Rhein-Sieg

Frischer Wind in der Wirtschaftsregion Bonn/Rhein-Sieg Kreativwirtschaft Rund jedes zehnte der 57.000 IHK-Unternehmen aus Bonn und dem Rhein-Sieg-Kre...
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Frischer Wind in der Wirtschaftsregion Bonn/Rhein-Sieg

Kreativwirtschaft Rund jedes zehnte der 57.000 IHK-Unternehmen aus Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis zählt zur Kreativwirtschaft. Bonn ist also nicht nur UN- und Beethovenstadt, die Stadt und der Kreis sind zudem wichtige Kreativstandorte. Doch wer sind sie, diese Kreativen? Und wo sind sie? Begegnen kann man ihnen etwa bei der regelmäßig stattfindenden „Bonner Ideenbörse“, einem von mehreren innovativen Veranstaltungsformaten, mit denen die IHK Bonn/Rhein-Sieg kreative Unternehmen anspricht und ihnen zu mehr Vernetzung verhilft. Wer das „podium 49“ in der Bonner Südstadt als einen Ort kennt, an dem sich ausgewählte Weine entdecken lassen, der liegt richtig. Wer das „podium 49“ an der Schlossstraße 49 als Geschäftsadresse der SYNERGIE VertriebsDienstleistung

GmbH kennt, die Organisations- und Personalentwicklungsprozesse konzipiert und begleitet, der hat ebenfalls Recht. Und wer hier vor wenigen Tagen die 13. „Bonner Ideenbörse“ oder eine der zwölf Vorgängerveranstaltungen besucht hat, wer also dabei war, wie sich junge Firmen mit einer besonders innovativen Geschäftsidee präsentiert haben, auch der hat das „podium 49“ vollkommen korrekt in Erinnerung. Wäre Betreiber Ralf Karabasz nicht, zusammen mit der IHK Bonn/ Rhein-Sieg, selbst Ausrichter der „Bonner Ideenbörse“ und hätte er sich mit seiner Geschäftsidee nicht längst etabliert – er könnte genauso gut selbst einer der Unternehmer sein, die im

Ideen zu fördern und voranzubringen, das haben sich Ralf Karabasz (r.) und die IHK auf die Fahnen geschrieben. Im „podium 49“ in der Bonner Südstadt finden deshalb regelmäßig Ideenbörsen statt.

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Thorsten Raffelberg, Geschäftsführer der Bonner guiders GmbH, präsentierte seine innovative Internetplattform für geführte Touren bei der „Bonner Ideenbörse“. Sein Projekt wurde zur „Idee des Abends“ gekürt. Rahmen jeder Ideenbörse ihr Geschäftskonzept präsentieren. Denn was Karabasz macht, ist innovativ und kreativ. Er hält sich gar nicht damit auf, sein unterschiedliches Tun in irgendwelche Kategorien einzuordnen – er denkt vielmehr alles zusammen. „podium 49 – Kultur. Wirtschaft. Wein“, heißt es vollständig. „Das war so nie geplant“, gibt der Un-

Kreativwirtschaft - Veranstaltungen „Deutschland im Wettbewerb: Gutes sichern, Neues wagen“ lautet das Jahresthema 2014 der IHK-Organisation. Neues wagen – das hat sich die IHK Bonn/Rhein-Sieg zur Förderung kreativer Unternehmen und Start-ups in ihrem IHK-Bezirk auf die Fahnen geschrieben. Gleich mehrere neue Veranstaltungsformate hat sie jüngst ins Leben gerufen. Hier eine Auswahl der nächsten Termine: 14. „Bonner Ideenbörse“: 15. September, 19 Uhr, „podium49“ 15. „Bonner Ideenbörse“: 27. Oktober, 19 Uhr, „podium49“ 16. „Bonner Ideenbörse“: 24. November, 19 Uhr, „podium49“ 2. „Ideenmarkt“: 3. Juli, 16-20 Uhr, Klosterkirche Hennef „ITK innovativ“: 9. September und 5. November jeweils ab 19 Uhr im „podium 49“ „IHK-Kongress 2014 – Gründer gewinnen, Erfahrungen teilen, Allianzen schmieden“: 19. November 2014, 16-21 Uhr, Volksbankhaus in Bonn

Interessante Links „Bonner Ideenbörse“: www.bonner-ideenboerse.de „Ideenmarkt“: www.ihk-bonn.de, Webcode 2369 „ITK innovativ“: www.ihk-bonn.de, Webcode 6491706 Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes: www.rkw-kompetenzzentrum.de/kreativ „podium 49“: www.podium49.de

