Rhein-Main

Zukunftstrends Siedlungsstruktur Frankfurt/Rhein-Main Siedlungsstrukturelle Entwicklungen und Trends im Gebiet des Planungsverbandes Seit der Zeit d...
Author: Götz Weber
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Zukunftstrends Siedlungsstruktur Frankfurt/Rhein-Main

Siedlungsstrukturelle Entwicklungen und Trends im Gebiet des Planungsverbandes Seit der Zeit der Industrialisierung konzentrierte sich die Bevölkerung zunehmend in den großen Städten. Erst ab etwa 1960 sind in Deutschland auch gegenläufige, d. h. dezentralisierende Tendenzen erkennbar: Einwohner, später auch Unternehmen, Einzelhandels- und Freizeiteinrichtungen, wandern in großem Umfang aus den Kernstädten ab und siedeln sich in den Umlandgemeinden der Großstädte an (Suburbanisierung). Eine solche Entwicklung lässt sich auch im Gebiet des Planungsverbandes Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main nachvollziehen (vgl. Abb. 1 und 2). In den letzten Jahren hat sich diese Entwicklung in einen zweiten, weiter von den Kernstädten entfernten Ring verschoben. Bezogen auf die Einwohnerzahl konnten auch die Städte und Gemeinden außerhalb des Verdichtungsraumes Bevölkerungszuwächse verzeichnen, während die beiden Kernstädte Frankfurt am Main und Offenbach am Main weiter Einwohner verloren. Abb. 1: Einwohnerverteilung im Gebiet des Planungsverbandes 1950 und 2004 1950

2004

1 Punkt = 1.000 Einwohnern; Verteilung innerhalb der Städte und Gemeinden ohne Ortsbezug. Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen des Planungsverbandes

Folgen der Suburbanisierung Diese Entwicklung führt auf verschiedene Weise zu einem erhöhten Ressourcenverbrauch. Zum einen steigt der Flächenverbrauch pro Einwohner aufgrund der flächenintensiven Bauweisen im suburbanen Raum (hoher Anteil Ein- und Zweifamilienhäuser, eingeschossige Gewerbebauten). Zum anderen verlängern sich die Wege zwischen Wohnort und Arbeitsbzw. Ausbildungsplatz und werden zu einem größeren Anteil mit dem Auto zurückgelegt. Darüber hinaus führt die Suburbanisierung zu einer Reihe von sozialen und finanziellen Problemen. Zusammengefasst: Wohlhabende Familien und zahlungskräftige Unternehmen verlassen die Großstädte, während sozial benachteiligte Haushalte, Verkehrsbelastungen und die Kosten für Kultur-, Bildungs- und Sozialeinrichtungen dort verbleiben.

© Planungsverband

1

Abb. 2: Anteile der verschiedenen Raumkategorien an der Gesamtbevölkerung im Gebiet des Planungsverbandes 1950 – 2004 in %

60 50 40 30

Kernstädte Frankfurt und Offenbach Verdichtungsraum ohne Kernstädte

20

Außerhalb des Verdichtungsraumes

10 0 1950

1960

1970

1980

1990

2000

Eine Übersicht der verschiedenen Abgrenzungen findet sich auf S. 4. Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen des Planungsverbandes

Neuer Siedlungstyp „Zwischenstadt“ Mit der Suburbanisierung wanderten in den letzten Jahrzehnten nicht nur Einwohner, sondern nach und nach auch bis dahin typisch städtische Funktionen wie Einkaufszentren und Fachmärkte, Büro- und Dienstleistungsarbeitsplätze in das Umland ab. In den an die Kernstädte angrenzenden Kommunen hat sich ein ganz neuer Siedlungstyp herausgebildet, der weder der „Stadt“ noch dem „Land“ zugeordnet werden kann und oft als „Zwischenstadt“ bezeichnet wird. Typische Kennzeichen dieser Entwicklung sind: •





Die einstigen „Vororte“ entwickeln eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber der Kernstadt, sie werden zu einem eigenen Aktionsraum. Es entstehen Pendler- und Lieferbeziehungen, bei denen weder Ziel- noch Quellort in der Großstadt liegen. Der suburbane Raum wird vielfältiger und nähert sich dem gesamträumlichen Durchschnitt an: die Sozialstruktur verändert sich (z. B. höherer Anteil ausländischer Familien), neue Wohnformen entstehen (z. B. Geschosswohnungsbau). Einwohnerdichte, Beschäftigtenbesatz und Siedlungsflächenanteil des suburbanen Raumes erreichen teilweise das Niveau der Großstädte. Parallel dazu verringern sich jedoch auch die einstigen Vorzüge, etwa die geringeren Lärm- und Verkehrsbelastungen, niedrigere Bodenpreise sowie höhere Grün- und Freiflächenanteile.

