Sachanalyse: Basale Stimulation

Sachanalyse: Basale Stimulation Autorin der Sachanalyse:Dorothea Meudt Zu Beginn der Sachanalyse sollen die Prinzipien der Basalen Stimulation darges...
Author: Jacob Stein
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Sachanalyse: Basale Stimulation Autorin der Sachanalyse:Dorothea Meudt

Zu Beginn der Sachanalyse sollen die Prinzipien der Basalen Stimulation dargestellt werden. Basale Stimulation ist ein Konzept zur Förderung, Pflege und Begleitung schwerst beeinträchtigter Menschen, das 1975 von Prof. Fröhlich in Zusammenarbeit mit körperlich und schwer geistig behinderten Kindern entwickelt wurde. In den 80iger Jahren hatte Christel Bienstein das Konzept auf die Erwachsenenpflege übertragen. Basal stimulierende Pflege ist eine Form der pädagogischen Pflege! Pflegende erkennen die Lebenswirklichkeit des Patienten als für ihn sinnvoll an und treten mit ihm in eine respektvolle, vertrauensvolle, angemessene Beziehung. Sie lassen ihn unter lernpsychologisch angemessenen Bedingungen subjektiv bedeutsame Inhalte realisieren und neue Erlebnis- und Gestaltungsmöglichkeiten entdecken. Diese Pflege ist abwechslungsreich und anregend, ohne zu überfordern und läßt Zeit zur Verarbeitung. Basale Stimulation ist keine Technik, sondern eine andere Form des Umgangs ( erst Beziehung aufbauen, dann fördern). Tätigkeiten, die sowieso gemacht werden, können nunmehr patientenorientiert, prozeßhaft und fördernd angeboten werden, dabei wird nicht rezepthaft, sondern indiviualisiert vorgegangen. Als Zielgruppen kommen alle Menschen in Frage, die in ihrer Fähigkeit zur Wahrnehmung, Bewegung und Kommunikation eingeschränkt oder gestört sind. Konkret sind es bewusstlose Menschen, desorientierte Menschen, somnolente Menschen, Menschen mit hypoxem Hirnschaden, Menschen mit Morbus Alzheimer, Sterbende, Betagte und behinderte Menschen.

1 Wissenschaftlicher Begründungszusammenhang Hilflosigkeit und das Gefühl des ohnmächtigen Ausgeliefertseins machen jedem Menschen Angst und führen zu Unsicherheit und Abwehr. Aus Angst folgen Verspannung- Verzweiflung- Hoffnungslosigkeit- Rückzug- VereinsamungDepression- Schlaflosigkeit- Erschöpfung. (Juchli,1997). Pflege und Pflegebedürftiger arbeiten in vielen Fällen gegeneinander statt miteinander, was die Pflege auf beiden Seiten unnötig erschwert und einem erfolgreichen Pflegeergebnis von vornherein entgegen steht. Pflege ist als Prozeß zu verstehen, in dem "der Aufbau der qualitativ hochwertigen Beziehung als entscheidender Aspekt für die Pflege genannt" wird (Konzertierte Aktion, 1997). Beziehungsaufbau heißt auf der einen Seite die Perspektive des Gepflegten einzunehmen, seinen Pflegebedarf zu erkennen und einzuschätzen und seine Wünsche und Erfahrungen in die Pflege mit einzubeziehen, auf der anderen Seite aber auch als Pflegende/r mit allen Sinnen wahrzunehmen und die Wahrnehmungen fachlich zu reflektieren, um begründete Entscheidungen treffen zu können. Es handelt sich um einen Aushandlungsprozess zwischen Pflege und Patient, in dem beide Seiten zusammenarbeiten. ( s. a. Pflegeprozessmodell ). „Der Problemlösungsprozess wird erst wirksam durch die Qualität der Beziehung, die zwischen Schwester und Patient zustande kommt" (Fiechter & Meier, 1993). Wie aber kann eine Beziehung hoher Qualität entstehen, wenn nur eine Seite sie gestaltet und das Gegenüber nicht mit einbezieht? 1

