S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G:

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Author: Alke Ziegler
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Diese Kopie wird nur zur rein persönlichen Information überlassen. Jede Form der Vervielfältigung oder Verwertung bedarf der ausdrücklichen vorherigen Genehmigung des Urhebers © by the author

SÜDWESTRUNDFUNK FS-INLAND R E P O R T MAINZ S E N D U N G: 11.04.2011 http://www.reportmainz.de

Jobwunder in den Medien: Die Wahrheit hinter glänzenden Vermittlungszahlen

Autor:

Daniel Hechler Oliver Heinsch

Red. Mitarbeit:

Linda Brehm

Kamera:

Andreas Deinert Peter Kempter Kalle Klaas

Schnitt:

Boris Retkowski

Moderation Fritz Frey: Endlich auch mal einen Erfolg melden, dass man solche Träume in der Bundesagentur für Arbeit träumt, ist nur allzu verständlich. Immer wieder war die Mammutbehörde in die Kritik geraten – zu groß, zu ineffektiv, zu behäbig. Die FDP – als sie noch keine Atommeiler abschalten wollte – hätte den ganzen Laden am liebsten dichtgemacht. Und dann passierte es. Diese Schlagzeile: Rekord ! 1 Million Hartz IV-Empfänger in Jobs vermittelt.

2 Diese Schlagzeile erschien ausgerechnet in der Bild-Zeitung, dem Blatt, das für etliche Journalisten im Land Leitmedium ist. Doch was ist wirklich dran an der Erfolgsstory, die uns hier präsentiert wurde? Daniel Hechler und Oliver Heinsch mit der Wahrheit hinter der Schlagzeile. Bericht: Es war eine Exklusivmeldung der Bild-Zeitung. Ein Rekord, der in ganz Deutschland Schlagzeilen machte. 2010 soll die Bundesagentur für Arbeit eine Million Hartz-IV-Empfänger in Jobs vermittelt haben. So viele wie nie. Das wäre ein toller Erfolg. Er ist einer der angeblichen Erfolgsfälle. 2010 hat Ralph Lahann einen Job als Taxifahrer gefunden. Jahrelang war der Bürokaufmann Hartz-IVEmpfänger. Rund hundert Mal hat er sich beworben, bis es geklappt hat. Vom Vermittlungserfolg der Bundesagentur hat er nichts gemerkt.

O-Ton, Ralph Lahann: »Also ich bin erstaunt, überhaupt so was zu lesen. Ich muss sagen, ich war sechs Jahre arbeitslos und habe festgestellt, in diesen sechs Jahren hat mir die Arbeitsagentur in keinster Weise geholfen irgendwie eine Stelle zu finden. Ja, also wenn ich mich da nicht selbst drum bemüht hätte, wäre ich heute noch arbeitslos.« Merkwürdig. Was ist dran an der Rekordmeldung? Alles begann mit einem Anruf der Bild-Zeitung bei der Bundesagentur. Das Blatt habe einfach mal was Positives berichten wollen, heißt es bei der Pressestelle. Die hilft nur allzu gerne.

O-Ton, John-Philip Hammersen, Sprecher Bundesagentur für Arbeit: »Natürlich wollen wir auch einfach mal darstellen, es gibt bei allen anerkannten Mängeln, auch Erfolge.« Über diese Erfolgsmeldung hat sich DGB-Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy allerdings reichlich gewundert. Er versteht was von der Sache, sitzt im Verwaltungsrat der Bundesagentur.

O-Ton, Wilhelm Adamy, DGB-Arbeitsmarktexperte: »Es ist keinesfalls ein Rekord. Trotz anziehender Konjunktur haben immer noch weniger Hartz-IVEmpfänger einen neuen Job gefunden als 2007.« O-Ton, John-Philip Hammersen, Sprecher Bundesagentur für Arbeit:

3 »Wir haben mit Sicherheit nicht von einem Rekord gesprochen unsererseits.« Frage: Doch!

O-Ton, John-Philip Hammersen, Sprecher Bundesagentur für Arbeit: »Wer sagt Ihnen, dass wir das doch haben?« Frage: Die Kollegin hat das gegenüber der Bild-Zeitung, aber auch anderen Pressevertretern so formuliert.

O-Ton, John-Philip Hammersen, Sprecher Bundesagentur für Arbeit: »Dass es sich um einen Rekord handelt?« Frage: Ja.

O-Ton, John-Philip Hammersen, Sprecher Bundesagentur für Arbeit: »Dann müsste man sagen, wenn die Zahlen von Herrn Adamy richtig sind, wäre das von uns aus schlicht und ergreifend eine Fehleinschätzung gewesen.« Und dann gibt es noch ein Detail, das nicht so recht ins Bild passt.

