1. Sinfoniekonzert 2 0 0 7  /  2 0 0 8

SÄCHSISCHE STAATSKAPELLE D RE S D EN

DIE

STAATSKAPELLE DRESDEN UNTER

FABIO LUISI BEI SONY CLASSICAL

Die zweite CD des neuen Richard-Strauss-Zyklus mit „Eine Alpensinfonie“ und „Vier letzte Lieder“ mit der Sopranistin Anja Harteros erscheint am 14. September.

S Ä CHSISCHE STAATSKA P ELLE DRESDEN

spielzeit 2007/2008

Hybrid Super Audio CD (spielt auch auf allen normalen CD-Playern).

88697084712

88697141972

„Die erste Veröffentlichung seines neuen Strauss-Zyklus’ zeigt Luisi auf dem richtigen Weg. Wunderbar präsent das Klangbild. Das Heldenleben klingt frisch, draufgängerisch und gleichzeitig detailgenau, vibrierend vor lauterer Emphase.“ Fono Forum

Informationen zu weiteren Richard Strauss-CDs mit der Staatskapelle Dresden unter Fabio Luisi erhalten Sie auch in unserem kostenlosen Newsletter unter www.sonybmgclassical.de

fabio luisi generalmusikdirektor

sir colin davis ehrendirigent

1. Sinfoniekonzert

1. sinfoniekonzert montag Dienstag

10. SEPTEMBER 2007 11. SEPTEMBER 2007

Programm / /

20 Uhr 20 Uhr

SEMpEROPER

Edgard Varèse (1883-1965) «Arcana» für großes Orchester Dresdner Erstaufführung Ludwig van Beethoven (1770-1827) Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur op. 58 1. Allegro moderato 2. Andante con moto 3. Rondo: Vivace

Dirigent / Fabio Luisi Hélène Grimaud / Klavier

Pause

klanggipfel Quasi «auf den Leib» geschrieben hat Richard Strauss der Staatskapelle seine grandiose «Alpensinfonie», die der neue GMD Fabio Luisi im ersten regulären Sinfoniekonzert der Saison dirigiert. Dazu der nicht weniger gigantische Orchesterklassiker «Arcana» von Edgard Varèse (den Strauss als jungen Mann förderte) und das lyrische vierte Klavierkonzert von Beethoven, das inmitten der Klangmassen einen reizvollen Kontrast bieten dürfte.

Kostenlose Konzerteinführungen jeweils 45 Minuten vor Beginn im Kellerrestaurant der Semperoper Aufzeichnung durch



Richard Strauss (1864-1949) «Eine Alpensinfonie» op. 64 für großes Orchester Nacht (Lento) Sonnenaufgang (Mäßig langsam) Der Anstieg (Sehr lebhaft und energisch) Eintritt in den Wald – Wanderung neben dem Bache Am Wasserfall (Sehr lebhaft) – Erscheinung Auf blumigen Wiesen (Sehr lebhaft) Auf der Alm (Mäßig schnell) Durch Dickicht und Gestrüpp auf Irrwegen Auf dem Gletscher (Festes, sehr lebhaftes Zeitmaß) Gefahrvolle Augenblicke (Lebhafter als vorher) Auf dem Gipfel Vision (Fest und gehalten) Nebel steigen auf (Etwas weniger breit) Die Sonne verdüstert sich allmählich Elegie (Moderato espressivo) Stille vor dem Sturm Gewitter und Sturm, Abstieg (Schnell und heftig) Sonnenuntergang Ausklang (Etwas breit und getragen) Nacht

/ Sendung am 19. Oktober 2007, 20 Uhr



Fabio Luisi

Fabio Luisi

ü

bernimmt ab der Saison 2007/2008 als Generalmusikdirektor die Leitung der Sächsischen Staatsoper und Staatskapelle Dresden und steht damit in direkter Nachfolge von Dirigenten wie Fritz Busch, Karl Böhm, Josef Keilberth, Rudolf Kempe und Giuseppe Sinopoli. Geboren 1959 in Genua, studierte er zunächst Klavier bei Aldo Ciccolini in Paris und absolvierte später sein Dirigierstudium bei Milan Horvat in Graz. Nach einem ersten Festengagement am Grazer Theater debütierte er ab 1987 in rascher Folge an

den Staatsopern in Berlin, München und Wien – drei Häuser, denen er seither als Dirigent zahlreicher Premieren und Wiederaufnahmen eng verbunden ist. Von 1995 bis 2000 war Luisi Chefdirigent des Niederösterreichischen Tonkünstlerorchesters Wien, von 1997 bis 2002 leitete er in gleicher Funktion das Orchestre de la Suisse Romande in Genf, von 1999 bis 2007 auch das MDR Sinfonieorchester in



Leipzig. Seit 2005 ist er Chefdirigent der Wiener Symphoniker. Neben seinen fes­ ten Positionen gastiert Luisi regelmäßig bei weltweit führenden Orchestern (wie New York Philharmonic, Concertgebouw­ orkest Amsterdam, Münchner Philharmoniker, Orchestre de Paris), Opernhäusern und Festivals; eine besonders erfolgreiche Zusammenarbeit verbindet ihn seit 2005 mit der Metropolitan Opera in New York. Mit der Sächsischen Staatskapelle arbeitete er erstmals 2002 bei den Salzburger Festspielen zusammen, seit-

dem dirigierte er in Dresden u.a. Wagners kompletten «Ring», Puccinis «Turandot», Strauss’ «Die Liebe der Danae» und das Eröffnungskonzert der Dresdner Frauenkirche 2005 (Beethoven: «Missa solemnis»). Fabio Luisi ist Träger des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst und wurde 2006 mit dem Orden «Cavaliere Ufficiale» der italienischen Republik ausgezeichnet.



