatsächlich als sehr widersprüchlich. Einerseits fertigen wir in Untertürkheim in diesem Jahr rund 250.000 Aggregate weniger als das Werk könnte. Andererseits wird an den Tagen, an denen wir arbeiten, volles Programm gefahren und dann haben wir häufig zu wenig Leute an Bord. Das verstehen viele Kolleginnen und Kollegen nicht. Deswegen müssen wir uns intensiv darum kümmern, dass insbesondere in der Montage endlich geordnete Verhältnisse entstehen und ausreichend Personal bereitgestellt wird. Das Unternehmen weicht aber auch in der Krise keinen Millimeter vom eingeschlagenen Kurs ab. Das Ziel, die Fabrik so effizient wie möglich zu fahren, steht im Unternehmen weiterhin an oberster Stelle. Das führt zu Konflikten, denn das Unternehmen lässt eine ernsthafte Diskussion über eine gleichmäßigere Verteilung der Produktion grundsätzlich nicht zu. SCHEIBENWISCHER: Das Unternehmen sagt, ein Teil des Problems wären die Verleihung von Mitarbeitern in die Entwicklung. Wolfgang Nieke: Das ist nicht das Problem. Wenn Mitarbeiter aus der Entwicklung abgezogen werden, fehlt das Personal dort. Es ist ja nicht so, dass die Kollegen dort Däumchen drehen. Vielmehr machen sie dringend notwendige Entwicklungsarbeiten. Hinzu kommt, dass viele Montagemitarbeiter in der Entwicklung die Chance haben, qualifizierte Facharbeit auszuüben. Unser Ziel ist es, dass die Entwicklung ihren Personalbedarf mit Daimler-Mitarbeitern und nicht mit Leiharbeitern deckt. Deswegen werden wir uns wo immer möglich für eine feste Übernahme der Kollegen in die Entwicklung einsetzen.

SCHEIBENWISCHER: Welche Maßnahmen sind geplant, um die akuten Probleme zu bewältigen?

Wolfgang Nieke stv. Betriebsratsvorsitzender SCHEIBENWISCHER: Ist diese Personalknappheit auch in anderen Bereichen spürbar? Helmut Lense: Wir spüren überall die große Belastung. Natürlich beklagen sich auch die Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel in der Entwicklung und in der Planung zu Recht. Sie sind durch die Arbeitszeitverkürzung besonders gebeutelt und wissen kaum noch, wie sie ihre Aufgaben erledigen sollen.

Helmut Lense: Wir werden in den kommenden Wochen überall wo in der Produktion Personal fehlt auf Abhilfe drängen. Auch muss ein Mindestmaß an Freischichtnahme gewährleistet sein. Es wird sicher notwendig sein, auch hier im Werk Beschäftigte aus Kurzarbeitsbereichen zeitlich befristet in andere Bereiche zu verleihen. Darüber hinaus werden wir prüfen ob wir für das Programm 2010 genügend Beschäftigte haben. Sollte dies nicht der Fall sein werden wir darauf drängen, dass auch in 2010 Abordnungen aus anderen Werken eingesetzt werden. In den Gleitzeitbereichen werden wir nach der Sommerpause auf die Entwicklung der Zeitsalden sehen. Unsere KollegInnen haben einen Anspruch ihre Zeiten vor dem 31. Dezember 2009 abzubauen. Keiner darf von seinem Vorgesetzten gezwungen werden, am Jahresende Zeit verfallen zu lassen. Die Mitarbeiter haben bei reduziertem Entgelt auch ein Recht auf weniger Arbeitszeit. SCHEIBENWISCHER: Reicht das aus, um mittelfristig nicht wieder in Schwierigkeiten zu kommen?

Impressum Herausgeber: IG Metall Stuttgart Verantwortlich: Hans Baur, 1. Bevollmächtigter IG Metall Stuttgart; Theodor-Heuss-Str. 2, 70174 Stuttgart, E-Mail: [email protected] Internet: www.stuttgart.igm.de Redaktion: Jordana Vogiatzi (IGM) Tel. 0711-1 62 78-32; Alexandra Wolf, Tel. 2 18 29, Udo Abelmann (IGM) Tel. 0711-1 62 78 23. Gestaltung: hartmanndruck Wildberg, Alexandra Wolf Druck: Druckerei Knödler, Benningen Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe:

Dienstag, 29. September 2009

Helmut Lense: Nein, die Werkleitung muss endlich einsehen, dass massiv Personal fehlt. Sie muss selbst nach Lösungen suchen und nicht immer erst auf Drängen des Betriebsrats handeln. Diese Probleme können dauerhaft nur dann gelöst werden, wenn die Werkleitung Peronalbemessung wieder ernst nimmt. Wir werden darauf drängen, dass mit den Gruppen im Rahmen von REZEI eine Personalbemessung auf das jeweilige Arbeitspensum vereinbart und eingehalten wird. Dazu werden wir ab sofort mit noch schärferem Blick auf Einhaltung unserer Vereinbarungen achten. SCHEIBENWISCHER: Wie schätzt Ihr die Rolle der Führungskräfte derzeit ein? Wolfgang Nieke: Die Führungskräfte sind mit der derzeitigen Situation absolut überfordert. 7

Sie können an vielen Stellen den Kurs des Unternehmens ihren Mitarbeitern nicht erklären. Insbesondere die positive Darstellung nach außen durch Herrn Zetsche, auf der einen Seite und den rigorosen Sparkurs nach innen andererseits. Oft fehlt es ihnen an Informationen über die aktuellen Zusammenhänge. Manch einer nimmt die Flucht nach vorne und erklärt, der Gesamtbetriebsrat habe das ja mit dem Vorstand vereinbart. Der Vorstand ist abgetaucht. Eigentlich ist es die Aufgabe des Vorstandsvorsitzenden, das Unternehmen zusammenzuhalten, in den Dialog mit den Führungskräften zu gehen, mit ihnen gemeinsam nach Wegen suchen wie Daimler aus der Krise kommt. Die Zahl der frustrierten Führungskräfte wächst täglich. Da müssten endlich ein paar im Untertürkheimer Elfenbeinturm aufwachen und das Thema Kommunikation über die Unternehmenssituation ernst nehmen und zwar auf allen Ebenen, bis runter auf die Mitarbeiterebene. SCHEIBENWISCHER: Wäre uns damit geholfen, wenn wir nicht die Arbeitszeit verkürzt hätten, sondern auf Entgelt verzichten würden? Helmut Lense: Damit wäre uns absolut nicht geholfen, denn das wäre ein vollkommen falsches Signal. Das wäre einfach ein Verzicht auf uns zustehendes Entgelt, ohne dass das Unternehmen auf der anderen Seite etwas dafür gibt. Wir haben das Instrument Beschäftigungssicherungstarifvertrag ganz bewusst gewählt. Da wird einerseits zwar Entgelt gekürzt, aber andererseits eben auch die Arbeitszeit entsprechend reduziert. Ohne diese Verbindung gäbe es für das Unternehmen keinerlei Druck nach Beendigung der Krise wieder zum Normalzustand zurück zu kehren. Natürlich wissen wir, dass unsere Kolleginnen und Kollegen in vielen Bereichen wie zum Beispiel Forschung und Entwicklung viel Arbeit haben und dass dies mit der Arbeitszeitverkürzung nicht zusammen passt. Deshalb hoffen wir, dass das Unternehmen so früh wie möglich zur Einsicht kommt und den Normalzustand wiederherstellt. SCHEIBENWISCHER: Einige Fachleute sagen, wir haben den schlimmsten Teil der Krise bereits hinter uns. Wie schätzt Ihr das ein? Helmut Lense: Wenn heute positive Meldungen kommen, wird das ja von allen dankbar aufgenommen. Das ist zwar verständlich aber die positivste Meldung momentan heißt in Wahrheit lediglich, dass jetzt der tiefste Punkt erreicht ist. Alle Prognosen deuten darauf hin, dass es noch lange dauert, bis wir wieder zu Verkaufszahlen von 2007 oder 2008 zurückkehren. Nr. 260/September 2009

Wie weiße Wände zum Boardterror werden

Vorsicht, neue Religion! Von Roland Schäfer

Morgens in der Fabrik. Kleine Menschengruppen versammeln sich vor Schautafeln, halten sich an runden Stehtischen fest und schauen starr in dieselbe Richtung. Drum herum lärmen die Maschinen und Anlagen, schwitzen die Beschäftigten bei der Arbeit im Wertstrom. In der kleinen Menschengruppe spricht meist nur einer, manchmal auch mit Mikrofon und Lautsprecher, weil es in der Fabrik so laut ist.

