Riemann Integral Klassische Theorie Darstellung der Funktion Lebesgue Integral L 2 Theorie Approximation im quadratischen Mittel

Kapitel 9 Vollst¨ andige orthogonale Funktionensysteme Die Problemstellung wird zuerst am Beispiel der Fourierreihen erkl¨art. Bei diesen gibt es zwei...
Author: Gundi Ritter
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Kapitel 9 Vollst¨ andige orthogonale Funktionensysteme Die Problemstellung wird zuerst am Beispiel der Fourierreihen erkl¨art. Bei diesen gibt es zwei sich unterscheidene Betrachtungsweisen, je nachdem welcher Integralbegriff zugrunde gelegt wird. Riemann Integral Lebesgue Integral

9.1 9.1.1

Klassische Theorie Darstellung der Funktion L2 Theorie Approximation im quadratischen Mittel

Fourierreihen Klassische Theorie der Fourierreihen

Im Intervall [−π, π] ist eine zumindest st¨ uckweise stetige Funktion f (x) vorgegeben. Diese soll in eine Fourierreihe entwickelt werden: f (x) ∼

∞ X a0 [an cos(n x) + bn sin(n x)] + 2 n=1

(9.1)

¨ Wir setzen das Aquivalenzzeichen (∼) an Stelle des Gleichheitszeichens (=), weil die Summe der trigonometrischen Reihe im allg. nicht f¨ ur alle Werte x des Intervalles mit den vorgegebenen Funktionswerten u ¨bereinstimmen wird. Zur Berechnung der Entwicklungskoeffizienten an , bn wird Gl.(9.1) mit sin(j x) bzw. cos(j x) multipliziert und von −π bis π integriert. Auf der rechten Seite wird die Reihenfolge von Summation und Integration vertauscht; die entstehenden Integrale k¨onnen mittels der folgenden Orthogonalit¨at- und Normierungssrelationen ausgewertet werden Z π Z π sin(n x) sin(j x) dx = cos(n x) cos(j x) dx = π δnj (1 ± δ0n ); −π −π Z π sin(n x) cos(j x) dx = 0, n, j ∈ N0 . −π

Damit ergeben sich f¨ ur die Entwicklungskoeffizienten an und bn die Eulerschen Formeln Z π Z π 1 1 an = f (x) cos(j x) dx , bn = f (x) sin(j x) dx . (9.2) π −π π −π Damit kommen wir zu folgender Definition einer Fourierreihe : Eine Fourierreihe ist eine trigonometrische Reihe, f¨ ur die eine Funktion f (x) existiert, sodaß die Reihenkoeffizienten durch die Eulerschen Formeln (9.2) dargestellt werden.

Die oben vorgenommene Vertauschung von Summation einer Reihe und der Integration ist sicher zul¨aßig (hinreichende Bedingung), wenn die Reihe gleichm¨aßig konvergiert. Bei Fourierreihen ist die gleichm¨aßige Konvergenz nicht notwendig, da der folgende Satz gilt: Eine Fourierreihe darf immer gliedweise integriert werden; die resultierende Reihe konverviert u ¨berall (Carslaw §109). Folgerung: Eine trigonometrische Reihe ist keine Fourierreihe, wenn die aus ihr durch gliedweise Integration hervorgehende Reihe nicht u ¨berall konvergiert. So ist die unten formal definierte Reihe S(x) keine Fourierreihe : ∞ X sin(n x) (9.3) S(x) := ln n n=2 Z x ∞ ∞ X cos(n x) X −→ ∞ 1 S(x) dx = + const. x → 0 da → ∞. n ln n n ln n n=2 n=2 Statt (9.1) und (9.2) ist auch die folgende komplexe Schreibweise u ¨blich: f (x) ∼

∞ X

cn e

inx

,

cn

n=−∞

1 = 2π

Z

π

f (x) e−inx dx .