Edgard varèse

Musik von anderen Planeten Zu Edgard Varèses «Arcana»

D

er Franzose Edgard Varèse rückte den «Klang» im umfassendsten Sinne des Wortes ins Zentrum seines Schaffens: Es ging ihm nicht nur um den musikalischen Ton, sondern um alles, was «klingt», vom Schall bis hin zum reinen Geräusch. Das Ausreizen der klanglichen Möglichkeiten, die Suche nach neuen, bis dahin ungehörten Klängen, war das Ziel seiner kompositorischen Arbeit. In Anlehnung an den Mathematiker und Philosophen HoeneWro´nski (1778-1853) verstand er den Prozess des Komponierens als die «Verkörperlichung der in den Klängen selbst gelegenen Intelligenz». So wirken seine insgesamt nur zwölf Werke wie die Ausfaltung

eines integralen Klangspektrums, «als ob mit dem Fortschreiten der Musik der Klang aus der imaginären Gleichzeitigkeit aller seiner Ingredienzien befreit wird und zeitlichen Charakter und Kontur erhält» (Gisel­ her Schubert). Der Klang schafft sich in Varèses Werken eine eigene Form, die nichts mehr mit den traditionellen Formschemata zu tun hat. Und so wirkt Varèses Musik (deren Klangkonzeption direkt zur elektronischen Musik führen sollte) auch wie «vom Himmel herab gefallen», ohne Bezüge zur Tradition. Erst spät allerdings, nach seinem Tod 1965, hat man Varèses Bedeutung als einer der Pioniere der Neuen Musik erkannt und gewürdigt.

Links: Eine Seite der Originalpartitur von «Arcana», die Varèse später revidierte.





Edgard varèse

werk «Bourgogne» ein, zur gleichen Zeit arbeitete Varèse an einer Oper auf einen

Text von Hofmannsthal, der Titel: «Oedi-

Varèse in Santa Fe (um 1936)

Wo hat diese radikale künstlerische Ausrichtung ihren Ursprung, gibt es Vorbilder oder wichtige Einflüsse? Eine Antwort liegt in der Biografie des Komponisten: 1883 geboren, studierte Varèse zunächst Mathematik und Naturwissenschaften, entschied sich dann aber für die Musikerlaufbahn, was zum Bruch mit dem Elternhaus führte. Nach Studien an der Pariser Schola Cantorum und am Conservatoire ging er 1908 nach Berlin, wo er Ferruccio Busoni kennen lernte, dessen Ästhetik für ihn richtungweisend wurde. In Berlin stand er auch in engem Kontakt mit Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal, die ihn beide unterstützten; Strauss setzte sich für die Uraufführung von Varèses erstem großen Orchester-



pus und die Sphinx». Doch davon wissen wir nur aus Briefen und Berichten: Ein Großteil der frühen Werke von Varèse ging bei einem Brand verloren; und was nicht verloren ging, das hat Varèse (bis auf ein einziges Klavierlied) wenig später eigenhändig vernichtet! Diese künstlerische Zäsur fällt in das Jahr 1915, und sie war verbunden mit einer geografischen: Nach einer kurzen Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg schiffte sich Varèse 1915 nach Amerika ein – mit 80 Dollar in der Tasche und so gut wie keinen Englisch-Kenntnissen ausgerüs­ tet. Hier, in einem von der Tradition völlig unbelasteten Klima, komponierte er seine ersten großen Werke, die heute wie erratische Blöcke aus der Musik des 20. Jahr­ hunderts herausragen: Die gigantische Orchesterkomposition «Amériques», danach «Hyperprism», «Octandre» und «Intégrales» für kleinere Besetzungen, und schließlich als zweites großes Orchesterwerk «Arcana» – zugleich Varèses letztes Werk für die traditionelle Orchester­ besetzung.

Die Musik von Richard Strauss, dessen «Salome» er noch in Paris gehört hatte, war möglicherweise ein Grund für Varèses Übersiedlung nach Berlin. Im Oktober 1909

lernte er Strauss persönlich kennen – bei einer zufälligen Begegnung auf dem Kurfürstendamm. Strauss engagierte sich daraufhin für eine Aufführung der sinfonischen Dichtung «Bourgogne», die 1910 zustande kam. Noch 1921 vermittelte Strauss den Kontakt zu Leopold Stokowski, den er um «den Gefallen» bat, «Herrn Varèse zu empfangen und seine Partituren zu prüfen und eventuell aufzuführen»…

In «Amériques» brachte Varèse seine ersten Eindrücke von der «Neuen Welt» zum Ausdruck, mit einem Riesenaufgebot von 140 Musikern und dem revolutionären Einsatz von Sirenen. «Es war das Unbekannte», äußerte er später rückblickend, «neue Welten auf unserem Planeten, weit entfernte Räume.» Das Werk wurde 1926 in Philadelphia uraufgeführt – unter der Leitung von Leopold Stokowski, dem Strauss in einem Brief die Kompositionen Varèses nahe gelegt hatte. Auch «Arca-

Edgard Varèse * 22. Dezember 1883 in Paris † 6. November 1965 in New York «Arcana» für grosses Orchester

«Ich kenne Herrn Varèse als sehr tüchtigen Musiker und begabten Componisten, den ich zur Erteilung von Unterricht im Contra­ punkt und Einstudierung von Chören und Gesangspartien Jedermann nur wärms­ tens empfehlen kann. Dr. Richard Strauß. k.[öniglich] pr.[reußischer] Generalmusik­ direktor» Empfehlungsschreiben von Richard Strauss (1910)

entstanden /

1925 bis 1927 in Paris und New York; 1931 und 1960 leicht revidiert

na», entstanden zwischen 1925 und 1927, wurde von Stokowski in Philadelphia uraufgeführt; die in «Amériques» eingeschlagene Richtung ist hier konsequent weiterentwickelt und muss auf das Publikum noch seltsamer, befremdlicher gewirkt haben. Selbst ein der Neuen Musik so aufgeschlossener Kopf wie Heinrich Strobel äußerte nach der europäischen Erstaufführung, die 1932 in Berlin stattfand: «Kein Ohr hält diese Musik auf Dauer aus. Sie hat nichts mit Musik zu tun.»