2 Struktur der Inhalte Da es sich bei der "Basalen Stimulation" - wie schon erwähnt- um ein weitreichendes Thema handelt, ist es unmöglich, es in drei Doppelstunden erschöpfend zu behandeln. Darin sehe ich auch nicht den Sinn des Ganzen. Mein Anliegen ist es, den Schülern/innen einen Einblick in das Konzept und damit ein neues Pflegeverständnis zu vermitteln, was sich auf viele Pflegehandlungen der täglichen Praxis übertragen lässt. Als Inhaltsschwerpunkt gilt es für mich, den pflegebedürftigen Menschen in seiner Situation verstehen zu wollen, in der Lage zu sein, auch nicht gesprochen Informationen zu verstehen, deuten und entsprechend handeln zu können und ihn als vollwertigen Menschen und Partner mit Wünschen, Bedürfnissen und Ängsten zu akzeptieren. Gerader dieser Unterrichtsstoff lässt sich gut auf der Grundlage des Erfahrungsorientierten Lernens vermitteln. Empathie für den Patienten ist eine wichtige Voraussetzung für basal-stimulierende Pflege. Nur im Selbstversuch habe ich die Möglichkeit, Körpergefühlsstörungen und Empfindungen wie Machtlosigkeit und Ausgeliefertsein in Ansätzen nachzuvollziehen. Erst dann wird mir der Zugang zur Gefühlswelt des anderen Menschen eröffnet werden, und ich kann den Kommunikationsangeboten auf verschiedenen Ebenen entsprechende Bedeutung beimessen. Auf diese Weise kann der/die Schüler/in vielleicht als Mensch erahnen, wie wichtig die Wertschätzung und Wahrnehmung meines Gegenübers ist. Aus diesem Grunde lege ich auf Übungen zur Eigenerfahrung in jeder der drei Doppelstunden der Unterrichtsreihe großen Wert. Hier wiederum bietet sich die Partnerarbeit an. Durch die freie Partnerwahl gebe ich den Auszubildenden die Möglichkeit, einen gewissen Grad an Nähe und Distanz selbst mitzubestimmen. Gleichzeitig aber ermöglicht es einen Austausch von Erfahrungen und die Möglichkeit zur Reflexion, da jeder der Teilnehmer auch Gelegenheit hat, die entsprechende Situation versuchsweise zu erleben. Analysiert man auf diesem Hintergrund Pflegesituationen, in denen der Umgang mit wahrnehmungsgestörten Patienten vollzogen wird, werden folgende Aspekte schwerpunktmäßig hervorgehoben: 2.1 Die Rolle des Patienten Das Alten- und Pflegeheim stellt heute noch das hauptsächliche Handlungsfeld der Altenpflegerinnen und Altenpfleger dar, wird zukünftig aber wohl mehr und mehr vom ambulanten Pflegebereich abgelöst werden. Pflegeanlässe sind häufig durch die Tatsache gegeben, dass Menschen im fortgeschrittenen Alter die Hilfe und Unterstützung durch professionelle Pflege bei der Erfüllung der Aktivitäten des täglichen Lebens benötigen, die ihnen in ihrer gewohnten Umgebung nicht oder nicht mehr gewährt werden kann, sei es, dass der erforderliche Pflegeaufwand über die Maßen groß ist, die häuslichen Gegebenheiten unzureichend sind und/oder Angehörige nicht oder nicht mehr in der Lage sind, eine ausreichende Pflege sicherzustellen. Für den Pflegebedürftigen bedeutet das einen Einschnitt in sein Leben. Zu nennen ist hier der Verlust der gewohnten Umgebung, der Verzicht auf Selbständigkeit, indem Mahlzeiten kollektiv eingenommen werden, der Tagesrhythmus vorgegeben wird und u.a. noch ein geringes Platzangebot besteht sowie der Abschied von liebgewordenen Gewohnheiten.