All diese weißen Tafeln in jedem Winkel der Fabrik erwecken den Eindruck von Heiligenschreinen einer neuen Religion zu denen tagtäglich die Gläubigen pilgern.

Wie in einer Wallfahrtskapelle An anderen Stellen der Fabrik stört nicht nur der Lärm, da droht auch noch Öl oder sonstiger Schmutz die schönen weißen Tafeln zu verunreinigen. Doch es gibt eine Lösung. Schnell ist ein Unterstand gebaut. Weiß, hell, sauber und ordentlich erinnert dieser Ort schon ein wenig an eine Wallfahrtskapelle. Überhaupt erwecken all diese weißen Tafeln in jedem Winkel der Fabrik den Eindruck von Heiligenschreinen einer neuen Religion zu denen tagtäglich die Gläubigen pilgern. Dort stehen die Wahrheit, die Weisheit und die Hoffnung.

Wehe, man hat keinen Spaß Dies scheint sich beispielsweise ein junger Abteilungsleiter in Hedelfingen gedacht zu haben. H. Söll schrieb über die Tafeln sein Glaubensbekenntnis: „Es muss Spaß machen in der GGF zu arbeiten!“ Ich frage mich, warum muss es Spaß machen? Hätten die Leute einfach nur Spaß, bräuchte H. Söll ihn nicht verordnen. So klingt das eher nach einer Drohung, „Wem es keinen Spaß macht, kommt in die Hölle“. Oder ist er schon dort? Ich frage mich, kann man solche Menschen, solche Führungskräfte noch ernst nehmen? Wenn morgen jemand käme und sagen würde, ‚lauft mit einem lila Plakat, „Auf, auf zum fröhlichen Arbeiten“, durch die Hallen‘. Würden sie das auch machen? Die derzeit aktuelle Religion in diesem Unternehmen wird „Shopfloormanagement“ genannt. Nach bekannter Unsitte wird auch hier wieder einmal ein englisches Wort benutzt. Damit es wenigstens intelligent klingt und nicht jeder gleich versteht, um was es dabei geht. Das werden sich die Macher wohl gedacht haben. Arbeitskräfteverwaltung klingt ja nun wirklich etwas banal und dazu auch noch verständlich, oder?

Opium fürs Volk Gleichwohl fürchte ich, wir müssen die Sache trotz alledem sehr ernst nehmen. Wie schon so oft ist die Namensgebung, die schönen Tafeln und das ganze Theater drum herum nur Ablenkungsmanöver. Wie schon ein inNr. 260/September 2009

telligenter Mensch im vorletzten Jahrhundert schrieb, „Religion ist Opium fürs Volk“. Hier geht es jedoch tatsächlich um Arbeitskräfteverwaltung, um knallharte Zahlen und Fakten. Es geht darum, die Arbeitskräfte, also die Menschen und Kostenfaktoren optimal einzusetzen, Fehler offen zu legen und Rationalisierungsmöglichkeiten zu entdecken. Das alles ist nichts Neues.

Mit den Zahlen tricksen Früher machten dies die Kalkulatoren, dann Unternehmensberater, die MPSler, die WOBler, die PEPler, … nun sind es eben die SFMler, die Shopfloormanager, oder Arbeitskräfteverwalter. Und immer wieder wird versucht, ganz egal wie sich die Leute nennen, mit den Zahlen zu tricksen. Da kann es schon mal passieren, dass im so genannten „Tannenbaum“, der stündlichen Stückzahlerfassung, die falschen Sollparameter eingegeben sind. Die Kollegen versuchen dann verzweifelt das vermeintliche Minus aufzuholen. Es kann auch mal passieren, wie in der PTU in den Kostenstellen 1654 und 1854, dass mit der TBZ, der technischen Betriebszeit gerechnet wird. Das hätte bedeutet, die Anlagen und Maschinen wären permanent ohne Störung gelaufen. Oder es kann mal passieren, wie in der Getriebemontage in Hedelfingen, dass der Abteilungsleiter die Sollbelegung pro Schicht verändert, ohne ordentliche arbeitswirtschaftliche Grundlage. Die so genannte P-Zahl wird schlagartig schlecht und bei den allmorgendlichen Andachten schwebt nun bedrohlich das Damoklesschwert der Bestrafung über der Kostenstelle.

Verschoben oder aufgehoben?

Rauchen ist nicht gesund. Noch ungesünder wird es, wenn die Zigarette in Regen und Wind geraucht wird und sonderlich gemütlich ist das schon gar nicht. Kolleginnen und Kollegen aus der Montage in Hedelfingen haben sich deshalb in einen Planwagen der Logistik geflüchtet. Ende 2008 wurde ihnen ein zusätzlicher Unterstand versprochen. Blöderweise war da schon das Bau-Budget aufgebraucht. So wurde es letzten Winter leider nichts mehr mit dem Wetterschutz. Dann kam auch noch die weltweite Wirtschaft- und Finanzkrise, der Bargeldengpass bei Daimler und der Stopp aller vermeidbaren Investitionen. Der lang ersehnte Wetterunterstand ist in weite Ferne entrückt. Hoffentlich nicht für immer. Doch tröstet euch liebe Raucher, dafür wurde ein überaus schicker Shopfloormanagement-Tafel-Unterstand im Gebäude 41 (siehe Bild oben) in Hedelfingen aufgebaut. Die Tafeln haben es nun gut, es zieht ihnen nicht und gegen Öltropfen von oben sind sie gut geschützt. Ich weiß nur, diese Theaterspielerei beleidigt unsere Intelligenz. Und es bestätigt mich erneut darin, gegenüber Unternehmenssprüchen sehr misstrauisch zu sein, Zahlen nicht leichtfertig zu glauben, sondern nach zu rechnen. Vertrauen wäre eine schöne Sache, aber Kontrolle ist bitter nötig!

Kontrolle ist bitter nötig All das ist dieselbe Leier seit zig Jahrzehnten. Trotzdem frage ich mich, warum immer dieses Theater? Warum sagen die Unternehmensvertreter nicht einfach, was sie wirklich wollen? Warum reden sie davon, das Beste für die Beschäftigten zu wollen und machen dann das Gegenteil davon? 8

Roland Schäfer Betriebsrat Tel. 6 14 74

Produktion Doppelkupplungsgetriebe in PGE

Folgen

Das war ganz knapp

Irgendwas bleibt immer zurück. Der Betriebsrat wird nun in Ruhe überlegen müssen, wie dieser Vorgang politisch zu bewerten ist. Was auf unserer Seite registriert werden muss, ist der Umstand, dass es dem Unternehmen gelang bis „kurz vor knapp“ nichts nach Außen dringen zu lassen. Alle, die an dem Thema arbeiteten, hielten dicht. Das verdient fast einen gewissen Respekt. Es gehört allerdings wenig Phantasie dazu, sich auszumalen, über welche Mechanismen das „Klappe halten“ organisiert wurde. Im Unternehmen und am Standort stehen noch viele Entscheidungen an. Verlorenes Vertrauen fehlt dann in solchen, sich zunehmend komplexer gestaltenden Gesprächen und Verhandlungen. Vielleicht sollte sich der Betriebsrat überlegen, künftig direkt mit Herrn Schmückle zu verhandeln. Das kürzt die Verhandlungen ab und beim Doppelkupplungsgetriebe war er es, der die Entscheidung traf: Die Weichbearbeitung kommt zu PGE.