Besetzung /

2 Flöten, 3 Piccoloflöten, 3 Oboen, Englischhorn, Heckelphon, 2 Klarinetten, 2 Es-Klarinetten, Bassklarinette, 3 Fagotte, 2 Kontrafagotte, 8 Hörner, 5 Trompeten, 3 Posaunen, Kontrabass­­ posaune, Tuba, Kontrabasstuba, Pauken, Schlagzeug (16 Spieler), Streicher Verlag /

uraufgeführt /

am 8. April 1927 in Philadelphia (The Philadelphia Orchestra, Dirigent: Leopold Stokowski)

Musikverlag Ricordi, München Dauer /

ca. 20 Minuten



Edgard varèse

mung gleich, er macht aus meiner sinfonischen Dichtung eine Ehrengabe an den,

Titelblatt der Partiturreinschrift mit dem Paracelsus-Zitat

«Arcana» – der Titel stammt aus dem Sprachgebrauch des Arztes und Alchimisten Paracelsus (16. Jahrhundert) und bedeutet so viel wie Arznei, Geheimmittel, auch Geheimwissenschaft. Varèse hat ihn etwas genauer erläutert durch ein Paracelsus-Zitat, das er der Partitur beigefügt hat: «Ein Stern ist höher als alle anderen. Es ist der Stern der Apokalypse; der zweite Stern ist der des Aszendenten, der dritte ist der der Elemente, und deren sind ihrer vier, so dass sechs Sterne feststehen. Neben diesen gibt es noch einen weiteren Stern, die Fantasie, die einen neuen Stern und einen neuen Himmel zeugt.» Der Titel ist also bezeichnend für den «Klangkosmos», den auch dieses Werk eröffnet – doch Varèse hat gewarnt: «Dieser Satz kommt einer Wid-

10

der das geschrieben hat, aber er hat mein Werk nicht inspiriert, und es ist nicht der Kommentar dazu.» Interessant ist aber, dass Varèse von einer «sinfonischen Dichtung» spricht, und tatsächlich hat man beim Hören den Eindruck von wechselnden Bildern und Szenen, die diese Musik evoziert. Keimzelle des Werkes ist das «explosive» Thema, das zu Beginn in den Bässen erklingt und in Abwandlungen später noch zehn Mal wiederkehrt. Varése sprach – in Anlehnung an Berlioz – auch von einer «idée fixe». Als weitere Themengestalt ist eine Trompetenfanfare von Bedeutung, die erstmals in Takt 20 auftritt. Die Form des Werkes wird aber vor allem durch die gewaltigen Ausbrüche gestaltet, zu denen sich das Orchester im Laufe des Werkes immer wieder auftürmt. Insgesamt zwanzig solcher Explosionen lassen sich in der Partitur ausmachen, und während die Häufigkeit der Ausbrüche im Verlauf des Stücks zunimmt, treten die thematischen Gestalten (also auch das Anfangsthema) immer mehr in den Hintergrund. Auffallend sind ansonsten ausdrucksvolle Deklamationen der Streicher oder eine «exotische» Militärmusik, die aber zwischen den Kulminationen nur Episode bleiben. Einen programmatischen Leitfaden gibt es für diese Musik nicht mehr: das Eigenleben der Klänge ist vielmehr selbst zum Programm geworden. «Vielleicht ist es ‹Arcana›, worin man wirk­ lich meine Gedanken findet.» Edgard Varèse

Varèse bei der Arbeit am «Poème électronique», das er für den Philips-Pavillon auf der Brüsseler Weltausstellung 1958 komponierte.

Aber ist diese Musik wirklich so losgelöst von jeglicher Tradition? Immerhin bediente sich Varèse, völlig unzeitgemäß, eines riesigen spätromantischen Orches­ terapparates – zu einer Zeit, als Schönberg oder Strawinsky (die er beide nicht besonders schätzte) längst zur Komposition für kleine Ensembles übergegangen waren. Tatsächlich scheint sich Varèse bei der Besetzung an den Tondichtungen seines einstigen Mentors Strauss orientiert zu haben, mit Instrumenten wie Heckelphon oder der Strauss’schen «Phalanx» von acht Hörnern. (Stark erweitert ist natürlich das Schlagzeug, das bereits auf sein nächstes Werk, «Ionisation» für 41 Schlaginstrumente und zwei Sirenen, verweist). Die Gesten des Archaischen

und Primitiven können dagegen den Einfluss von Strawinsky und seinem «Sacre» (1913) nicht verhehlen, an dem damals wohl kein Avantgarde-Künstler vorbeikam. So gibt sich «Arcana» bei aller Modernität letztlich auch janusköpfig – eine Komponente, die es in Programmkonstellationen wie der heutigen erst noch zu entdecken gilt. TN > Mit der heutigen Aufführung von «Arcana» ist das Werk zum ersten Mal in Dresden zu erleben.

11

ludwig van beethoven

Musizieren zur Besänftigung der Furien Zu Ludwig van Beethovens viertem Klavierkonzert

«

E

ndlich bin ich von den Ränken und Kabalen und Niederträchtigkeiten aller Art gezwungen, das noch eintzige Deutsche Vaterland zu verlaßen, auf einen Antrag seiner Königlichen Majestät von Westphalen gehe ich als Kapellmeister mit einem jährlichen Gehalt von 600 Dukaten in Gold dahin ab […] Es werden vielleicht von hier wieder Schimpfschriften über meine letzte Musikalische Akademie an die Musikalische Zeitung gerathen ; ich wünschte eben nicht, daß man alles unterdrücke, was gegen mich; jedoch soll man sich nur überzeugen, daß Niemand mehr persönliche Feinde hier hat als ich; dies ist umso begreiflicher, da der Zustand der Musik hier immer schlechter wird.» Aus diesem Brief, den Beethoven am 7. Januar 1809 an seinen Verlag Breitkopf & Härtel schickte, sprechen Wut und Enttäuschung. Das Konzert, auf das er sich bezog, hatte am 22. Dezember 1808 im Theater an der Wien stattgefunden, und dass Beethoven den Misserfolg nicht leicht verwinden

