Rundbrief. Rundbrief

2017 2016 Rundbrief Rundbrief Rundbrief 2016 Komberger Weg 53 74523 Schwäbisch Hall Telefon (0791) 930600 Telefax (0791) 9306030 [email protected] www...
Author: Sven Richter
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2017 2016

Rundbrief Rundbrief

Rundbrief 2016

Komberger Weg 53 74523 Schwäbisch Hall Telefon (0791) 930600 Telefax (0791) 9306030 [email protected] www.fachschule-hall.de

An der Zusammenstellung dieses Rundbriefes haben mitgewirkt: M. Berger (verantwortlich), K. Braun, E. Röhler, S. Reusch, M. Seitz Auflage: 2.000, Gestaltung: Christian Werner

Inhalt

Fachschule

EFOF Evang. Kinder- und Familienhaus Freundeskreis Erzieherinnen-Stiftung Hausnachrichten

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Grußwort 3 Jahreslosung 4 Nimmt die Erziehungskraft der Familie tatsächlich ab? 6 Miteinander mehr lernen 8 Multiprofessionelle Teams in Kitas 10 Kein Blut für unsere Handys 12 Arbeit mit Flüchtlingen 13 Die Bremer Stadtmusikanten – ein Theaterprojekt 14 Forschen • Kleine Forscher von Geburt an? 16 • Mit Kindern Gewässer erforschen 17 • Vier Tage im Juni 18 • Ein Wochenende im Namen der Gerechtigkeit 19 Mission Maths • Erasmus+ 21 • Mathematik spielerisch erfassen 22 Schulleben • Das Labyrinth in der Schulgemeinschaft 23 • Dr. Anu Rose aus Indien 24 • Religionspädagogik im doppelten Sinne 25 • Auszeichnung für Markus Merkle 26 • Abschlüsse im OK und BP 26 Erfolgreicher Abschluss in der EFOF 28 Weiterbildung soll Mut machen 28 Die Familienakademie 29 Handkunst für die Schulgemeinschaft 31 Damit Kinder Zukunft haben 32 Wir nehmen Abschied 33 Wir gratulieren zur Geburt 33 Fortbildung an der Fachschule 2017 33

Vielen Dank für alle eingegangenen Spenden. Bankverbindung der Fachschule: IBAN DE41622500300005044449 BIC SOLADES1SHA; Sparkasse Schwäbisch Hall

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Grußwort von Martin Berger

Liebe Ehemalige, liebe Freundinnen und Freunde der Haller Fachschule,

ein Wanderer trifft auf einen Schäfer, der bei seiner Herde steht. Sie kommen ins Gespräch und der Wanderer denkt bei sich: „So ein naturverbundener Mensch wie der Schäfer, der weiß, wie das Wetter heute wird“ – und er fragt ihn. „So wie ich es gerne habe“, antwortet ihm der Schäfer. Der Wanderer staunt: „Aber woher wissen Sie, dass das Wetter so sein wird, wie Sie es lieben?“ Darauf der Schäfer: “Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich nicht immer das bekommen kann, was ich gerne möchte. Also habe ich gelernt, immer das zu mögen, was ich bekomme. Deshalb bin ich sicher: Das Wetter wird so, wie ich es mag.“ Auch wenn sich die Antwort des Schäfers fast etwas resignativ-lebenspraktisch anhört, so hat sie doch auch Tiefe. Diese Haltung des Schäfers, diese Sicht auf die Dinge kann uns helfen, unseren Platz im Leben zu finden. Der indische Jesuit Anthony de Mello hat bei seinen Vorträgen die Zuhörerschaft gerne mit der Frage provoziert, warum sie denn nicht „hier und jetzt“ glücklich sei. Glück hinge nicht von äußeren Bedingungen ab, Glück sei weder ein äußeres Gut noch ein Zustand, der sich dann einstelle, wenn bestimmte äußere Bedingungen erfüllt seien. Das Glück sei eine Form des „Im-Leben-Stehens“, eine Lebensform.

In unserer Ausbildungsarbeit, so wie wir sie verstehen, können wir uns als Lehrkräfte nicht herausnehmen und lediglich als Wissensvermittler auftreten. Wir sind Dialogpartner für unsere Studierenden; sie wollen wissen, womit es uns im Leben ernst ist – gerade so, wie es später auch Kinder und Jugendliche von den erzieherischen Fachkräften wissen wollen. Es geht darum, den Platz im Leben zu finden und sich auch zur Lebenshaltung befragen zu lassen. Die „Welt des Glücklichen ist eine andere als die Welt des Unglücklichen“ (Wittgenstein). In unserer Schulgemeinschaft öffnen wir uns und wir schauen nacheinander. Das ICH bildet sich am DU (Buber). Wir wünschen uns von Herzen, dass die Kinder glücklich werden und ihren Platz im Leben finden. An dieser wichtigen Begleitung stehen wir alle - mit unterschiedlichen Aufgaben und Herausforderungen. Unser Rundbrief gibt aus verschiedenen Blickwinkeln Einblicke in unsere Ausbildungsarbeit. Wir wünschen Freude beim Lesen! Herzliche Grüße aus der Haller Fachschule Ihr

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Jahreslosung 2017 Hesekiel 36,26 Text: Jasmin Laritz

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icht mehr an den Fingernägeln kauen, mit dem Rauchen aufhören, weniger am Smartphone sein, ... Wer schon einmal versucht hat, eine ungute Gewohnheit loszuwerden, weiß: Sich zu verändern ist gar nicht so einfach, aber es ist manchmal nötig, um im Leben zufriedener zu sein, gesünder oder vielleicht sogar erfolgreicher. Natürlich sind es nicht immer nur die kleinen Dinge, die wir gerne ändern wollen, manchmal geht es auch um eine neue Ausrichtung, um ganz grundsätzliche Entscheidungen. Wo in Ihrem Leben würde eine Veränderung - ob eine kleine oder große - gut tun? Wo braucht es möglicherweise sogar einen Neuanfang? Ob wir diese Frage überhaupt selbst beantworten können? Beim Fingernägelkauen vielleicht schon. Beim Handykonsum fällt uns das vielleicht selbst gar nicht auf. Manchmal brauchen wir deshalb, um etwas zu ändern, die Hilfe anderer oder es fällt uns zumindest leichter, wenn wir ihre Unterstützung haben. In der Jahreslosung geht es natürlich weder um soziale Medien, noch um die Rauchentwöhnung. Aber hier verspricht uns Gott Hilfe, wenn Veränderungen nicht allein gemeistert werden können. Er sagt uns zu: „Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch.“ (Hes. 36,26) Ein neues Herz und ein neuer Geist. Das klingt wirklich nach einer tiefen und grundlegenden Veränderung. Im biblischen Sprachgebrauch ist das Herz übrigens weit

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mehr als der Ort der Emotionen. Es ist der Sitz des Willens, der Gefühle und der Sitz der Vernunft sowie des Denkens. Glaube und Vernunft schließen sich also nicht gegenseitig aus. Im Gegenteil, sie hängen eng zusammen, sind zwei Seiten einer Medaille. Die Veränderung, um die es hier geht, ist also eine ganzheitliche, eine, die sowohl den Verstand als auch die Emotionen einschließt und dabei das Vertrauen zu Gott, den Glauben, stärkt. Denn der neue Geist, der Geist Gottes, stärkt die Beziehung zu Gott, indem er zum Beispiel Erkenntnis schenkt und tröstet. Wenn wir unseren Verstand und unsere Gefühle aber ernst nehmen, werden wir merken: Das Versprechen Gottes gilt zwar, doch fühle ich mich noch immer wie zuvor und kann keine gravierende Veränderung an mir feststellen. Es wurden mir ein neues Herz und ein neuer Geist geschenkt und doch bin ich noch die Person, die ich zuvor war, mit allen Fähigkeiten und Vorzügen, aber eben auch mit allen Unzulänglichkeiten und Schwächen. Nach wie vor Fingernägel kauend, rauchend und zu viel am Smartphone. Wo ist das neue Herz und wie macht sich der neue Geist bemerkbar? Ich zumindest kann häufig nichts davon erkennen. Schon Martin Luther hat diese Ungereimtheit entdeckt und eine bekannte Kurzformel geprägt: simul iustus et peccator (lat. = zugleich Gerechter und Sünder). Diese Formel drückt aus, was ich von mir kenne. Im Glauben verstehe ich mich als gerechtfertigt durch Gottes Gnade und zugleich merke

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ich, dass mir im Leben nicht alles gelingt und ich eben nicht perfekt und neu bin. Gerecht - so Luthers Vorstellung - sind wir nicht aus eigener Leistung, sondern dadurch, dass Gott uns unsere Fehler und unsere Schuld nicht anrechnet. Er fängt immer wieder neu an und gibt immer wieder eine neue Chance. Auch der Kontext, in dem die Losung für das Jahr 2017 (in dem wir auch das Reformationsjubiläum feiern) steht, macht diesen Zwiespalt und damit auch die Gnade Gottes deutlich. Hesekiel gehörte zu der ersten Gruppe der Israeliten, die in das babylonische Exil verschleppt wurden. Er wirkte etwa 593 bis 571 v. Chr. In Kapitel 36 spricht er von der zukünftigen Wiederherstellung des Volkes. Er erinnert die im Exil lebenden Juden zunächst an ihre Sünde (ihre schlechte Gewohnheit war der Götzendienst, von dem die sich einfach nicht trennen konnten) und macht dann mit der Jahreslosung Gottes Gnade deutlich. Die positive Veränderung schafft das Volk offensichtlich nicht allein, trotzdem wird es von Gott gerecht gemacht; die wohltuende Veränderung passiert dadurch, dass es ein neues Herz geschenkt be-

kommt. Die Gabe des Geistes Gottes führt schließlich zu einem neuen Verhältnis zwischen Israel und Gott. Die Gnade, die Gott seinem Volk zuwendet, auch wenn es das nicht verdient hat, kann auch uns heute Mut machen und Zuversicht geben, wenn wir es nicht schaffen, uns zum Besseren zu verändern und irgendwie immer die Alten bleiben. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott auch uns gnädig ist und auch uns ein neues Herz und einen neuen Geist schenken will. Dass er uns gerecht macht, obwohl wir Sünder sind, wie Luther es formulieren würde. Er kennt uns und kann uns deshalb unterstützen. Auch wenn wir weiterhin zu viel am Smartphone sind, wenn es uns nicht gelingt, das Rauchen und Fingernägelkauen aufzugeben, auch wenn wir die Veränderung durch das neue Herz und den neuen Geist nicht immer merken, dürfen wir wissen: Wir gehören schon jetzt zu Gott. Er ist in unserem Leben am Werk und schafft schon jetzt Neues. Nicht, weil wir etwas geleistet und uns das verdient hätten, sondern aus Gnade, als Geschenk.

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Nimmt die Erziehungskraft der Familie tatsächlich ab? Irrungen und Selbstverständnisse Text: Vortrag von Frau Dr. Schäfter bei der Mitgliederversammlung des Vereins evang. Ausbildungsstätten am 26. Oktober 2016 in Schwäbisch Hall

Nimmt die Erziehungskraft der Familie tatsächlich ab? Wer stellt eine solche Frage oder meint, die Erziehungskraft der Familie in Frage stellen zu müssen? Diese Frage stellte die Mitgliederversammlung des Vereins beim letzten Treffen und der obige Untertitel weist bereits auf das Fazit hin. Es sind zunächst die Veröffentlichungen dramatischer Art, nicht nur in „vermeintlichen“ Büchern aus der Fachwelt, die diese Frage aufwerfen. Außerdem klagen Fachund Lehrkräfte über die „schwierigen“ SchülerInnen, Eltern klagen über die Belastung, die von ihren Kindern ausgehe. Und nicht zuletzt muss gefragt werden, ob der Ruf nach Unterstützung der Eltern in der Erziehung ihrer Kinder, der aktuell in der Frühpädagogik aufkommt, beispielsweise durch die Einrichtung von Familienzentren, diese Diskussion verschärft. Im Folgenden wird die Erziehungskraft der Familie aus verschiedenen Perspektiven in den Blick genommen. In jüngster Zeit wird in der öffentlichen Debatte häufig der Ruf nach mehr Disziplin laut. Der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut Michael Winterhoff aus Bonn veröffentlichte im Januar 2008 seine erste Streitschrift „Warum unsere Kinder Tyrannen werden“. Er verallgemeinerte Fälle aus seiner klinischen Praxis und erweiterte diese Beobachtungen auf einen „gesellschaftlichen Notstand“. Bernhard Bueb, der ehemalige Schulleiter des Internats Schloss Salem am Bodensee, veröffentlichte zur gleichen Zeit ein Buch mit dem Titel „Lob der Disziplin“. Auch die chinesisch-ame-

rikanische Juraprofessorin aus den USA, Amy Chua, publizierte zeitnah ihre Erziehungsmethoden: Sie setzt das unartige Kind bei Minusgraden vor die Tür oder droht als Strafe an, dass Stofftier des Kindes zu verbrennen. Der Titel ihres Buches lautet: „Die Mutter des Erfolgs. Oder wie ich meinen Kindern das Siegen beibrachte“. Warum stoßen so dramatische Veröffentlichungen in der Gesellschaft auf offene Ohren und führen dazu, dass die Erziehungskraft von Eltern in Frage gestellt wird? Nach Michael Winkler, einem Erziehungswissenschaftler, hat der alljährliche Ruf nach mehr Disziplin Tradition. Die Familie stehe für ein Feld, in dem Kämpfe ausgetragen würden, die mit der Sache selbst wenig zu tun hätten. Die Familie sei schon immer von der Öffentlichkeit in Anspruch genommen worden, weil diesen die Aufgabe zugeschrieben werde, das Wachstum an „richtiger“ Bevölkerung sicherzustellen, sei dies in der Antike, in der Zeit der Aufklärung, im Nationalsozialismus, in der ehemaligen DDR oder in der jüngsten Moderne (Winkler 2012, S. 38). Hier öffnet sich eine große Kluft: ist doch Familie in erster Linie ein Ort der Privatheit und Intimität. An diesen privaten Ort werden aber von gesellschaftlicher Seite Erwartungen gerichtet, dass beispielsweise ausreichend Kinder geboren werden sollen, damit der Bevölkerungsrückgang gestoppt wird. Außerdem sollen diese Kinder in den Familien so erzogen werden, dass sie einen guten Schulabschluss machen und der Wirtschaft als Fachkräfte und kaufkräftige

Konsumentinnen und Konsumenten zur Verfügung stehen. Hier muss ein Schnitt gemacht werden, weil genau die Frage nach Erziehungszielen nicht eindeutig zu beantworten ist. Die Prozesse der Individualisierung und Pluralisierung in der Gesellschaft führen dazu, dass in den Familien verschiedene Erziehungsziele verfolgt werden. Darüber hinaus reflektieren nicht alle Familien erzieherisches Handeln, es wird im Gegenteil angesichts der Nähe und Unmittelbarkeit der Beziehungen eher intuitiv agiert und reagiert. Ergänzend haben innerhalb Familien die einzelnen Familienmitglieder unterschiedlicher Generationen verschiedene Vorstellungen von gelingender Erziehung. Bevor also der Weg bzw. die Art des Erziehens diskutiert werden kann, müsste in der Öffentlichkeit eine Diskussion zu den Erziehungszielen geführt werden. Hier schließt sich die nächste Frage an: Zu welchem Zeitpunkt, in welchem Alter der Kinder/Jugendlichen kann das Erreichen oder Nicht-Erreichen von Erziehungszielen gemessen werden? Beate Andresen und Klaus Hurrelmann fragten Kinder in der „World Vision Studie“ nach ihren eigenen Vorstellungen von gelingender Kindheit: Was benötigt ein Kind, um glücklich zu sein? Auf die Frage nach fünf unverzichtbaren Dingen, die jedes Kind für ein gutes Leben braucht, nannten Kinder z.B. eine Münze, eine Wohnung, Milchreis, einen eigenen Namen, ein Handy sowie Freundinnen und Freunde. „Eine glückliche Kindheit hängt maßgeblich von guten Beziehungen zu verantwor-