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ternehmer zu, „das hat sich so entwickelt.“ Das entspricht ganz seiner Vorliebe: „Am besten sind die Projekte, bei denen ich am Anfang nicht weiß, wo man am Ende landet.“ Das könnte durchaus eine Definition für Kreativwirtschaft sein – denn was die elf Teilbranchen von A wie Architektur bis W wie Werbeagenturen eint, ist der „sogenannte schöpferische Akt“, wie es in einem Forschungsbericht des Bundeswirtschaftsministeriums heißt. Gemeint sind „alle künstlerischen, literarischen, kulturellen, musischen, architektonischen oder kreativen Inhalte, Werke, Produkte, Produktionen und Dienstleistungen, die als wirtschaftlich relevanter Ausgangskern den elf Teilmärkten zugrunde liegen“. Die häufig kleinen Unternehmen der Kreativbranchen sorgen für frischen Wind und wirtschaftliche Dynamik, denn sie sind wichtige Ideenlieferanten. Ideen zu fördern und voranzubringen, das haben sich Ralf Karabasz und Michael Pieck auf die Fahnen geschrieben, als sie die „Bonner Ideenbörse“ ins Leben riefen. „Ideen sind ein wesentlicher Treibstoff unserer Volkswirtschaft“, sagt Pieck, Pressesprecher der IHK Bonn/Rhein-Sieg und deren Ansprechpartner für die Kreativwirtschaft, „das innovative Potenzial der Unternehmen in der Region ist enorm, doch es fehlte bisher an Veranstaltungsformaten, um den Ideenreichtum und die Kreativität gerade von jungen Unternehmen zu bündeln und öffentlich zu machen.“

Neue Plattformen für kreative Unternehmen Oliver Wittmann (r.) unterstützt diesen Ansatz. „Die Schaffung entsprechender Plattformen ist eine ständige Herausforderung der Branche“, findet der regionale Ansprechpartner NRW des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes. Junge, kreative Unternehmen benötigen Netzwerke und wünschen sich Plattformen zum Austausch untereinander. Doch mit herkömmlichen Seminaren und Vorträgen erreicht man diese Klientel nicht. Neue Formate hingegen kommen gut an. Zum Beispiel die „Bonner Ideenbörse“. „Es hat richtig Spaß gemacht, sich dort zu präsentieren“, erinnert sich Thorsten Raffelberg, Geschäftsführer der Bonner guiders GmbH. Er begeisterte sich vor allem für das Konzept: Sechs Kreative aus unterschiedlichen Bereichen stellen sich vor und sollen die Gäste von ihrer Idee, ihrem Produkt, ihrer Dienstleistung

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überzeugen – ohne große Hilfs- oder Präsentationsmittel. Sie haben an einem Stehtisch zehn Minuten Zeit, für sich und ihre Ideen zu werben, auf Fragen zu antworten und Anregungen aufzunehmen. Nach sechs Runden wählen die Gäste die Idee des Abends aus. Bei der 12. „Bonner Ideenbörse“ am 24. Februar kürten die Gäste „guiders.de“ zur Idee des Abends, eine Internetplattform für geführte Touren, die Outdoor-Guides und Outdoor-Begeisterte zusammenbringt. 700 registrierte Anbieter offerieren dort inzwischen 3.000 verschiedene Touren – von einer Jogging-Stadtführung bis zur Alpenüberquerung. „Das Veranstaltungskonzept ist echt innovativ“, lobt Raffelberg, „wir fühlten uns bei der Ideenbörse sehr wohl und konnten tolle Kontakte knüpfen.“

Bei der 9. Ideenbörse präsentierte Katrin Linzbach ihre Produkt gewordene Idee „BEWUSSTSEIN BRAUCHT RAUM – Das Kartenspiel“. Das Projekt wurde zur Idee des Abends gewählt.

Auch Katrin Linzbach vermisste bisher i her eine inspirierende Form des Austauschs untereinander. Bis sie sich vergangenen Oktober bei der 9. Ideenbörse präsentierte. Ihre Produkt gewordene Idee „BEWUSSTSEIN BRAUCHT RAUM – Das Kartenspiel“ wurde zur Idee des Abends gewählt – und die junge Unternehmerin, die sich selbst als „Autorin, Coach und Inspirationsquelle“ bezeichnet, war um einige wichtige Erfahrungen reicher. Sie profitierte von den neuen Kontakten ebenso wie von der Art der Präsentation, die gefordert war. „Zu reinen Vortragsveranstaltun-

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Das innovative Potenzial der Unternehmen in der Region ist enorm, doch es fehlte bisher an Veranstaltungsformaten, um den Ideenreichtum und die Kreativität zu bündeln und öffentlich zu machen.