konnte, ist verständlich: Immerhin ging es um die Uraufführung seiner fünften und sechsten Sinfonie, der Chorfantasie op. 80 sowie des vierten Klavierkonzertes. Gerade dieses Marathonprogramm – es beinhaltete außerdem noch Teile der C-DurMesse und die Konzertarie «Ah! Perfido» – war aber mitverantwortlich für die reservierte Aufnahme. Das Wiener Publikum konnte eine solch geballte Ladung neuartiger und schwerer Kompositionen nicht angemessen aufnehmen, und selbst wohlmeinende Kollegen wie der Musikschriftsteller und Komponist Johann Friedrich Reichardt waren ratlos. Reichardt berichtet von der denkwürdigen Veranstaltung: «Da haben wir denn auch in der bittersten Kälte von halb sieben bis halb elf ausgehalten, und die Erfahrung bewährt gefunden, daß man des Guten – und mehr noch des Starken – leicht zu viel haben kann. Ich mochte aber dennoch so wenig als der überaus gutmüthige delicate Fürst, dessen Loge im ersten Rang ganz nahe am Theater

Links: Beethoven (1804/05). Porträt von Joseph Willibrord Mähler

12

13

ludwig van beethoven

von Lobkowitz, in dessen Loge Reichardt so gefroren hatte, ermöglichte im März

Das Innere des Theaters an der Wien, das Beethoven für seine Akademie am 22. Dezember 1808 gemietet hatte.

war, auf welchem das Orchester und Beet­

hoven dirigirend mitten darunter, ganz nahe bei uns stand, die Loge vor dem gänzlichen Ende des Concertes verlassen, obgleich manche verfehlte Ausführung unsre Geduld in hohem Grade reizte.» Man fragt sich, warum Beethoven seinen Zuhörern solche Strapazen zumutete, statt seine Uraufführungen auf das ganze Jahr zu verteilen. Die Antwort ist einfach: Nur zwei Tage vor Weihnachten und Ostern durften die Wiener Theater ihre Räumlichkeiten für solche aufwendigen Autorenkonzerte zur Verfügung stellen, und natürlich gab es außer Beethoven noch andere Bewerber um diese Termine. So war das Chaos fast schon vorprogrammiert, und zweifellos wird der wenig diplomatische Beethoven seinen Teil zu den Reibereien mit den Musikern beigetragen haben. Er

14

selbst war als Solist im vierten Klavierkonzert auch nicht mehr auf der Höhe seines früheren Könnens: Die zunehmende Schwer­hörigkeit machte ihm zu schaffen, und die Akademie am 22. Dezember 1808 sollte sein letzter öffentlicher Auftritt als Pianist sein. Was auch immer zu dem Desas­ ter geführt hatte – die Programmlänge, die Kälte im Saal, die mangelhafte Ausführung, vielleicht auch Intrigen – Beethoven wollte Wien jedenfalls den Rücken kehren und eine Anstellung in Kassel bei König Jérôme Bonaparte von Westfalen annehmen. Das wurde jedoch verhindert durch den Einsatz dreier adeliger Gönner, die dem Komponisten gemeinsam eine jährliche Rente von 4000 Gulden bereitstellten, wenn er nur in Wien bliebe. Zwei von ihnen hatten im übrigen einen besonderen Bezug zum vierten Klavierkonzert: Fürst Joseph Franz Max

1807 in seinem Palais eine nichtöffentliche Voraufführung des 1805/06 komponierten Werks, und Erzherzog Rudolph von Österreich ist der Widmungsträger. Dass das vierte Klavierkonzert zu den Gipfelwerken der Gattung zählt, erkannte die Musikwelt schon bald. Die «Allgemeine Musikzeitung» nannte es nach der Leipziger Aufführung im April 1809 das «wunderbarste, eigentümlichste, künstlichste und schwierigste von allen Beethovenkonzerten». Die Größe der Komposition liegt nun allerdings nicht in der virtuosen Brillanz des Soloparts oder dem heroischen Tonfall, der manches frühere Werk prägte. Die Klavierstimme ist vielmehr besonders eng mit dem Orchester verwoben, und durch das ganze Stück hindurch herrscht ein zarter, poetischer Grundton vor. Er zeigt

Ludwig van Beethoven * (getauft) 17. Dezember 1770 in Bonn † 26. März 1827 in Wien

«Beethoven hat uns vorgemacht, dass die Ar­ beit an den Brüchen und an der Fehlerhaftig­

keit des Menschen in musikalische Schönheit münden kann. Er war stets bereit, die Welt auf den Kopf zu stellen.» Hélène Grimaud sich schon zu Beginn des ersten Satzes: Hier war der zeitgenössische Hörer auf eine rauschende Einleitung des ganzen Orches­ ters eingestellt, dem üblicherweise der große Soloauftritt des Pianisten folgte. Beet­hoven dagegen lässt das Klavier beginnen. Und gegen jede Erwartung gönnt er sich keinen virtuos auftrumpfenden Einstieg, sondern beginnt in einem verhaltenen «piano dolce». Der Satz enthält noch weitere subtile Überraschungseffekte: So bildet etwa die erste Klavierphrase eine fünftaktige statt der üblichen viertaktigen Periode. Und die Streicher antworten auf diese G-Dur-Eröffnung des Solisten in der

gewidmet /

Erzherzog Rudolph von Österreich Besetzung /

Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur op. 58 entstanden /

1805/06 in Wien

Klavier solo Flöte, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauken, Streicher Verlag /

uraufgeführt /

nach einer Voraufführung im März 1807 (Palais Lobkowitz) am 22. Dezember 1808 im Theater an der Wien (Solist: Ludwig van Beethoven)