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tungsvollen, fürsorglichen, respektvollen, warmherzigen, humorvollen und aufrichtig an Kindern interessierten Erwachsenen ab.“ (Andresen 2012, S 8) Die große Mehrheit der befragten Kinder ist mit ihren Lebensverhältnissen in Familie, Freizeit, Freundeskreis und Schule zufrieden und fühlt sich wohl (ebd.). Die Diskussion mit Ruf nach mehr Disziplin kommt u.a. auf, weil Erziehung sich verändert hat. In der letzten oder vorletzten Generation hat eine Veränderung „vom Befehls- zum Verhandlungshaushalt“ stattgefunden (Ecarius 2002). Erziehung war in der Vergangenheit von Über- und Unterordnung, von Disziplin und Strafe geprägt, hingewiesen sei hier auf Kinderbücher wie „Der Struwwelpeter“ oder „Max und Moritz“. Heute wird in Familien ein Verhandlungshaushalt gelebt, mit allen unterschiedlichen Nuancen. Im Grundgesetz wurde inzwischen festgeschrieben, dass Kinder nicht geschlagen werden dürfen. Im Kinder- und Jugendhilfegesetz SGB VIII wurde in §45 ergänzt, dass Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe ein Konzept zum Beschwerdemanagement für Kinder entwickeln müssen. Heutige Kinder fordern ein, dass Ge- und Verbote begründet, verhandelt und diskutiert werden. In Kindertageseinrichtungen wird Partizipation von Kindern eingeübt. Kinder werden dabei unterstützt, ihre eigene Meinung zu erkennen und zu äußern. Ludwig Liegle beschäftigte sich aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive mit Familienerziehung und kommt zu dem Schluss, dass die Einflüsse der Familie immer prägend sind, ob diese gelingen oder auch nicht. Auf die Bedeutung der frühkindlichen Erfahrungen wies bereits Sigmund Freud hin. Liegle verweist zudem darauf, dass sich die erziehungswissenschaftliche

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Forschung kaum damit beschäftigt habe, wie Erziehung in der Familie gestaltet werde bzw. gelinge, u.a. weil die Erziehungswissenschaft sich als Professionswissenschaft verstehe, wohingegen das Geschehen in der Familie keinem Anspruch einer Profession genüge. Der Erziehung in der Familie fehlten Aspekte wie Planbarkeit, Rationalität oder Intentionalität als Kennzeichen der modernen Gesellschaft; Familie sei eher „vormodern, irrational, Leiblichkeit einschließend und auf personorientierte Kommunikation angelegt“ (Liegle 2005, S. 402). Wie steht es nun um die Erziehung in der Familie? Gelingt oder misslingt sie? Zunächst ist festzustellen, dass es ein großes Spektrum des Gelingens oder Misslingens gibt, weil Familien verschiedene Werte leben, weil Eltern verschiedene Voraussetzungen haben, weil Familien einfach grundverschieden sind (vgl. hierzu die Vielfalt an gelebten Familienformen wie Patchworkoder Ein-Eltern-Familien, materiell gut ausgestattet oder in prekärer Lebenssituation). Von der Forschung gemessen wurde z.B. die Kategorie Lebens- und Familienzufriedenheit von Eltern und Kindern. Hier ist hervorzuheben, dass die meisten Untersuchungen zu dem Schluss kommen, dass die Zufriedenheit hoch ist (Dornes 2012, S. 95). Kinder- und Jugendliche sind mit ihrer Situation in den Bereichen Familie, Schule und Freizeit zufrieden. Seit 1990 wurde in allen Bereichen sogar eine Zunahme der Zufriedenheit festgestellt. „Zusammenfassend kann man feststellen, dass in den verschiedenen Studien 80-90% der 4- bis 29-Jährigen mit ihren Eltern und mit ihrer Lebenssituation zufrieden sind.“ (Dornes 2012, S. 95) Ausschlaggebend für die subjektiv empfundene Zufriedenheit ist der familiäre Interaktions- und Kommunikationsstil. Ein

durch Liebe, Wertschätzung und Unterstützung geprägtes Familienklima, gemeinsame Aktivitäten mit den Eltern und genügend Freiraum sind die wesentlichen zufriedenheitsfördernden Faktoren. Die größeren Freiheiten der Kinder sind jedoch auch mit größeren Verletzlichkeiten verbunden. Die individuellen Freiheiten erfordern von den Kindern, dass sie sich ein Bild von den angebotenen und vielfältig gelebten Werten und Lebensmodellen machen und eigene Entscheidungen für ihr individuelles Leben treffen. Hierzu ist ein starkes Selbstkonzept nötig, das sich als Teil der eigenen Identität in der Familie bildet. Eltern bieten im Gestalten der Beziehung zu den Kindern eine Orientierung für das Finden eigener Werte. Die Übernahme von Werten innerhalb der Familie beschreiben Fend et al. in ihrer „LiFe-Studie“: Beispielsweise würden schon 16-Jährige überwiegend die gleiche politische Partei wählen wie ihre Eltern oder, um einen anderen Bereich zu nennen, das Interesse an Religion und Kirche wird nur von engagiert religiösen Eltern an Kinder weitergegeben? (Fend et al. 2009) Mein Fazit zur Frage nach der Erziehungskraft der Familie: Erziehung hat sich verändert, aber es gibt keinen Grund, einen Erziehungsnotstand auszurufen. Die öffentliche Diskussion lässt meines Erachtens der dringend notwendigen Wertschätzung der Erziehungsarbeit in der Familie keinen Raum. Interessen von Familien und Kindern werden häufig missachtet. Eltern bringen für ihre Kinder einen großen Einsatz, allein das zeitliche Engagement hat sich sich laut Nationalem Bildungsbericht 2016 in den letzten 15 Jahren um 10 Prozent gesteigert. An anderen Stellen erhalten Ehrenamtliche für ihr großes Engagement auch regelmäßig ein „herzliches Dankeschön“!

Andresen, Sabine (2012): Was unsere Kinder glücklich macht. Lebenswelten von Kindern verstehen. Freiburg im Breisgau: Kreuz-Verlag. Dornes, Martin (2012): Die Modernisierung der Seele. Kind-Familie-Gesellschaft. Frankfurt am Main: Fischer. Ecarius, Jutta (2002): Familienerziehung im historischen Wandel. Eine qualitative Studie über Erziehung und Erziehungserfahrungen in drei Generationen. Leske und Budrich. Fend, H., Berger, F., Grob, U. (Hrsg.). (2009). Lebensverläufe, Lebensbewältigung, Lebensglück. Ergebnisse der LifE-Studie. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Liegle, Ludwig (2005): Der soziale Ort, an dem sich im Regelfall die ersten Schritte der Menschwerdung vollziehen. Stichworte zu den Perspektiven einer Familienerziehungswissenschaft. In: Neue Sammlung 45 (2005) 3, S. 401-423.

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Also lautet ein Beschluß: Daß der Mensch was lernen muß. Nicht allein das Abc Bringt den Menschen in die Höh, Nicht allein im Schreiben, Lesen Übt sich ein vernünftig Wesen; Nicht allein in Rechnungssachen Soll der Mensch sich Mühe machen; Sondern auch der Weisheit Lehren Muß man mit Vergnügen hören. Daß dies mit Verstand geschah War Herr Lehrer Lämpel da. Wilhelm Busch in „Max und Moritz

Miteinander mehr lernen Lehrerpersönlichkeit und Gruppenheterogenität – neue Ansätze zur Schülerförderung. Text: Marinela Seitz

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ir alle kennen ihn und seine strenge, verknöcherte Figur mit nach oben gestrecktem Zeigefinger. Die nach unten gezogenen Mundwinkel unterstreichen seinen unzufriedenen Gesichtsausdruck, der feste Stehkragen und die überspannte Haltung betonen seine Steifigkeit. Lehrer Lämpel gilt bis heute als Sinnbild des verklemmten, autoritären und doch irgendwie schrullig-liebenswerten Lehrers des 19. Jahrhunderts – ein Typus, der längst Gegenstand pädagogischer Kontroversen geworden ist. Doch die Lehrerperson steht bereits Jahrhunderte zuvor im öffentlichen Interesse. Von Sokrates, der das Lehrersein als persönliche Berufung sah, über die Zeit von Max und Moritz bis heute hat sich das Bild der Lehrenden gewandelt. Geblieben ist je-

doch nach wie vor ihre Relevanz für einen guten Unterricht. Das zeigt nicht zuletzt die von John Hattie 2009 veröffentlichte Studie „Visible Learning“, die nicht nur in Fachkreisen für Aufsehen sorgte. Die Besonderheit dieser Studie ist ihr Umfang: John Hattie sammelte in 15 Jahren über 800 Meta-Analysen und wertete sie aus. Das erscheint auf den ersten Blick nicht spektakulär, doch die Tatsache, dass diese Meta-Analysen ca. 80.000 Einzelstudien umfassen, an denen erwa 250 Millionen Lernende teilgenommen haben, verleiht der Auswertung ein außerordentliches Gewicht. Damit hat Hattie die bisher weltweit größte Datensammlung zur Bildungsforschung ausgewertet. Die darin untersuchten Bildungsbereiche umfassen die Lernenden, das Elternhaus, die Schule, das Curriculum, die

Lehrperson sowie das Unterrichten – alles wichtige Faktoren für den Lernerfolg (vgl. Zierer 2014). Was aber ist nun das Aufsehenerregende dieser Mega-Studie? Hattie erklärt darin die Lehrerpersönlichkeit zum Schlüssel für guten Unterricht (vgl. Hattie 2009). Doch er verkündet eigentlich nichts Neues – lediglich etwas, das im Kampf um kleinere Klassen, bessere Ausstattung, differenziertere Methoden usw. ein wenig in den Hintergrund geraten ist. Kerschensteiner hatte Jahrzehnte zuvor schon festgestellt: „Ein Lehrer, der eine volle Persönlichkeit geworden ist, ist das wertvollste Bildungsgut, das […] die größte Wirkung auf die Schüler auszuüben vermag.“ (Kerschensteiner nach Foerster 2008, S.27). Nun stellt sich die Frage, was diese „idealen“ Lehrer und Lehrerinnen ausmacht.

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Ein erneuter Blick in die Literatur offenbart hierzu verschiedene Ansätze. Für Hattie ist es beispielsweise wichtig, dass neben den fachlichen Voraussetzungen die Lehrenden Begeisterung für ihr Fach zeigen und vermitteln, die Lernenden motivieren, Interesse wecken, den Unterricht aus der Perspektive der Schülerinnen und Schüler planen und dabei deren Bedürfnisse ernst nehmen. Darüber hinaus müssten die Unterschiedlichkeit innerhalb der Lerngruppen berücksichtigt, aktivierende Lernstrategien angewandt und eine Feedbackkultur gepflegt werden. Kounin hingegen verlangt vom Lehrer Allgegenwärtigkeit im Klassengeschehen, Achtung aller Schülerbedürfnisse, Geschmeidigkeit und Schwung im Unterricht, gute Gruppenaktivierung und Übergangsmanagement sowie Sensibilität und Strategien bei Scheinteilnahme im Unterricht (vgl. Kohen 1976). Keine einfache Aufgabe! Oder wie es Prof. Dr. Müller-Limmroth feststellt: „Der Lehrer hat die Aufgabe, eine Wandergruppe mit Spitzensportlern und Behinderten bei Nebel durch unwegsames Gelände in nordsüdlicher Richtung zu führen, und zwar so, dass alle bei bester Laune und möglichst gleichzeitig an drei verschiedenen Zielorten ankommen.“ (Müller-Limmroth 1988). Es können noch zahlreiche weitere Studien und Fachartikel beispielsweise von Mayer (Meyer 2016), Gudjons (Gudjons 2003) und anderen vorgestellt werden, die zum Teil ähnliche, zum Teil auch andere Merkmale guter Lehrkräfte bzw. guten Unterrichts nennen. Auffällig dabei ist, dass bei allen zweierlei Dinge auftauchen. Zum einen orientiert sich die gute Lehrkraft an ihren Schülerinnen und Schülern und zum anderen beherrscht sie die Kunst der Klassenführung. Genau genommen lassen sich aber diese beiden Faktoren nicht getrennt vonei-

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nander betrachten, denn eine gute Führung ist nur dann möglich, wenn die gegebenen Rahmenbedingungen und Beteiligten berücksichtigt werden. Wer aber sind nun unsere Beteiligten, unsere Schülerinnen und Schüler, und wie können wir ausgehend davon gute Lehrkräfte sein? Diese Frage wird auch im Kollegium der Evang. Fachschule diskutiert und zuletzt auch am Pädagogischen Tag zum Thema gemacht. Dabei ging es vorrangig um zwei Fragestellungen: Wer sind bzw. welchen Hintergrund haben unsere Studierenden? Wie können wir dieser Vielfalt gerecht werden und individuelle Unterstützung anbieten? Deutlich wurde vor allem eines: Die Heterogenität der Studierendengruppe nimmt zu. Während die einen nach Realschulabschluss direkt ins Berufskolleg einsteigen, gibt es zunehmend Schülerinnen und Schüler, die entweder nach der Hauptschule und Aufbaustufe oder nach dem Abitur mit der Ausbildung beginnen. Darüber hinaus tritt die Unterschiedlichkeit der Lebenserfahrungen, die durch ein FSJ, ein BFD, ein Auslandsjahr oder ähnliches erworben wurden, immer deutlich zutage. Durch die PiA-Ausbildung kommen zudem Studierende mit bereits abgeschlossener Berufsausbildung oder sogar Studium hinzu. Erfahrene Mütter und Väter, die durch ihre praktische Lebenserfahrung und Kinderversorgung besondere Qualifikationen mitbringen, sind eine weitere Gruppe in der Fachschule. Diese Heterogenität wird zusätzlich durch eine Altersmischung verstärkt, die im Kern alle Stufen zwischen 15 und 30 Jahren, in Einzelfällen auch bis zu 50 Jahren umfasst. Diese wunderbare Vielfalt ist eine große Bereicherung für jede Klasse und alle Studierenden sowie Lehrenden. Gleichzeitig stellt sie eine große Herausforderung für die

Unterrichtsvorbereitung dar. Allein Hatties oder Kounins Maxime, den Unterricht aus der Perspektive der Studierenden zu planen und dabei ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen, gestaltet sich bei dieser Heterogenität als eine sehr komplexe Aufgabe. Diese wird durch die Vorgaben des Regierungspräsidiums nicht einfacher. Wie sieht also ein möglicher Lösungsansatz für diese Komplexität aus? Die Haller Fachschule setzt sich bereits seit einiger Zeit mit dieser Frage auseinander. So wurde beispielsweise im vergangenen Jahr die bestehende Lernbegleitungssystematik überprüft und es wurden vier Lernbegleiterinnen pro Kursstufe eingesetzt. Auch beim diesjährigen Pädagogischen Tag wurden Ideen erörtert, um möglichst alle Schülerinnen und Schüler nach ihren individuellen Bedürfnissen zu fördern und zu fordern. Peer-to-peer, Lerncoaching, Differenzierung, Lernstationen und Zeitmanagement sind dabei nur einige der angesprochenen Möglichkeiten. Der Fokus dieser liegt einerseits auf Individualität, andererseits aber auch auf dem Miteinander. Die Erarbeitung befindet sich noch im Anfangsstadium und zur Umsetzung ist es noch ein arbeitsintensiver Weg. Dieser kann unter Mitwirkung der Studierenden mit Sicherheit auch schneller, interessanter und effektiver gestaltet werden. Zudem ist es die einfachste Art, die Bedürfnisse dieser zu berücksichtigen und auch als Lehrer Neues zu lernen. Denn, um den Dichter Peter Sirius (1858 - 1913) zu zitieren, ein „wahrer Lehrer der Jugend lernt mehr und Größeres von seinen Schülern, als er sie selber lehren kann“ (https://www.aphorismen.de/suche?f_thema=Lehrer&seite=2). Und vielleicht macht genau dieses Miteinander einen guten Unterricht und damit auch den guten Lehrer bzw. die gute Lehrerin aus.