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Michael Pieck Ihr IHK-Ansprechpartner: Michael Pieck, Telefon 0228 2284-130, E-Mail: [email protected] Gut 20 kreative Unternehmen aus Bonn/Rhein-Sieg haben sich bereits für den 2. Ideenmarkt der IHK Bonn/Rhein-Sieg und von podium49 beworben. Interessierte Unternehmen können sich noch unter www.podium49.de/anmeldung-kreative melden. Insgesamt werden 30 Kreativplätze vergeben. Der

„2. Ideenmarkt – neue Chancen für Kreative aus der Region“ findet am Donnerstag, 3. Juli 2014, 16 bis 20 Uhr, in der Klosterkirche Hennef, Hennef (Sieg), statt und soll eine Leistungsschau der Kreativität werden.

gen gehe ich schon lange nicht mehr“, erzählt die Bonnerin, „aber die Ideenbörse ist ein tolles Format.“ Auch an der 13. Bonner Ideenbörse vor wenigen Tagen nahm sie wieder teil – diesmal auf der anderen Seite des Tisches. Als Gast die folgte die Unternehmerin, die auch Coachings und fo interaktive Vorträge zum Thema bewusste Lebensin gestaltung anbietet, gespannt den Kurzvorstellung gen neuer, kreativer Firmen – und bewertete sie. g Mit der Ideenbörse haben Pieck und Karabasz einen Nerv getroffen. Und es könnte durchaus sein, dass ihnen das mit weiteren Formaten ebenfalls gelingt. Vergangenen Spätsommer veranstalteten „podium49“ und IHK erstmals den „Ideenmarkt“, der an die Ideenbörsen anknüpft, aber eine weitaus größere Bühne für kreative Unternehmen bietet: 350 Gäste kamen zur Premiere in die Ausstellungshalle des Bonner Kunstvereins. Über 30 innovative Unternehmen und Start-ups der regionalen Kreativwirtschaft konnten ihre Geschäftsideen präsentieren. „Oft fehlt der richtige Partner, diese zu bewerten, marktgerecht umzusetzen und zu fördern“, weiß Pieck. „Der ‚Ideenmarkt‘ eröffnet den Kreativen neue Chancen, mit kompetenten Partnern aus Wirtschaft und Organisationen ins Gespräch zu kommen, ihre Ideen weiter zu entwickeln und entsprechende Netzwerke zu nutzen.“ Am 3. Juli findet in der Klosterkirche Hennef der 2. „Ideenmarkt“ statt.

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Das Unternehmenstheater „Faust Drei“ spielte auf Schloss Drachenburg „Die Grimms - Ein deutsches Märchen“ von Ulrich J.C. Harz (r.). Harz ist selbst Teil der Bonner Kreativwirtschaft und freut sich darüber, dass die Branche in der Region „dank IHK und podium 49“ langsam wahr genommen wird. Im „podium49“ war vor wenigen Tagen zudem „ITK innovativ“ zu Gast. Untertitel des ebenfalls noch ganz frischen Veranstaltungsformats: „Eine Expedition für Unternehmen. Ein Forum für IT.“ Kreiert von der IHK und Ralf Karabasz, brachte die zweite „Expedition“ Branchenvertreter aus IT und Gesundheitswirtschaft zusammen, es ging zum Beispiel um Telemedizin und Gesundheits-Apps.

„Es mangelt an guten Möglichkeiten, Netzwerke zu bilden“ „Neue Veranstaltungsformen sind notwendig und gut für Bonn“, findet Ulrich Harz, „bislang mangelt es klar an guten Möglichkeiten, sich zu verbinden und Netzwerke zu bilden.“ Harz leitet eine Werbeagentur in Bonn – und hat 2013 das Unternehmenstheater „Faust Drei“ gegründet. Auf unkonventionelle begleitet dieses etwa Veränderungs-

prozesse in Unternehmen oder wird gebucht, wenn Firmen neue Wege suchen, um die Beschäftigten für komplexe Themen zu sensibilisieren. Bei der Bonner Theaternacht am 28. Mai ist „Faust Drei“ mit dem Stück „Dschungel im Anzug“ öffentlich zu erleben, und zwar im Büro der TMI Training & Consulting GmbH am Bonner Markt. Harz ist selbst Teil der Bonner Kreativwirtschaft und arbeitet seinerseits mit zahlreichen Kreativen zusammen, Autoren etwa, Schauspielern und Ausstattern. Viele davon requiriert er allerdings in Köln, der großen Kreativmetropole, die nur 30 Kilometer entfernt ist. „Köln ist sozusagen Rom“, wagt Harz einen interessanten Vergleich, „Bonn ist das kleine gallische Dorf.“ Aber: „Dank dem Engagement von IHK und ‚podium49‘ erblüht hier langsam aber sicher eine Branche, die von Politik und Öffentlichkeit lange überhaupt nicht wahr genommen wurde.“