Kein Auflösen der Städte in der Region Frankfurt/Rhein-Main Vereinzelt wird in wissenschaftlichen Studien befürchtet, dass sich Städte in Zukunft auch physisch „auflösen“ könnten, wenn die Produktivitätsvorteile der Städte gegenüber peripheren Standorten weiter sinken. Technische und organisatorische Innovationen wie das Internet, hierbei insbesondere die Möglichkeiten, zu Hause arbeiten und online einkaufen zu können, untermauern diesen Trend. Das „Wo“, die in Kilometern messbaren Entfernungen zwischen Wohnort, Einzelhandel und Arbeitsplatz, verliert an Bedeutung. Durch das kontinuierliche Wachstum der Einwohner- und Beschäftigtenzahlen in den letzten 50 Jahren sind etwaige „Auflösungserscheinungen“ in der Region Frankfurt/Rhein-Main jedoch nicht eingetreten. © Planungsverband

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Zurück in die Städte? Seit wenigen Jahren sind auch im Gebiet des Planungsverbandes Tendenzen erkennbar, die eine Bewegung von Einwohnern und Arbeitsplätzen „zurück in die Städte“ vermuten lassen: •



Über 35 % aller neu errichteten Wohnungen und über 50 % der Nutzfläche aller neu errichteten Gewerbebauten im Gebiet des Planungsverbandes wurden in den Jahren 2002 bis 2004 in Frankfurt am Main und Offenbach am Main fertiggestellt. Im Durchschnitt der Jahre 1987 bis 2001 waren es nur rund 25 % bzw. rund 45 % (vgl. Abb. 3). Der Anteil der beiden Großstädte an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Gebiet des Planungsverbandes liegt heute wie schon 1995 bei rund 53 %. Zwischen 1987 und 1995 ist dieser Anteil dagegen noch um über 2,5 Prozentpunkte geschrumpft.

Abb. 3: Jährliche Fertigstellungen von Wohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden im Gebiet des Planungsverbandes 1987 – 2004 in %

10.000 Kernstädte Frankfurt und Offenbach Verdichtungsraum ohne Kernstädte Außerhalb des Verdichtungsraumes 8.000

6.000

4.000

2.000

0 1987

1989

1991

1993

1995

1997

1999

2001

2003

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen des Planungsverbandes

Es lassen sich verschiedene Gründe anführen, warum Einwohner und Unternehmen in Zukunft wieder vermehrt in die Kernstädte ziehen bzw. dort verbleiben könnten: •





Die zukünftig stärker vertretenen gesellschaftlichen Gruppen – Singles, kinderlose Paare, Alleinerziehende – sind in ihrem Lebensstil und ihrer Wohnstandortwahl traditionell stadtorientierter, da sie auf die dichten Versorgungsnetzwerke im Wohnumfeld angewiesen sind und die vielfältigen Kultur- und Freizeitangebote der Großstadt nachfragen. Vergleichbar wachsen durch den wirtschaftlichen Strukturwandel in Richtung einer globalisierten, wissensbasierten Ökonomie genau die Branchen, die auf Kontakte zu hoch spezialisierten Kunden, Dienstleistern und Konkurrenten angewiesen sind. Diese so genannten Fühlungsvorteile bietet auch zukünftig nur ein dichtes, städtisches Umfeld. Die Kernstädte bleiben weiterhin Vorreiter im sektoralen Strukturwandel und bei der Verfügbarkeit technischer Neuerungen – heute etwa bei digitalem Fernsehen (DVB-T), neuen Mobilfunkstandards (UMTS) und schnellen Internetzugängen (DSL).