Foerster, F. (2008): Personale Voraussetzungen von Grundschullehramtsstudierenden. Eine Untersuchung zur prognostischen Relevanz von Persönlichkeitsmerkmalen für den Studien- und Berufserfolg. Münster: Waxmann. Gudjons, H. (2003): Didaktik zum Anfassen: Lehrer/in-Persönlichkeit und lebendiger Unterricht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt Hattie, J. (2009): Visible learning: a synthesis of over 800 meta-analyses relating to achievement. Oxon, New York: Routledge. Kounin, J. S. (2006): Techniken der Klassenführung (Original der deutschen Ausgabe, 1976). Münster: Waxmann. Meyer, H. (2016 ): Praxisbuch: Was ist guter Unterricht? Mit didaktischer Landkarte . 11. Auflage. Berlin: Cornelsen Scriptor Müller-Limmroth (1988): Der Lehrerberuf. In: Züricher Weltwoche vom 02.06.1988. Zit. nach: Lehramt am Gymnasium. Broschüre der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. In: https://www.zlb.uni-freiburg.de/info_gympo/broschuere-lehramt-am-gymnasium Zierer, K. (2014): Kernbotschaften aus John Hatties Visible Learning. Konrad-Adenauer-Stiftung e. V., Sankt Augustin/Berlin. In: http://www.kas.de/wf/doc/kas_38424544-1-30.pdf?140728131534 https://www.aphorismen.de/suche?f_thema=Lehrer&seite=2

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Multiprofessionelle Teams in Kitas Ein Interview, geführt von Susanne Reusch mit Marie Antz, ehemalige Berufspraktikantin unserer Fachschule

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it der 2013 vom Landtag Baden-Württemberg beschlossenen Erweiterung des Fachkräftekatalogs im Kindertagesbetreuungsgesetz wurde neuen Berufsgruppen der Weg in die Kitas eröffnet. Damit sollte dem Fachkräftemangel begegnet werden. Allerdings gab es auch Befürchtungen, dass sich die Prozessqualität in den Einrichtungen verschlechtern könnte. So wurde in Fachkreisen speziell die Aufnahme nicht-einschlägig qualifizierter Fachkräfte wie Krankenschwestern, Ergooder PhysiotherapeutInnen1 in den Fachkräftekatalog2 durchaus kritisch gesehen. Inzwischen prägen laut eines vom Kultusministerium in Auftrag gegebenen Forschungsprojektes3 zunehmend multiprofessionelle Teams die Kita-Landschaft. Nach den Ergebnissen dieser Studie waren bereits im Herbst 2013 54 Prozent der Einrichtungen mit mehr als zwei Berufsgruppen besetzt. In knapp 30 Prozent der Einrichtungen waren neben den einschlägig-qualifizierten Fachkräften (ErzieherInnen, KinderpflegerInnen) auch Fachkräfte aus einer anderen Berufsgruppe vertreten. Was bedeutet dies für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen und wie kann die konkrete Zusammenarbeit in einem multiprofessionellen Team aussehen? Die staatlich anerkannte Erzieherin Marie Antz verfügt über Erfahrung in einer multiprofessionell aufgestellten Einrichtung. Im Interview mit Susanne Reusch berichtet sie aus der Praxis.

Frau Antz, Sie haben Ihr Berufspraktikum in einer großen Einrichtung in Stuttgart Heslach absolviert – in einem multiprofessionellen Team. Dort arbeiten Sie auch heute noch als staatlich anerkannte Erzieherin. Wie viele MitarbeiterInnen arbeiten in dieser Kita? Welche Qualifikationen sind vertreten? Im gesamten Kinderhaus Bachwiesenstraße arbeiten momentan etwa 41 Mitarbeitende mit den unterschiedlichsten Qualifikationen. Wir haben in unserer Einrichtung Erzieher und Erzieherinnen, Heilerziehungspfleger und Heilerziehungspflegerinnen, Sprachförderkräfte, Heilpädagogen, Sozialpädagogen sowie Fachkräfte aus dem medizinischen Bereich, wie zum Beispiel eine Kinderkrankenschwester, und aus dem therapeutischen Bereich Ergotherapeuten und eine Physiotherapeutin. Das Kinderhaus besteht aus einem Krippenbereich, einem Ganztagesbereich und einem Kindergarten mit veränderten Öffnungszeiten. Ich selbst arbeite im Ganztagesbereich mit 20 weiteren Fachkräften zusammen. War die multiprofessionelle Zusammensetzung ein Auswahlkriterium bei der Stellensuche? Nein. Bevor ich mein Anerkennungsjahr im Kinderhaus Bachwiesenstraße begonnen hatte, konnte ich mit dem Thema „multiprofessionelle Teams“ nicht sonderlich viel anfangen. Um ehrlich zu sein, habe ich mir zuvor auch noch keine weiteren Gedanken

darüber gemacht und hatte erst recht keine tiefgründigeren Informationen darüber gesammelt. Doch als die erste gemeinsame Gesamtteamsitzung des gesamten Hauses stattfand und sich dabei alle (unter anderem) mit ihren Qualifikationen vorstellten, kam das Interesse auf, über die Zusammenarbeit in einem multiprofessionellen Team mehr zu erfahren. Zwangsläufig setzte ich mich mit diesem Thema durch die tägliche gemeinsame Arbeit sowie durch die verschiedensten Teamsitzungen auseinander und erlangte unter anderem durch die gezielte Erarbeitung dieses Themas für mein Kolloquium einen umfassenderen Einblick. In so einer großen Einrichtung gibt es ein Groß- und verschiedene Kleinteams. Welche Professionen sind in Ihrem Kleinteam vertreten? In unserer Einrichtung gibt es unzählige Teamsitzungen verschiedenster Art, welche in einem solch großen Kinderhaus mit so vielen unterschiedlichen Qualifikationen auch enorm wichtig sind. Mein Kleinteam besteht aus zwei Heilerziehungspflegerinnen, einer Heilpädagogin, welche als Integrationskraft fungiert, und eben mir, als Erzieherin. Welche Potenziale stecken Ihres Erachtens in der Zusammenarbeit in multiprofessionell besetzten Teams? Ich persönliche sehe die multiprofessionelle Arbeit und die multiprofessionellen

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Teams als eine absolute Bereicherung an. Die unterschiedlichen Fachkräfte können durch ihre Erfahrungen und dem jeweiligen Fachwissen ergänzen und das gesamte Team dadurch bereichern. Außerdem können multiprofessionelle Teams umfangreicher auf die Bedürfnisse sowie die einzelnen Entwicklungsschritte des Kindes eingehen und es dabei begleiten, unterstützen und gezielt fördern. Durch diese unterschiedlichen Professionen wird auch die Zusammenarbeit mit Eltern sowie anderen Institutionen qualitativ voran gebracht und es kann individueller auf die Angehörigen der Kinder eingegangen werden. Auch der enorme Fachkräftemangel kann durch diese zusätzlichen Personalressourcen teilweise ausgeglichen werden. Welche Rahmenbedingungen sind Ihres Erachtens erforderlich, dass Fachkräfte mit unterschiedlichen Qualifikationen im Sinne einer guten Fachpraxis zusammenarbeiten? Zum einen gibt es eben die gesetzlich festgelegten Rahmenbedingungen nach dem Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg. Um das Prinzip des multiprofessionellen Arbeitens umsetzen zu können, sieht das Kindertagesbetreuungsgesetz (KiTaG) in §7 Abs. 2 vor, dass bestimmte festgelegte Fachkräfte (wie beispielsweise Ergotherapeuten) eine Nachqualifizierung von 25 Fortbildungstagen oder ein einjähriges Berufspraktikum absolvieren müssen. Nach dieser Qualifizierung erwerben sie sich dann auch ihren „Fachkraftstatus“. Außer diesen festgelegten Rahmenbedingungen gibt es natürlich auch noch interne wünschenswerte und notwendige Rahmenbedingungen innerhalb einer Einrichtung. Das wären beispielsweise: - Spezifische Einarbeitungs- und Personalkonzepte, um den Professionen eine schnelle und gute Anschlussfähigkeit zu ermöglichen. - Außerdem kommt dem zeitlichen Aspekt eine sehr hohe Bedeutung zu. Es braucht Zeit im Alltag für Teambesprechungen und den fachlichen Austausch.

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- Es benötigt Raum und Zeit, um die verschiedenen Blickwinkel, die jede Profession mitbringt, transparent für die anderen Teammitglieder zu machen. - Zeit für die Selbstreflexion und die Reflexion des pädagogischen Alltags sowie die Zusammenarbeit im Team. Dadurch können Haltungsfragen gemeinsam geklärt und erarbeitet werden. - Damit sich jede Fachkraft wieder finden kann, ist es wichtig die Ressourcen der einzelnen Kräfte zu erkennen und miteinzubeziehen. - Besonders wichtig: Fachkräfte müssen sich untereinander mit Offenheit, Toleranz und Wertschätzung gegenüber den unterschiedlichen Qualifikationen begegnen. Um dies alles erfolgreich umsetzen zu können, braucht es vor allem jemanden, der uns Fachkräfte durch den Alltag coacht und verschiedenste Teamsitzungen moderiert und begleitet. Im Normalfall ist dies die Leitung (bei uns manchmal auch die Bereichsleitung) oder auch teilweise ein sogenannter Supervisor. Wie ist Ihre Einschätzung: Werden an die Fachkräfte in einem multiprofessionellen Team besondere Anforderungen gestellt? Wenn ja, welche? Eine besondere Anforderung, der man sich in einem multiprofessionellen Team stellen muss, ist der ständige gegenseitige Austausch innerhalb der unterschiedlichen Fachkräfte, da jeder seine eigene Sichtweise, seinen eigenen Blickwinkel und sein eigenes Wissen mit- und einbringt. Eben dieser Austausch erfordert soziale Kompetenzen im Umgang miteinander, Engagement im Team sowie gegenseitiges Verständnis füreinander. Außerdem sehe ich eine weitere Anforderung im pädagogischen Alltag: Durch den Umstand, dass jede Fachkraft eigene Qualifikationen und eigene Schwerpunkte mit sich bringt, gilt es, sich gegenseitig in den unterschiedlichen Fachbereichen mit den jeweiligen Stärken sinnvoll zu ergänzen; und

zwar aus der Alltagssituation heraus. Dies erfordert einen breiten Blickwinkel und Flexibilität, um entsprechende Situationen zu erkennen. Welche Risiken oder Herausforderungen stellen sich dar? Treten schwierige Situationen ein, die in der multiprofessionellen Besetzung begründet sind? Ich sehe es als Herausforderung an, genügend Raum und Zeit für einen organisatorischen und professionellen Austausch unter den Fachkräften im Kindergartenalltag zu schaffen, um letztlich eine „Verwässerung“ der pädagogischen Arbeit zu verhindern. Eine weitere Herausforderung stellt die Teamaufbauphase dar. Die unterschiedlichen Fachkräfte müssen sich akzeptieren und schätzen. Dies bedeutet zum Beispiel, dass die Grenzen, an denen aus „Stärken“ ein Abgeben der eigenen Kompetenzen wird, geklärt sein müssen. Wie reagieren Eltern auf ein multiprofessionell besetztes Team? Ich persönlich habe mit den Eltern und dem Thema multiprofessionelles Team sehr positive Erfahrungen gemacht. Eltern wissen die jeweiligen Kompetenzen der einzelnen Fachkräfte zu schätzen. So können sie eventuell aufkommende Fragen an die jeweilige Fachkraft richten und erhalten kompetente Beratung oder Lösungsansätze. Auch ist nur im multiprofessionellen Team ein noch umfangreicheres, ganzheitliches Bild des Kindes möglich, was den Eltern unterschiedliche Blickwinkel auf ihr Kind liefert. Frau Antz, ich danke Ihnen sehr für das aufschlussreiche und interessante Gespräch.

mit einer Nachqualifizierung oder eines einjährigen betreuten Berufspraktikums vgl. Hohl, Georg: Erweiterter Fachkräftekatalog im KiTaG –alles gut? In: KiTaMagazin 1/2016, 14 3 Prof. Weltzien, D.; Dr. Fröhlich-Gildhoff, K.: TEAM-BaWü- ein Forschungsprojekt zur Team-Evaluation bzgl. der Arbeitsprozesse und Arbeitszufriedenheit multiprofessioneller Kindertageseinrichtungen in Baden Württemberg (September 2013 bis August 2015) 1 2

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Kein Blut für unsere Handys Der „missio Truck“ macht Station vor der Haller Fachschule Text: Heidi Silbermann und Manfred Zülch

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er Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik Schwäbisch Hall ist es gelungen, mit dem „missio Truck“ die multimediale Ausstellung „Menschen auf der Flucht“ für Jugendliche und Erwachsene nach Schwäbisch Hall zu holen. Diese erzählt Geschichten von Geflüchteten und stellt konkrete Beispiele der Solidarität mit Flüchtlingen vor. Am 11. Juli 2016 bekamen somit die SchülerInnen für einen Tag die Möglichkeit, sich in besonderer Weise über das Thema „Menschen auf der Flucht“ zu informieren In Workshops wurden durch einen Referenten des „missio Truck“ zunächst Hintergründe zu Flüchtlingen aus Afrika aufgezeigt. Am Beispiel der kriegerischen Auseinandersetzungen im Ostteil der Demokratischen Republik Kongo wurden zudem Zusammenhänge zwischen blutigen Bürgerkriegen und der Produktion moderner Handys veranschaulicht. So heißt es in den Begleitmaterialien des „missio Truck“: „Die schöne Welt der Mobiltelefone hat eine dunkle, blutige Seite. Rebellengruppen im Ostkongo erobern Coltanminen und verkaufen illegal das selte-

ne Erz, das für die Herstellung von Handys benötigt wird. Die Zivilbevölkerung wird brutal vertrieben. Vergewaltigungen werden als Kriegswaffe eingesetzt.“ Diese Gräuel haben auch in Europa für Aufsehen gesorgt. „Wenn man weiß, dass man Coltan verwendet oder kauft, für das eine ganze Dorfgemeinschaft niedergemetzelt worden ist, dann muss uns das zum Umdenken bringen“, fordert beispielsweise Erzbischof Maroy. Die Stimmen für saubere Handys werden lauter und so gibt es nun auch Alternativen zu den herkömmlichen Smartphones: Mit dem Kauf des „fair-phone“ werden kontrollierte und angemessene Produktionsbedingungen gefördert. Im ausgebauten Truck selbst konnten die Schülerinnen und Schüler jeweils eine individuelle Fluchtgeschichte eines Flüchtlings in beeindruckender Weise multimedial nacherleben. Der „missio Truck“ mit der multimedialen Ausstellung „Menschen auf der Flucht“ ist ein sogenanntes serious game und wurde zum Computerspiel des Jahres 2013 gewählt (es kann ausschließlich im Truck gespielt werden).

Die Veranstaltung stieß u. a. deshalb auf großes Interesse, weil die eigene Verwobenheit in weltpolitisches Geschehen besonders deutlich wurde. Zudem bildete sie eine Vertiefung der Thematik „Menschen auf der Flucht“, die aktuell auch unterrichtlich in der Fachschule bearbeitet wird. Die angehenden Erzieherinnen und Erzieher stehen in ihrer sozialpädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vor besonderen Herausforderungen in diesem Kontext.

