Richard Arnold Bermann Arnold Höllriegel. Kurzgeschichten. Essais entenpress

Richard Arnold Bermann Arnold Höllriegel Kurzgeschichten Essais 1914-1918 entenpress Erstausgabe © Entenpress, Berlin 2015 Umschlaggestaltung © Pa...
Author: Helene Albrecht
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Richard Arnold Bermann Arnold Höllriegel

Kurzgeschichten Essais 1914-1918

entenpress

Erstausgabe © Entenpress, Berlin 2015 Umschlaggestaltung © Palaio Fabri-Melea nach einem Aquarell von Peter Schmiedel, Berlin Satz: Satz by Satz bei Parechese Gesamtherstellung: SDL-Druck, Berlin Herausgegeben von Robert Schmitt Scheubel Band II 978-3-937416-33-5 GA 978-3-937416-24-3

Polnische Jungschützen .. .. .. .. Die indischen Truppen. .. .. .. .. Die Kathedralen .. .. .. .. .. .. Wir Freunde. .. .. .. .. .. .. Ein paar Tage in Budapest .. .. .. .. Der historische Sinn .. .. .. .. .. Das Jahr eines Menschen .. .. .. .. Die Kriegszeiten auf dem Semmering .. .. Zitate zur Zeitgeschichte .. .. .. .. Bei den Flüchtlingen in Chotzen.. .. .. Zukunftspläne .. .. .. .. .. .. Première in Wien . .. .. .. .. .. Der Dichter in Sibirien .. .. .. .. Geflüchtete Kunst .. .. .. .. .. Hietzing .. .. .. .. .. .. .. Die weiße Katze .. .. .. .. .. .. Die Marseillaise .. .. .. .. .. .. Der bosnische Teppich . .. .. .. .. Der geflügelte Löwe .. .. .. .. .. Margit reist heimwärts.. .. .. .. .. Die Räumung Hermannstadts .. .. .. Die Schmeckflasche .. .. .. .. .. Karlsbader Kriegssommer .. .. .. .. Konjunktur .. .. .. .. .. .. .. Wie Sniatyn Hinterland wurde … .. .. »Ssießen kennen Sie, aber sspielen kenn ich!« Der beste Kaffee .. .. .. .. .. .. Der japanische Tabak .. .. .. .. ..

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Und wieder in Görz … Im Schlaraffenland .. Aus Udine … .. .. Die Kiste .. .. .. Das Asyl .. .. .. Neue Zeitschriften .. Die Schnupperhäschen. Der erste Eindruck .. Editorische Notiz . ..

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Polnische Jungschützen Stimmungen vom galizischen Kriegsschauplatz Um ein Spital zu besuchen, bin ich in diesen Tagen des großen Ringens zum erstenmal durch Galizien gefahren. Ich bin ein Weltbummler; ich habe Reisen und wieder Reisen gemacht. Keine wie diese, keine so beschwerliche, im Grunde keine so schöne. In dem lieben behäbigen Mähren war trotz des Kriegsrummels alles noch so altvertraut, so selbstverständlich österreichisch. Als dann die ersten galizischen Stationen kamen, ein fremdes Sprachgebiet, eine seltsam strenge herbstliche Landschaft, da wollte das Heimatgefühl erst ein wenig ins Wanken kommen. Aber dann blieb der Zug in Krakau stehen, und da sah ich doch wieder auf den ersten Blick, daß ich in eine österreichische Stadt gekommen war, in eine österreichische Stadt, die ganz anders ist als die anderen, aber doch durchaus unser, jedem von uns heimisch. Das ist das sonderbare in diesem Reiche, wie erstaunlich vielfach bei uns das Einheitliche und wie einheitlich das Vielfache. Das böhmische Barock in Prag, die polnische Renaissance in Krakau, das Rokoko in Salzburg – das gehört so eng zusammen. Bunte Blüten am gleichen Stamm. Jetzt ist der Sturm gekommen und 7