Von Dieter Gerlach Am 21. Juli konnte der Betriebsrat die Entscheidung bekannt geben, dass die vollständige Weichbearbeitung ins Getriebecenter PGE kommt. Die ursprüngliche Managemententscheidung, Umfänge der Weichbearbeitung fremd zu vergeben, wurde damit korrigiert.

Was lief hinter den Kulissen? Dass diese Entscheidung von einem auf den anderen Tag korrigiert wurde, irritierte uns bereits damals und so schrieben wir im Juli in unseren Flugblättern: „Bei aller Freude darüber können wir uns diese Wendung noch nicht erklären. Die Ausführungen von Herrn Engling dazu schienen uns auch eher bemüht als sonst was zu sein. So können wir an der Stelle nur spekulieren, was zur „Kurskorrektur“ führte. Haben die sich irgendwo gnadenlos verrechnet? Auch McKinsey brachte es schon fertig das Datum einzurechen. Wir werden deshalb noch geduldig nachfassen müssen, was da wirklich auf Firmenseite lief.“

diese Pläne kundtut, kann ich noch verstehen. Darüber aber nicht einmal Gremien wie den Aufsichtsrat in Kenntnis zu setzen, ist mehr als dreist. Ob das noch ein Nachspiel haben muss, ist durch den Gesamtbetriebsrat und seine Vertreter in eben dem Aufsichtsrat zu klären. Das war ein echtes Lehrstück, wie glaubwürdig die Unternehmensführung ist. Weiter hat der Betriebsrat nun endgültig zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Werkleitung ausschließlich dann die Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmervertretung sucht, wenn es ihr von Nutzen scheint. Weil es da aber immer um das Unternehmen als Ganzes geht, hat der Betriebsrat bislang immer „mitgezogen“. Das war so bei den Highlights, wie Kölleda-Betriebsvereinbarung oder dann dem M270, bei dem es um die Auslastung einer brachliegenden 60-Millionen-Euro-Investition in Kölleda ging, genauso wie bei den vielen kleinen Tagesthemen.

Dieter Gerlach Betriebsrat Tel. 6 12 55

Die Ausgründung Zwischenzeitlich sehen wir hier klarer. Verrechnet hat sich niemand, vielmehr stand PGE eher mehr als weniger vor seiner Ausgründung. PGE sollte in ein neues Unternehmen eingebracht werden. Ein Getriebewerk an dem die Zahnradfabrik Friedrichshafen, BMW und Daimler Anteile halten sollten. Vor diesem Hintergrund wurden Neuinvestitionen natürlich nicht mehr erlaubt, weil der „Produktionskuchen“ im Gemeinschaftsunternehmen neu verteilt hätte werden müssen. Obgleich die Verhandlungen nach vielen Runden weit gediehen waren, platzte das Geschäft buchstäblich auf der Zielgeraden. Platt formuliert: hätte das mit technischen Details, wie Einbaumassen und anderen Vorstellungen besser gepasst, würden wir heute nicht über die Weichbearbeitung reden sondern darüber wie PGE aus dem Werksverbund herauszulösen ist.

Wildwest oder nur Ignoranz? Was ist eigentlich an diesem Standort los? Wie kann eine Werk- und Centerleitung nur auf die Idee kommen ein Center mit über 2000 Beschäftigten in eine neue Firma einbringen zu wollen und darüber keinen Ton verlieren? Gut, dass der Centerleiter nicht mit der Rassel, wie die Pestkranken im Mittelalter, durch die Fabrik schlurft und

Arbeitnehmerbefragung der IG Metall

Sichere und faire Arbeit gefragt Anfang Juli hat die IG Metall in Berlin die Ergebnisse der bislang größten Befragung vorgelegt, die eine Gewerkschaft unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durchgeführt hat. An der Umfrage zu den Erwartungen an ein sicheres und gutes Leben und Anforderungen an die Politik hatten sich in der Zeit von April bis Juni mehr als 450 000 Menschen beteiligt.

Arbeitsplatzsicherheit wichtig „Zwischen dem politischen Handeln und den Bedürfnissen der Menschen klafft eine tiefe Lücke“, sagte der Erste Vorsitzende der IG Me9

tall, Berthold Huber, das mache die Umfrage zweifelsfrei deutlich. Offensichtlich sei sich die Politik nicht in jedem Fall bewusst, was die Menschen berührt und was sie erwarten, kritisierte Huber. Angesichts der bevorstehenden Wahlen sei dies ein alarmierender Befund. Die IG Metall ziehe vor allem drei Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen der Umfrage. Angesichts der Wirtschaftskrise habe die Sicherheit des Arbeitsplatzes für die Menschen oberste Priorität. „Die Menschen wollen Arbeit: Sicher und fair“, sagte der Gen  Fortsetzung auf Seite 10 Nr. 260/September 2009

Zentralisierung der Instandhaltung- und Ersatzteil-Fertigungen

Betriebsvereinbarung schützt die Interessen der Beschäftigten Der Betriebsrat hat im Juli nach längeren Verhandlungen eine Vereinbarung zur Zentralisierung der Instandhaltung- und Ersatzteil-Fertigungen (IET-Fertigungen) beschlossen. Die IET-Fertigungen werden seitdem in Untertürkheim in der Produktionsmittelfertigung (PMF) zusammengefasst.

Kernpunkte der Vereinbarung sind: l  Mitarbeiter behalten ihre bisherigen Schichtformen bei und werden nicht zu Schicht- oder Wechselschichtarbeit gezwungen. Niemand hat Nachteile, wenn er die Schichtform beibehält. l  Individuelle Arbeitszeitmodelle bleiben solange erhalten, bis mit dem Betriebsrat und den Beschäftigten neue Arbeitszeitmodelle vereinbart werden. l  Es gibt keine Entgeltreduzierungen – jeder Beschäftigte bekommt möglichst die gleichen Arbeitsaufgaben wie bisher, mindestens jedoch gleichwertige Aufgaben mit Chancen zur Höherentwicklung. l  Es gibt kein „Aussortieren von Beschäftigten“ – alle Beschäftigten, die in PGE, PAC oder PMO waren, werden in die gebündelte IET-Fertigung übernommen. l  Im Zuge der Zusammenführung werden keine Aufträge an externe Lieferanten fremd vergeben. Der interne Lieferservice bleibt eine interne Dienstleistung. l  Alle IET-Aufträge der Center werden in die gebündelte IET-Fertigung eingesteuert – damit wird der Stellenwert der internen IET-Fertigung für die Zukunft gestärkt.

n  Fortsetzung von Seite 9 werkschaftsvorsitzende. Die Politik habe zwar schon manches getan, das alles werde jedoch nicht ausreichen. „Wenn jetzt Arbeitsplätze im Industriebereich verloren gehen, werden sie nach der Krise nicht nach Deutschland zurückkehren“, warnte Berthold Huber.