Nähere Infos: www.missio-truck.de

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„Arbeit mit Flüchtlingen“: Verein Evang. Ausbildungsstätten für Sozialpädagogik e. V. Evangelische Fachschule engagiert sich in Notunterkunft –Spielaktionen gemeinsam mit Flüchtlingskindern Text: Antje Bauer und Christine Haag-Merz

Jede Woche gehen Schülerinnen und Schüler der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik in die Notunterkunft für Flüchtlinge und machen ein offenes Spielangebot für die Flüchtlingskinder. Die künftigen Erzieherinnen und Erzieher bieten etwas zum Malen, Basteln oder auch Bewegungsspiele an und machen dabei wertvolle Erfahrungen. Die Turnhalle des Berufsschulzentrums wurde im Herbst als Notunterkunft für Flüchtlinge eingerichtet. Die Flüchtlinge, überwiegend Familien mit Kindern, sind dort für drei bis vier Wochen untergebracht, bis das Landratsamt eine Anschlussunterbringung gefunden hat. Betreut werden sie während dieser Zeit überwiegend vom Freundeskreis Asyl, der sie mit Kleidung, Geschirr, Deutschkursen, Dolmetscher-, Beratungs- und Fahrdiensten versorgt. Seit November gibt es an der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik Schwäbisch Hall eine Studiengruppe, die sich bei den Freizeitangeboten für die Flüchtlingskinder mit einbringt. Jede Woche wird ein offenes Kreativ- und Spielangebot von den angehenden Erzieherinnen und Erziehern für die Flüchtlingskinder durchgeführt. „Wir bieten für die Kinder

etwas zum Malen, Basteln, Spielen oder auch einfache Sing- und Bewegungsspiele an“, berichtet Dozentin Antje Bauer, die die Studiengruppe betreut. „Wir helfen mit, dass die Kinder in der Turnhalle nicht nur untergebracht sind, sondern auch in mit ihren Bedürfnissen nach Beschäftigung und Anerkennung wahrgenommen werden. Neben den Deutschkursen für die älteren Kinder am Vormittag gibt es nun fast täglich ein kleines Nachmittagsangebot von Seiten freiwillig engagierter Schüler und Schülerinnen aus unterschiedlichen Schulen. Auch der Heimbacher Hof und der Zirkus Compostelli bieten regelmäßig Aktionen an. Das ist gut, denn die Kinder brauchen eine gewisse Tagesstruktur und Verlässlichkeit.“ Die Fachschule verfolgt gleich mehrere Ziele mit der Studiengruppe. „Die Schülerinnen und Schüler der Studiengruppe erhalten durch ihr Engagement einen Eindruck von der Lebenswelt der Flüchtlinge in einer Notunterkunft und können gleichzeitig persönliche Erfahrungen im Kontakt mit den Kindern und teilweise auch mit den Eltern machen“, so Antje Bauer. „Dadurch können eventuell bestehende Unsicherheiten und Vorurteile abgebaut werden. Aber das wichtigste Ziel ist: Wir bieten den Kindern,

die in der Turnhalle so wenig Raum und Möglichkeiten zum Spielen haben, etwas zum Beschäftigen, Entdecken und Mitmachen. Nebenbei können sie gleich ihre ersten Deutschkenntnisse anwenden und üben.“ Die Aktivitäten für die Kinder in der Flüchtlingsunterkunft kommen sehr gut an. „Unsere Schülerinnen und Schüler sind motiviert dabei“, freut sich Dozentin Antje Bauer, „sie bringen sich auch nach langen Unterrichtstagen engagiert ein. Sogar bei Wochenendaktivitäten sind sie immer wieder da, um mitzuhelfen. Das ist wirklich toll! Und sie sind trotz der immer wieder mal auftauchenden Schwierigkeiten durch die Sprachbarrieren begeistert von der Offenheit und Freude der Kinder!“ Auch in der Fortbildung von Erzieherinnen im Landkreis zum Thema Flüchtlinge engagiert sich die Fachschule. „Wir bringen unser Knowhow aus der Pädagogik ein und geben Impulse beim KITA-Café des Landkreises zur Begleitung von Flüchtlingskindern“, berichtet Direktor Martin Berger. „Dabei geht es um kulturelle Vielfalt, interkulturelle Pädagogik und ihre praktische Umsetzung, also wie Fachkräfte in den Kitas die Kinder gut aufnehmen und stärken können.“

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Die Bremer Stadtmusikanten Ein Theaterprojekt zum Thema „Flucht“ im Rahmen der Schwerpunktsetzung Theaterpädagogik Text: Antje Bauer

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u Beginn jedes Schuljahres finden für die Studierenden im Oberkurs jeweils vier intensive Studientage zu ihrem gewählten Schwerpunkt in ErlebnisMedien oder Theaterpädagogik statt. Die Inhalte variieren je nach Schwerpunktsetzung. In der Theaterpädagogik geht es um die Inszenierung eines Theaterstückes. Dazu reist das begleitende DozentInnen-Team mit den Studierenden ins „Haus der Musik“ nach Brettheim, ein Freizeitheim der dortigen Kirchengemeinde. Dort gibt es zum einen eine komfortable Unterbringung in Zwei- und Dreibettzimmern, zum anderen aber auch große Räume, um eine Theaterinszenierung in Kleingruppen und mit diversen Bühnenbildstationen zu erarbeiten und zu inszenieren. Dass dies innerhalb von vier Tagen wirklich gelingen kann, können sich die Studierenden meist nicht vorstellen. Aber bisher gab es jedes Jahr eine tolle Werkstatt-Aufführung; das meint: Das Stück, die Rollen und Szenen sind erarbeitet, angelegt und können vorgespielt werden. Für eine Aufführung vor öffentlichem Publikum fehlen sicher noch die Verfestigung und der Probenfeinschliff. Das Ziel der Schwerpunktsetzung Theaterpädagogik ist aber auch nicht die Aufführung eines klassischen Schultheaterstückes, sondern die Vermittlung und Erprobung von theaterpädagogischen Methoden und Techniken. Die Auszubildenden sollen ein erstes fachliches Wissen über theaterpädagogische Grundlagen erwerben und diese anhand eines konkreten Theaterstückes in der abschließenden Werkstattinszenierung zusammenführen und aktiv erproben. Da im Sommer 2015 das Thema „Menschen auf der Flucht vor Krieg und Elend kommen nach Deutschland“ die Emotionen und Gedanken beherrschte, war in unserem Theaterpädagogik-Team nach einigem Hin- und Herüberlegen der Konsens da: Wir

wagen über das Theaterspiel eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht. Flucht bedeutet „Not- Aufbruch - Unterwegssein - Ankommen“. Diese Themen suchten wir in Geschichten und Stücken, die sich auch für Kinder und Jugendliche in der Umsetzung als Theaterprojekt anbieten. Fündig wurden wir schließlich im Volksmärchen „Die Bremer Stadtmusikanten“ der Gebrüder Grimm und dem dazu entwickelten Theaterstück von Friedrich Karl Waechter. Das Märchen erzählt von den vier Tieren, die „ihre Heimat / ihr Zuhause“ verlassen müssen, da ihnen dort aus unterschiedlichen Gründen ihre Lebensgrundlage entzogen wird oder der Tod droht. Sie hoffen, im fernen und nur vom Hörensagen bekannten Bremen ein neues Lebensglück zu finden. Klassisch begann die Arbeit an diesem Theaterprojekt mit dem gemeinsamen Lesen des Stückes. Danach ging es für die Studierenden erst einmal darum, sich mit den Themen des Stückes intensiver auseinanderzusetzen. In Kleingruppen wurde an drei unterschiedlichen Arbeitsstationen zu den Themen: „Aufbruch - Unterwegssein - Ankommen“ diskutiert und erzählt. Impulsfragen, Fluchtberichte und ein gedankliches eigenes Fluchtszenario regten zum Nachdenken und Austausch an. Dabei ging es z.B. um Fragen wie: - Woher kenne ich die Themen „Aufbruch – Unterwegssein – Ankommen – Fremdsein…“ in meinem Leben?

- Was bewegt die Tiere im Märchen zum Aufbruch? Was hoffen sie zu finden? - Was passiert gerade im Weltgeschehen zum Thema „Aufbruch -Unterwegssein Ankommen“? - Wie erginge es mir wohl als Flüchtling, wenn wir in Deutschland plötzlich politisch oder wirtschaftlich bedingte bürgerkriegsähnliche Ausnahmezustände hätten? – Kann ich mich zumindest etwas in die Situation von Menschen auf der Flucht hineinversetzen? Im nächsten Schritt wurde mit der Methode des Ausdruckspiels Jeux-Dramatiques eine spielerische Auseinandersetzung zu „Aufbruch – Unterwegssein- Ankommen“ angeregt und erlebt. Hier kam es zu ersten Spielerfahrungen mit den Tierrollen aus der Geschichte der Bremer Stadtmusikanten. Die Gedanken, Gefühle und Spielsequenzen wurden später in die Stück- und Rollenentwicklung auf der Grundlage des Theatertextes eingebaut, weiterentwickelt und im Proben vertieft. Nach den intensiven Inszenierungsund Probeeinheiten sowie der Werkstattaufführung am letzten Vormittag waren die Studierenden sicherlich etwas erschöpft,

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aber auch sehr zufrieden und stolz auf „ihr“ Stück. Und im abschließenden Feedback-Kreis wurde eines sehr deutlich zurückgemeldet: Die Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht über dieses theaterpädagogische Projekt hatte alle sichtlich, bewegt, sensibilisiert und um Erkenntnisse bereichert. Das „Theaterspielen“ hatte ihnen tatsächlich neue Erfahrungsräume eröffnet. Durch die Rollen und Szenen hatten sich neue Sichtweisen auf sich selbst und vor allem auch auf Menschen mit Fluchterfahrung ergeben. Auch wenn natürlich allen immer bewusst war, dass die Handlungen und Beweggründe der Tiere im Märchenstück nicht annähernd die Lebenswirklichkeit von Menschen mit aktueller Fluchterfahrung wiedergeben, wurde in der kognitiven und spielerisch-emotionalen Auseinandersetzung mit dem Stück und den Themen der Tiere sehr eindrucksvoll folgendes deutlich: - Die Notlage und die Angst, die zur Flucht treiben, sind immer individuell, subjektiv erlebt sehr intensiv und letztendlich auch nur in der Innenperspektive ganz nachvollziehbar.

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- Notwendig und hilfreich sind auf der Flucht Gemeinschaft- und Selbstwirksamkeitserfahrungen. Sie stärken die Hoffnung auf ein Ankommen und helfen, die traumatische Notsituation zu bewältigen.

- Und „Bremen“ kann überall sein - überall dort, wo die Perspektive auf eine Lebensgrundlage und Aufgabe, ein Gefühl von Sicherheit, Zusammen- und Zugehörigkeit ermöglicht wird.

NACHRUF Leider war dieses Theaterprojekt mit dem Oberkurs 2015/16 das letzte, das das Theaterpädagogikteam unter der federführenden Handschrift von Gunther Lang-Zipperer durchführen konnte. Gunther - unser „Theater-Fachmann“, Kollege und Freund - ist im vergangenen Dezember 2015 völlig unerwartet und plötzlich gestorben. Sein Tod traf seine Familie, seine Freunde, KollegInnen und Bekannte schwer und hinterlässt ein großes Loch und eine tiefe Trauer. Auch wenn wir seinen Tod nach wie vor noch immer nicht fassen und verstehen können, sind wir zutiefst dankbar für die vielen Jahre des freundschaftlichen Zusammenarbeitens, des lustvollen Theaterspielens, des Gedanken und Wissen Austauschens, des sich für eine Sache Begeisterns und….des gemeinsamen Freuen und Lachens! Gunther war ein ganz besonderer Mensch. Er hat viele Spuren hinterlassen, die auch uns geprägt haben und in unserem Leben und Arbeiten weiterhin präsent bleiben. „Danke Gunther…..für Dein Dasein, Dein Wirken und die Zeit mit Dir!“ Antje Bauer, Heidi Silbermann

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Kleine Forscher von Geburt an? Text: Laura Ziegler

Noch in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts galten Säuglinge als „unbeschriebene Blätter“. Man vermutete eine eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit und ein Verhalten, welches größtenteils trieb- und reflexgesteuert ist. Heutzutage ist die Rede vom so genannten „kompetenten Säugling”, der bereits im Mutterleib und in den ersten Lebensmonaten lernt und mit seiner Umwelt in Kontakt tritt. Säuglinge als kleine Physiker? Das klingt zunächst ein wenig irritierend. Elizabeth Spelke, eine amerikanische Kognitions- und Entwicklungspsychologin, ist fest davon überzeugt. Sie geht davon aus, dass alle Menschen auch ohne Physikunterricht Intuitionen über physikalische Phänomene besitzen. Beispielsweise hat jeder, trotz vielleicht schlechter Physiknoten, ein intuitives Wissen über Eigenschaften von Objekten. Ein Ball springt zurück, wenn er auf einen Tisch geworfen wird und geht nicht durch diesen hindurch. Ein Stück Holz ist fest und dreidimensional. Spelke geht davon aus, dass auch Säuglinge bereits über ein solches Wissen verfügen und führte bereits in den neunziger Jahren folgende Experimente mit zweieinhalb bis vier Monate alten Kleinstkindern durch:

Den Säuglingen wird zunächst gezeigt, wie ein Ball losgelassen wird und hinter einer Abschrimung verschwindet. Wird diese hochgenommen, liegt der Ball auf dem Boden: Dieses Ereignis wird einige Male wiederholt, bis es den Babys „langweilig“ wird und sie das Ereignis immer kürzer mit ihren Blicken fixieren. Daraus lässt sich schließen, dass sie das Ereignis nun kennen und das Interesse daran abnimmt. Im Anschluss an diese so genannte „Habituation an das Ereignis” wird den Säuglingen ein physikalisch mögliches sowie ein physikalisch unmögliches Ereignis gezeigt:

kinder im Alter von zweieinhalb bis vier Monaten das physikalisch unmögliche Ereignis deutlich länger betrachteten. Sie richteten also ihren Blick länger auf das „magische“, unerwartete Ereignis als auf das realistische. Es können bei diesem Experiment also zwei intuitive physikalische Theorien bei Säuglingen festgestellt werden: 1. Das Experiment zeigt, dass bereits bis zu vier Monate alte Säuglinge wissen, dass Gegenstände fest sind und nicht durch andere hindurchgehen können. 2. Ebenso haben sie bereits verinnerlicht, dass sich Objekte auf einer einzigen verbundenen Bahn bewegen.

Im Fall des möglichen Ereignisses wird ebenfalls ein Ball hinter eine Abschirmung fallen gelassen. Wird diese hochgehoben liegt der Ball auf einer Tischplatte. Beim zweiten bzw. unmöglichen Ereignis liegt der Ball anschließend unter der Tischplatte – muss also durch diese hindurchgegangen sein. Um nun untersuchen zu können, ob Babys diese Ereignisse unterscheiden können, wurden die Betrachtungszeiten (Wie lange fixiert ein Säugling ein Ereignis?) verglichen. Es zeigte sich dabei eindeutig, dass Kleinst-

Experimente mit ähnlichem Versuchsaufbau wurden in verschiedensten Variationen durchgeführt. Unter anderem ließ sich belegen, dass auch andere physikalische Prinzipien bereits in der frühen Kindheit verinnerlicht werden: beispielsweise das Schwerkraft- und Trägheitsprinzip (Objekte fallen nach unten und bleiben in Bewegung, bis sie auf ein Hindernis treffen). Die Grundlagen eines naturwissenschaftlichen Verständnisses werden also früher erworben, als lange angenommen. An diese knüpfen Kinder ihre Erfahrungen mit der Umwelt an und erweitern ihre naturwissenschaftlichen Kompetenzen. Die Theorien des „kompetenten Säuglings“ können also manifestiert werden. Kinder sind von Geburt an kleine Forscher und haben bereits in den ersten Lebensmonaten ein intuitives naturwissenschaftliches Verständnis.

Literatur: Fthenakis. W. u.a. (2009). Natur – Wissen schaffen. Band 3. Frühe naturwissenschaftliche Bildung. Troisdorf: Bildungsverlag EINS. Mischo, C. (2009): Kognitive Entwicklung. In: Fröhlich-Gildhoff, K., Mischo, C., Castello,A. (Hrsg.): Entwicklungspsychologie für Fachkräfte in der Frühpädagogik. Köln, Kronach: Wolters Kluwer Deutschland GmbH. Sodian, B. (2002): Entwicklung begrifflichen Wissens. In: Oerter R., Montada, L. (Hrsg.) Entwicklungspsychologie. Weinheim, Basel, Berlin: Beltz Verlag.

