Rob Santer

1 EU Schreiben: Rhetorische Figuren Rhetorische Figuren nach Kolmer / Rob Santer 1. Klangfiguren Alliteration Gleichheit der Anfangslaute von minde...
Author: Swen Fürst
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EU Schreiben: Rhetorische Figuren

Rhetorische Figuren nach Kolmer / Rob Santer

1. Klangfiguren Alliteration Gleichheit der Anfangslaute von mindestens zwei aufeinanderfolgenden oder benachbarten Wörtern einer syntaktischen Einheit

Assonanz Gleichheit oder Ähnlichkeit eines Vokals oder einer Lautfolge von mindestens zwei aufeinanderfolgenden oder benachbarten Wörtern einer syntaktischen Einheit

Preziosität Gekünstelte, gezierte Wortwahl

Homoioteleuton Gleichklang von Flexionsendungen oder in freierer Form von Endlauten aufeinanderfolgender oder benachbarter Wörter einer syntaktischen Einheit

Homoioptoton Gleichklingender Ausklang mehrerer Nomina im selben Fall

Homoioprophoron Wiederholung von gleichen oder ähnlichen Konsonanten oder Silben in einer Wortgruppe aus mindestens zwei Elementen

Onomatopoiie Nachahmung eines Lautes aus der Natur

Lautsymbolik / Synästhesie Lautliche Nachahmung von nichtlautlichen oder nichtsinnlichen Eindrücken

Polyptoton Wiederholung desselben Wortes in verschiedenen Flexionsformen in syntaktischer Verbindung

Paronymie Wiederholung eines Wortkörpers innerhalb einer anderen Wortklasse (figura etymologica)

Paronomasie / Adnominatio (pseudoetymologische) Lautähnlichkeit zweier Wörter bei unähnlicher Bedeutung

Traductio / Diaphora Wiederholung desselben Wortes in verschiedenen Bedeutungen

Klauseln / Kursus Metrische bzw. rhythmische Satzschlüsse in der Prosa Cursus planus (x x x x x/ tardus (x x x x x x) / velox (x x x x x x x)

2. Positionsfiguren 2.1. Wortwiederholung Geminatio Verdoppelung; Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe innerhalb einer Periode

Anapher Zwei- oder mehrfache Setzung eines Wortes oder derselben Wortgruppe am Anfang aufeinanderfolgender syntaktischer Einheiten

Epipher Zwei- oder mehrfache Setzung eines Wortes oder derselben Wortgruppe am Ende aufeinanderfolgender syntaktischer Einheiten

Symploke Verflechtung; Kombination von Anapher und Epipher

Kyklos Kreis; Wiederholung desselben Wortes oder derselben Wortgruppe an Anfang und Ende einer syntaktischen Einheit

Anadiplosis Verdoppelung; das letzte Wort einer syntaktischen Einheit ist zugleich das erste Wort der darauffolgenden syntaktischen Einheit (fortgeführt: Klimax im alten Sinn)

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Epanodos Rückweg; Wiederholung einer syntaktischen Einheit in umgekehrter Reihenfolge

Regressio Rückgriff; erläuternde Wiederaufnahme einer mehrgliedrigen Aufzählung

2.2. Satzebenenstruktur Isokolon Wiederholung derselben Wort- und Silbenanzahl in koordinierten syntaktischen Einheiten

Parallelismus Syntaktisch paralleler Bau von mindestens zwei Satzeinheiten

Chiasmus Kreuzstellung; Überkreuzstellung sich syntaktisch entsprechender Wörter / Satzglieder xy/y1x1

Antimetabole / Commutatio Gedankenumkehrung; Ein Gedanke (in der regel ein zweigliedriger Satz oder zwei Begriffe) wird (antithetisch) wiederholt, wobei in der Wiederholung entweder die semantischen oder syntaktischen Glieder vertauscht werden (wenn beides vertauscht : Epanodos)