© Planungsverband

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Weitere Impulse erhält die Siedlungsentwicklung zugunsten der Großstädte durch die natürliche Bevölkerungsentwicklung. Die beiden Großstädte können in der Summe seit nunmehr fünf Jahren in Folge Geburtenüberschüsse verzeichnen, während die weiteren Städte und Gemeinden im Gebiet des Planungsverbandes in der Summe im Jahr 2003 erstmals eine negative natürliche Bevölkerungsentwicklung aufwiesen (vgl. Abb. 4). Abb. 4: Salden der natürlichen Bevölkerungsentwicklung 1987 – 2004

2.000 1.500 1.000 500 0 -500 -1.000 Kernstädte Frankfurt und Offenbach Verdichtungsraum ohne Kernstädte Außerhalb des Verdichtungsraumes

-1.500 -2.000 1987

1989

1991

1993

1995

1997

1999

2001

2003

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen des Planungsverbandes

Darüber hinaus wird auch der sich abzeichnende demografische Wandel Einfluss auf die Siedlungsstruktur haben. So wird sich die Überalterung deutlicher in den Umlandkommunen und dabei insbesondere im so genannten „ersten Ring“ um die Großstädte zeigen. In Frankfurt am Main und Offenbach am Main leben heute im Vergleich zu 1988 gerade 4,3 % mehr Einwohner im Rentenalter (Gesamtbevölkerung hier + 3,9 %). Außerhalb der Kernstädte hat sich die Zahl der über 64-Jährigen im gleichen Zeitraum dagegen um über 42 % erhöht (Gesamtbevölkerung hier + 11 %). Die Zuwächse bei den erwerbsfähigen Einwohnern sind allerdings vor allem den Städten und Gemeinden außerhalb des Verdichtungsraumes zugute gekommen (vgl. Abb. 5). Abb. 5: Bevölkerungszuwächse im Gebiet des Planungsverbandes 1988 – 2004 Bevölkerungszuwächse in der Altersklasse …

unter 15 Jahre abs.

in %

15 bis 64 Jahre abs.

in %

über 64 Jahre abs.

in %

Kernstädte Frankfurt und Offenbach

12.007

13,5

11.348

2,2

5.353

4,3

Weitere Kommunen im Verdichtungsraum

21.927

14,4

14.022

1,8

63.412

43,5

Außerhalb des Verdichtungsraumes

7.042

21,9

17.637

11,7

11.569

36,4

Gebiet des Planungsverbandes insgesamt

40.976

15,0

43.007

3,0

80.334

26,7

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen des Planungsverbandes

© Planungsverband

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Generelle Trendumkehr? Für eine generelle Trendumkehr in Richtung einer Reurbanisierung findet man zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder empirische noch theoretische Anhaltspunkte: •

• •

Die Kernstädte Frankfurt am Main und Offenbach am Main weisen gegenüber den sechs angrenzenden Kreisen nach wie vor einen starken negativen Wanderungssaldo von ca. 4.000 Einwohnern pro Jahr auf. Die zuvor genannten Entwicklungen sind derzeit noch stark von der Angebotsseite, also der Ausweisung und Realisierung großer Baugebiete durch die Kommunen, abhängig. Große Teile der Neubaugebiete in den Kernstädten ähneln von ihrer Struktur her denen in den umliegenden Gemeinden. Die Nachfrager finden unter diesen Bedingungen ein Angebot in den Grenzen der Stadt.

Nebeneinander von zentrifugalen und zentripetalen Kräften, von Wachstum und Schrumpfung Die zukünftigen Trends der Siedlungsentwicklung im Gebiet des Planungsverbandes zusammengefasst, ergibt sich ein Nebeneinander von zentrifugalen (vom Zentrum wegführenden) und zentripetalen (zum Zentrum führenden) Kräften. Diese Entwicklungen werden sich jedoch nur teilweise gegeneinander aufheben, sondern weiterhin große siedlungsstrukturelle Veränderungen mit sich bringen. Daneben wird die demografische Entwicklung durch die (mittelfristig in allen Teilräumen massiv auftretenden) Sterbeüberschüsse und nur noch geringe Zuwanderungen von außerhalb auch im Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main zu einem Nebeneinander von wachsenden und schrumpfenden Städten und Gemeinden führen – selbst bei dem prognostizierten leichten Wachstum bis 2020 über alle 75 Mitgliedskommunen.

Herausgeber: Planungsverband Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main Abteilung Analysen und Konzepte Poststraße 16 60329 Frankfurt am Main

Rückfragen und Kontakt: Matthias Böss, Fabian Torns Tel.: 069 2577-1612 Fax: 069 2577-1610 E-Mail: [email protected] www.planungsverband.de September 2005

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