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Mit Kindern Gewässer erforschen Wasser erleben und Gewässerwissen erwerben – eine Qualifizierungsveranstaltung der Akademie für Naturund Umweltschutz Baden-Württemberg für angehende ErzieherInnen der Fachschulen für Sozialpädagogik Text: Juliane Klenk und Sophie Reisacher

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it Kindern Gewässer erforschen – wie kann das gehen? Welches Wissen ist hierzu hilfreich und an was muss gedacht werden, um einen Tag am Wasser mit Kindern zu planen? Diese und weitere Fragen beantwortete die Biologin Barbara Kargerer am Seminartag der Umweltakademie in Stuttgart. Im Rahmen der Blockwoche hatte am 4. Juli 2016 die 3PiA1-Klasse Gelegenheit, sich im Stuttgarter „Naturlabor“ zu diesem Thema zu informieren. Im Stadtpark Wartberg, einer grünen Oase unterhalb des Killesbergs, begann der Gewässer-Tag im Seminarraum der Einrichtung. Dieser glich eher einem Forscherzimmer, da an den Seitenwänden Binokulare, Bestimmungsbücher und zahlreiche andere Forscherutensilien bereitlagen. Der Einstieg ins Thema durch kurzweilige Impulsvorträge schaffte einen kleinen Überblick über heimische Gewässer sowie die darin lebenden Tiere. Auf diese Weise lernten die Studierenden einen einfachen Bestimmungsschlüssel kennen, mit dem Wassertiere kategorisiert werden können, ohne Bestimmungsbücher zu wälzen. Dies ermöglichte ein erstes Erfolgserlebnis.

Die Orientierung am Bestimmungsschlüssel war einfach: Fragen wie „Hat das Tier Beine?“ wurden mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet, wodurch eine erste Kategorisierung erfolgte. Tiere ohne Beine waren demnach entweder Muscheln (zweiteiliges Gehäuse) oder Schnecken (einteiliges Gehäuse) oder je nach Körperbeschaffenheit Würmer, Larven oder Egel. Bei den Tieren mit Beinen war die Beinzahl für eine erste Kategorisierung entscheidend. So konnten schnell Krebse, Spinnen und Insekten unterschieden werden. Der sonnige Tag in Stuttgart lud anschließend dazu ein, die Nähe des Wassers zu suchen. Ausgestattet mit Keschern und Bechergläsern machten sich die PiA-Studierenden auf zum nahegelegenen Teich wo beim ersten näheren Hinsehen bereits zahlreiche Wassertiere ausgemacht waren. Die Impulse des Vormittags hatten die Wahrnehmung geschärft, sodass die gesammelten Tiere nach gezielter Untersuchung mit dem Binokular schnell bestimmt werden konnten. Abschließend widmeten sich die Studierenden der Frage, was bei einem Gewäs-

sertag mit Kindern beachtet werden muss. Durch die eindrückliche Selbsterfahrung am Wasser, arbeiteten sie schnell wichtige Aspekte heraus: Die Ausrüstung wurde als wichtig eingestuft. Neben den obligatorischen Gummistiefeln und der Regenkleidung waren auch verschieden große Gefäße, Kescher, Siebe, Becherlupen und Federstahlpinzetten notwendig. Darüber hinaus wurden folgende hilfreiche Tipps für die pädagogische Begleitung entwickelt: - Kinder darauf vorbereiten, dass kleine Tiere gesucht werden - Kinder an Wasser heranführen (wie fühlt es sich an?...), um eventuellen Berührungsängsten vorzubeugen - Vorab klären, wo Tiere zu finden sind, z.B. Hinweis zum Steineumdrehen geben - Forschergeist der Kinder bestärken, z.B. Fantasienamen für die Tiere finden lassen Insgesamt verbrachte die 3PiA1-Klasse einen abwechslungsreichen, interessanten sowie lehrreichen Tag im Stuttgarter „Naturlabor“, was große Lust auf das Erforschen von Gewässern mit Kindern machte.

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Vier Tage im Juni Mit Kindern forschen auf der Landesgartenschau in Öhringen Text: Dr. Cornelia Schäfter

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ie diesjährige Landesgartenschau hat nicht nur Öhringen, sondern der ganzen Region viel geboten. So konnten sich u. a. auch Grundschulklassen anmelden, die im Rahmen des „Haus der kleinen Forscher“ an einem Vormittag naturwissenschaftlich experimentieren wollten. An vier Tagen im Juni 2016 begleiteten Studierende der Unter- und Oberkurse, letztere nach Abschluss ihrer schriftlichen Prüfungen, Grundschulkinder aus der Region beim Forschen. Dies war für alle Beteiligten ein besonderes Erlebnis: Die Kinder waren begeistert, konnten durch Ausprobieren naturwissenschaftliche Erfahrungen machen und Erkenntnisse gewinnen. Sie wurden in Kleingruppen durch je zwei FachschülerInnen intensiv begleitet. Die begleitenden Grundschullehrkräfte erlebten ihre Kinder engagiert und konzentriert und konnten auch bei unterrichtlich in der Schule wenig interessierten Kindern beobachten, wie intensiv sich diese mit ihren Fragen und Interessen auseinandersetzten – dank der intensiven Begleitung. Die UK- und OK-Studierenden stellten schnell Kontakt zu den Kindern her, begleiteten sie bei ihren Fragen und unterstützten ihr Erfahrungslernen. Welch kompetente LernbegleiterInnen! Da von den Eltern die Einwilligung zum Filmen der Interaktionen eingeholt wurde, konnten Lernbegleitungsprozesse zusätzlich für die Studiengruppe Videografie zur Auswertung verwendet werden. Herzlichen Dank an die Studierenden und an Fr. Schmidt vom „Haus der kleinen Forscher“ für diese gemeinsame Chance.

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Ein Wochenende im Namen der Gerechtigkeit Text: Silvia Butz-Horlacher und Jasmin Laritz

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n einem Wochenende im Herbst 2016 kamen Schülerinnen und Schüler aus dem BK, UK, OK und BP zusammen, um mit den beiden Religionspädagogik-Dozentinnen Jasmin Laritz und Silvia Butz-Horlacher über Gerechtigkeit nachzudenken. Dank der großzügigen Gastfreundschaft der Öhringer Kirchengemeinde konnten sie im Öhringer Süden, im Gottesdienstraum und Gemeindehaus, Unterschlupf finden und eine Zeit gemeinsamen Lebens mit kochen, essen, reden, singen, beten und vielem mehr erleben. Gemeinschaft eben! Inhaltlich sollte es an diesem Wochenende um die Gerechtigkeit gehen. Den Einstieg bildete der dänische Film „Adams Äpfel“, eine schwarze Komödie, die makaber ist und zuweilen bis an die Schmerzgrenze geht. Dennoch ist sie gefüllt mit Intelligenz sowie warmherzigen Sequenzen und voller biblischer Motive. Denn diese Komödie macht nicht Halt vor der großen Frage der Menschheit, die natürlich auch in der Bibel gestellt wird: Warum lässt Gott das zu? Sie stellt sich der Theodizeefrage, wie diese in der Fachsprache heißt. Wie geht man mit den Ungerechtigkeiten in dieser Welt um und das, ohne eindimensionale Weltbilder zu vermitteln und an einem Plädoyer für Vielfalt und Menschlichkeit festzuhalten, auch dann, wenn Widerstände und Vorurteile übergroß erscheinen? Der Film mit all seinen biblischen Motiven ebnete den Raum für das Hiobbuch der Bibel, denn von diesem rühren die biblischen Motive des Films „Adams Äpfel“ her. Das Problem, das im Hiobbuch behandelt wird, ist das Ringen mit der früheren Überzeugung, dass gutes Handeln auch für ein gutes Leben sorge. Es geht also um die Annahme, Krankheit und Leid als Strafe für Sünde und

Vergehen anzusehen. Damit soll mit Hilfe von Hiob aufgeräumt werden, einem Mann „ohne Fehl und Tadel“, dem dennoch Schreckliches widerfährt. Was beim Hiobbuch vor allem berührt, ist, dass oft nur die Erkenntnis bleibt, keine Einsicht in Gottes Willen zu haben und deshalb davor zurückzuschrecken, einfachen Erkenntniswegen nachzugeben. Was wäre aber ein Wochenende im Namen der Gerechtigkeit ohne die Philosophie. Der zweite Tag unseres Wochenendes bot deshalb eine philosophische Sicht auf die Gerechtigkeit: Unsere Zeit ist geprägt von Selbstverwirklichung, individueller Freiheit, von einer Offenheit, sich selbst ein sinnerfülltes Leben zu „basteln“. Aber wie sieht es mit der globalen Verantwortung aus, wie können wir zumindest gedanklich – philosophisch dem Thema der globalen Gerechtigkeit nahekommen? Drei Gedankenexperimente namhafter Philosophen unserer Zeit forderten uns heraus und so wurde heiß diskutiert (und die Dozentinnen waren begeistert), z.B. über Beispiel 1: Peter Singer, Das Teichbeispiel, Utilitarismus „Wenn ich an einem seichten Teich vorbeikomme und ein Kind darin ertrinken sehe, so sollte ich hineinwaten und das Kind herausziehen. Das bedeutet zwar, dass meine Kleider schmutzig und nass werden, aber das ist bedeutungslos, wohingegen der Tod des Kindes vermutlich etwas sehr Schlechtes wäre“ (Singer 2007, S. 27-52).

Ausgehend von dem Beispiel diskutierten wir darüber, ob es nicht wirklich (zumindest gedanklich) nachvollziehbar ist, dass wir, sofern es in unserer Macht liegt, etwas Schlechtes zu verhindern, ohne etwas wirklich moralisch Vergleichbares opfern zu müssen (im Beispiel riskieren wir lediglich, dass unsere Kleidung schmutzig wird), es auch tun. Im expliziten Fall heißt das: Wenn ein Kind in einem Teich zu ertrinken droht, werde ich ihm helfen, einfach weil ich es kann. Auch wenn ich meine teuren Schuhe dabei ruiniere. Oder? Aber wie ist das mit der Armut, die ich nicht sehe? Und so flogen unsere Gedanken fort, weg von dem Teich, und folgten den Überlegungen Singers: Wenn wir davon ausgehen, dass Armut etwas Schlechtes ist, und es in unserer Macht steht, etwas gegen diese Armut zu tun, unabhängig davon, ob diese vor unserer Haustür ist oder auf einem entfernten Kontinent, und es wiederum keine vergleichbaren moralischen Härten auf unserer Seite verursacht, dann ist es doch unsere Pflicht, etwas gegen Armut und ihre strukturellen Hintergründe zu tun. Das bedeutet wiederum, dass die Notsituation fremder Menschen durchaus Opfer von unserer Seite rechtfertigt, auch wenn die Not weit weg von uns existiert. Konkret: Wir geben etwas von

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unserem materiellen Reichtum ab (vgl. Hahn 2009, S. 37-49). Oder – so gingen unsere Gedanken weiter – müssen wir nicht viel genauer hinschauen, wenn es um die Probleme der Armut geht. Ist Armut nicht möglicherweise das Resultat einer politischen Handlung innerhalb eines Nationalstaates und warum sollten reiche Länder, nur weil sie reich sind, überhaupt eine Verantwortung, ja Pflicht zum Helfen haben? Und schon waren wir beim Gedankenexperiment Nr. 2: David Miller, Liberaler Nationalismus „Auf einer Landstraße kommt es zu einer überdurchschnittlich hohen Unfallquote. Dies rührt daher, dass die Streckenführung einige Schwierigkeiten für die Autofahrer aufweist. Es gibt langgezogene und unübersichtliche Kurven, die Straße ist sehr schmal und der Belag in einem schlechten Zustand. Von Anfang an litt die Konstruktion der Straße unter der Inkompetenz der Straßenplaner. Hinzu kommt, dass die Landesverwaltung seit Jahren Sparzwänge gegen die dringend notwendige Straßensanierung geltend macht bzw. andere Ausgaben als wichtiger einstuft“ (Hahn, 2009, S.51). Die Schülerinnen und Schüler ließen sich auch auf dieses Gedankenexperiment ein und fragten, ähnlich wie David Miller, wie es mit der Verantwortung der einzelnen Autofahrer aussieht. Die Unfallursache kann doch nicht einfach immer nur in den Hintergrundbedingungen gesucht werden, sondern ist doch maßgeblich auch dadurch verursacht, wie einzelne mit den vorliegenden Bedingungen umgehen, d. h. wie sie ihr Fahrverhalten an die Bedingungen anpassen. Solange sich Autofahrer nicht an die schlechten Bedingungen anpassen, liegt die Verantwortung für die Folgen (doch auch) bei ihnen. Ist also die Hauptverantwortung für globale Armut, gemäß dem Beispiel von David Miller, in erster Linie nicht bei den reichen Nationen oder in unserer Weltordnung zu suchen, sondern bei den Putschisten und Menschen, die sich an dem vorliegenden System

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räuberisch bereichern? Die primäre Verantwortung läge also vorrangig bei korrupten Banden und Nationen, die das Unrecht hinnehmen und ganz bewusst ihren Profit daraus ziehen (vgl. Hahn 2009, S. 50-55). Und schon regte sich neben entlastenden Gefühlen, die sich breit machten, auch Widerstand in den Reihen der Schülerinnen und Schüler und wir landeten bei Gedankenexperiment Nr. 3: Iris Marion Young, Politische Verantwortung „In einer Stadt, die als Hochburg des Fahrraddiebstahls gilt, hat sich ein Gebrauchtfahrradhändler niedergelassen, der damit wirbt, Fahrräder ohne Kaufvertrag und Herkunftsprüfung von anonymer Seite anzukaufen. Dieser Fahrradhändler nimmt sehenden Auges in Kauf, dass er zu einem hohen Prozentsatz gestohlene Fahrräder handelt. Ohne diesen Fahrradhändler würde sich der Fahrraddiebstahl in der Stadt weniger lohnen und nach realistischen Prognosen deutlich zurückgehen. Sein profitables Geschäftsgebaren erlaubt es ihm nicht nur, Fahrräder besonders günstig anzubieten, er kann es sich dadurch auch leisten, andere Produkte wie Flickzeug und Ersatzteile günstiger als die Konkurrenz anzubieten“ (Hahn 2009, S. 59). Wir diskutierten also über den Fahrradhändler, aber auch über die Kundin, die lediglich Flickzeug einkauft und dennoch davon profitiert, dass der Händler besonders günstige Preise anbietet. Und ja, wir diskutierten auch über einen Kunden, der den Laden boykottiert. Fällt dieser heraus oder spielt er dennoch eine Rolle in der Verstrickung von Unrecht in unserer globalisierten Welt? Alle Schülerinnen und Schüler waren sich darin einig, dass der Fahrradhändler, indem er es unterlässt, die Herkunft seiner Ware genau zu prüfen, für den Fahrraddiebstahl maßgeblich mitverantwortlich ist. Dadurch werden erst die Bedingungen geschaffen, die für ein erfolgreiches System von Fahrraddiebstählen gehören. Ausgehend von dem Beispiel blickten wir auf globale Ungerechtigkeit und

kamen beim Diskutieren auf Beispiele von internationalen Institutionen, die Menschenrechtsverletzungen billigend in Kauf nehmen, weil sie davon profitieren. Was ist aber mit der Kundin? Der Fall der Kundin ähnelt, so war schnell klar, der Situation einer normalen Bürgerin westlicher Industrienationen. Und wir fragten weiter: Würde sich die ungerechte Situation tatsächlich verändern, wenn sie ihr Verhalten ändern würde? Reicht es aus, einen Laden, der offensichtlich aus Unrecht Profit zieht, lediglich zu boykottieren? Diesen Fragen stellte sich Iris Marion Young ebenso wie unsere Schülerinnen und Schüler. Young gibt den Hinweis, eine Logik der politischen Verantwortung einzuführen. Die Frage, wie wir unsere Pflicht für eine gerechtere Welt leisten, ist demnach in erster Linie nicht, inwiefern wir uns am Markt beteiligen, sondern inwiefern wir uns an politischen Prozessen beteiligen. Wir sind also in der Diskussion bei der Mitverantwortung einer jeglichen Person angelangt, die Privilegien, die ihr gegeben sind, auch nutzt. Gerechtigkeit wurde an diesem Wochenende also in unterschiedlichen Bereichen – theologisch, cineastisch, philosophisch – heiß diskutiert und auch praktisch umgesetzt: Upcycling war unsere praktische Antwort auf unser oft ungerechtes (Konsum-)Verhalten. Aus gebrauchten Stoffen und Kleidern, die uns von der Aufbaugilde in Heilbronn zur Verfügung gestellt wurden, entstand Neues mit Hilfe von Nähmaschinen, aber auch mit Nadel und Faden sowie mit viel Kreativität. Aus altem Holz entstanden originelle Krippenfiguren. Unikate aus Dingen, die jemand nicht mehr brauchen konnte. Am Ende bleibt ein unvergessliches Wochenende. Studierende und Dozentinnen konnten sich einmal ohne schulischen Rahmen erleben und Leben teilen. Unser Dank gilt der Kirchengemeinde Öhringen für ihre Gastfreundschaft, aber auch und vor allem den Studierenden, die sich auf solch ein Wagnis eingelassen haben – das zudem für viele zusätzlich und freiwillig war.