(9.4)

−π

Damit l¨aßt sich auch ein Zusammenhang zwischen Potenzreihen und Fourierreihen herstellen. Setzt man in die folgenden Potenzreihe mit reellen Koeffizienten cn z = r eiϕ z n = rn einϕ = rn [cos(n ϕ) + i sin(n ϕ)] ein, dann kann man Real- und Imagin¨arteil trennen: P (z) = c0 + c1 z + c2 z 2 + . . . := P (r, ϕ) + iQ(r, ϕ)

(9.5)

mit P (r, ϕ)

=

c0 +

∞ X

cn rn cos(nϕ),

n=1

Q(r, ϕ)

=

∞ X

cn rn sin(nϕ).

n=1

Wenn r = 1 der Konvergenzradius der Potenzreihe ist, dann ist die Konvergenz der obigen Fourierreihe innig mit der Konvergenz der Potenzreihe auf dem Konvergenzkreis r = 1 verkn¨ upft. Der obige Zusammenhang zwischen Potenz- und Fourierreihe gibt auch ein Hilfsmittel zur Berechnung von Fourierkoeffizienten ohne Ben¨ utzung der Eulerschen Formeln. Setzt man in den iϕ nachfolgenden Potenzreihen z = re , trennt Real- und Imagin¨arteil, setzt anschließend r = 1 und f¨ uhrt dann auf der linken Seite Umformungen durch, bekommt man:

0 ≤ r ≤ 1, z 6= 1 :

Bs.1 ln(1 + z) r=1:

= =

ϕ ] ∼ 2 −π < ϕ < π ϕ ∼ 2 ln[2 cos

z3 z2 + + ... 2 3 ϕ ϕ ln[2 cos ] + i ; 2 2 ∞ X cos(nϕ) (−1)n−1 , n n=1 z −

∞ X

(−1)n−1

n=1

sin(nϕ) . n Abbildung.9.1

0 ≤ r ≤ 1, z 6= ±1 :

Bs.2

 ln(1 + z) z3 z5 = 2 z + + + ... ln(1 − z) 3 5 ϕ ϕ π r = 1 : = ln(i cot ) = ln[| cot |] + i sign(ϕ); 2 2 2 ∞ X cos[(2n + 1)ϕ] 1 ϕ ln[| cot |] ∼ , 2 2 2n + 1 n=1 −π < ϕ < π ∞ 4 X sin[(2n + 1)ϕ] . sign(ϕ) ∼ π n=1 2n + 1 Abbildung.9.2

Bs.3 |ϕ|

=

∞ π 4 X cos[(2n + 1)ϕ] − , 2 π n=0 (2n + 1)2

−π ≤ ϕ ≤ π Z ϕ sign(ϕ0 )dϕ0 = 0

= |ϕ|

= π ϕ = : 2

Abbildung.9.3

∞ X sin[(2n + 1)ϕ0 ] 4 0 dϕ , π 0 2n + 1 n=1 ϕ0 =ϕ ∞ 4 X cos[(2n + 1)ϕ0 ] = − 0 , π n=0 (2n + 1)2 ϕ =0