Polysyndeton Vielverbundenes; Mehrfache Wiederholung derselben bzw. bedeutungsgleicher Konjunktionen

Asyndeton Unverbundenes; Aneinanderreihung gleichwertiger Einzelwörter / Satzeinheiten ohne Bindewort

Behagels Gesetz der wachsenden Glieder Anordnung koordinierter Wörter oder Wortgruppen vom kleinsten zum umfangreichsten. Bei größerer Zahl der Elemente wächst häufig nur das letzte Glied

2.3. Wortumstellung / Trennung Inversion Umstellung; Umkehrung der üblichen grammatischen Wortstellung

Tmesis Zerschneidung; Trennung der beiden Bestandteile eines Kompositums durch Dazwischentreten eines anderen Satzteils

Hyperbaton Sperrstellung; Trennung syntaktisch zusammenhängender Wörter (z.B. von Substantiv und Attribut)

Parenthese Satzeinschub; Einschub eines Satzes in einen anderen (ohne Einfluß auf dessen Konstruktion)

3. Sinnfiguren 3.1. Verknappung, Verschiebung, des Konstruktionsbruchs und der Redundanz Ellipse Auslassung eines Wortes oder ganzer Redeteile

Zeugma Beziehung eines Satzteils, u.a. des Prädikats, auf zwei oder mehr koordinierte Satzglieder, während es semantisch nur zu einem Glied passt

Ennalage Beziehung eines Beiwortes (Attributs) auf ein falsches Beziehungswort

Hysteron proteron Das Spätere zuvor; Vorwegnahme des logisch und / oder zeitlich Nachfolgenden

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Hendiadyoin Eins durch zwei; Ersatz von Substantiv + Attribut durch Substantiv + Substantiv bzw. Adverb + Verb durch Verb+ Verb

Pleonasmus Überfluss ; überflüssiger Zusatz zu einem Wort, da dieses schon alle Bedeutungen des Zusatzes enthält

Tautologie Bezeichnung eines Begriffes durch zwei Worte, die dasselbe meinen

Epitheton ornans Schmückendes Beiwort ; Ergänzung eines Substantivs durch ein anderes, ein Adjektiv oder eine umschreibende Erklärung, wobei die Ergänzung nicht zum verständnis der Sache notwendig ist, dem Gegenstand aber eine größere Anschaulichkeit und Sinnlichkeit verleiht

Synonymie Anhäufung sinnverwandter Ausdrücke; Verwendung sinnverwandter Begriffe zur Darstellung eines Sachverhalts

Doppeldeutigkeit Zwei- oder Mehrdeutigkeit eines Wortes, einer Wortgruppe oder eines Satzes (phonetisch [Lehre, Leere], lexikalisch [Pass], syntaktisch [in culto loco / inculto loco]

3.2. Gedankenzuspitzung Klimax Leiter, Treppe; Steigerung vom schwächeren zum stärkeren Ausdruck (Antiklimax)

Antithese Gegenüberstellung von Gegensätzen oder Gegenbehauptungen

Oxymoron Scharfdummes; syntaktische Verbindung widersprüchlicher [sich ausschließender] Begriffe

Paradoxon Unerwartetes; (scheinbar) widersprüchliche Aussage

4. Satzfiguren 4.1. Kontakt Rhetorische Frage Frage, auf die keine Antwort erwartet wird, weil die Antwort evident ist – die Formulierung der Frage impliziert schon die Antwortrichtung

Subiectio Entgegnung; Frage mit fingierter Antwort (an sich selbst oder an einen Dialogpartner)

Aporie Ratlosigkeit; Angebliche Verlegenheit / scheinbarer Zweifel des Autors/Redners über die Ausführung seiner Gedanken – in Frageform wendet er sich an das Publikum mit der fingierten Bitte um Beratung

Permissio Anheimgabe; dem Adressaten wird seine Denk-/Handlungsweise freigestellt, wenn der Autor auch von seiner Auffassung überzeugt ist