Literatur: Hahn, Henning (2009): Globale Gerechtigkeit. Eine philosophische Einführung. Frankfurt am Main: Campus. Singer, Peter (2007): Hunger, Wohlstand und Moral. In Bleisch, Barbara; Schaber, Peter (Hrsg.): Weltarmut und Ethik. Münster: mentis

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Fachschule Mission Maths — Seite 21

Sharing Good Practice: Networking in Europe Text: Gitte Able, Joanne Böck und Markus Merkle

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as zweite Jahr mit „Mission Maths“ ist angelaufen. Das Projekt, das von der Europäischen Union über ERASMUS+ unterstützt wird, hat zum Ziel, mathematisches und naturwissenschaftliches Interesse bei Kindern zu wecken und aufrecht zu erhalten, innovative Unterrichtsmethoden zu entwickeln und den kulturellen Austausch zu fördern. Wir können stolz zurückblicken auf die Aktivitäten in unserem Haus, mit unseren Studierenden und ebenso auf die Arbeit und den Austausch mit unseren Partnerschulen aus Griechenland, Italien, Polen und Spanien, die sehr positiv erlebt wurden. Der Schwerpunkt für uns als Fachschule liegt vor allem darauf, methodisch-didaktisches Knowhow einzubringen sowie Ideen und Impulse zu liefern, die für erfahrungsorientiertes und selbstmotiviertes Lernen hilfreich sind und ein intensives und nachhaltiges Lernen fördern. Ein wichtiges Medium dafür sind Online-Workshops, die auf der Projekt-Online-Plattform hochgeladen werden und so

den Lehrkräften in unseren Partnerschulen zur Verfügung stehen. Ein Thema des ersten Online-Workshops lautete beispielsweise „Architektur und Mathematik“. Per Videobotschaft wurde mit Fünf- und Sechsecken (Penta- und Hexagrammen) ein runder Fußball konstruiert, der von Schülerinnen und Schülern als Papiervorlage ausgedruckt, ausgeschnitten und zu einem Ball zusammengeklebt werden konnte. Dieser stabile Korpus diente darüber hinaus als mathematischer Verweis auf den Bereich Architektur, wo in Anlehnung an solche Konstrukte sogenannte geodätische Kuppeln entwickelt wurden. Diese Aufgabe wurde von den Partnerschulen gerne in den Unterricht eingebaut und wir konnten anschließend als Feedback auf der gemeinsamen Projekt-Website Bilder und Filmausschnitte der Umsetzung sehen. Ein weiterer Online-Impuls, das „Entdecken geometrischer Formen in Gebäuden und architektonischen Monumenten“, diente als Vorinformation für eine mathematische Aufgabe, die in Zamosc, Polen bei dem Treffen der Partnerländer im April gelöst wurde

(s. www.ev-fs.de/homepage). Hier kamen aus jedem Land sechs Schülerinnen und Schüler mit jeweils zwei Lehrkräften nach Polen. Unsere Reisegruppe aus dem Unterkurs (zweites Ausbildungsjahr) hatte bereits Aufgaben im Vorfeld zu lösen. Die Teilnehmenden waren für die Planung mitverantwortlich. Sie berechneten ihre einwöchige Reise mit Bedacht auf die verschiedenen Fahrtmöglichkeiten, den Zeitaufwand und die Kosten. Vor Ort in Zamosc waren die Begleitung der jüngeren Schüler und Schülerinnen aus den anderen Ländern, die Erstellung des Comics „MathManiac“, Live Chess sowie Hospitieren in sozialpädagogischen Einrichtungen ebenfalls Teile der Agenda. Ein weiterer intensiver Austausch fand vor allem bei den persönlichen Begegnungen während des Lehrerworkshops vom 2. bis zum 6. Juli statt, als die vier Partnerdelegationen mit jeweils fünf Lehrkräften zu uns nach Schwäbisch Hall anreisten. Durch „Hands-On“-Erfahrungen mit dem „Haus der kleinen Forscher“ erlebten die Partner den forschungsbasierten Ansatz in Mathematik und den naturwissenschaftlichen Bereichen. Der Ausflug zur „Experimenta“ in Heilbronn, die intensive Herausforderung in der Erlebnispädagogik und ein Blick in die „Klein-Sülzer-Werkstatt“ haben für viele interessante und anregende Gespräche gesorgt. Mit den innovativen Beiträgen der Fachschule wurde ein fachlicher Austausch unter den Teilnehmenden erreicht und ein intensives Gemeinschaftsgefühl entstand. Dadurch wurde auch die sprachliche Barriere gut überwunden. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit und das „Sharing Good Practices“.

Seite 22 — Fachschule Mission maths

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Mathematik spielerisch erfassen Studierende aus dem UK entwickeln Mathe-Spiele für den Erasmus+-Workshop „Mission Maths“ Text: Katja Bauer

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ie Grundidee war, Unterrichtsinhalte aus dem Lernfeld Spiel mit dem Erasmus+-Projekt „Mission Maths“ zu verknüpfen, um so eine reale Lernsituation herzustellen. Fünfzehn Lehrerinnen und Lehrer aus vier europäischen Ländern (Griechenland, Italien, Polen, Spanien) kamen an die Haller Fachschule, um sich über didaktische Methoden zu informieren, durch die Kinder und Jugendliche die alltägliche Bedeutung von Mathematik praktisch erfahren können. Dazu eignete sich im Spiel-Unterricht das Thema Regelspiele: Regelspiel in der Spielentwicklung von Kindern und dessen Bedeutung für die Entwicklung. Die pädagogische Begleitung von Kindern sollte durch das Erfinden eigener Re-

gelspiele erarbeitet werden. Die Aufgabe mit einem Bezug zu „Mission Maths“ war, ein Regelspiel rund um das Thema Mathematik für eine bestimmte Zielgruppe zu erfinden. Zuerst waren Überlegungen dazu notwendig, welche Bereiche mit Mathematik zu tun haben. Das Brainstorming hierzu war ergiebig: Rechnen, logisches Denken, Sammeln und Sortieren von Naturmaterialien, Vergleiche wie größer - kleiner oder voll - leer, Geld, Zeit, Schätzen, Formen, Maße und Gewichte. Das daraus entwickelte Fazit der Studierenden: „Die Welt besteht aus Mathematik!“ Anschließend sollten die Studierenden eine Spielidee entwickeln, Rahmenbedingungen, Spielregeln und einen Namen für das Spiel erarbeiten, um anschließend das Spiel mit ansprechenden Materialien

auszugestalten. Entstanden sind acht Spiele für unterschiedliche Zielgruppen, z.B. eine Schlaumeier-Rallye, logisch Kombinieren mit Naturmaterialien, Formenspaß für Kinder mit Behinderung, Alice im Wunderland. Als Abschluss präsentierten die Studierenden den europäischen Besucherinnen und Besuchern von „Mission Maths“ ihre Ergebnisse auf Englisch und leiteten die Spiele praktisch an. Diese Situation bezog daher auch lernfeldübergreifende Kompetenzen wie Öffentlichkeitsarbeit und englischsprachige Kommunikation ein. Der Rollentausch kam gut an: Zwanzig Lehrerinnen und Lehrer wurden von den Studierenden unterrichtet und hatten sichtlich Freude am Spiel. Und vielleicht wurde auch die eine oder andere Anregung im Koffer mitgenommen.

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Fachschule Schulleben — Seite 23

© Ulrike Gysin

Das Labyrinth in der Schulgemeinschaft Text: Silvia Butz-Horlacher

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as kommt uns vor Augen, wenn wir an ein Labyrinth denken? Denken wir an einen Schlossgarten mit hohen Hecken oder an ein Maislabyrinth, in dem sich Kinder einen Weg bahnen? Dieses oft spaßige Irren und Suchen ist ein Merkmal des Irrgartens, doch nicht des Labyrinths. Im Labyrinth gibt es nur einen Weg – sich verlieren ist nicht möglich. In seiner Unübersichtlichkeit und Komplexität führt das Labyrinth zum Ziel. Dies unterscheidet es vom Irrgarten. Doch der Weg in einem Labyrinth wechselt ständig die Richtung. Ja der Innenraum eines Labyrinths ist mit einem Höchstmaß von Umwegen und Windungen gefüllt. Läuft man ein Labyrinth, dann wird man feststellen, dass man immer wieder am erstrebten Ziel, der Mitte, vorbei geführt wird. Ja, es ist sogar so, dass man erst einmal dem Ziel schon ganz nahe scheint und dann doch immer weiter weggeführt wird. Aber es bleibt dabei: Der Weg führt auf jeden Fall in die Mitte. Das Labyrinth gehört zu den ältesten symbolischen Zeichen der Menschheit und ist in verschiedenen Kulturen zu finden. Labyrinthe weisen in eine vorchristliche Zeit und zeugen von Interkulturalität.

Das Christentum hat das Labyrinth schon früh in seinen Symbolschatz aufgenommen -das älteste heute erhaltene befindet sich in der 324 n. Chr. erbauten Reparatusbasilika in Algerien. Auch in frühen mittelalterlichen Handschriften finden sich häufig Labyrinthdarstellungen. Vor allem in der Gotik erlebte das Labyrinth eine Blütezeit und wurde als Motiv in vielen gotischen Kathedralen aufgenommen. Wollen wir an die Deutung des Labyrinths gehen, dann gilt: Ein Symbol – und so auch das Labyrinth – lässt sich nie ganz präzise bestimmen. Das ist letztlich auch schön, denn dadurch kann es jeder anders deuten. Eine Möglichkeit ist, das Labyrinth als ein Bild für den menschlichen Lebensweg zu sehen. Das Labyrinth lässt sich also möglicherweise als Hinweis darauf betrachten, dass der Weg zur Mitte lang ist. Es geht nicht schnell und auch nicht direkt. Wer das Leben in seinen Tiefen leben will, der muss bereit sein, den Weg mit all seinen Kehren auf sich zu nehmen. Man wird sich die Frage stellen, ob man überhaupt auf dem richtigen Weg ist, ob es sinnvoll ist weiterzugehen - vor allem dann, wenn gar kein Weiterkommen, kein Fortschritt erkennbar

ist; wenn man schon so weit gegangen ist und sich doch immer weiter von der Mitte wegbewegt. Es gibt auf dem Weg zur Mitte keine Abkürzung. Es muss alles gegangen, alles erfahren sein. Nichts kann ausgelassen und nichts übersprungen werden, keine gute, keine schlechte Erfahrung, kein Tag, kein Schritt. Vielleicht frage ich mich, warum gehe ich weiter? Was hilft mir, was beflügelt mich, worauf vertraue ich an den Wendepunkten, wenn es schwierig, wenn es eng wird? Wer gibt mir Kraft? Ganz bestimmt sind die Antworten darauf unterschiedlich – verschieden, so wie wir Menschen mit unseren Wegen verschieden sind. Zum Labyrinth gehört aber die Gewissheit: Ich werde auf jeden Fall ankommen – sofern ich bereit bin zu gehen. Ich kann nicht verloren gehen - auch dann, wenn ich an den Rand gerate, wenn ich unsicher bin, wenn der Weg mich zum Umkehren zwingt. Es geht weiter - Schritt für Schritt zur Mitte. Vielleicht ist jemand auf seinem Lebensweg der Vers aus Josua 1,5 tatsächlich ein Trost und vielleicht wird er die eine oder den anderen während des Schuljahrs begleiten: Gott spricht: Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen. (Josua 1,5)

Seite 24 — Fachschule Schulleben

Dr. Anu Rose aus Indien in der Schulgemeinschaft Text: Dr. Peter Albrecht und Martin Berger

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ie Haller Fachschule unterhält Kontakte zu verschiedenen Hilfsorganisationen in Indien und lädt immer wieder Gäste in die Schulgemeinschaft ein - im Herbst 2015 Frau Dr. Anu Rose aus Indien. Sie berichtete mit Bildern über ein Dorfentwicklungsprogramm in den Jawahdi Hills/Südindien, welches sie betreut. Die Initiative für das Programm geht von einem großen christlichen Krankenhaus in Vellore/Südindien aus. Es gehört zu den besten im Land und kümmert sich nicht nur um die medizinische Behandlung von Patienten und die Ausbildung von Ärzten, Schwestern und medizinischem Personal, sondern auch um die vernachlässigten Ureinwohner in den Bergen von Jawahdi Hills, deren Dörfer nur zu Fuß erreichbar sind. Viele Kinder gehen nicht oder nur unregelmäßig zur Schule, die meisten Erwachsenen sind Analphabeten und die medizinische Versorgung ist schlecht. Viele unterschiedliche Initiativen wie Nachhilfeunterricht (-ältere Schüler hel-

fen den Jüngeren-), Summer Camps für die Kinder, Selbsthilfegruppen für Erwachsene, Aufklärung über Krankheitserreger und Prophylaxe wurden durchgeführt. Neue Möglichkeiten des Erwerbs wie Pilzzucht, Imkerei, Ziegenhaltung, Gemüseanbau und vieles mehr wurde aufgezeigt und eingeführt. Damit konnte die Kinder- und Müttersterblichkeitsrate um die Hälfte gesenkt werden. Viel mehr Kinder gehen jetzt regelmäßig zur Schule und versuchen, einen Abschluss zu machen. Dr. Anu Rose war Gast beim Freundeskreis Vellore in Öhringen, der die Ausbildung von Jugendlichen in medizinischen Berufen unterstützt und durch Spenden die Behandlung der Ärmsten ermöglicht. Zu erfahren, wie die unvorstellbare Armut in einem Land wie Indien von Indern selbst mit großem Einsatz bekämpft wird, war sehr beeindruckend. Wir wünschen Dr. Rose und ihrem Team weiterhin Erfolg und Durchhaltevermögen.