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Aufgrund der heute gängigen Finanzierung sind die Menschen zum Zeitpunkt der Aufnahme in ein Alten- und Pflegeheim leider häufig schon stark eingeschränkt in ihren Aktivitäten und schwer pflegebedürftig, so dass eine aktive Kontaktaufnahme und Eingewöhnung in die neue Umgebung schwer fällt oder gar unmöglich ist. Einschränkungen in der Wahrnehmung ( Sehen, Hören ) führen zu Orientierungsverlust, Unsicherheit und ängstlichen Reaktionen, oft kann sich der Pflegebedürftige aufgrund von Sprachstörungen nicht mehr adäquat äußern. Er fühlt sich fremden Menschen ohnmächtig ausgeliefert und kann sich Vorgänge in seiner unmittelbaren Umgebung nicht erklären. Bei stark pflegebedürftigen, bettlägerigen Menschen kommt es zusätzlich durch die eingeschränkte Eigenbewegung des Körpers zu Mißempfindungen, zum Beispiel zum Verschwimmen der Körpergrenzen (Schürenberg, 1995, Nydahl, 1999). Die eigene Person wie auch die Umwelt werden immer undeutlicher wahrgenommen, es kommt zu Fehlinterpretationen und Desorientiertheit. Jeder in der Pflege Tätige kennt ältere Patienten, die nach der Einlieferung ins Krankenhaus oder Pflegeheim verwirrt sind, aggressiv reagieren, an Koordinationsstörungen leiden oder sich und andere in ihrer Identität verwechseln. Diese Menschen sind oft auf sprachlich- kommunikativer Ebene nicht mehr erreichbar. Aber aus ihrem Verhalten und ihrer Körperreaktion können die Pflegenden viele Informationen ablesen, die für eine Kommunikation mit dem Patienten oder Bewohner die Grundlage sein können. An dieser Stelle läßt sich die Isolation des pflegebedürftigen Menschen durchbrechen. 2.2 Die Rolle der Pflegenden Altenpflegerinnen und Altenpfleger haben in Alten- und Pflegeheimen die Aufgabe, den Bewohner professionell zu pflegen, Komplikationen und potentielle Probleme zu erfassen und frühzeitig zu intervenieren, dem Patienten eine Deutung seines Zustandes anzubieten und ggf. Eingriffe zu erklären, mögliche Folgen der Immobilität zu bekämpfen und den Patienten, eventuell auch Angehörige zu beraten und gefühlsmäßig zu unterstützen. Ausgangspunkt allen pflegerischen Handelns ist Wahrnehmung und Kommunikation. Festgestellt werden muß beispielsweise, welche subjektiven Bedürfnisse der Bewohner hat, an welcher Stelle seiner Meinung nach Pflege tätig werden soll und wo objektiver Pflegebedarf besteht. Ist die sprachlichkommunikative Ebene gestört, heißt das für die Pflegeperson, auf die noch vorhandenen Ressourcen des Patienten/ Bewohners zurückzugreifen, um Verständigung zu ermöglichen. Hier bietet die "Basale Stimulation" der Pflege vielfältige Möglichkeiten. Die Pflege macht dem Pflegebedürftigen verschiedene Angebote, über deren Entwicklung der Patient/ Bewohner selbst entscheidet. Dabei wird er als gleichwertiger Partner verstanden und als ganzheitlicher Mensch mit einer individuellen Geschichte und persönlichen Bedürfnissen gesehen. Wichtig hierbei ist es, den Menschen so zu akzeptieren wie er ist, er muss keine Vorleistungen erbringen. ( Fröhlich, 1992). So wird Pflege zur Basis von Kommunikation, der Beziehungsprozess kann von beiden Seiten aktiv gestaltet werden, und die Pflegekraft begleitet den alten Menschen in seiner letzten Lebensphase ohne ihn zu "entmündigen". Interessierte Bezugspersonen können problemlos in die Pflege des schwer pflegebedürftigen Menschen mit einbezogen werden. Vertraute Körperkontakte, Stimmen, Gerüche usw. verstärken die Kontaktmöglichkeiten beträchtlich und sind sowohl für den Patienten und Bewohner als auch für die Pflege ein Gewinn. Hier hat die Pflegekraft die Aufgabe, Angehörige in die Betreuung zu integrieren, sie anzuleiten, eventuelle Ängste abzubauen und sie zu ermutigen, sich über Körperberührungen verständlich zu machen. 3