Breitkopf & Härtel, Wiesbaden/Leipzig Dauer /

ca. 35 Minuten

15

ludwig van beethoven

scheint das Klavier zu flehen, gleichbleibend starr in Rhythmus und Tongebung

Joseph Franz Max von Lobkowitz, in dessen Pa­lais eine Voraufführung des Konzertes stattfand.

unerwarteten Tonart H-Dur, um dann gleich in andere Tonarten zu modulieren. Das zweite Thema beginnt nicht etwa auf der konventionellen Dominante, sondern in a-Moll – und in dieser Art geht es weiter. Leicht könnte eine solche Ansammlung origineller Ideen gekünstelt wirken, und das warfen die Zeitgenossen Beethovens früh­eren Werken tatsächlich oft vor. Hier jedoch scheint sich alles wie von selbst zu ergeben, der lange Kopfsatz gewinnt durch zahlreiche motivische Zusammenhänge Einheit und wirkt dennoch nicht konstruiert, sondern organisch wie eine große Improvisation. Noch ungewöhnlicher als der Kopfsatz ist allerdings das folgende Andante con moto. Klavier- und Orchesterpart sind vollkommen gegensätzlich gestaltet und vonein­ ander getrennt: Weich und melodisch

16

antworten die Streicher. Dieser kontrastbetonte Aufbau hat nichts mit den üblichen Formen eines langsamen Satzes zu tun – etwa Lied- oder Variationsform –, sondern ähnelt eher einer Opernszene. So ist es kein Wunder, dass Musikgelehrte bald nach Beet­hovens Tod ein geheimes außermusikalisches Programm hinter dem Andante vermuteten. Vor allem die Sage von Orpheus wurde seit Adolph Bernhard Marx’ Beethoven-Biografie (1859) immer wieder angeführt. Das Klavier soll angeblich den großen Sänger darstellen, der sich durch die Macht seiner Musik den Zugang zur Unterwelt ertrotzt. Ganz abwegig ist diese Vorstellung nicht, schließlich lösen sich am Ende des Satzes die harten Linien der Streicher in weichere Harmonien auf – die Furien sind besänftigt. Nach der Reduktion auf die Streicherbesetzung im Mittelsatz bringt das Finale erstmals das gesamte Orchester zum Einsatz – einschließlich der Trompeten und Pauken, die Beethoven im ersten Satz ausgespart hatte. Zwar gibt auch hier der unerwartete Beginn in C-Dur (an Stelle der Grundtonart G-Dur) den Anstoß zu mancherlei harmonischen Komplikationen, aber insgesamt hält sich das Finale noch am ehesten an die Konzert-Konvention der Zeit: Es hat Rondo-Form, gibt dem Solisten Gelegenheit zu virtuoser Entfaltung und zeigt in seinem lebhaften Tempo und den prägnanten Motiven den gewohnten Kehraus-Charakter eines Schlusssatzes. Jürgen Ostmann

Hélène Grimaud

i

st als Pianistin, Autorin und Wolfschützerin eine der faszinierendsten Persönlichkeiten der heutigen Musikwelt. Sie studierte in ihrer Heimatstadt Aix-en-Provence, in Marseille und, ab dem zwölften Lebensjahr, am Pariser Conservatoire. 1987 gewann sie den MIDEM-«Cannes Classical Award», wenig später gastierte sie beim Orchestre de Paris unter Daniel Barenboim und gab ihr Debüt-Recital in Tokio. Seitdem musiziert sie regelmäßig mit den weltweit führenden Orchestern und Dirigenten. Zu ihren künftigen Verpflichtungen gehören Konzerte mit dem Lucerne Festival Orchestra (Abbado), den Berliner Philharmonikern (N. Järvi) und dem Kirov Orchestra (Gergiev). Auch mit Recitals und als Kammermusikpartnerin ist sie regelmäßig bei bedeutenden Festivals und in den großen Musikmetropolen zu erleben. Die Pianistin ist Autorin von zwei Büchern, «Wolfssonate» und «Lektionen des Lebens» (2007), die in Frankreich lange die BestsellerListen anführten. 1999 gründete sie das «Wolf Conservation Center», darüber hinaus engagiert sie sich für Organisationen wie Amnesty International und die World Wildlife Foundation. Seit 2002 ist Hélène Grimaud Exklusivkünstlerin der Deutschen Grammophon. Ihre beiden aktuellsten CDs nahm sie mit der Staatskapelle Dresden auf (Klavierkonzerte von Schumann bzw. Beethoven); in diesem Zusammenhang konzertierte sie auch zweimal mit der Staatskapelle in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen. Das heutige Konzert in der Semperoper ist die Fortsetzung dieser überaus erfolgreichen Zusammenarbeit.

17

richard strauss

Gipfelbesteigung mit Hindernissen Zu Richard Strauss’ «Alpensinfonie»

Ü

ber zehn Jahre waren vergangen, seitdem Richard Strauss mit der «Sinfonia domestica» 1902/03 seine letzte Tondichtung geschrieben hatte. Er hatte sich danach der Komposition von Opern und Musikdramen zugewandt – mit «Salome» (1905), «Elektra» (1909) und «Der Rosenkavalier» (1911), die allesamt in Dresdens ehrwürdiger Semperoper ihre Uraufführung erlebt hatten, war er zum führenden deutschen (Opern-)Komponisten aufgestiegen. Im Frühjahr 1911 allerdings, als er auf die Textgestaltung der «Frau ohne Schatten» wartete, mit der Hugo von Hofmannsthal in Verzug geraten war, wandte er sich noch einmal der Gattung der Sinfonischen Dichtung zu, in der er ab 1890 seine ersten großen Erfolge als Komponist gefeiert hatte. Mit Blick auf Zugspitze und Wetterstein kon-

zipierte er in seiner Garmischer Villa «Eine Alpensinfonie»: eine musikalische Alpenwanderung, mit Rast auf dem Gipfel und einem Abstieg unter Gewitter und Sturm, die hinsichtlich Besetzung und Proportionen sein ambitioniertestes Orchesterwerk wurde – und seine letzte Tondichtung bleiben sollte. Fast scheint es, als habe Strauss in diesem Werk noch einmal alle Erfahrungen bündeln wollen, die er in den vorangegangenen Jahren – auch in den Opern – mit der großen Orchesterbesetzung gemacht hatte. Und fast scheint es demnach auch, als habe er das Werk der Dresdner Hofkapelle «auf den Leib geschrieben», die mit ihrem Generalmusikdirektor Ernst von Schuch, der Strauss seit vielen Jahren gefördert hatte, ganz wesentlich am Erfolg der Opern beteiligt