Apostrophé Abwendung vom eigentlichen Adressaten / Publikum, Anrede an abwesende Personen, Götter, leblose Dinge oder ein Zweitpublikum (invocatio / Anrufung; obsecratio / Beschwörung; exsecratio / Verwünschung)

Exclamatio Ausruf

Interiectio Einwurf

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Sermocinatio / Ethopoiie Einführung eines Redenden, lebender, verstorbener oder erdichteter Personen mittels einer Rede, Aussprüchen, Gesprächen oder Selbstgesprächen, die wahr oder fingiert sein können

4.2. Gedankenführung Praeparatio Vorbereitung; vorbereitender und absichernder Vorgriff auf noch folgende problematische oder besonders ausladende Stellen unter berücksichtigung des Publikums bzw. der Gedankengänge der Gegner

Praesumptio Vorwegnahme eines Einwandes / eigenen Gedankens

Concessio / Confessio / Consensio Ein-/Zugeständnis; der Redner / Autor gibt der Gegenseite in einem Punkt (vorläufig) Recht bzw. bekennt (scheinbar) eine eigene Schwachstelle

Correctio Selbstkorrektur; der Redner / Autor stellt eine von ihm selbst noch kurz zuvor vertretene Meinung richtig oder korrigiert seine Ausdrucksweise

Praeteritio/ Paralipse Übergehen; der Redner / Autor gibt vor, „Unwichtiges“ zu übergehen, führt es aber dennoch an

Aposiopese Verschweigen, Redeabbruch; der Textfluß wird, meist unter Verschweigen wichtiger Passagen, plötzlich unterbrochen

Licentia Freimütige Rede; der Redner / Autor nimmt sich die Freiheit offener Rede heraus,die ihm nach den Kriterien der Angemessenheit nicht zusteht

4.3. Erklärung und Veranschaulichung Commoratio Verweilen bei einem Gedanken

Enumeratio Aufzählung ohne Nennung des Oberbegriffs; Aneinanderreihung von Einzelelementen

Distributio Aufteilung eines Hauptbegriffes in mehrere Unterbegriffe, wobei der Hauptbegriff vor oder nach der Unterteilung genannt werden kann

Descriptio Beschreibung; kunstvolle Beschreibung von Personen,Orten, Dingen etc. (Prosopographie; Topographie; Ethnographie)

Vergleich / Similitudo Zwei Begriffe werden zum Aufzeigen von Ähnlichkeiten bzw. Unterschieden in Bezug gesetzt

Exemplum Beispiel; Anführung eines konkreten Falls als Ergänzung zu einem allgemeinen, abstrakten oder hypothetischen Sachverhalt

Sententia / Gnome Sentenz, Sinnspruch; kurzer Ausspruch von allgemeingültigem Inhalt (am Schluß: Epiphonem)

Definitio Begriffsbestimmung mit dem Ziel der Präzisierung bzw. Abgrenzung gegenüber benachbarten oder gegensätzlichen Begriffen

Paraphrase Umschreibung (eines genannten Begriffs); Hinzufügung einer Interpretation, einer klärenden Darstellung

Digressio Abschweifung, Exkurs; gezieltes Abweichen vom eigentlichen Thema

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Sustentatio Hinhalten; die Fortführung des Themas wird hinausgezögert

Subnexio Gedankenverknüpfung; an einen Gedanken werden erläuternde, meist begründende Gedanken geknüpft, so dass ganze Gedankenketten entstehen

Conclusio Schlusssatz / -folgerung; Abschließende / zusammenfassende / folgernde Bemerkung am Ende eines Rede- / Textteils

Pointe Geistreiche und überraschende Schlussbemerkung

5. Stilbildungsfiguren Dialekt / Soziolekt Regionale und soziale Sonderformen der Sprache

Preziosität Ziererei, gekünstelte Wortwahl Aischrologie / Kakophemismus Schimpfrede; Verwendung drastischer und verletzender, aber auch abwertender Wendungen

