S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G:

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SÜDWESTRUNDFUNK FS-INLAND R E P O R T MAINZ S E N D U N G:

22.08.2011

http://www.reportmainz.de

Bundestag ohne Macht: Wie Merkel das Parlament bei der Eurorettung übergeht Autoren:

Ina-Gabriele Barich Ulrich Neumann

Kamera:

Helmut Fischer Andreas Kerle Frank Hemming

Schnitt:

Frank Schumacher

Moderation Fritz Frey: Die Lage ist dramatisch: Die Börsen spielen Achterbahn. Was immer die Märkte lenkt, es ist außer Kontrolle geraten, und um den Euro muss gekämpft werden. Die Bundeskanzlerin agiert wie eine einsame Dompteurin, der Bundestag ist in Fragen Euro-Rettung schlichtweg außer Betrieb. Schlimmer noch: Die Regierung setzt sich in der Finanzkrise über Beschlüsse des Bundestages einfach hinweg, das Parlament ist – wie Ina Barich und Ulrich Neumann recherchiert haben – zum Zuschauen verurteilt. Währenddessen wächst die Wut der Bürger.

2 Bericht: O-Ton, Bürger: »Wir diskutieren monatelang über Hartz-IVErhöhung von fünf Euro, und geben mal eben Milliarden-Beträge für die Haftung fremder Schulden weg.« O-Ton, Bürger: »Wenn jemand nicht in der Lage ist, Geld an den Kapitalmärkten aufzunehmen, dann muss er sparen – oder Bankrott anmelden.« O-Ton, Bürger: »Ich habe Angst vor Inflation.« Bürger in Sorge, Bürger in Wut. Wir treffen Unternehmer, Freiberufler und Angestellte. Sie haben 13.000 Unterschriften gegen den zweiten Euro-Rettungsschirm für eine Bundestagspetition gesammelt. Sie beklagen, dass ständig über ihre Köpfe hinweg entschieden wird. O-Ton, Bürger: »Es gibt irgendwelche Leute, die leben über ihre Verhältnisse. Die geben das Geld aus, was sie niemals erarbeiten können, und versuchen dann andere in die Haftung zu nehmen.« O-Ton, Bürger: »Aus Nehmer-Ländern werden ForderLänder. « O-Ton, Bürger: »Da werden alle möglichen Interessen vertreten, aber nicht die Interessen von der Frau an der Wursttheke, von dem Menschen, der im Lager arbeitet, von der Kellnerin, von der Krankenschwester in Hamburg, keine Ahnung! Die werden alle nicht vertreten, sondern deren Geld wird in der Gegend rumgekippt.« Sind ihre Sorgen und Ängste bei den ganzen Rettungsmaßnahmen berechtigt?

3 Wir recherchieren: Welchen Einfluss hat der Bundestag wirklich auf die Euro-Rettungsschirme. Wie ernst wird er genommen als wichtigster Repräsentant des Wählers? Nach Recherchen von REPORT MAINZ wurden mehrfach Beschlüsse des Bundestages von der Bundesregierung gebrochen. So zum Beispiel der vom 17. März 2011. Darin fordern Abgeordneten die Bundesregierung unter anderem auf für die „Wahrung der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank“ – EZB, zu sorgen. Doch die Bundesregierung tritt die Unabhängigkeit der EZB mit Füßen, sagen Fachleute, zum Beispiel Professor Wolfgange Gerke. Er war an der Einführung des Euros mitbeteiligt und ist einer der angesehensten Finanz- und Börsenexperten Deutschlands. O-Ton, Prof. Wolfgang Gerke, Präsident Bayerisches Finanz Zentrum: »Die EZB ist zu einer Bad Bank für europäische Staatsanleihen geworden. Die Deutsche Bundesbank hätte das nie gedurft, und die EZB darf es auch nicht. Das ist Vertragsverletzung pur.« Ein weiterer Kernpunkt im Beschluss vom 17. März ist für die Abgeordneten „die Vermeidung einer Haftungsgemeinschaft für Schulden anderer Staaten“. Doch die Haftungsgemeinschaft haben wir schon längst. O-Ton, Prof. Wolfgang Gerke, Präsident Bayerisches Finanz Zentrum: »Wenn ich einem Land wie Griechenland, das am Markt 20 Prozent Zinsen zahlen muss, Geld zu 3,5 Prozent gebe, dann ist die Differenz eine echte Subvention. Jeder Privatmann würde sich über so eine Subvention freuen. Und das geht in zweistellige Milliardenbeträge hinein, die hier jedes Jahr an Transfer geleistet werden.« Und noch ein Beispiel aus dem Beschluss vom 17. März: Der Bundestag erwartet, dass „gemeinsam finanzierte oder garantierte Schuldenaufkauf-Programme ausgeschlossen werden“. Auch das hat die Bundesregierung längst gekippt. Deutliche Worte von einem FDP-Abgeordneten an die eigene Mannschaft – die schwarz-gelbe Regierung:

4 O-Ton, Frank Schäffler, FDP, Finanzausschuss Bundestag: »Frau Merkel hat das Gegenteil dessen verhandelt, was der Deutsche Bundestag im März beschlossen hat. Und das ist nicht in Ordnung. Entscheidend ist, dass das Parlament den Rahmen setzt, mit dem die Regierung dann auf die entsprechenden Gipfel geht, und das muss auch die Brandmauer für die Regierung sein.« Nach Recherchen von REPORT MAINZ hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit den Euro-Rettungshilfen mindestens gegen drei weitere Beschlüsse des Bundestages verstoßen. O-Ton Prof. Wolfgang Gerke, Präsident Bayerisches Finanz Zentrum: »Man muss, um hier den Regierenden Einhalt zu gebieten, das Bundesverfassungsgericht jetzt einschalten. Und die müssen schnell handeln, sonst sind die Folgen so weit, dass wenn das Bundesverfassungsgericht dann hingeht und sagt, nein, das ist nicht zulässig, dann ist es zu spät.«

Übrigens: Ein Interview dazu hat Bundesfinanzminister Schäuble abgelehnt. Und sogar die Deutsche Bank beklagt das Demokratiedefizit bei den Euro-Rettungsschirmen. In einem Papier der Forschungsabteilung vom Juli wird ein „Aufstand der Abgeordneten“ gefordert. Er hat den „Aufstand“ gefordert – Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Das Demokratiedefizit, fürchtet er, führe zu schweren Konsequenzen.

O-Ton, Dr. Thomas Mayer, Chefvolkswirt Deutsche Bank: »Wir brauchen diese demokratische Kontrolle, sonst wird Europa an einem Demokratiedefizit letztendlich leiden und womöglich, womöglich auseinander driften.« Bürger in Sorge, Bürger in Wut über die Euro-Rettungsschirme. Dagegen gibt es bundesweit fast täglich Veranstaltungen. Die Wähler: Sie fordern wirkliche Demokratie ein.

5 O-Ton, Bürger: »Und Demokratie heißt bis heute jedenfalls noch, dass der Demos, also das Volk, mitbestimmt. Und da sehen wir natürlich ein Riesendefizit.« O-Ton, Bürger: »Es ist jetzt irgendwann mal der Zeitpunkt erreicht: Jetzt ist Schluss mit lustig. Und das ist der Grund, warum wir jetzt sagen: Jetzt müssen wir aktiv werden.«

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