Links: Strauss vor seiner Garmischer Villa, mit Blick auf die Alpen

18

19

richard strauss

Eindrücke einer zwölfstündigen Alpentour, bei der er sich heillos verirrt hatte,

Die Widmung der «Alpensinfonie»

gewesen war. Jedenfalls plante er, dass das Werk von Schuch und seinen «lieben Dräsdnern» uraufgeführt werden sollte. Da Schuch allerdings 1914 verstarb, griff Strauss schließlich selbst zum Taktstock und hob die «Alpensinfonie» im Oktober 1915, während des Ersten Weltkriegs, mit der Dresdner Kapelle aus der Taufe – allerdings nicht in Dresden, sondern bei ei­­nem frühen Orchestergastspiel in Berlin. Erst zwei Tage später erklang die «Alpensinfonie» dann auch in der Dresdner Semperoper. Strauss widmete das Werk dem Intendanten des Hauses Graf Nicolaus Seebach «und der Königlichen Kapelle zu Dresden in Dankbarkeit». «Eine Alpensinfonie» – der Natur- und Bergliebhaber Strauss erfüllte sich mit dem Werk womöglich einen Kindheits­ traum: Schon als 14-Jähriger hatte er die

20

auf dem Klavier in Musik gesetzt und seinem Jugendfreund Ludwig Thuille mit den Worten beschrieben: «Natürlich riesige Tonmalerei und Schmarrn (nach Wagner)…» 1902, kurz vor der Arbeit an der «Domestica», griff er diese Idee wieder auf und skizzierte ein viersätziges Tonpoem, für das er – in Anlehnung an Nietzsches Schrift «Der Antichrist» (1895) – den Titel «Der Antichrist, eine Alpensinfonie» vorsah. Erst 1911 begann er dann aber mit der endgültigen Ausarbeitung einer einsätzigen Tondichtung, die er bis Februar 1915 fertig stellte. Zu Beginn dieser letzten Arbeitsphase hatte er im Mai 1911, unter dem Eindruck des Todes von Gustav Mahler, in seinen Kalender notiert: «Ich will meine ‹Alpensinfonie› den Antichrist nennen, als da ist: sittliche Reinigung aus eigener Kraft, Befreiung durch die Arbeit, Anbetung der ewigen herrlichen Natur.» Strauss selber war «Antichrist» und davon überzeugt, dass «alle großen politischen und religiösen Bewegungen nur eine Zeitlang wirklich befruchtend wirken können.» Wie Nietzsche, dessen Schriften er schon in seinem «Zarathus­ tra» (1896) als Vorlage für eine Tondichtung herangezogen hatte, glaubte er einzig an den Geist und die Kraft des Menschen; wenn überhaupt, dann fände man Gott wohl in der «ewigen, herrlichen Natur» (und hier natürlich am ehesten in der heimischen, der bayerischen). Dass er letztlich auf den Titel verzichtete und das Werk nur als «Alpensinfonie» veröffent­

lichte, mag daran gelegen haben, dass seine Stellung als Generalmusikdirektor

«Programm» des Werkes zuließen. «Ich hab’ einmal komponieren wollen, wie die

Richard Strauss * 11. Juni 1864 in München † 8. September 1949 in Garmisch-Partenkirchen

Besetzung /

der Berliner Hofoper, die er seit 1908 innehatte, ein solches Bekenntnis wohl kaum zugelassen hätte. So ist der philosophische Ansatz der Tondichtung in den Hintergrund gerückt, was noch dadurch verstärkt wurde, dass Strauss dem Werk detaillierte programmatische Zwischentitel gab, die – in Kombination mit einer realistisch-illustrativen Musik – eigentlich keinen Zweifel am

«Eine Alpensinfonie» op. 64 entstanden /

nach ersten Entwürfen 1902 in den Jahren 1911 bis 1915; Abschluss der Partitur am 8. Februar 1915 uraufgeführt /

am 28. Oktober 1915 in der Berliner Philharmonie (Königlich Dresdner Hofkapelle, Dirigent: Richard Strauss)

Kuh die Milch gibt», hat er einmal lapidar über das Werk geäußert – und sich dafür eines orchestralen Riesenaufwandes bedient, den man auch bei ihm in keiner anderen Komposition findet. Die Partitur verlangt mindestens 125 Musiker, darunter neben dem umfangreichen Bläserund Streicherapparat auch ein ganzes «Fernorchester», außerdem Instrumente wie Wind- und Donnermaschine, Herden-

4 Flöten (3. und 4. auch Piccoloflöte), 3 Oboen (3. auch Englischhorn), Heckelphon, 2 Klarinetten, Es-Klarinette, C-Klarinette, Bassklarinette, 4 Fagotte (4. auch Kontrafagott), 8 Hörner (5. bis 8. auch Tenortube), 4 Trompeten, 4 Posaunen, 2 Basstuben, Pauken, Schlagzeug (4 Spieler, einer auch Pauken), 2 Harfen, Celesta, Orgel, Streicher Hinter der Szene: 8 Hörner, 2 Trompeten, 2 Posaunen Verlag /