Archaismus Altertümlichkeit; Rückgriff auf veraltete Wörter, Sprach-oder Stilformen

Barbarismus Übernahme eines fremdsprachlichen Ausdrucks in die eigene Sprache, entweder in der ursprünglichen (sogar mit unterschiedlichem Schriftsystem) oder in einer abgewandelten Form

Neologismus Wortneuschöpfung

Verbsonderformen Historisches Präsens; Aktiv/Passiv; Verbum simplex pro composito

Diminutiva Formen der Verkleinerung

Inkonzinnität Ungefügtheit; uneinheitliche Gestaltung von koordinierten Satzteilen

Anakoluth Satzbruch; eine Satzkonstruktion wird anders fortgeführt, als sie begonnen wurde

Constructio ad sensum Übereinstimmung nach dem Sinn

Solözismus Grober Fehler gegen die Syntax

6. Tropen 6.1. Grenzverschiebungstropen 6.1.1. Innerhalb des Begriffsinhalts Periphrase Umschreibung eines Wortes durch mehrere Wörter (anstelle des umschriebenen Begriffs

Euphemismus Beschönigende Bezeichnung eines meist unangenehmen oder kulturell als anstößig empfundenen Sachverhalts oder Begriffs

Hyperbel Wurf über das Ziel ; bewußte Übertreibung (in Anzahl, Größe, Gewicht, Intensität) in Vergrößerung (Auxesis) und Verkleinerung (Meiosis)

Synekdochè Mitverstehen ; Austausch einer Vorstellung durch einen Begriff weiterer oder engerer Bedeutung, d.h. auf der Ebene von Teil und Ganzem

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Emphase Nachdruck, verblümte Rede ; Ereiterung eines Ausdrucks um eine Bedeutungsdimension, welche diesem eigentlich nicht zukommt

Antonomasie Ersetzung eines Eigennamens durch eine charakteristische Eigenschaft / ein bezeichnendes Merkmal oder umgekehrt

Litotes Schlichtheit; vorsichtige Bejahung / absichtsvolle Untertreibung durch doppelte Verneinung oder Verneinung des Gegenteils des Gemeinten

6.1.2. Außerhalb des Begriffsinhalts Metonymie Namensvertauschung; Bezeichnung eines Begriffs durch ein Wort, das damit logisch, räumlich usw. zusammenhängt Ursache /Wirkung; Ort/Zeit; Akteure/Bewohner; Abstractum/Concretum; Urheber, Besitzer/Resultat, Produkt; Material/Erzeugnis; Gefäß/Inhalt

6.2. Sprungtropen Metapher Übertragung eines anschaulichen Ausdrucks auf etwas Abstraktes, schwer Fassbares (verblasste / tote Metapher; dunkle Metapher; kühne Metapher; pathetische Metapher)

Personifikation Verpersönlichung; etwas Nicht-Personales wird durch die Übertragung von menschlichen Eigenschaften und Fähigkeiten als Person eingeführt

Allegorie Bildliche Rede; fortgeführte, textologische Metapher: bildliche, gleichnishafte Darstellung

Katachrese missbräuchliche Verwendung eines Bildes (notwendige Metapher bei lexikalischer Leerstelle / Bildbruch

Allusio Anspielung; implizite Bezugnahme auf einen Text, ein Kunstwerk, Geschichtliches, Personen etc.

Ironie Verstellung; Bezeichnung eines Sachverhalts durch sein Gegenteil (Asteïsmus / Urbanitas; Chiarentismus; Diasyrmus; Mykterismus; Sarkasmus; dramatische / tragische Ironie; Selbstironie)

Adynaton Unmögliches; Konkretisierung des Begriffs „niemals“ durch die Parallelisierung von Handlungen / Geschehnissen, die als unmöglich empfunden werden, mit solchen, die es von Natur aus sind