Ablehnung Rente mit 67 Überwältigend sei die Ablehnung der Rente mit 67. 81 Prozent der Befragten fordern die Rücknahme der Rente mit 67. „Die im Gesetz vorgeschriebene Überprüfungsklausel muss dazu genutzt werden, Rücksicht auf die Bedürfnisse der Menschen zu nehmen“, verlangte der Gewerkschafter. Die Befragung habe eine Resonanz, die den Aufwand und den Mut zum Dialog mehr als rechtfertige, sagte der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Detlef Wetzel. „Die Menschen erwarten mehr von einem Guten Leben als das, was uns die politischen und ökonomischen Nr. 260/September 2009

Entscheider anbieten“, forderte Berthold Huber. „Die Forderungen der Menschen lassen sich in einem Satz bündeln: Macht Politik für die Mehrheit der Menschen!“ Rund 89 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass Arbeitnehmer nicht die Leidtragenden der aktuellen Krise sein dürfen und dass es am Wichtigsten ist, dass es keine Entlassungen gibt. Die Forderung, dass in Zukunft Märkte und Unternehmen strengeren Regeln unterworfen werden, um solche tiefen Krisen wie gegenwärtig zu vermeiden, unterstützen rund 72 Prozent der Befragten. Für die Einführung von Mindestlöhnen sprechen sich rund 78 Prozent der Befragten aus. Unseren Ansprüchen an ein gutes Leben müssen wir eine Stimme geben. Alle Arbeitnehmer sind deshalb aufgefordert zur Bundestagswahl zu gehen. 10

CGM-Betriebsräte stimmen ohne Begründung gegen die Vereinbarung Das Verhandlungsergebnis fand in der Mannschaft überall Zustimmung. Die Verhandlungskommission des Betriebsrats hat ebenso wie der gesamte Betriebsausschuss (einschließlich des Vertreters der CGM!) einstimmig die Annahme der Vereinbarung empfohlen. Von allen wurde das Ergebnis der Verhandlungen positiv eingeschätzt, da alle kritischen Punkte aus Sicht der betroffenen Beschäftigten gut aufgenommen und geregelt wurden. Aber Überraschung, Überraschung: In der Betriebsratssitzung stimmen nur die anwesenden Betriebsräte der CGM (Christliche Gewerkschaft Metall), ohne Begründung und ohne sich an der Diskussion zu beteiligen gegen die Vereinbarung! So einfach kann Betriebsratsarbeit sein: Andere die Arbeit machen lassen, sich nicht beteiligen und am Ende einfach, ohne eigene Ideen dagegen sein: Betriebsratsarbeit à la CGM. Gerhard Haag Betriebsrat Tel. 2 40 28 Michael Schick Betriebsrat Tel. 2 06 54 Karl Reif Betriebsrat Tel. 6 62 83 Matthias Burkhardt Betriebsrat Tel. 6 10 54 Wohnungsvermittlung Die Daimler-Wohnungsvermittlung hat einige freie Wohnungen (vor allem in Aichwald) für Mitarbeiter. Interessenten sollen sich entweder an Sabine Gärtner Tel. 2 37 20 wenden oder direkt an den Esslinger Wohnungsbau, Frau Kriegeskorte Tel. 0711-931884-42.

Zentralisierungspläne des Unternehmens oder:

Die Zukunft liegt in der Vergangenheit Das scheinen sich zurzeit so manche Leute zu denken, die in ihren Büros sitzen und munter so genannte strategische Überlegungen anstellen, was man in diesem Betrieb mal wieder neu machen könnte. Seit kurzem weiß der Betriebsrat, dass Überlegungen angestellt werden, die Instandhaltung, die Arbeitswirtschaft und das Werkzeugmanagment zu zentralisieren.

Kennen wir schon Die Älteren unter uns werden hier sofort resigniert die Achseln heben und sagen: „Das kennen wir doch! Das war doch schon mal da!“ Genau! Bis Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts gab es im Werk Untertürkheim eine zentrale Instandhaltung mit einem Hauptabteilungsleiter Metzger nebst dem dazugehörigen Führungsapparat unter ihm. Auch an eine zentrale Arbeitswirtschaft und eine zentrale Werkzeugversorgung erinnern wir uns.

Seit längerer Zeit versucht der Betriebsrat eine Zukunftsregelung für die Instandhaltung im Werk zu erreichen. Bisher wurde alles durch die Werkleitung blockiert – kein Wort von einer Planung in Richtung Zentralisierung! Wer Böses dabei denkt… Eines steht für uns fest: Das ganze Hin und Her darf nicht zu Lasten der Beschäftigten gehen. Entgelt, Qualifikationen und Arbeitsbedingungen dürfen sich nicht verschlechtern. Auswirkungen auf die Leistungsbedingungen und Personalkapazität werden zu prüfen sein.

Lösungen sehen anders aus Wir werden deshalb von der Werkleitung umgehend Aufklärung über die Absichten und vor allem die Hintergründe verlangen. Wer in dieser Zeit das Heil nur in Umstrukturierungen in

Umwandlung Ergebnisbeteiligung

Dann kamen die Manager von Seminaren zurück und verkündeten, in der Dezentralisierung liegen die Zukunft des Unternehmens und das Heil der deutschen Wirtschaft. Nun sind fast 20 Jahre vergangen. Da kann man schon mal auf die Idee kommen, die alten Kamellen aus der Mottenkiste zu holen und eine sensationelle Neuigkeit zu verkaufen. In der Produktion nennen wir solche Aktionen beim Namen: „Neuer Kack im alten Frack.“

Karl Reif Betriebsrat IG MetallVertrauenskörperleiter Tel. 6 62 83

Kapital in Arbeiterhand Es wäre schön, wenn wir, die Beschäftigten, Miteigentümer des Unternehmens wären, in dem wir arbeiten. Nicht mehr nur abhängig beschäftigt, sondern mit entscheiden könnten was, wo und in welcher Weise produziert wird. Was mit den Gewinnen geschieht. Wie viel Gewinne überhaupt erwirtschaftet werden sollen. Aber auch was getan werden kann oder soll, wenn es keine Gewinne zu verteilen gibt.

Aus der Mottenkiste

Richtung Zentralisierung sieht, weil momentan wieder alles von ganz oben runter, möglichst nach zentralistischen (Ziel-) Vorgaben dirigiert werden soll, sucht die Zukunft wohl tatsächlich in der Vergangenheit. Was noch fehlt in diesem Zentralisierungsreigen ist ein dann wieder zentrales Qualitätsmanagement. Wir sind sicher, da wird auch schon dran gebastelt. Dass kreative Zukunftslösungen anders aussehen, wird dabei konsequent ausgeblendet.

Der Gesamtbetriebsrat (GBR) hat im April mit der Unternehmensleitung vereinbart, die Ergebnisbeteiligung 2008 möglicherweise in eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung umzuwandeln. In den nächsten Monaten soll ein mögliches Konzept dafür entwickelt werden. Für den GBR geht es dabei besonders um die Klärung steuerlicher und sonstiger rechtlicher Fragen. Dass Beschäftigte über die eingeschränkte Mitbestimmung hinaus auch Mitentscheidungsrechte zur Produktionsweise und in betriebswirtschaftlicher Hinsicht bekommen, halte ich für eine gute, für eine folgerichtige Idee. Die letzten Monate haben uns gezeigt, was kurzsichtiges Gewinnstreben anrichten kann, wie anfällig dieses System ist und wer letztendlich die Zeche dafür zahlen muss. 11

Debatte notwendig Notwendig ist aus meiner Sicht deshalb, dass wir eine breit angelegte Debatte darüber führen. Wie tief sollen und können diese Mitentscheidungsmöglichkeiten gehen? Wer sollen „unsere“ Vertreter dabei sein? Diskutieren und klären sollten wir auch, ob wir uns in diesem Fall nur an die betriebswirtschaftliche Logik hinten ran hängen, quasi als die besseren Unternehmer. Oder ob für uns auch, beispielsweise niedrigere Renditeziele und eine andere Gewinnverteilung wichtiger sein müssten. In unserem gemeinsamen Ziel, da bin ich mir sicher, sind wir uns einig. Es geht um sichere, langfristig sichere Arbeitsplätze und eine gerechtere Verteilung des Betriebserfolgs. Basis dafür ist eine Unternehmenspolitik die vorausplant, ökologische Fragen, Mobilitätsprobleme von Großstädten und den Bedarf an Facharbeitern frühzeitig ins Auge fasst und ebenso frühzeitig reagiert.