π = 2

Z



ϕ

∞ ∞ 4 X cos[(2n + 1)ϕ] 4X 1 + . π n=0 (2n + 1)2 π n=0 (2n + 1)2

0

∞ 4X 1 + . π n=0 (2n + 1)2

ln@»cosHxê2L»D 1

-3 p -2 p

-p

p

2p

p

2p

x

3p

-1 -2 -3 xê2 p 2

-3 p -2 p -p

-

3p

x

p 2

Abbildung 9.1 ln@»cotHxê2L»Dê2 1

-3 p -2 p

-p

p

2p

p

2p

x

3p

-1 -2 -3 sigHxL 1

-3 p -2 p

-p

3p

x

-1 Abbildung 9.2

»x» p

p 2

-3 p -2 p

-p

p

2p

3p

x

Abbildung 9.3

Abbildung 9.1: Abbildungen zur vorigen Seite Die geraden Funktionen in Bs.1 und 2 haben logarithmische Singularit¨aten; diese sind schwach genug, sodaß die Integrale in den Eulerschen Formeln (9.2) existieren. Die Fourierkoeffizienten verhalten sich asymptotisch wie 1/(2n); die resultierenden Reihen sind also nur bedingt konvergent. Die Reihe in Bs.3 geht aus der zweiten von Bs.2 hervor, indem man gliedweise integriert. Die Fourierkoeffizienten dieser neuen Reihe verhalten sich asymptotisch wie 1/(2n)2 ; die Reihe ist gleichm¨aßig und absolut konvergent; daher gibt sie die Funktion u ¨berall getreu wieder. Die vorhergehenden Beispiele zeigen, daß sogar schwach singul¨are Funktionen in eine Fourierreihe entwickelt werden k¨onnen. Nur ist diese dann nicht konvergent an der Stelle der Singularit¨at und im u ¨brigen Intervall sehr langsam konvergent.

Die Konvergenz der Fourierreihe verlangt: lim |an | = 0,

n→∞

lim |bn | = 0,

lim |cn | = 0.

n→∞

n→∞

Dies ist f¨ ur eine Fourierreihe gew¨ahrleistet gem¨aß dem Riemann-Lebesgue Lemma (Carslaw §105): Ist f (x) beschr¨ankt und integrierbar in (a, b) oder ist das Integral Z

b

f (x) dx a

absolut konvergent (wenn f (x) unbeschr¨ankt ist), dann gilt: Z

Z f (x) cos(n x) dx = 0,

lim

n→∞

b

a

n→∞

b

f (x) sin(n x) dx = 0.

lim

a

Aus den vorhergehenden Beispielen sieht man auch einen Zusammenhang zwischen dem Wohlverhalten einer Funktion und dem Grad des Verschwindens der Fourierkoeffizienten mit steigendem n. Ein besonders instruktives Beispiel ist die folgende trigonometrische Reihe:   ∞ X Jα+1/2 (nπ) (π 2 − x2 )α 1/2 1/2 f (x) := ∼ Γ(α + 1) π + cos(n x) . α+1/2 π 2α Γ(α + 3/2) (nπ/2) n=1

(9.6)

(A. Erdelyi et al., Higher Transcendental Functions, vol.II, p.103, Eq.(52); Druckfehler !). Diese ist eine Fouriereihe f¨ ur α > −1/2. Mittels der asymptotischen Formel f¨ ur die Besselfunktionen r π 2 cos[x − (µ + 1/2) ]; |x|  1, |x|  µ, |arg(x)| < π Jµ (x) ∼ πx 2 findet man das asymptotische Verhalten der Fourierkoeffizienten an f¨ ur große Werte von n: C0 C |an | < = ν. α+1 (nπ) n Je nach dem Wert von α findet man verschiedenes Verhalten der Funktion f (x) und deren Ableitung f 0 (x) an den Intervallenden x = ±π (s. Abb.9.4). Dementsprechend ergibt sich das asymptotische Verhalten der Reihenkoeffizienten (s. Abbn.9.5 und 9.6) und das Konvergenzverhalten der Fourierreihe ( bzw. trigonometrischen Reihe f¨ ur ν ≤ 1/2, α ≤ −1/2), s. nachfolgende Tabelle. Selbst die divergenten Reihen enthalten noch die Information u ¨ber die Funktion, die sie darstellen sollen. Langsam konvergierende bzw. divergierende Reihen k¨onnen durch Reihentransformationen in schneller konvergierende bzw. konvergierende Reihen transformiert werden. Dabei kann man aus den resultierenden Reihen Ausdr¨ ucke erhalten, die mit der urspr¨ unglichen Funktion u ¨bereinstimmen; dies ist aber kein Wundermittel, s. beiliegendes Mathematica Notebook ShanksFR !

|an | < Bild a b c d e f g

α α>1 α=1 0