S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G:

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Author: Sara Schmid
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Diese Kopie wird nur zur rein persönlichen Information überlassen. Jede Form der Vervielfältigung oder Verwertung bedarf der ausdrücklichen vorherigen Genehmigung des Urhebers © by the author

SÜDWESTRUNDFUNK FS-INLAND R E P O R T MAINZ S E N D U N G:

17.02.2015

http://www.reportmainz.de

Asylhölle Ukraine: Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa verschwinden über Jahre in ukrainischen Gefängnissen Autor:

Heiner Hoffmann

Kamera:

Till Thalmann Eduard Sperling

Schnitt:

Sylke Nattermann

Moderation Fritz Frey: Wenn in den Nachrichten der Begriff Ukraine fällt, dann wandert der Blick automatisch in den Osten des Landes. Wie steht es heute um die strategisch wichtige Stadt Debalzewo? Übrigens, eine der Fragen, die sich gleich die Tagesthemen vornehmen. Aber zu glauben, in der Westukraine sei die Welt in Ordnung, das wäre ein Fehler. Unter anderem in der Westukraine, unweit der Stadt, die früher Lemberg hieß, hat unser Reporter Heiner Hoffmann gemeinsam mit dem Spiegel Gefängnisse entdeckt. Gefängnisse, die es so nicht geben dürfte. Warum? Weil hier Menschen inhaftiert werden, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen – außer, dass sie Flüchtlinge sind und in der Europäischen Union Asyl beantragen wollten.

2 Bericht: Er ist endlich am Ziel seiner Träume angekommen – Hasan Hirsi lebt jetzt in Deutschland, in Landau in der Pfalz. Den Weg hierher bezeichnet er nur als „Hölle“. Hassan stammt aus Somalia, einem Land im Krieg. O-Ton, Hasan Hirsi, somalischer Flüchtling: »Ich musste mein Land verlassen, weil ich dort verfolgt wurde. Ich war noch ein Jugendlicher, als ich geflohen bin. Mein Vater wurde von Islamisten getötet und mich haben sie auch mit dem Tod bedroht.« Er ist nicht einmal volljährig, als er alleine flüchtet. Hasan versucht es über die weniger bekannte Ostroute in die EU zu schaffen: Ein Flug nach Moskau, dann auf dem Landweg weiter durch die Ukraine, sein Ziel: weiter nach Westen. Doch daraus wird nichts, in der Ukraine kommt er erst einmal in Haft. O-Ton, Hasan Hirsi, somalischer Flüchtling: »Da hatte ich erkannt, dass die Situation für mich in der Ukraine schrecklich war, ich konnte nicht bleiben. Sie haben uns Flüchtlinge da sogar geschlagen.« Er erzählt, am Anfang sei er sogar mit Elektroschocks gefoltert worden. Gefangen in der Ukraine, nur weil er aus einem Kriegsland geflohen war? Wie kann das sein? Wir machen uns auf die Suche nach diesen Gefängnissen, fahren in die Ukraine. Mitten im Wald finden wir eine der Haftanstalten. Wir können noch schnell heimlich ein paar Bilder machen, bevor wir von ukrainischen Soldaten weggeschickt werden. Das Besondere: Die Gefängnisse werden mit Millionenbeträgen aus Brüssel mitfinanziert – wohl um Flüchtlinge schon vor den EUAußengrenzen zu stoppen. Zwei weitere – komplett finanziert aus Brüssel – sollen demnächst einsatzbereit sein. Wir treffen Marc Speer, der Deutsche forscht über die Situation von Flüchtlingen in der Ukraine und arbeitet für eine Organisation, die sich für deren Rechte einsetzt.