Neue Entrepreneur-Plattform Wenn es um neue Entwicklungen in der Start-up-Szene geht, dann gibt Berlin die Schlagzahl an. So haben sich dort vor einigen Monaten mehrere Partner zusammengetan, um in einer neuen Art und Weise zukünftige Unternehmer zu unterstützen, zu begleiten und zu inspirieren. Die in Berlin gestartete Pilotplattform einer soge-

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nannten „Massive Open Online Knowledge Base“ (MOOKBa) kombiniert neueste digitale Lernentwicklungen mit der Offenheit sozialer Lernplattformen und personalisierter Umgebung. An dieser Entwicklung sind die IHK Bonn/Rhein-Sieg, die Wirtschaftsförderung der Stadt Bonn sowie die des Rhein-Sieg-

Kreises und andere regionale Akteure sehr interessiert. Im Rahmen eines Workshops im Juni auf dem BusinessCampus RheinSieg in Sankt Augustin werden sie sich mit den Machern über das Projekt und dessen Weiterentwicklung austauschen. Ziel des Workshops ist es herauszufinden, inwieweit im Rahmen dieses Projektes eine Partnerschaft mit der Region Bonn/Rhein-Sieg möglich ist und wie sie sich gestalten ließe.

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Die Wahrnehmungsschwäche könnte auch daran liegen, dass es in Bonn kaum Orte gibt, an denen Kreativwirtschaft gebündelt vorkommt. Kein Rheinauhafen, kein 4711-Haus wie in Köln. „Bonn braucht dringend Orte für Kreative“, fordert IHKSprecher Pieck, „und einen Co-Working-Space für kreative Start-ups.“

Die Nordstadt entwickelt sich zum Standort der Kreativwirtschaft Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit hat sich indes in der Bonner Nordstadt ein Kreativquartier entwickelt: das Kurfürstenkarree. Genauer: das Gebäude der ehemaligen Kaffeerösterei an der Weiherstraße. „Wir sind hier nach zehn Jahren Südstadt auf der Suche nach einem neuen Quartier mehr oder weniger durch Zufall gelandet – und total begeistert“, sagt Dirk Schumacher, Geschäftsführer der Federstein Kommunikation GmbH. „Inzwischen sitzen hier außer uns sechs weitere Kreativunternehmen – vom Architekturbüro bis zu hoch spezialisierten Fachagenturen.“ Doch Schumacher schwärmt nicht nur für das alte Fabrikgebäude und seine kreative Aura, sondern die Nordstadt insgesamt. „In diesem bunt gemischten, offenherzigen und alternativen Viertel hat sich eine richtige Kreativszene etabliert“, findet der Chef der Bonner Werbeagentur. „Wir fühlen uns hier pudelwohl!“ Einen Haken hat die Sache seiner Ansicht nach jedoch: „Die Entwicklung hier wird von Politik und Verwaltung kaum wahrgenommen“, klagt der Un-

In der ehemaligen Kaffeerösterei an der Bonner Weiherstraße sitzen inzwischen sieben Kreativunternehmen. Dirk Schumacher, Geschäftsführer der Federstein Kommunikation GmbH: „In der Bonner Nordstadt hat sich eine richtige Kreativszene etabliert“. ternehmer. Schlimmer noch: Die Zukunft des Areals sei ungewiss, einige Politiker sähen dort lieber großflächigen sozialen Wohnungsbau. Im April gab es einen Ortstermin, nun hoffen Kreative wie Schumacher, dass aus diesen Plänen nichts wird. „Ich kenne sonst keinen Ort in Bonn, an dem Kreativwirtschaft so gebündelt stattfindet wie hier“, sagt Schumacher. Auch die IHK Bonn/Rhein-Sieg begrüßt die Entwicklung. „Neben der Südstadt bildet sich auch in der Nordstadt immer stärker ein Kreativ-Cluster heraus“, stellt Pressesprecher Michael Pieck fest, „und wir hoffen, dass dies in der Stadt gewürdigt und unterstützt wird.“ Denn trotz aller schöpferischen Kraft brauchen auch Kreative einen Ort, an dem aus Ideen innovative Produkte und Dienstleistungen werden können. Lothar Schmitz, freier Journalist, Bonn

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