Roland Schäfer Betriebsrat Tel. 6 14 74

Nr. 260/September 2009

Für Vernunft ist hier doch noch Platz!

Die Entscheidung zum Ausstieg aus der Formel 1 ist gefallen Von Dieter Gerlach Die Pressekonferenz im Juli und die Nachricht hatte es in sich. Bekannt gegeben wurde die Neuausrichtung des Unternehmens im Motorsport. Interessant dabei war die Argumentationsführung. Deshalb drucken wir die Rede des Vorstandsvorsitzenden an dieser Stelle gekürzt aber in ihren wichtigsten Passagen ab. Legt doch diese Rede Zeugnis ab, dass es im Unternehmen noch Entscheidungsträger gibt, die Nachhaltigkeit nicht nur schreiben sondern auch in eine unternehmerische Vision übersetzen können.

Die Rede in gekürzter Form: Meine Damen und Herren, wir haben gestern im Vorstand entschieden: • Wir richten unser Motorsport-Engagement neu aus. • Das Unternehmen wird sein Engagement in der Formel 1 mit Ablauf der Saison 2009 beenden. • Wir bündeln unsere fachlichen und finanziellen Ressourcen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Entwicklung neuer Technologien. (…)haben wir die Weichen für eine strategische Neuausrichtung des Unternehmens gestellt. Jetzt setzen wir diese Strategie konsequent um. Dazu haben wir auch intern einen Veränderungsprozess eingeleitet, der mit einer neuen Haltung und einem entsprechenden Verhalten aller Mitarbeiter verbunden ist. Alle Maßnahmen und Aktivitäten dienen einem Ziel: Der Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens. Auf dieses Ziel fokussieren wir unsere Mittel und Kapazitäten und passen sie immer wieder an neue Anforderungen an. Unser Unternehmen ist der weltweit führende Premiumhersteller in der Automobilbranche. Aus unserer Sicht erwächst daraus eine besondere Verantwortung • für unsere Produkte • für uns als Unternehmen • für unser gesellschaftliches Engagement • sowie auch für das Geschäftsmodell Premium. Wir sind der Meinung: Premium hat eine Vorbildfunktion. (…) Sportlichkeit und Dynamik bleiben Kerneigenschaften aller unserer Modelle – aber gepaart mit Verantwortung. Auf der IAA werden wir mit einem „CO2-Champion“ und einem ConNr. 260/September 2009

cept Car zeigen, was noch alles möglich ist, um Effizienz und Leistungsfähigkeit zu vereinen. (…) wir alle Projekte unter den Aspekten Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit auf den Prüfstand. Das haben wir von Anfang an deutlich gemacht. Und dazu zählt selbstverständlich auch der Motorsport. Und ich habe immer klar gesagt, dass ich auch vor harten Maßnahmen nicht halt mache, wenn sie dem langfri stigen Erfolg des Unternehmens dienen. Vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Ausrichtung des gesamten Unternehmens entspricht unser Engagement in der Formel 1 nicht mehr unserer Hauptzielrichtung. (…) wir bleiben dem Motorsport weiterhin treu – allerdings in Serien, die für uns einen direkteren Technologie-Transfer und weitere Synergien ermöglichen und zudem unsere Markenwerte stärken. Das ist im Sinne unserer Kunden. Als Unternehmen vollziehen wir einen Paradigmenwechsel. In einem sich verändernden Umfeld setzen wir neue Schwerpunkte. Es geht um eine konsequent nachhaltige Entwicklung des Unternehmens in den nächsten Jahren und Jahrzehnten. Wir haben eine Vision: Wir wollen der weltweit führende Anbieter von Premium-Produkten und Premium-Dienstleistungen rund um individuelle Mobilität werden. Diese Vision werden wir konsequent verfolgen. 12

Zu schön, um wahr zu sein! Denn Daimler schafft es leider nicht mit solchen Neuigkeiten in die Öffentlichkeit, schafft es nicht die selbst gesteckten Ziele durch konsequentes Handeln zu untermauern und damit bei den Kunden zu punkten. Man hat vielmehr den Eindruck beim Vorstand macht sich eine Wagenburgmentalität breit, Augen zu und weiter…Fast schon trotzig stellte sich folglich der Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche am 31. Juli in der Stuttgarter Zeitung vor die Formel-1-Aktivitäten seines Konzerns und plane auch keinen Ausstieg. „Wir treffen unsere eigenen Entscheidungen“, sagte er mit Blick auf BMW. Und Sie, liebe Leserinnen und Leser werden die Geschichte längst durchschaut haben. Der obige Text war die Presseerklärung vom 29. Juli von Norbert Reithofer, Vorsitzender des Vorstands der BMW AG. Die Veränderung seiner Rede besteht vor allem darin, dass anstelle „BMW“ der Begriff „Unternehmen“ gesetzt wurde.

Dieter Gerlach Betriebsrat Tel. 6 12 55

Turboladergehäuse kommt nach Mettingen

Beschäftigung für PTU gesichert Von Wolfgang Nieke

Ende Juni hat die Werkleitung angekündigt ab 2011 die Bremsscheiben für den A-Klasse-Nachfolger nicht mehr in der PTU gießen und bearbeiten zu wollen. Der Centerleiter der PTU, Dr. Krupinski, behauptete die Bremsscheibenproduktion in Mettingen sei nicht mehr wirtschaftlich. Wer aus der A-KlasseBremsscheibe aussteigt, wird langfristig auch keine anderen Bremsscheiben herstellen, war die Einschätzung des Betriebsrates. Damit ging es längerfristig um die Zukunft der gesamten PEG und der dort rund 400 Beschäftigten.

Gutes Geld mit Ersatzteilen verdient Für viele Kolleginnen und Kollegen war dies nicht nachvollziehbar. Haben sie doch über viele Jahre die Bremsscheibe optimiert und Stückzahlen erhöht. Außerdem hat das Unternehmen mit dem Ersatzteilgeschäft von Bremsscheiben bares Geld verdient. Der Betriebsrat hat mit dem Institut für Medienforschung und Urbanistik (IMU-Institut) gemeinsam die Kostenrechnungen des Unternehmens untersucht. Dabei wurde deutlich, dass die Unternehmensleitung die Folgekosten eines Ausstieges aus der Bremsscheibe überhaupt nicht berücksichtigt und somit zu einer völlig anderen Bewertung wie der Betriebsrat kommt. Zum anderen kündigte die Werkleitung an, in der PEG in die Herstellung von Turboladern einsteigen zu wollen. Allerdings nur wenn Belegschaft und Betriebsrat bei der Personal- und Arbeitszeitflexibilität entsprechende Zugeständnisse machen würden. In der PTU-Centerversammlung am 22. Juli forderte Dr. Krupinski mehr Flexibilität der Schichtmodelle, den Einsatz von mehr Zeitarbeitern in der PTU, die Pausenregelungen zu überprüfen, die Waschzeiten und die Erholpausen zu kürzen, Arbeitszeitreglungen (insbesondere mehr Zu- und Absageschichten wie bereits vereinbart) und die Arbeitszeitmodelle der Instandhaltung anzupassen.

Dr. Krupinski wollte freier steuern „Wir wollen in Zukunft etwas freier als heute steuern“, so Dr. Krupinski in der Centerversammlung. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Nieke sagte dazu: „Wer freier steuern will, der will die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Arbeitszeitgestaltung aushebeln. Dies ist ein Grundelement der Demokratie und das werden wir nicht zulassen.“ In der Centerversammlung wurde auch deutlich, dass die Kolleginnen und Kolle-

gen der PTU für die absolut überzogenen Forderungen der Werk- und Centerleitung kein Verständnis hatten. Dies hat offensichtlich auch die Werk- und Centerleitung wahrgenommen und in den folgenden Verhandlungen erklärt, man wolle keinesfalls die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats einschränken.