F. E. C. Leuckart, München Dauer /

gewidmet /

«Dem Grafen Nicolaus Seebach und der Königlichen Kapelle zu Dresden in Dankbarkeit»

ca. 50 Minuten

21

richard strauss

«Die Aufführung aber, die man am letz­

ten Donnerstag genoß, wird schwerlich zu übertreffen und nicht einmal leicht zu erreichen sein. Die Dresdner Hofkapelle hat sich bei dieser Gelegenheit in Berlin mit Ruhm bedeckt. Schon die Nachmit­ tags-Probe-Aufführung hätte man unü­ bertrefflich nennen mögen, da brachte der Abend doch noch größeren Glanz und Schwung, noch mehr Elastizität und Schmiegsamkeit. Nicht vielerwärts wird sich das ohne diese Kapelle ebenfalls er­ reichen lassen.» Aus der Uraufführungs-Kritik von August Spanuth (in «Signale für die musikalische Welt»)

22

Rast auf dem Gipfel: Strauss bei einer Bergtour (um 1920)

Der Programmzettel der Berliner Uraufführung

glocken, Celesta und eine Orgel. Strauss’ Klangfantasie waren damit keine Grenzen gesetzt, in subtiler Auffächerung der Orchesterfarben wird das Naturerlebnis in dem Werk «Schritt für Schritt» musikalisch mitvollzogen: von den düsteren Cluster-Klängen der «Nacht» über den strahlenden «Sonnenaufgang» bis zum energischen «Anstieg»; von den glitzernden Klangkaskaden des «Wasserfalls» über die atmosphärische Herdenglocken-Idylle «Auf der Alm», nach Erklimmen des Gipfels in den «Nebelschwaden» des Heckelphons und der «Elegie» der Altoboe – bis im stürmischen Orchestergewitter alles Vorangegangene noch einmal filmartig «zurückgespult» wird und nach einem harmonieseligen «Ausklang» in den anfänglichen Cluster zurückmün-

heute ist umstritten, welchen Stellenwert in dem Werk die reine «Tonmalerei» einnimmt, die nicht zuletzt in der raffinierten, extrem verfeinerten Instrumentation zum Ausdruck kommt. Geht es hier um das möglichst realistische Abbilden der Natur oder um deren Wirkung auf den Menschen, wie sie Ludwig van Beethoven in seiner «Pastorale» beschworen hatte? Eine andere Frage betraf von Anfang an die «kulinarische» Musiksprache des Werkes: Wie zeitgemäß war eine solche Musik zu einer Zeit, da andere Komponisten in ihren Werken die Schrecken des Ersten Weltkrieges thematisierten? Zumindest in diesem Punkt hat Strauss erst vor kurzem von dem Komponisten Helmut Lachenmann eine überraschende Ehrenrettung erhal-

det… Formal band Strauss diesen «Tag im Gebirge» in eine große Reprisenform, in der sich Elemente aus Sonatensatz- und Variationsform kunstvoll vermischen. «Für mich ist die Musik der ‹Alpensinfonie› keine einfache Klangmalerei; es sind die Ein­ drücke der Natur, die gefiltert werden durch die persönliche menschliche Erfahrung. Dies wird besonders deutlich an den Stellen, an denen wir eine laute und virtuose Apotheose erwarten würden, zum Beispiel am ‹Gipfel› – den Strauss aber als völlig lyrische, kontem­ plative Situation gestaltet hat.» Fabio Luisi «Jetzt endlich hab’ ich instrumentieren gelernt!», bemerkte Strauss nach der Generalprobe ironisch, rührte damit aber auch an einen neuralgischen Punkt: Bis

ten. Lachenmann bekannte 2005 in einem Interview: «Die ‹Alpensinfonie› ist keine unreflektierte Musik. […] Diese Art Abschiedsfeier von einem nur noch scheinbar intakten, zur Attrappe gewordenen Weltbild ist für mich nicht weniger apokalyptisch und hellsichtig erhellend als jene Musik, die den Bruch vollzieht, so dass musikalische Sprache aus den Trümmern der alten sich neue definiert, wie wir es bei Schönberg, Berg, Webern, aber auch bei Charles Ives erlebt haben.» TN

23

antrittstournee

Luisis Antrittstournee – Ein Progr amm für europa

Unmittelbar nach dem Antritt in Dresden wird sich Generalmusikdirektor Fabio Luisi auch auf einer großen Europa-Tournee als neuer Chef der Staatskapelle vorstellen. Gemeinsam mit Hélène Grimaud gastieren Luisi und die Kapelle in verschiedenen europäischen Hauptstädten: nach Berlin auch in Warschau, Prag, Wien und Paris, außerdem in Turin, Essen und in Frank­furts Alter Oper. Von historischer Dimen­­sion ist bereits der Tourneeauftakt am 13. September: Im Rahmen des «musikfest berlin 07» dirigiert Luisi in der Berliner Philharmonie «Eine Alpensinfonie» – in jener Stadt also, in der Strauss einst mit der Dresdner Kapelle die Uraufführung des Werkes musizierte.

programme 1

Edgard Varèse «Arcana» für großes Orchester Ludwig van Beethoven Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur op. 58 Richard Strauss «Eine Alpensinfonie» op. 64 2

Ludwig van Beethoven Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73 Richard Strauss «Ein Heldenleben» op. 40 (mit Originalschluss) 3

Ludwig van Beethoven Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73

Europa-Tournee zum Amtsantritt von Fabio Luisi 13. – 22. September 2007 Dirigent / Fabio Luisi Hélène Grimaud / Klavier

Richard Strauss «Eine Alpensinfonie» op. 64 13. September 2007 / Berlin / Philharmonie 1 14. September 2007 / Warschau / National­philharmonie 2 15. September 2007 / Prag / Rudolfinum 3 17. September 2007 / Turin / Lingotto 2 18. September 2007 /Wien / Musikverein 3 19. September 2007 / Essen / Philharmonie 3 20. September 2007 / Frankfurt am Main / Alte Oper 3 21. September 2007 / Paris / Théâtre des Champs-Élysées 2