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Fachschule Schulleben — Seite 25

Religionspädagogik im doppelten Sinne: für und von angehende(n) Fachkräfte(n) Die Fachschule aus den Augen einer Praktikantin Text: Sarah Peters

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ls PraktikantIn hat man das Privileg, in meist relativ kurzer Zeit in viele verschiedene Bereiche einer Schule „reinschnuppern“ zu dürfen. So kann man den Unterrichtsstil verschiedener Lehrenden beobachten, selbst Unterrichtsversuche starten, an Konferenzen teilnehmen usw. Diese Unterrichtsversuche zählen während der Praktika immer zu den größten Herausforderungen, da man die SchülerInnen noch nicht gut kennt und häufig auch unterschiedliche Themenbereiche abdeckt. So hielt ich im Fach Religionspädagogik einerseits Stunden über die religiöse Sozialisation und den Anteil der Kirche an der Entstehung von Kindertagesstätten, andererseits aber auch Stunden über Speisegebote im Islam und verschiedene Geschichten aus der Bibel – also von der Kirchengeschichte über interreligiöse Themen und die Bibelwissenschaft bis hin zur Religionspädagogik. Immer wieder wurde mit den Studierenden die Frage thematisiert, weshalb ErzieherInnen während ihrer Ausbildung Religionspäda-

gogikunterricht haben. Vor dem Hintergrund dieser Frage wurde unter anderem die eigene religiöse Sozialisation reflektiert: SchülerInnen nahmen eine Selbsteinschätzung vor, bei der sie überprüften, welche Sozialisationsinstitutionen ihre Religiosität am meisten und welche am wenigsten geprägt haben. Unter diesen Sozialisationsinstitutionen spielte häufig neben der Familie, den Freunden, der Kirche, den Medien, der Öffentlichkeit und der Schule vor allem auch der Kindergarten eine wichtige Rolle. Kinder verschiedenster Religionen und Weltanschauungen treffen – heute mehr als je zuvor – im Kindergarten aufeinander und begeben sich in ihrem alltäglichen Erleben schon ganz automatisch auf eine religiöse Spurensuche: Warum isst Ali kein Schweinefleisch, warum feiern viele von uns Weihnachten und Rahel ungefähr zur gleichen Zeit ein Lichterfest, warum spielen solche und andere religiöse Traditionen bei ganz vielen auch gar keine Rolle? Diese und viele andere Fragen stellen sich Menschen, wenn sie im Alltag aufeinandertreffen. Und wer, wenn nicht Kinder, versteht sich darauf, Fragen zu stellen und so lange nachzuhaken, bis sie eine zufriedenstellende Antwort bekommen? Bei der Beschäftigung mit diesem Thema wurde immer wieder deutlich, dass Fragen, die die Religiosität und religiöse Themen betreffen, in Kindergärten häufig auftauchen. SchülerInnen erzählten aus ihren Praktika in den unterschiedlichsten Einrichtungen und wie dort mit solchen Fragen umgegangen wird. Angehende ErzieherInnen werden

also regelmäßig mit Religion konfrontiert und müssen in der Lage sein, auf Fragen kindgerecht zu antworten. Dazu ist es auch nötig, sich mit der eigenen religiösen Sozialisation auseinanderzusetzen. Auch die Fachschule kann einiges zur religiösen Sozialisation der SchülerInnen beitragen. Viele sind in der evangelischen Konfession beheimatet und zeigen in ihrer Freizeit kirchliches Engagement. Anderen sind religiöse Inhalte eher fremd und gerade sie haben in der Gemeinschaft der Fachschule die Chance, mit diesen in Kontakt zu kommen – sei es im Religionspädagogik-Unterricht, bei der wöchentlichen Schulversammlung oder den gemeinsamen Festen, wie der stimmungsvoll-schönen Weihnachtsfeier am Ende des Jahres. Der Religionspädagogik-Unterricht bietet vor allem auch die Möglichkeit, über aktuelle Themen ins Gespräch zu kommen. So merken SchülerInnen z. B. bei der Beschäftigung mit der alttestamentlichen Geschichte der Ruth, welch einen Bezug biblische Geschichten bis in unsere heutige Zeit haben können – auch zur damaligen Zeit gab es schon Menschen, die ihr Heimatland verlassen und sich andernorts niederlassen mussten. Für mich als Praktikantin war es spannend, für einige Monate hinter die Kulissen der Schule zu schauen und für kurze Zeit, Teil der Schule zu sein. Es war schön, im Kollegium aufgenommen zu werden, kleinere Aufgaben übertragen zu bekommen und von den Studierenden als Lehrperson akzeptiert zu werden – auch wenn einige schon ein paar Jährchen älter sind als man selbst. Immer wieder blicke ich gerne auf die kurze, aber intensive Zeit an der Fachschule zurück, die vor allem durch die Anleitung von und Zusammenarbeit mit den Lehrenden der Religionspädagogik geprägt war.

Seite 26 — Fachschule Schulleben

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Auszeichnung für Markus Merkle

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er an der Haller Fachschule tätige Dozent Markus Merkle erhält den Hannes-Burgdorf-Kunstpreis für seine Zeichnungen und Rauminstallationen. Laut Jury überzeugte das Werk des Künstlers einerseits durch die Verwendung unterschiedlicher medialer Ebenen und andererseits durch die Einfachheit des Formvokabulars, das in der Variation und Wiederholung eine spannende Vielschichtigkeit entwickelt. Mit dem Hannes-Burgdorf-Preis werden gemeinsam von Stadt Leonberg, Galerieverein Leonberg e.V. und Stifter zeitgenössische KünstlerInnen ausgezeichnet, die eigenständig und wegweisend mit unterschiedlichen

Arbeiten der abstrakten Kunst hervorgetreten sind. Zugleich soll eine künftige Entwicklung der künstlerischen Arbeit gefördert werden. Der Preis wird alle drei Jahre an Personen verliehen, deren künstlerischen Wirkungszentrum in Baden-Württemberg liegt, die bisher noch mit keinem größeren Kunstpreis ausgezeichnet wurden und deren Werk trotzdem bereits eine gewisse Anerkennung gefunden hat. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert. Bestandteil des Preises ist eine Einzelausstellung im Galerieverein Leonberg sowie ein Katalog zu dieser Ausstellung, zu dem der Stifter weitere 5.000 Euro zur Verfügung stellt.

© : Kojophoto

Die Preisverleihung an Markus Merkle findet offiziell während der Ausstellungseröffnung am 22. Januar 2017 im Galerieverein Leonberg statt.

Staatliche Anerkennung für 47 Erzieherinnen und Erzieher

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er gelungene Abschluss des Berufspraktikums ist der letzte Schritt in der Erzieherausbildung. An der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik Schwäbisch Hall wurden in diesem Sommer 47 erfolgreiche pädagogische Fachkräfte in die Berufswelt entlassen. Die Urkunden mit der staatlichen Anerkennung überreichten die betreuenden Dozentinnen Kathrina Braun, Beate Gabriel-Arle, Susanne Reusch und Heidi Silbermann. Zum offiziellen Programm gehörte auch die Abschiedsrede von Direktor Martin Berger. Er machte den frisch gebackenen Erzieherinnen und Erziehern Mut, ihren Berufsweg mit Schwung und Hartnäckigkeit anzugehen. Dazu erzählte er die afrikanische Legende von der Palme, die sich trotz der Last eines Steins in ihrer Krone nicht am Wachstum hindern ließ, sondern ihre Wurzeln noch stärker in der Erde verankerte und so eine verborgene Wasserader erreichte. Als kleines Abschiedsgeschenk gab es einen Schlüsselanhänger mit Kreuz, Anker und Herz aus Filz. „Die Motive Kreuz, Anker und Herz sollen Sie an den Dreiklang von Glaube, Hoffnung und Liebe als Wurzeln des Lebens erinnern“, sagte

Direktor Berger bei der Verabschiedung und wünschte den Absolventen viele gute Erfahrungen im sozialpädagogischen Arbeitsfeld. „Als Erzieherin und Erzieher übernehmen Sie eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe und gestalten die Zukunft mit“, so Berger. Gratulation zur staatlichen Anerkennung als Erzieherin und Erzieher: Marie Antz, Sarah Bergmann, Maria D´Amelio, Lisa Deitigsmann, Desirée Engel, Karen Marie-Luise Füll, Nadja Carolin Grau, Tabea Hofmann, Larisa Kampf, Kristin-Marie Karle, Laura Krumrey, Lydia Sara Lindermeier,

Ann-Katrin Metzger, Melina Rebekka Neidlein, Julia Reichenwallner, Svenja Reinwald, Jannik Schwitzgebel, Denise Setzer, Laura Stradinger, Christin Wahl, Stefanie Wahl, Esmée Water, Marieke Weber, Theresa Woitke, Lisa Zemke, Anika Brodtbeck, Jessica-Jasmine Brögeler, Nicola Eder, Ornella Judith Förster, Doroteya Georgieva, Lara Greguhn, Rebecca Hörrmann, Jacqueline Holl, Katharina Kiemle, Claudia Kiy, Ann-Kathrin Kosmalla, Rebecca Meister, Franziska Schlipf, Isabelle Schneider, Alisa Sohlleder, Anika Spengler, Sarah Stadler, Elena Stoeß, Sabine Vogt, Franziska Volpp, Angelika Godau, Yael Voglgsang.

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Fachschule Schulleben — Seite 27

Abschluss der schulischen Erzieherausbildung

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it einem festlichen Programm wurden in diesem Sommer 55 Studierende aus dem Oberkurs der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik Schwäbisch Hall verabschiedet. Rund 200 Gäste erlebten einen abwechslungsreichen Abend mit viel Musik, einem geistlichen Impuls von Pfarrer Tobias Feldmeyer sowie einem Grußwort von Direktor Martin Berger. Kathrina Braun und Heidi Silbermann, die beiden Klassenlehrerinnen der Oberkurse, gaben einen gereimten Rückblick auf die dreijährige Schulzeit. Die künftigen Erzieherinnen und Erzieher präsentierten ein Medley aus aktuellen Musiktiteln und bedankten sich mit langstieligen roten Rosen bei allen Lehr-

kräften. Mit der Zeugnisübergabe ist nun der schulische Teil der Erzieherausbildung abgeschlossen. Als letzter Schritt zur staatlichen Anerkennung folgt im Herbst das einjährige Berufspraktikum in einem der sozialpädagogischen Arbeitsfelder wie Kindertageseinrichtung, Krippe, Einrichtung für Menschen mit Behinderung, Offene Kinder- und Jugendarbeit oder Jugendhilfe. „Der Erzieherberuf ist vielfältig und bleibt auch in Zukunft gefragt“, sagte Direktor Martin Berger. Er legte den künftigen pädagogischen Fachkräften ans Herz: „Bringen Sie sich mit Ihrem erworbenen Wissen und Ihrer ganzen Persönlichkeit in die wertvolle Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ein.“

Die Glückwünsche zum erfolgreichen Abschluss der schulischen Erzieherausbildung gehen an: Tabea Beißwenger, Talita Maria Benz, Jasmin Beyer, Miriam Botsch, Tabitha Buchwitz, Carolin Bürkle, Verónica Colantonio, Hannah Daniel, Anika Dietrich, Caroline Doberstein, Ute Drautz, Laura Drixler, Rebecca Fetzer, Helen Sophie Feuchter, Cornelia Föll, Manuel Friedrich, Joshua Fuchshuber, Eva Sophia Gahm, Kristina Geiger, Theresa Genz, Jenny Gerber, Pascal Hellwig, Magdalena Henzel, Jana Jäger, Sarah Jasdrow, Janine Kindtner, Viviane Heike Köber, Julia Kübler,

Ronja Kübler, Alina Langenbuch, Jana Nadine Lenk, Sandie Denise Maurer, Michael Müller, Natalie Müller, Inna Martel, Lia Müller, Victoria Nickel, Nico Nitschke, Antje Ostheimer, Aleksandra Petreski, Tobias Rack, Julia Rapp, Vanessa Rapp, Janina Rapp, Nadine Ruh, Almut Schaaf, Vanessa Schmidgall, Delia Schukraft, Damaris Schwarz, Nadja Setzer, Leonie Karolin Späth, Nadine Stutz, Manuela Tassler, Hannah Wayss, Michelle Werner.

Seite 28 — EFOF

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Weiterbildung soll Mut machen Text: Laura Alvis, Haller Tagblatt (SWP)

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ine Gruppe organisieren, eine Station koordinieren oder den Dienstplan erstellen: Katharina Wirth und Sabine Flinner haben dies und mehr bei ihrer zweijährigen Weiterbildung an der Evangelischen Fachschule gelernt. „Ich liebe meine Arbeit als Erzieherin, das war mein Kindheitstraum. Meine Kindergärtnerin damals hieß auch Katharina, und sie war mein Vorbild“, erzählt Katharina Wirth. Die 27-Jährige leitet den Kindergarten in Untermünkheim. Klar, sie mag ihren Job sehr, aber sie verspürte den Drang, etwas dazulernen zu wollen und freut sich „über die Abwechslung, die eine Führungsposition mit sich bringt“. Ähnlich ging es Sabine Flinner, die nun als stellvertretende Stationsleiterin im Haller Diakonie-Klinikum arbeitet: „Ich wollte zusätzlich zu meiner Ausbildung noch eine Qualifikation in der Hand haben. Eine Freundin machte mich auf den Informationstag hier im Haus aufmerksam. Schließlich entschied ich mich für den Kurs, weil mir Organisation Spaß macht.“ Ihr Freundeskreis profitiert bereits seit Jahren von ihrem Organisationstalent – etwa bei Geburtstagsfeiern. Katharina Wirth und Sabine Flinner kennen sich schon länger, seit der Weiterbildung sind sie Freundinnen. „Auch für andere Kontakte aus dem Kurs bin ich sehr dankbar. Wenn ich eine berufliche Frage habe, dann wende ich mich an die Erzieherinnen, die ich bei meiner Ausbildung zur Fachwirtin kennenlernen durfte“, erklärt Wirth. Die beiden Frauen haben von 2012 bis 2014 die Weiterbildung an der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik im Bereich Organisation und Führung besucht. Seit der bestandenen Abschlussprüfung sind sie „Fachwirtinnen für Organisation und Führung im Bereich Sozialwesen“.

Diese Angebot gibt es dort seit 15 Jahren und steht allen Personen offen, die in den Gesundheits- und Sozialberufen tätig sind. Martin Berger, Leiter des Bildungszentrums, erklärt: „Das Aufbautraining ist mittwochs ab 18 Uhr und freitags ab 15 Uhr. Außerdem beansprucht es in jedem der zwei Jahre zehn Samstage und eine Blockwoche.“ Derzeit gibt es 14 Kursteilnehmer. Sabine Flinner wollte mit der Weiterbildung ihr Aufgabenfeld als Pflegerin vergrößern. Mit Katharina Wirth ist sie sich darin einig, dass sie ihre aktuellen Arbeitsstellen ohne die Fortbildung nicht erhalten hätten. „Ich hätte mich wahrscheinlich nicht einmal beworben“, räumt die Kindergartenleiterin ein. „Das ist ein weiterer Vorteil des Programms“, wirft Martin Berger ein, „die Teilnehmer werden dadurch mutiger“. Die beiden Fachwirtinnen bestätigen dies mit vehementem Nicken. Sabine Flinner hat vor allem gefallen, dass die Weiterbildung freiwillig ist: „Ich hatte Lust auf den Kurs und somit fiel mir das Lernen leichter, als wenn ich von meinem Arbeitgeber dazu aufgefordert worden wäre.“ Einige Inhalte, die ihr bei der Fortbildung begegneten, kannte die stellvertretende Stationsleiterin bereits aus ihrer Ausbildung. „Pflegetheorien hätte ich nicht unbedingt nochmal wiederholen müssen, aber völlig fehl am Platz war die Einheit auch nicht“, meint sie.

Der Anteil der Erzieher und Pfleger sei seit jeher ausgeglichen, sagt Schulleiter Martin Berger und erklärt, wie das Kurssystem für die unterschiedlichen Berufsgruppen funktioniert: „In ihren jeweiligen Berufsfeldern unterrichten wir die angehenden Fachwirte getrennt. Organisation, Führung, Wirtschaft und Recht lernen sie gemeinsam.“ Er bedauert, dass die Hospitanz im Jahr 2009 angeschafft wurde. Davor war es für die Teilnehmer stets Pflicht, in eine Einrichtung der jeweils anderen Berufsgruppe hineinzuschnuppern. Sabine Flinner sieht den fächerübergreifenden Ansatz der Weiterbildung als Chance: „Ich war nie besorgt darüber, dass der pädagogische Fokus des Unterrichts gegenüber dem pflegerischen überwiegen könnte.“ Katharina Wirth ist davon überzeugt, dass Berufstätige den Kurs auch ohne großen Stress meistern können. Allerdings: „Durchhaltevermögen brauchte ich schon“, sagt sie, „aber es zahlt sich jetzt und in meiner beruflichen Zukunft aus.“

Rundbrief 2016

Evang. Kinder- und Familienhaus — Seite 29

Erfolgreicher Abschluss in der EFOF

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enn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“ Mit diesem Zitat beglückwünschte Schulleiter Martin Berger im Juli 2016 den Kurs 11 in der Evangelischen Fachschule für

Organisation und Führung zum erfolgreichen Abschluss. Dieser Kurs hat die Windmühlenhauben und die Segel in den Wind gedreht und mit viel Engagement und Einsatz den berufsbegleitenden Weiterbildungskurs sehr gut abgeschlossen. Wir gratulieren

auch an dieser Stelle nochmals herzlich: Stefanie Brümmer, Manuel Dette, Katrin Greiner, Swetlana Leinweber, David Özel, Kirsten Sanwald, Jenny Schuster, Olga Laura Schwerdt, Liane Virus-Bayer, Erika Waldmann, Susanne Waldvogel, Daniel Wieland.