Basale Stimulation fördert nicht nur die Beziehung zum Pflegebedürftigen, sie verändert auch die Pflegenden selbst Die Wahrnehmungsfähigkeit und die eigene Körpersensibilität werden geschult. Pflegende gestalten professionell den Beziehungsprozess und setzen sich mit Nähe und Distanz bewusst auseinander. Die Pflege wird selbstbewußter, gleichzeitig hinterfragt und reflektiert sie aber ihr Handeln. 3 Stimulationsarten 3.1 Somatische Stimulation Berührungen sind immer eine Form von Kommunikation, d.h. Variationen in Nähe und Distanz, Haut und Materialkontakt, ermöglichen Körper- und Umwelterfahrungen, d.h. Variationen durch Berührungstiefe und lassen nachvollziehbare Sinnzusammenhänge spürbar werden, z.B. Kleidung wechseln, Decke wegziehen, Verbandwechsel. Sie sollen generell großflächig, klar und eindeutig sein, punktuelle Berührungen sollen vermieden werden. 3.2 Initialberührung Die Initialberührung ist eine ritualisierte Begrüßung, durch die der Patient Sicherheit und Orientierung erfährt. Im Allgemeinen wird der Patient zuerst mit Namen angesprochen, dann initial berührt, dann informiert und danach erfolgt die Pflegehandlung. Der Abschluss wird genauso durchgeführt. Im Allgemeinen berührt die Pflegende den Patienten an zentralen Körperstellen (cave: Sternum, bei hemiplegischen Patienten auf der nicht-betroffenen Seite). 3.3 Basal stimulierende Ganzkörperwaschung: Es gibt unterschiedliche Formen der Ganzkörperwaschung. Zu nennen sind hier die beruhigende, belebende und entfaltende. Zudem entstehen Variationen durch die Tageszeit, die Reihenfolge, die Temperatur, das Material, die Zusätze, den Druck, die Geschwindigkeit, die Haarwuchsrichtung, die Vollständigkeit, die Häufigkeit, die Umgebung, die Nähe, und die Persönlichkeit des Patienten. Entscheidend ist auch der Stand der Rehabilitation des Patienten. 3.4 Lagerung Patienten können im Rahmen der Basalen Stimulation individuell und situationsgebunden gelagert werden. Um Aktivitäten mit dem Patienten umzusetzen ist eine Oberkörperhochlagerung notwendig. Häufige und kleinere Lagerungswechsel sind förderlich für den Patienten. Weiche Lagerung sollen vermieden werden. Zudem sollten unterschiedliche Materialien genutzt werden.

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3.5 Bewegungen Hier ist entscheidend, daß der Patient das Tempo der Bewegung bestimmt. Es werden geführte Bewegungen umgesetzt. Pflegende und Patient sollen sich in der Bewegung erfahren, z. B. im Atemrhythmus. Bekannte Bewegungsmuster sollen unterstützt werden. Es soll die Möglichkeit gegeben werden, dass sich der Patient in Körper und Raum orientieren kann. 3.6 Vestibuläre Stimulation Hier lässt sich allgemein beschreiben, dass eine somatische Sicherheit somatische Erfahrungen ermöglicht. Vestibuläre Erfahrungen sind anders. Eine Umlagerung kann eine vestibuläre Stimulation sein. Geführte Bewegung können als Unterstützung dienen und vestibuläre Erfahrungen beinhalten sowie ein gemeinsamer Dialog beim Atemrhythmus. 3.7 Vibratorische Stimulation Wichtig erscheint hier, dass die Vibration sinnvoll, strukturiert und systematisch dem Patienten angeboten werden soll. Sie setzt am Ende der Röhrenknochen an, d.h. von peripher nach zentral. Bei Patienten mit Hemiplegien wird zuerst die nicht betroffenen Seite, danach die betroffene Seite stimuliert. Patienten mit einer Spastik oder mit Hirndruckgefahr dürfen nicht mit dem Vibrax oder ähnlichen Matrialien behandelt werden. Hier liegt eine Kontraindikation vor. 4 Anforderungen an basal stimulierende Pflege Pflegende dürfen in der Basalen Stimulation vieles mit ihren Patienten ausprobieren, es darf aber nicht für ihn zum Stress werden. Es darf nicht alles auf einmal ausprobiert werden. Langsam muss die Stimulation des Patienten wie auch die eigene Fähigkeit auf- und ausgebaut werden. Basale Stimulation ist professionelle Improvisation und Interaktion! Es gibt eine klare, nachvollziehbare Struktur. Sie ermöglicht es dem Patienten, sich auf den Ablauf einer Handlung zu konzentrieren, sich auf seinen Körper zu besinnen und diesen klar und deutlich wahrzunehmen. Klare Struktur schafft Orientierung! Handlung muss für Patienten nachvollziehbar sein und für ihn einen Sinn ergeben. Individuelle Erfahrungen des Patienten sind zu berücksichtigen, damit er Handlungen, Gegenstände und vertraute Bewegungen wiedererkennt. Behutsame Interaktion sind wichtig. Der Patient darf nicht überfordert werden. Informationen müssen von ihm verarbeitet werden können. Wichtig erscheint auch, die Reihenfolge im Rahmen des Beziehungsaufbaus zu beachten. Es erfolgt zuerst die Begleitung danach die Förderung des Patienten (Pflegezeitschrift 4/99). Autorin der Sachanalyse Dorothea Meudt Kükenshove 17 33617 Bielefeld 5