25

Sächsische staatskapelle dresden

S Ä C H SIS C H E STAATSKA P ELLE D RES D EN

1. Sinfoniekonzert

Orchesterbesetzung 1. Violinen Matthias Wollong / 1. Konzertmeister Michael Eckoldt Thomas Meining Michael Frenzel Christian Uhlig Jörg Kettmann Birgit Jahn Wieland Heinze Henrik Woll Anett Baumann Annika Thiel Roland Knauth Anselm Telle Sae Shimabara Franz Schubert Renate Hecker 2. Violinen Heinz-Dieter Richter / Konzertmeister Frank Other Annette Thiem Christian Goldammer Günter Friedrich Stephan Drechsel Jens Metzner Ulrike Scobel Beate Prasse Mechthild von Ryssel Alexander Ernst Elisabeta Florea Emanuel Held Martin Fraustadt Bratschen Michael Neuhaus / Solo Andreas Schreiber Michael Horwath

Matthias Neubert Jürgen Knauer Michael Schöne Uwe Jahn Ulrich Milatz Ralf Dietze Marie-Annick Caron Claudia Briesenick Birgit Weise*

Michael Goldammer Sibylle Schreiber*

Violoncelli Olivia Jeremias* / Konzertmeisterin Friedwart Christian Dittmann / Solo Martin Jungnickel Uwe Kroggel Andreas Priebst Bernward Gruner Jörg Hassenrück Jakob Andert Anke Heyn Ying Guo

Fagotte Erik Reike / Solo Thomas Eberhardt / Solo Joachim Huschke Andreas Börtitz Thomas Berndt Raffael Staschik*

Kontrabässe Andreas Wylezol / Solo Bernd Haubold Christian Rolle Helmut Branny Christoph Bechstein Reimond Püschel Thomas Grosche Johannes Nalepa Flöten Eckart Haupt / Solo Sabine Kittel / Solo Bernhard Kury Cordula Bräuer Friederike Herfurth Darja Pokrowskaja* Oboen Bernd Schober / Solo Sebastian Römisch / Solo Volker Hanemann

Klarinetten Dietmar Hedrich / Solo Wolfram Große / Solo Egbert Esterl Jan Seifert Rolf Schindler

Hörner Erich Marquart + / Solo Jochen Ubbelohde / Solo Robert Langbein / Solo Istvan Vincze Andreas Langosch Harald Heim Manfred Riedl + Julius Rönnebeck Miklós Takács Eberhard Kaiser Klaus Gayer Friedrich Kettschau* + Wieland Wirth* + Trompeten Peter Lohse / Solo Tobias Willner / Solo Siegfried Schneider Volker Stegmann Sven Barnkoth Gerd Graner Bernd Hengst* +

Posaunen Uwe Voigt / Solo Thomas Schneider* / Solo Guido Ulfig Jürgen Umbreit + Lars Zobel Frank van Nooy Tuba Hans-Werner Liemen / Solo Jens-Peter Erbe / Solo Pauken Bernhard Schmidt / Solo Thomas Käppler / Solo Schlagzeug Christian Langer Frank Behsing Jürgen May Dirk Reinhold Stefan Seidl Andreas Haase* Wolfram Holl* Ulrich Grafe* Kay Weiße* Thomas Mühle* Cornelius Altmann* Karl-August Beese* Timo Schmeichel* Frank Lange* Conrad Süß* Jens Gagelmann* Harfen Nora Lamoureux* / Solo Christine Fraisl* / Solo celesta Clemens Posselt orgel Jobst Schneiderat

* als Gast + nur hinter der Szene

26

27

vorschau / impressum

2. Sinfoniekonzert Freitag 26. Oktober 2007 / 20 Uhr Sonntag 28. Oktober 2007 / 11 Uhr Montag 29. Oktober 2007 / 20 Uhr Dirigent / James Conlon Tatiana Pavlovskaya / Sopran Anthony Dean Griffey / Tenor Donnie Ray Albert / Bariton

Kostenlose Konzerteinführungen jeweils 45 Minuten vor Beginn im Kellerrestaurant der Semperoper

S Ä C H SIS C H E

BILDNACHWEIS /

STAATSKA P ELLE

Fabio Luisi: Barbara Luisi; Abbildungen zu

D RES D EN

hélène grimaud

Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie D-Dur KV 504 («Prager Sinfonie») Alexander von Zemlinsky «Eine florentinische Tragödie» op. 16, Oper in einem Aufzug

eine philosophin am klavier

«Arcana»: Felix Meyer und Heidy Zimmermann (Hrsg.), Edgard Varèse. Komponist – Klang-

forscher – Visionär, Mainz 2006; Abbildungen Sächsische Staatsoper Dresden Intendant Prof. Gerd Uecker

Generalmusikdirektor Fabio Luisi

zu Beethoven: H. C. Robbins Landon, Beethoven. Sein Leben und seine Welt in zeitgenössischen

Bildern und Texten, Zürich 1970; Hélène Grimaud:

© Mat Hennek; Strauss vor seiner Villa, Bergtour: Spielzeit 2007/2008 Herausgegeben von der Intendanz © September 2007

Kurt Wilhelm, Richard Strauss persönlich.

Eine Bildbiographie, Berlin 1999; Widmung

7::I=DK:C

«Alpensinfonie», Programmzettel: Archiv der Sächsischen Staatsoper Dresden textNACHWEIS /

Tobias Niederschlag (TN)

«Musizieren zur Besänftigung der Furien»

von Jürgen Ostmann ist ein Originalbeitrag

für dieses Programmheft. «Musik von anderen Gestaltung und Layout / Die Werft – Kommunikationsdesign Tanja Schnurpfeil Druck / Union Druckerei Dresden GmbH

Planeten» und «Gipfelbesteigung mit Hinder­ nissen» sind Originalbeiträge von Tobias Niederschlag.

Urheber, die nicht ermittelt oder erreicht werden konnten, werden wegen nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.

Anzeigenvertrieb / Keck & Krellmann Werbeagentur GmbH i.A. der Moderne Zeiten Medien GmbH Telefon (0351) 25 06 70

www.kulturwerbung-dresden.de

Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus

urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. www.staatskapelle-dresden.de

BVi=ZccZ`$9