Die Familienakademie des Evang. Kinder- und Familienhauses Kreuzäcker Text: Sabine Birkert

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ie Familienakademie wurde als innovatives Projekt zur Familienorientierung in der Einrichtung

installiert. Eltern und Kinder nehmen darin als gleichberechtigte Partner an Seminaren zu den unterschiedlichsten Themen teil. „Pakt Zukunft“ der IHK Heilbronn-Franken hat das Projekt die ersten Jahre gefördert. Ziele Ein Grundanliegen der Familienakademie ist es, das Gemeinschaftsgefühl in der Familie zu stärken und zusammen kreative Wege zu einem fröhlichen Miteinander zu finden. Gemeinsame Zeit soll wertschätzend und wohlwollend gestaltet werden. Die Teilnehmer sollen Freude am Tun und Lernen haben. Diese „Eigenzeit“ soll durchaus Erlebnischarakter haben.

Ein weiteres Anliegen ist, dass die Seminarinhalte in den Familienalltag übertragen werden können. Dabei geht es neben den inhaltlichen Themen auch um die beispielgebenden Umgangsformen der SeminarleiterInnen mit den Kindern. Wie alle Tageseinrichtungen für Kinder wollen auch wir unsere Familien in ihrer Vielfalt stärken und unterstützen. Hierbei ist die Familienakademie eine besondere Form der Zusammenarbeit. Durch die kleineren Gruppen entsteht eine intensive und konzentrierte Atmosphäre. Darüber hinaus ergibt sich die Möglichkeit für die Teilnehmenden, Kontakte zu anderen Familien zu knüpfen und sich ungezwungen treffen zu können. Struktur und Aufbau Die Planung des Jahresprogramms findet unter Einbeziehung der Familien und des gesamten Teams statt. Bei der Auswahl der Seminare wird darauf geachtet, dass die Inhalte aus verschiedenen Bereichen zusammengestellt werden. Neben der ästhetischen Bildung, der Bewegung, dem Tanzes und der Ernährung sind Themen aus dem naturwissenschaftlichen Bereich sowie der Naturerkundung bedeutsam. Selbstverständlich gehören zum

Seite 30 — Evang. Kinder- und Familienhaus

Evangelischen Kinder- und Familienhaus religionspädagogische Themen und damit alle Fragen nach „Gott und der Welt“. Es wird darauf geachtet, dass Themen für alle Altersstufen unserer Einrichtung, vom Kleinkind bis zum Schulkind, vertreten sind. Die Seminare finden ein- bis zweimal im Monat, bevorzugt freitagnachmittags statt und haben durch dieses Zeitfenster einen eigenen Platz in der Terminplanung der Eltern. Alle Familien bekommen ein Jahresprogramm, darüber hinaus wird zu jedem Seminar noch einmal explizit mit Handzettel und Aushang eingeladen. „Familie“ ist vielgestaltig und schließt alle „bedeutsamen Erwachsenen“ der Kinder mit ein. So sind neben den Eltern ganz herzlich auch Großeltern, Verwandte, Paten und Geschwister der Kinder willkommen. Die mögliche Teilnehmerzahl ist vom Thema abhängig und wird mit der Ausschreibung mitgeteilt. Wenn sich mehr Familien anmelden als Plätze frei sind, versuchen wir, das Seminar ein zweites Mal anzubieten. Sollte das nicht möglich sein, entscheidet das Los über die Teilnahme. Die teilnehmende Familie zahlt einen eher symbolischen Betrag von 2 Euro pro Seminar, zuzüglich möglicher Materialkosten. Ein Beispiel Ein großer Wunsch der Eltern und Kinder war ein Seminar rund um das gemeinsame Experimentieren. Die Seminarleitung übernahm ein Zweierteam (Fachschuldozentin und Erzieherin). Der Andrang war so groß, dass zeitnah eine Wiederholung anberaumt wurde. Und auch der zweite Termin war wieder voll belegt. Neugierig und gespannt kamen Eltern und Kinder nachmittags in unser Haus und waren überrascht, als sie zunächst einen Müllsack als „Experimentier-Robe“ bekamen. Bald war allen klar, dass der Müllsack als Schutz diente, da es auch nass und spritzig werden konnte.

Die Seminarleiterinnen machten eine kleine Einführung zum Thema Experimente und anschließend begann die Eigenarbeit. Es war schön zu sehen, wie sich Eltern mit ihren Kindern auf den Weg machten, Dinge zu erforschen und gemeinsam zu experimentieren. Jedes Kind konnte sich mit seinem Elternteil bei dem jeweiligen Experiment soviel Zeit lassen, wie es brauchte und auch wollte. Das gemeinsame Tun führte schnell zu einer lockeren Atmosphäre, die geprägt war vom gemeinsamen Entdecken, Staunen und Begreifen. „Es war schön, ohne Alltagsstress Zeit mit meinem Kind verbringen zu können“, sagte eine Mutter nach dem Seminar. Ein Vater äußerte: „Das müssen wir unbedingt zu Hause mit dem Rest der Familie ausprobieren.“ Ein Kind freute sich: „dass die Mama so spannende Dinge erforscht, hätte ich nicht gedacht.“ Erfahrungen und Fazit Die Familienakademie bedeutet für unsere Einrichtung ein neues Niveau der Zusammenarbeit mit den Familien, bei der die Bedürfnisse und Interessen von Groß und

Rundbrief 2016

Klein berücksichtigt werden können. Unsere Erfahrungen sind durchweg positiv. Die Familienakademie ist inzwischen ein wichtiger Teil unseres Profils geworden und rechtfertigt unseren Anspruch, ein Haus für Familien zu sein. „Unabhängig von den Inhalten der Seminare, welche immer eine Bereicherung darstellten, ist das gemeinsame entspannte Tun mit meinem Kind und der Kontakt mit anderen Familien unendlich wertvoll für mich“, sagt eine Mutter, die drei Kinder in verschiedenen Altersstufen hat und regelmäßig an den Seminaren teilnimmt. „Mein Kind ist 20 Monate alt und wir haben gemeinsam ein Seminar zum Thema Tanz besucht. Ich habe keine Vorstellung gehabt, wie das ablaufen kann – und es war wunderschön, gemeinsam mit meinem Kleinkind und anderen zu tanzen.“ Die Familienakademie gibt Impulse, sich gemeinsam einem Thema zuzuwenden. Die Teilnehmer können dann selbständig das Thema weiter vertiefen. Somit leistet die Familienakademie auch einen wertvollen Beitrag dazu aufzuzeigen, wie Bildung funktioniert: Neugierde wird geweckt und Möglichkeiten werden aufgezeigt, diese zu befriedigen.

Rundbrief 2016

Freundeskreis — Seite 31

Schulgemeinschaft: Wir geben uns Zeit Text: Martin Berger

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eden Mittwoch treffen wir uns zur Schulgemeinschaft. Alle, die mittwochs um 9:45 Uhr in der Haller Fachschule anwesend sind, unterbrechen die Arbeit und finden sich im Saal ein. „Wir geben uns Zeit“, so lautet das diesjährige Motto. Und für dieses Zusammentreffen hat uns der Freundeskreis der Haller Fachschule mit einer großzügigen Spende das passende liturgische Element gespendet: ein besonders geformter Stehpult mit Kerzenablage, erstellt von Helmut Graf – einem vielseitig begabten Mann, Musiker, Künstler und Sozialpädagogen. Er hat für uns ein alltagstaugliches und dennoch spirituelles, ein

inspirierendes Werk geschaffen und selbst vorgestellt. Er ließ anklingen, dass er sich inzwischen selbst in sein Werk verliebt habe, es gar nicht mehr gerne weitergebe, aber doch zuversichtlich sei, dass es in gute Hände komme. Wir danken Herrn Graf und dem Freundeskreis der Fachschule herzlich!

Stehpult mit zwei Stelen für die Evang. Fachschule in Schwäbisch Hall Text: Helmut Graf

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us einer Anfrage von Herrn Berger entstand ein von mir entworfenes Stehpult, dem ein maßstabsgetreues Modell voranging. Es soll den Mittelpunkt der Schulgemeinschaft darstellen und auch als Rednerpult dienen. Viele Gedanken gingen mir durch den Kopf und viele Arbeitsschritte waren für diese Arbeit notwendig. Ein Zentrum und ein Mittelpunkt, der etwas aussagen soll. Metall und Holz in Verbindung, rund und eckig, dunkel und hell, Licht und Schatten – einfach das Leben mit seinen verschiedenen Einflüssen, Facetten und Prägungen. So entstand die Idee eines Stehpults, das aus hellem warmem Holz

(passend zum Boden) und schwarzem Eisen besteht, das Kerzenlicht reflektiert und zickzackförmig mit einer runden gedrechselten Platte oben abschließt, die auch das Licht trägt. Der Metallständer ist nach oben verjüngt, um das „Zum-Licht“ nach oben darzustellen. Dem nicht unerheblichen Gewicht ist geschuldet, dass das Pult Rädchen hat und somit beweglich ist. Ein roter Faden ist provisorisch angebracht und abnehmbar, muss für das Auge nicht immer sichtbar sein. Er soll die Mitte (den Glauben) darstellen, die wir im Leben brauchen. Das zentrale Stehpult wird beidseitig begleitet von zwei Metallstelen auf Holzsockeln in unterschiedlichen Höhen.

Sie sollen dazu dienen, Freude, Leid, Sorgen, Nöte, Wünsche oder Erlebnisse auf Zettel geschrieben mit Magneten daran anzubringen und sie somit allen mitzuteilen sowie andere daran teilhaben zu lassen. Ein ganzheitliches Werk, das in meiner Werkstatt in Rüblingen von mir hergestellt und mit guten Gedanken, Freude, Musik (Trompete/Klavier) und aufmerksamen Schülern und Lehrern der Schule übergeben wurde. Danke! Handkunst Helmut Graf Am Glockenturm 32 74635 Kupferzell/Rüblingen

Seite 32 — Erzieherinnen-Stiftung

Erzieherinnen-Stiftung: Damit Kinder Zukunft haben

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ie Evangelische Fachschule Schwäbisch Hall wird seit vielen Jahren von der Erzieherinnen-Stiftung unterstützt. Die Stiftung wurde gegründet, damit jedes Jahr tausende Kinder von bestens ausgebildeten Erzieherinnen und Erziehern profitieren. Die Zeit in der Kita ist eine sehr wichtige Phase für Kinder. Sie brauchen hilfreiche Begleitung, förderliche Erziehung und anregende Bildungsangebote. Die Stiftung unterstützt verschiedene Projekte während der Ausbildung und bietet individuelle Hilfen. Durch Schulgeldermäßigungen und Ausbildungszuschüsse hilft sie jungen Menschen, die besonders für den Erzieherberuf geeignet sind, aber keine ausreichenden Mittel zur Verfügung haben. Damit kann zum Beispiel eine alleinerziehende junge Mutter die Ausbildung erfolgreich fortführen und muss sie nicht aus finanziellen Gründen abbrechen. Wir sind auf Freundinnen und Freunde angewiesen, die sich dafür einsetzen. Es gibt verschiedene Formen der Unterstützung, die alle steuerlich abzugsfähig sind: - Zustiftungen Mit einer Zustiftung erhöhen Sie das Stiftungskapital und damit dauerhaft die Leistungsfähigkeit der Stiftung. Zustiftungen sind bereits ab 100 Euro sinnvoll. - Zustiftungen als zweckgebundene Fonds oder als Namensfonds Sie können gezielt einen bestimmten Teil der Arbeit fördern oder die Förderung mit Ihrem Namen versehen. - Spenden oder Daueraufträge Durch eine einmalige Spende oder die Einrichtung eines Dauerauftrags unterstützen Sie laufende Projekte. - Vermächtnisse Auch über den Tod hinaus können Sie Gutes tun. Bedenken Sie die Stiftung in Ihrem Testament und erhalten Sie damit langfristig die evangelische Erzieherausbildung.

Spendenkonto Baden-Württembergische Bank IBAN DE75 6005 0101 0002 0778 04 BIC SOLADEST600 Evangelische Bank IBAN: DE38 5206 0410 0000 4187 49 BIC: GENODEF1EK1

Wir danken Ihnen von Herzen! Erzieherinnen-Stiftung Presselstraße 29, 70191 Stuttgart Telefon 0711 4890956 www.erzieherinnen-stiftung.de Schirmherr: Peter Härtling

Rundbrief 2016

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Rundbrief 2016

Hausnachrichten — Seite 33

Wir nehmen Abschied Der Tod ist die uns zugewendete Seite jenes Ganzen, dessen andere Seite Auferstehung heißt.

Die Erinnerung ist das Fenster, durch das wir Dich sehen können, wann immer wir wollen …

Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. Jes. 66,13

R. Guardini

Ich bin ganz leise auf die andere Seite des Weges gegangen. Alles bleibt genauso, wie es war. Ich bleibe ich und ihr bleibt ihr. Das Leben, das wir so voll Liebe miteinander verbracht haben, bleibt unberührt. Was wir füreinander waren, das sind wir noch. Sprecht von mir wie eh und je und nicht anders. Alles, was das Leben für uns gemeinsam bedeutet hat, das bedeutet es immer noch.

Ruth Ehnis In Dankbarkeit für das menschlich - gütige - zuverlässige Vorbild, das Ruth Ehnis uns gegeben hat, nehmen wir trauernd Abschied! Als Sekretärin war sie ein Vierteljahrhundert das „Herzstück“ unserer Ausbildungsstätte! Sie hat Menschen begleitet und geprägt. Schmerzlich werden wir sie vermissen! Evangelische Fachschule für Sozialpädagogik Schwäbisch Hall

Wir trauern mit der Familie und den Freundinnen und Freunden um

Gunther Lang-Zipperer herzlich - kompetent freundschaftlich - humorvoll so werden wir die Zeit mit ihm dankbar erinnern

Evangelische Fachschule für Sozialpädagogik und Evangelisches Kinder- und Familienhaus Schwäbisch Hall

(nach Augustinus)

Auf zu neuen Ufern Zum Schuljahresende 2016 haben die Kolleginnen Bärbel Henningsen, Bettina Reichert-Steinle und Dr. Heiderose Silberzahn ihren Dienst an unserer Fachschule beendet.

Wir gratulieren ... Wir gratulieren Frau Jasmin Laritz zur Geburt ihrer Tochter Lilja Ida am 10. Oktober 2016.

Haus der kleinen Forscher Fortbildungen 2017

FEBRUAR

MÄRZ2. Februar 2017 Donnerstag, Forschen rund um den Körper Mittwoch, 22. Februar 2017 Licht-Farbe-Sehen – Optik entdecken Mittwoch, 8. März 2017 Klänge und Geräusche Dienstag, 4. April 2017 Forschen rund um den Körper

MÄRZ Do, 2.2. um den Körper Forschen rund

Mi, 22.2. hen Licht-Farbe-Se

Mi, 8.3. Klänge und Geräusche

Di, 4.4. Forschen rund um de

n Körper

Seite 34 — Hausnachrichten

Rundbrief 2016

Rundbrief 2016

Hausnachrichten — Seite 35

Impressionen vom Tag der offenen Tür