3 O-Ton, Marc Speer, Bordermonitoring.eu: »Also wer hier bei der Flucht erwischt wird, der landet in der Regel ein Jahr lang im Gefängnis, die mit Hilfe der EU aufgebaut worden sind. Und das muss man sich so vorstellen, dass ist so eine Art von Strafe für den irregulären Grenzübertritt oder eben für den Versuch, über die Grenze zu kommen.« In einem versteckten Café im ukrainischen Grenzgebiet zur EU treffen wir zahlreiche Flüchtlinge, die hier feststecken. Viele von ihnen waren selbst in den Gefängnissen – so wie Ali aus Somalia. Zweimal wollte er weg aus diesem Land, in die sichere EU. Einmal hat er es sogar über die Grenze geschafft, aber bleiben durfte er nicht. O-Ton, Ali Jaga, somalischer Flüchtling: »Sie haben mich in der Slowakei gefasst und dann einfach mitten in der Nacht in die Ukraine zurückgebracht. Die haben nicht einmal gesagt, dass sie uns in die Ukraine zurückschicken. Es hieß: Wir bringen euch in ein Flüchtlings-Camp. Aber dann haben wir die ukrainische Flagge gesehen.« Er landet wieder im Gefängnis. Die Außengrenzen der EU im Osten sind dicht. Fälle von diesen Rückführungen – so genannten Pushbacks – sind auch dem UN-Flüchtlingshilfswerk in Kiew bekannt. O-Ton, Ilja Todorovic, UNHCR Kiew: »Uns liegen Berichte vor, dass Flüchtlinge, die aus guten Gründen nicht in der Ukraine bleiben wollen, versuchen in die EU zu gelangen. Aber auf der EU-Seite der Grenze werden sie dann gestoppt und zurückgeschickt. Man kann sagen rechtswidrig zurückgeschickt, weil sie keinen Asylantrag in der EU stellen dürfen. Das bereitet uns Sorgen.« Die EU-Kommission schreibt uns, sie hingegen sei – Zitat – „nicht über Fälle von spezifischen oder umfassenden Pushbacks informiert.“

4 Zurück zu Hasan in Landau. Dreimal ist er nach eigenen Aussagen selbst Opfer dieser pushbacks geworden. Hat insgesamt fast drei Jahre in Gefängnissen für Migranten verbracht, mehrere davon mitfinanziert von der EU. O-Ton, Hasan Hirsi, somalischer Flüchtling: »Wir haben uns alle gefragt: Wie können die uns so lange hier einsperren ohne jede Grundlage. Wir waren doch keine Kriminellen, keine Gangs. Wir sind Flüchtlinge, wir brauchten Asyl. Dann haben wir einen Hungerstreik gemacht gegen diese willkürliche Haft.« Doch an der Haftzeit für Flüchtlinge hat sich seitdem nichts geändert. Offiziell dient sie der Abschiebung oder Feststellung der Identität der Flüchtlinge – ein ganzes Jahr lang. Was sagt die Europäische Union dazu? Schriftlich bekommen wir folgende Antwort: Zitat: »Die EU unterstützt die Ukraine, um irreguläre Migration und den Umgang mit Asylbewerbern nach besten europäischen Standards handhaben zu können.« Dabei ist die Lage für Flüchtlinge in der Ukraine auch außerhalb der Gefängnisse katastrophal, sie kriegen Essen im Wert von weniger als einem Euro pro Tag, viele klagen über fehlende medizinische Versorgung. Es gibt keine Chance auf Arbeit, alle berichten von Gewalt gegen Migranten. Die EU weiß das. Doch ihre Grenzen hält sie seit Jahren zuverlässig dicht – mit Zurückweisungen an der Grenze, mit Gefängnissen für Migranten. Selbst beim UN-Flüchtlingshilfswerk in Kiew verliert man inzwischen die übliche diplomatische Zurückhaltung. O-Ton, Ilja Todorovic, UNHCR Kiew: »Die EU benutzt die Nachbarstaaten im Osten, schickt Geld und andere Dinge, um dann öffentlich zu behaupten: Flüchtlingen in der Ukraine geht es doch gut. Wir aber arbeiten hier und wissen: Das stimmt nicht wirklich. Wenn man das also als Ausrede benutzt, um den Flüchtlingsstrom auszubremsen, dann sticht Politik die

5 Menschlichkeit aus. Das Flüchtlingsproblem wird ausgelagert.« Ali, der immer noch in der Ukraine festsitzt, hat inzwischen zwei Kinder – mit ihnen hat er die Flucht seit drei Jahren nicht mehr gewagt. O-Ton, Ali Jaga, somalischer Flüchtling: »Es wird sehr hart, aber ich habe keine Wahl, ich muss es wieder probieren. Sonst bliebe mir und meinen Kindern nur das Leben hier. Wir haben keine Zukunft hier. Vielleicht werden sie mich wieder zurückschieben, ich weiß es nicht.« Frage: Hast du Angst vor dem Gefängnis? O-Ton, Ali Jaga, somalischer Flüchtling: »Ja, habe ich.« Hasan aber hat es beim fünften Fluchtversuch endlich nach Deutschland geschafft. O-Ton, Hasan Hirsi, somalischer Flüchtling: »In Deutschland sehe ich für mich endlich ein gutes Leben. Meine Hoffnung ist wieder da, ich habe keine Probleme mehr. Ich lerne jeden Tag Deutsch, ich integriere mich hier. Es geht mir gut.« Sein Kumpel Ali aber noch ist weit davon entfernt.

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