Was hat der Betriebsrat vereinbart? Vereinbart wurde, die am Standort geltenden Regelungen in der PTU anzuwenden. Dies gilt insbesondere für die Arbeits- und Betriebszeitgestaltung. Waren wir bis Sommer 2008 gewohnt, dass Arbeitszeit in der Regel nur nach oben durch Überzeit verlängert wurde, sind wir derzeit in einer Situation, dass Arbeitszeit reduziert wird. 2008 hat der Betriebsrat drei Zusage-/Absageschichten vereinbart. Dies bedeutet: bei einer Ankündigungsfrist von drei Wochen kann das Unternehmen an drei Samstagen pro Jahr zusätzlich produzieren, bzw. drei Schichten entfallen lassen. Diese Samstage legt das Unternehmen fest. Damit ist klar, dass mit den bestehenden Arbeitszeitregelungen die Flexibilität auch in der PTU sichergestellt ist. Sofern im Zweischichtbetrieb Veränderungen der Arbeitzeitmodelle erforderlich sind, werden diese unter Einbeziehung der Beschäftigten der betroffenen Kostenstellen auf Basis der im Werk bestehenden Arbeitszeitmodelle durch den Betriebsrat vereinbart. Damit stellen wir sicher, dass die Führungskräfte nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg die Arbeitszeitmodelle ändern. Die von Dr. Krupinski in der Centerversammlung erhobene Forderung „etwas freier als heute zu steuern“ ist vom Tisch. Sofern Arbeitszeitregelungen über die vereinbarten Regelungen hinaus erforderlich sind, bleibt es bei der Mitbestimmung des Betriebsrates. Beim Einsatz von Zeitarbeitskräften verlangte die Centerleitung über die seit 2004 vereinbarte Regelung hinaus in der PTU mehr Zeitarbeitskräfte beschäftigen zu können. 2004 wurde vereinbart, dass maximal vier Prozent der Produktionsbeschäftigten und maximal 2500 im Unternehmen Leiharbeiter sein dürfen. Hier hat der Betriebsrat keiner weitergehenden Veränderung der bisherigen Regelung zugestimmt. Verändern wird sich die Bezahlung der Waschzeiten. Dies wollte die Centerleitung abschaf13

fen. Zukünftig werden die Waschzeiten nicht mehr ausbezahlt, sondern wie früher üblich als Zeit dem Freischichtkonto gut geschrieben. Im Vorfeld hat der Betriebsrat diese Änderung mit den Vertrauensleuten intensiv diskutiert. Deren überwiegende Meinung war: Damit können wir leben.

Beschäftigung gesichert Der Kern der jetzt getroffenen Vereinbarung sichert die Beschäftigung in der PEG. Als Ersatz für die heutige Bremsscheiben Herstellung der A-Klasse wird sobald die Gießanlage DISAC2010 abgebaut wird, in die Turboladerfertigung eingestiegen. Für die Übergangsphase wird sichergestellt, dass den Beschäftigten individuell keine Nachteile entstehen und keine Einsätze außerhalb von Fertigungsbereichen entstehen. Für die HWS-Anlage verpflichtet sich die Unternehmensleitung bis 30. Juni 2011 ein Produkt- und Personalkonzept mit dem Betriebsrat zu vereinbaren. Diese Produkte können sein: andere Produkte auf anderen Anlagen, oder ein anderes Produkt auf der HWS , oder Weiterbetrieb der HWS. Für die PDG wurde das Kurbelgehäuse M 274 und weitere Fahrzeugstrukturteile vereinbart. Für die PSB der Zylinderkopf M270 und M274. Für die Schmiede wurden Teile für den AKlasse Nachfolger vereinbart. Mit der jetzt getroffenen Vereinbarung ist es dem Betriebsrat gelungen bis 2017 Produkte und Beschäftigung für die PTU zu sichern ohne in die materiellen Besitzstände der Beschäftigten einzugreifen. In der Verhandlungskommission des Betriebsrates waren sowohl IG Metaller als auch Mitglieder der Fraktion „Alternative“. Das jetzt erzielte Ergebnis wurde einstimmig von allen Mitgliedern der Verhandlungskommission akzeptiert. Mitglieder der Verhandlungskommission: Mate Dosen, Michael Häberle, André Halfenberg, Horst Huber, Helmut Lense Wolfgang Nieke, Gabi Reich, Karl Reich, Serkan Senol Nr. 260/September 2009

Aktionstag der IG Metall am 5. September

45.000 für ein gutes Leben Mit zwölf Sonderzügen und über Tausend Bussen kamen fast 45.000 IG Metallerinnen und Metaller aus ganz Deutschland am 5. September zum Aktionstag der IG Metall in die Commerzbank Arena nach Frankfurt, um ihre Ansprüche an ein gutes Leben zu formulieren.

Starkes Signal setzen „Wir wollen ein starkes Signal setzen – mitten in der größten Krise der modernen Welt – ein Signal für eine soziale und gerechte Gesellschaft. Ein Signal für ein gutes Leben für alle Menschen“, sagte Berthold Huber, Vorsitzender der IG Metall. Es könne uns nicht egal sein, wer bei der Bundestagswahl am 27. September 2009 die Nase vorn hat. Diese neoliberale Politik, dieser marktradikale Irrsinn, den die FDP propagiere, müsse auf dem Misthaufen der Geschichte entsorgt werden. „Es wäre ein übler Treppenwitz der Geschichte, wenn von der Finanzmarktkatastrophe jene profitieren, die nicht weniger, sondern mehr ShareholderValue-Kapitalismus wollten.“

45 000 Metallerinnen und Metaller kamen aus ganz Deutschland zum Aktionstag der IG Metall in die Arena nach Frankfurt. Foto:Grafitti Der Ruf der Teilnehmer auf der Veranstaltung der IG Metall war unüberhörbar: „Macht Politik für die Mehrheit der Menschen“. Für ein Gutes Leben brauchen wir Arbeit, die unseren Lebensunterhalt sichert, Ausbildungschancen

Über 300 Biker haben beim Motorradkorso zur Arena in Frankfurt mitgemacht. für die Jungen, eine gerechte Gesundheitsversorgung für alle und ein angemessene Rente. Wir wollen Raum für unsere individuellen Ideen und Wünsche. Wir bestimmen selbst, was für uns ein gutes Leben ist und setzen uns gemeinsam dafür ein, dass jeder über die notwendigen Mittel verfügt.

Binnennachfrage fängt im Geldbeutel an

Bob Geldof heizt das Publikum in der Arena an. Foto:Grafitti

Botschaft an Politik An die Politik ging die Botschaft: Wir haben die Krise nicht vergessen; jetzt ist es Zeit, die Konsequenzen daraus zu ziehen. Der Finanzmarkt braucht strikte Regeln. Die Unternehmen brauchen einen Schutzschirm, um Beschäftigung zu sichern. Wir brauchen gezielte Programme,

Welche Partei wählen?

Väter, Mütter und Kinder – alle hatten ihren Spaß in Frankfurt. Nr. 260/September 2009

um die Binnennachfrage zu stärken und aus der Exportabhänigkeit heraus zu kommen. Nicht nur politische Themen beherrschten den Aktionstag der IG Metall: Kinderprogramm, Infostände, Musik und Kultur rundeten die Veranstaltung ab. Viele Gewerkschafter trafen Gleichgesinnte zum Feiern, Diskutieren und manchmal auch zum Mut machen. Am 27. September sind wir alle gefordert bei der Bundestagswahl unsere Meinung kund zu tun. Lasst uns unsere Stimme abgeben: Für ein gutes Leben.