O-Ton, Wilhelm Adamy, DGB-Arbeitsmarktexperte: »Zum zweiten muss man berücksichtigen, dass jeder zweite, der einen Job gefunden hat, nach kurzer Zeit wieder ins Hartz-IV-System zurückfällt, also der Job nur sehr, sehr befristet ist.« Immerhin, es bleiben eine Million Vermittlungen. Oder etwa nicht? Wir fragen ein bisschen genauer nach und bekommen von der Bundesagentur – nach einigem Zögern – ganz andere Zahlen. Den Job selbst gesucht haben knapp 540.000. Von der Bundesagentur vermittelt wurden nur etwa 120.000. Frage: Aber sind 120.000 Vermittlungen immer noch so ein großer Erfolg bei anspringender Konjunktur?

O-Ton, John-Philip Hammersen, Sprecher Bundesagentur für Arbeit: »Ehrlich gesagt, jede Vermittlung ist ein Erfolg.« Bei 120.000 ist er allerdings etwas kleiner als bei einer Million. Wer war da jetzt ungenau? Die Bundesagentur sagt uns, von „vermitteln“ sei nie die Rede gewesen. Man habe „integrieren“ gemeint, also irgendwie einen Job finden, egal wie.

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O-Ton, John-Philip Hammersen, Sprecher Bundesagentur für Arbeit: »Wir haben die Bild-Zeitung darauf hingewiesen, dass wir auf den Unterschied Wert legen, dass es hier um Integrationen geht und nicht um Vermittlungen.« Bild schildert das uns gegenüber ein bisschen anders. Zitat: „Die Fakten wurden von der Pressestelle der Bundesagentur mehrfach gegengecheckt. Das Wort „vermitteln“ wurde durch die Bundesagentur nie beanstandet oder gar problematisiert. Über das Wort „integrieren“ wurde nicht diskutiert. Viele Zeitungen steigen auf den angeblichen Vermittlungsrekord ein. Einige rufen vorher eigens bei der Bundesagentur an, lassen sich die Zahlen noch einmal erklären. Komisch, dass sich der Fehler ständig weiter verbreitet. Frage: Warum hat keiner der Kollegen den Unterschied verstanden zwischen einer Million Vermittlungen und 120.000 Vermittlungen, wenn Sie darauf aufmerksam gemacht haben?

O-Ton, John-Philip Hammersen, Sprecher Bundesagentur für Arbeit: »Ich kann, ehrlich gesagt, nicht wissen, warum andere Menschen etwas verstehen oder im Zweifelsfall nicht verstehen.« Mehrere von uns befragte Journalisten sehen das etwas anders. Einer von ihnen: Thomas Öchsner von der Süddeutschen Zeitung.

O-Ton, Thomas Öchsner, Autor Süddeutsche Zeitung: »Ich habe selbstverständlich nachgefragt bei der Bundesagentur, weil ich nie Meldungen ungeprüft übernehme.« Frage: Was wurde ihnen da gesagt?

O-Ton, Thomas Öchsner, Autor Süddeutsche Zeitung: »Da wurde mir gesagt: Ja, die Zahlen, die in der Bild-Zeitung genannt wurden, sind korrekt.« Frage: Wurden Sie darauf hingewiesen, dass da versehentlich „vermittelt“ steht und dass das eigentlich da nicht hätte stehen dürfen?

O-Ton, Thomas Öchsner, Autor Süddeutsche Zeitung: »Da wurde ich nicht darauf hingewiesen, nee.« Und auch darauf weist die Bundesagentur nicht so gerne hin: Zwar sind rund eine Million raus aus Hartz IV. Aber etwa genauso viele sind im

5 gleichen Jahr neu in Hartz IV gefallen. Unterm Strich gibt es nur rund 60.000 Hartz-IV-Empfänger weniger. So schmilzt ein Rekord zusammen.

O-Ton, Wilhelm Adamy, DGB-Arbeitsmarktexperte: »Hier wird eine Erfolgsmeldung produziert, die so in Wahrheit keinen Bestand hat.« Dass Ralph Lahann einen Job gefunden hat, ist sein Erfolg. Auf PseudoErfolgsmeldungen der Bundesagentur kann er gut verzichten.

O-Ton, Ralph Lahann: »Das ist doch eigentlich ein Witz, muss ich ganz ehrlich sagen, das ist nur die Leute für dumm verkauft.«

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