rüttelt; wir wollen doch zusehen, ob er unsere Blüten töten kann, solange im Sturm die alten Säfte quellen. Was ist das, die göttliche Architektur von Prag, Ragusa, Salzburg? Der Ausdruck wunderbarer Kräfte, die einst waren und heute sind. Krakau konnte seine Burgen und Dome bauen, weil es im polnischen Volke lebendige Kraft gab; weil Krakau fest war, konnte es sich schmücken. Heute muß uns um all den Kulturschmuck Österreichs nicht bange sein – denn dieses Land und seine Städte sind so jung und fest, wie in den alten Zeiten. Die Königsburg Wawel und das heiter-feierliche Rathaus von Krakau mag man sich in ruhigen Zeiten ruhiger ansehen können und mit mehr Genuß, aber man wird ihre Schönheit vielleicht nie so sehr empfinden wie jetzt, wo alle Kulturwerte der polnischen Nation von einem brutalen Feind bedroht sind. Wenn man in den Straßen der Jagellonenstadt spazieren geht, sieht man unmittelbar, worum es sich für die Polen handelt. Dieses Volk ist am Rande Asiens immer europäisch geblieben, wenigstens mit dem Herzen. Die steinernen Denkmale stehen da und bezeugen es. Sie sind vom Geiste der Antike und Michelangelos geschaffen; weiter hinten kommen dann die grell bemalten Zwiebeltürme der Moskowiten. (Der Pole sagt, wenn er Deutsch spricht, nie: »der Russe«. Er sagt, »der Moskale«. Er haßt Moskau.) Der Moskwiter ist wieder einmal gegen alles Westliche losgelassen; also ergreift jeder Pole wieder einmal die Waffen. Das müßte gemalt werden, wie Krakau an jenem sonnigen Nachmittag von Waffen erglänzte. Überall und überall sah man die jungen polnischen Schützen. Vor militärischen Ämtern hielten sie stramm Wache. In den Cafés saßen sie. Auf den Gehsteigen bummelten sie. Dann wieder eine geschlossene Abteilung im dienstlich geregelten Schritt. 8

Flache Kappen oder Burenhüte oder viereckige polnische Mützen, überall und überall. All diese graublauen Uniformen ganz neu, eben vom Schneider gekommen, und zwar oft von einem sehr guten Schneider. Gewiß, es fehlt nicht an robusten Bauernburschen. Aber hier in Krakau mußte wohl ein sehr großer Teil der Freiwilligen aus den höheren Ständen stammen. Man hatte sofort den Eindruck, da nicht bäuerliche brave Soldaten vor sich zu haben, sondern Bataillone von wohlerzogenen jungen Männern. Wenn wir nicht mit Rostand[Rußland] Krieg führten, kämen einem feine Gascogner Kadetten in den Sinn. Ringsum ein Schlendern in der Sonne, als gäbe es keine ernsten Schicksale. Die hübschen und eleganten Polinnen wimmelten nur so herum. Lächelnd dachte man, wie mancher von diesen feschen Jünglingen einer schönen Dame zuliebe die Freiwilligen-Uniform angezogen haben mag. Ist das ein Fehler? Wir wissen, die Polen sind eine ritterliche Nation, und Ritter ziehen einmal im Namen ihrer Dame in den Krieg. Ach so, Krieg! Man hatte inmitten dieser waffenstarrenden Festung des Krieges vergessen, hatte die klare Vorstellung verlieren können, so bunt und lustig und elegant war das Bild auf dem wunderschönen Ringplatz. Die Cafés fast pariserisch lebhaft. Im Restaurant Hawelka eine überwältigend ausgezeichnete Küche; die berühmten Krakauer Delikatessen als Vorspeise. Krieg? Irgendeine fröhliche Parade, an der lauter reizende junge Herren teilnehmen, zum Entzükken reizender junger Damen. Dieses Krakau ist einfach festlich bewegt … Aber dann, in der kalten galizischen Frühherbstnacht, saß ich schläfrig am Kupeefenster des wartenden Zuges. Fahren wir, zum Donnerwetter, noch immer nicht? 9