Wer noch nicht weiß, welche Partei er am 27. September wählen soll, dem hilft vielleicht die Internetseite www.wahl-o-mat.de der Bundeszentrale für politische Bildung weiter. 24 Parteien und 38 Thesen: Der Wahl-O-Mat ermittelt, welche der zur Wahl zugelassenen Parteien der eigenen politischen Position am nächsten stehen. 14

Der sogenannte private Konsum, die Investitionen des Konjunkturprogramms in der Bauindustrie und die Abwrackprämie stützen die Wirtschaft in diesem Sommer und schützen sie vor dem Totalabsturz. Die IG Metall hat ihren Teil dazu beigetragen, nicht nur mit der Forderung der Abwrackprämie und der Konjunkturprogramme, nein, insbesondere mit unserem letzten Tarifergebnis. Eine Reihe von Gewerkschaften hat sich uns mittlerweile angeschlossen und auch respektable Abschlüsse erzielt. Auch unser frühes Eintreten für die Kurzarbeit hat den privaten Konsum stabilisiert. Was wäre gewesen, wenn es schon im letzten Winter massenhaft Entlassungen gegeben hätte? Wir haben mit der Vereinbarung bei der Daimler AG Kurzarbeit und Beschäftigung bis 30. Juni 2010 geregelt. Die Tariferhöhung geht deshalb aber nicht an uns vorbei. Zum 1. Oktober 2009 gibt es die 2,1 Prozent Entgelterhöhung der Tabellenwerte vom letzten Jahr und eine Einmalzahlung von 45,75 Euro. Dieser Tarifvertrag läuft bis zum 30. April 2010. Vieles deutet darauf hin, dass die Krise zu diesem Zeitpunkt noch anhält. Klar ist dann, dass Beschäftigung, Übernahme der Auszubildenden und Entgelt Themen der nächsten Tarifrunde sein werden. Die Debatten dazu in der IG Metall beginnen im Oktober.

Udo Abelmann IG Metall-Sekretär

Urlaub und Krankheit

Wie war das noch mal? Von Michael Häberle Nicht selten werden wir von Kollegen gefragt, ob es denn möglich sei, direkt nach einer Krankheit Urlaub anzutreten. Urlaub und Krankheit sind grundsätzlich voneinander zu trennen. Denn: Urlaub setzt Arbeitsfähigkeit voraus, was bei Krankheit gerade nicht der Fall ist. Urlaub ist grundsätzlich vor Urlaubsantritt vom Mitarbeiter zu beantragen und vom Vorgesetzten zu genehmigen; Abstimmung mit den Kollegen (Gruppenarbeit/ Team) vorausgesetzt. Im Werk haben wir dazu eine Vereinbarung, welche die Urlaubsgrundsätze regelt. Im Konfliktfall klärt hier eine paritätisch besetzte Clearingstelle zwischen Personalbereich und Betriebsrat.

Sonderthema Urlaubsnahme nahtlos im Anschluss an eine Krankheitsphase Beispiel: Mitarbeiter wird krank, will im Anschluss daran Urlaub antreten. Hier sind zwei Möglichkeiten zu unterscheiden: Möglichkeit 1 l  Mitarbeiter beantragt ordnungsgemäß Urlaub und der Vorgesetzte genehmigt diesen. l  Mitarbeiter wird vor dem Urlaub arbeitsunfähig krank. l  Mitarbeiter geht nahtlos von der Krankheitsphase in den Urlaub. l  Dies ist zulässig, setzt jedoch voraus, dass der Mitarbeiter zum Zeitpunkt des Urlaubsantritts wieder arbeitsfähig ist. Daher sollte der Mitarbeiter kurz klarstellen, dass er nicht mehr im Krankenstand, sondern wieder arbeitsfähig gesund ist, denn Urlaub setzt nun mal eben Arbeitsfähigkeit voraus. l  Wenn der Mitarbeiter jedoch nichts sagt, sondern einfach nahtlos von der Krankheits- in die Urlaubsphase geht, so ist das zwar betrieblich unklar und ggf. ärgerlich, aber rechtlich nicht zu beanstanden. An dem einmal genehmigten Urlaub ändert sich dadurch nichts. Um hier aber keine unnötigen Konflikte entstehen zu lassen ist es empfehlenswert, vor Urlaubsantritt beim Vorgesetzten kurz anzurufen oder eine E-Mail zu schreiben. Dabei geht es lediglich um die Information an den Vorgesetzten und nicht um eine neue Beantragung des Urlaubes, da dieser ja bereits genehmigt ist!

Möglichkeit 2 l  Der Mitarbeiter hat den Urlaub noch nicht beantragt. l  Der Mitarbeiter wird arbeitsunfähig krank. l  Im Anschluss an die Krankheit will der Mitarbeiter nahtlos in Urlaub gehen. l  Hier muss der Mitarbeiter nach seiner Krankheit den Urlaub wie sonst auch beim Vorgesetzten beantragen. Der Vorgesetzte muss den Urlaub genehmigen, d.h. er muss entscheiden, ob er den Urlaub nahtlos im Anschluss an die Krankheitsphase genehmigt oder nicht. Diese Entscheidung liegt beim Vorgesetzten. Die betriebliche Situation ist dafür maßgeblich (Arbeitsbelastung, andere Kollegen im Urlaub oder krank, u.ä.). Im Konfliktfall kann auch hier der Betriebsrat zur Klärung hinzugezogen werden. l  Der Mitarbeiter hat keinen Anspruch darauf, dass ihm zu einer bestimmten Zeit Urlaub gewährt wird. Der Vorgesetzte ist nicht verpflichtet, Urlaub zu einer bestimmten Zeit, z.B. nahtlos im Anschluss an eine Krankheitsphase oder nur in den Sommerferien, zu gewähren. Hilfreich ist auch hier, dass der Mitarbeiter seine Arbeitsfähigkeit kurz bestätigt. Beachte: Erkrankt der Mitarbeiter während des Urlaubs, so hat er einen Anspruch darauf, dass ihm die Krankentage nicht auf den Jahrestarifurlaub angerechnet werden (§ 2, 2.9 TV-Urlaubsabkommen).

Michael Häberle Betriebsrat Tel. 2 02 82

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Kurzarbeiter aufgepasst!

Fiskus hält Hand auf

Kurzarbeitergeld ist zwar steuerfrei, aber es erhöht den Steuersatz auf das steuerpflichtige Einkommen.

Hat ein Arbeitnehmer beispielsweise ein steuerpflichtiges Einkommen von 30.000 € im Jahr und zusätzlich 5.000 € Kurzarbeitergeld erhalten, dann muss er zwar nur die 30.000 € versteuern, der Steuersatz aber bemisst sich an den 35.000 €. Kurzarbeitergeld ist eine Lohnersatzleistung. Haushalte, die mehr als 410 Euro Lohnersatzleistung erhalten, müssen eine Steuererklärung abgeben. Bei der Steuerberechnung wendet das Finanzamt einen Kunstgriff an: Es nimmt den Steuersatz, der zum Zuge käme, wenn auch das Kurzarbeitergeld steuerpflichtig wäre. Technisch ausgedrückt: Kurzarbeitergeld unterliegt dem so genannten Progressionsvorbehalt. „Finanztest“, die Zeitschrift der Stiftung Warentest, hat eine Beispielrechnung aufgestellt: Ein berufstätiges Ehepaar, das im Jahr 2008 zusammen 40.000 € versteuern muss, wird dafür mit einem Steuersatz von 14,25 Prozent belegt (macht 5.700 € Steuern). Hat es gleichzeitig 10.000  € Kurzarbeitergeld bezogen, erhöht sich sein Einkommen auf 50.000 €, was einen Steuersatz von 17,07 Prozent ergibt. Diese 17,07 Prozent werden nun auf das steuerpflichtige Einkommen von 40.000 € bezogen (macht 6.828 € Steuern). Der Unterschied: 1.128 €. Diesen Betrag fordert das Finanzamt dann nach. Als Annäherung was auf einen an Nachzahlung zukommt eignet sich ganz gut der link: http://www.Finanzamt.bayern.de/ service/Berechnungsprogramme/progressionsvorbehalt/rechner.asp Der folgerichtige Tipp von „Finanztest“: Während des Jahres Geld zurücklegen, wenn Kurzarbeitergeld bezogen wird. So vermeidet man Zahlungsschwierigkeiten, wenn das Finanzamt im Steuerbescheid später Steuern nachfordert. Dem Progressionsvorbehalt unterliegen übrigens auch alle anderen Lohnersatzleistungen: Arbeitslosen-, Kranken- und Verletztengeld, Mutterschafts-, und Elterngeld, das Altersübergangs- und das Vorruhestandsgeld. Die Servicegesellschaft der IG Metall bietet Mitgliedern zudem in 3000 Lohnsteuerberatungsstellen eine günstige Beratung an. Die Berater vor Ort finden sich unter www.igmservice.de.

Nr. 260/September 2009

Weniger Steuern für Jahreswagen Was uns für Mercedes etwas Hoffnung gäbe, wäre eine steuerlich günstigere Regelung für den Kauf von Jahreswagen. Die GBRVorsitzenden der deutschen Automobilindustrie haben gemeinsam mit der IG Metall eine politische Initiative zur Verringerung der Werkswagenbesteuerung gestartet. Auch hierdurch sollen neue, umweltfreundlichere Autos verstärkt in den Markt gebracht werden und gleichzeitig ein Einbruch der Autoindustrie nach Auslaufen der Abwrackprämie verhindert werden.

Unsere Forderung lautet, dass nicht mehr nur ein Teil, sondern die vollen Händlerrabatte bei der Berechnung des geldwerten Vorteils berücksichtigt werden sollen. Wir gehen derzeit von hohen Rabatten auf den

Listenpreis aus, die die Höhe der Mitarbeiterrabatte erreichen können. Mit der bisherigen steuerlichen Regelung macht der Mitarbeiter zurzeit mit dem Kauf eines Werkswagens ein Verlustgeschäft, es werden sozusagen Scheineinkünfte besteuert. Daher ging das Kaufmodell in unserem Firmenangehörigengeschäft deutlich zurück (von 1989 79.000 über 2004 mit 42.000 auf 2009 nur noch 7.000 Stück). Schützenhilfe bekommen haben wir Ende August vom Bundesfinanzhof. Dieser hat in einem Urteil die bisherige restriktive Steuerregelung gekippt. Wir werden weiter dran bleiben, dass die Politik eine neue Steuerregelung auch tatsächlich umsetzt.

Für Beschäftigte bei der Daimler AG

Kaleidoskop Hoelzel in der Avantgarde

Termin:

Nr. 260/September 2009

Mittwoch, 30. September 2009, 18:00 Uhr

Treffpunkt: 17:45 Uhr,, Kunstmuseum Stuttgart Schlossplatz 2, 70173 Stuttgart

Adolf Hölzel: Ornament I, 1917/18, Öl auf Karton Kunstmuseum Stuttgart

©

zählen Oskar Schlemmer, Willi Baumeister, Johannes Itten oder Ida Kerkovius. In seinem eigenen künstlerischen Schaffen zog Hölzel das Pastell und die Glaskunst dem großen mal-

Führung:

Susanne Jakob

Kosten:

€ 17,00 (Führung, Eintritt)

Anmeldung bis spätestens eine Woche vor der Führung bei: Isa Pscheidl, Daimler AG, Werk 010, E 606, 70546 Stuttgart, Tel. (0711) 17- 2 06 78, Fax (0711) 17-5 33 20 oder bei Julia Massek, E 610, Tel. (0711) 17- 5 64 46, Fax (0711) 17- 5 88 77, E-Mail: [email protected] Vorschau: La Bohème – Künstlerleben vom Ku´damm bis zum Montmartre

Kunsterlebnis Nr. 1.194, 22. Oktober 2009

Anmeldung und Einzugsermächtigung für Kunsterlebnis Nr. 1.193 Mit der Unterschrift auf dieser Anmeldung geben Sie Ihre Ermächtigung zum Einziehen des Gesamtbetrages (Führung, Eintritt und evtl. Fahrtkosten) von Ihrem Bankkonto. Ihre personenbezogenen Daten werden ausschließlich für den Einzug des Betrags an Ihre Bank übermittelt. Wenn Sie an der angemeldeten Fahrt bzw. an der Führung nicht teilnehmen, ist eine Rückzahlung des Betrages leider nicht möglich. Um die Kunst intensiv zu genießen, ist die Teilnehmerzahl begrenzt. Weil die Reihenfolge der eingegangenen Anmeldung entscheidet, empfehlen wir, sich möglichst früh anzumelden.

Beim Betriebsrat im Werk Untertürkheim gibt es verbilligte Eintrittskarten für die Internationale Automobilausstellung (IAA). Die IAA findet vom 17. bis 27. September 2009 in Frankfurt/Main statt. Die Tageskarte für Werktage gibt es beim Betriebsrat für 8 statt 13 Euro, am Wochenende kostet die Karte 12,50 statt 15 Euro. Für den 17. und 18. September werden auch Fachmessekarten für 45 Euro verkauft. Auf die Fachmessekarten gibt es keinen Rabatt. 50 Cent pro Karte kommen dem Projekt POEMA zugute. Mit den Spenden werden in Amazonien (Brasilien) unter anderem Trinkwasserbrunnen gebaut. Die Karten gibt es in Untertürkheim im Infocenter des Betriebsrats (Zimmer 25 im Gebäude 136, EG) oder im Betriebsratsbüro der PKW Entwicklung (Gebäude 122/III, 3. Stock Zimmer 3q.082) bei Udo Bangert (Tel. 2 16 34) oder in Mettingen Gebäude. 8, 1. Stock; Zimmer 102 bei Harald Weiss (Tel. 6 68 69).

erischen Format vor. Wohl auch darum ist Hölzels Werk bislang zu wenig beachtet, obwohl seine Suche nach einer neuen, individuellen Form des Bildes ihn an die Seite von Wassily Kandinsky, Piet Mondrian, Franticek Kupka oder Robert Delaunay stellt. In der Ausstellung werden Werk und bildnerisches Denken Adolf Hölzels umfassend beleuchtet.

Kunsterlebnis Nr. 1.193

Das Kaleidoskop ist ein Bild für die Vielfalt unserer modernen Welt, für ihre Zersplitterung, Beweglichkeit, aber auch das Streben nach Symmetrie und Einheit. All diese Motive prägen die Kunst Adolf Hölzels, der ab 1899 aus ästhetischen Gründen seine Werke mit »A. Hoelzel« signierte. Er zählt zu jenen Pionieren, die ihre Bildgegenstände zunehmend bstrakt gestalteten, um so eine »der Natur parallele« Bildwelt zu schaffen. Dabei kommen Werke zustande, die eine spannungsvolle Schwebe zwischen Ungegenständlichkeit und Motiv halten. Die Wirkung Hölzels, vor allem durch seine Farbtheorie, auf die jüngere Künstlergeneration des Bauhauses ist enorm. Ab 1905 lehrte er an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, zu seinen Schülern

Rabatt auf IAA-Karten beim Betriebsrat

Kaleidoskop Hoelzel in der Avantgarde 30. September 2009, Kunstmuseum Stuttgart

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