Religionen der Welt Das Judentum

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Author: Annegret Franke
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Religionen der Welt Das Judentum Ein Film von Svenja Weber, Eckehard Weis, Bob Konrad & Ulrike Licht Beitrag: Simon Demmelhuber & Volker Eklkofer Inhalt Bar Mizwa: In die Gemeinde aufgenommen Der 13-jährige Alon lebt in Düsseldorf, begeistert sich für Computerspiele und ist ein Fan der Toten Hosen. Momentan hat er aber kaum Zeit für seine Hobbys oder seine Lieblingsmusik. Denn Alon bereitet sich auf den Tag seiner Bar Mizwa vor. Für einen jüdischen Jungen ist das ein entscheidender, sehr aufregender Lebenseinschnitt: An diesem Tag wird er in die Gemeinde der Erwachsenen aufgenommen. Zum Zeichen seiner Volljährigkeit wird Alon erstmals vor der versammelten Gemeinde auf Hebräisch aus der Tora lesen und außerdem eine kurze Ansprache halten. Von nun an ist Alon selbst dafür verantwortlich, die Glaubensgebote einzuhalten. Wir erfahren, welche Bedeutung die Bar Mizwa im Judentum hat, lernen wichtige Kleidervorschriften und Gebräuche kennen und sind Gast bei einer häuslichen Sabbat-Feier. Schma Israel: Das jüdische Glaubensbekenntnis Mit den Worten "Schma Israel" ("Höre Israel") beginnt das wichtigste Gebet des Judentums. Es bezeugt den Glauben an die Existenz des einen und einzigen Gottes, den das Volk Israel mit ganzem Herzen lieben und verehren soll. Bereits Kinder lernen es auswendig und fromme Juden sprechen es © Bayerischer Rundfunk

mehrmals täglich. Religionsgeschichtlich ist das "Schma Israel" der Ausdruck eines neuen, revolutionären monotheistischen Glaubens, der sowohl das Christentum als auch den Islam entscheidend prägte. Aufgrund seiner fundamentalen Bedeutung wird das Schma Israel auf kleine Pergamentrollen geschrieben und in der Mesusa, einer Schriftkapsel am Türpfosten jüdischer Häuser und Wohnungen, sowie in den Gebetsriemen (Tefilin) eingeschlossen. Dadurch ist es in jedem Haus, in jedem Zimmer gegenwärtig und sowohl dem Herzen als auch dem Kopf jedes betenden Juden buchstäblich jederzeit hautnah präsent. Gotteslob: Die deutsch-jüdische Kantorin Avitall Gerstetter ist zwar noch jung, hat aber doch schon Geschichte geschrieben: Sie ist die erste deutsche jüdische Kantorin und leitet in dieser Funktion die Gottesdienste zweier jüdischer Gemeinden in Berlin. Die Vorbeterin entstammt einer Familie, die unter dem Naziterror und durch die Judenvernichtung bitteres Leid erfuhr. Avitall Gerstetter erzählt, warum sie dennoch in Deutschland lebt, stellt wichtige kultische Gebräuche und Gerätschaften vor und erklärt, was es mit koscherem Essen oder dem Singen in der Synagoge auf sich hat. Besonders wertvoll ist neben den vielen fakti1

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schen Informationen die Bereitschaft der Kantorin, uns ihre tiefe Verbundenheit mit dem Judentum und die Besonderheiten einer deutsch-jüdischen Identität nahezubringen.

der Kleidung. Ein besonderes Merkmal des Gebetsmantels sind auffällige Schaufäden (Zizijot). Sie bestehen aus langen weißen und mehrfach verknoteten Wollfäden, die an den vier Ecken des Tallit zu Quasten gebündelt sind.

Fakten 1. Bar Mizwa: Alons Aufnahme in die Gemeinde der Erwachsenen Alon ist aufgeregt. Kein Wunder. Bald wird er seine Bar Mizwa feiern und in die Gemeinde der Erwachsenen aufgenommen. Dazu muss er in der Synagoge auf hebräisch aus der Tora vorlesen. Alon freut sich auf diesen Tag, aber die Sache hat einen kleinen Haken: Seine Muttersprache ist Deutsch, er kann kein Hebräisch. Deshalb muss er die Aussprache mit seinem Vater lernen. Das fällt ihm nicht leicht, weil er nicht nur die Wörter, sondern auch die Schrift meistern muss. Dazu kommt, dass der heilige Text nicht einfach nur vorgelesen, sondern kunstvoll gesungen wird. Zum Glück weiß sein Vater, wie das geht. Und eine weitere Hilfe kann Alon nutzen: Kleine Zeichen in der Tora zeigen ihm an, in welcher Tonhöhe er die einzelnen Worte singen muss. Diese insgesamt 48 Kantilations- oder Artikulationszeichen heißen Teamim. Tallit und Tefilin – Die jüdische Gebetskleidung

Der Gebrauch der Gebetsriemen, die jeder religiös mündige Jude sowohl zum häuslichen Ge-

bet wie auch in der Synagoge anlegt, will gelernt sein. Die Tefilin, so lautet das hebräische Wort, bestehen aus zwei schwarzen Lederkapseln, die mit schwarzen Lederriemen am linken Arm und auf der Stirn befestigt werden. Die Lederkapseln umschließen auf Pergament geschriebene Bibelabschnitte und das jüdische Glaubensbekenntnis Schma Israel. Sie erfüllen so das Gebot, dass die Tora „zum Zeichen an

Doch nicht nur das Hebräische und die Teamim sind neu für Alon. Am Tag seiner Bar Mizwa wird er auch erstmals den im Gottesdienst getragenen Gebetsmantel und die Gebetsriemen anlegen. Der Gebetsmantel heißt auf hebräisch Tallit und ist ein vier-

deiner Hand und zum Erinnerungsmal zwischen deinen Augen“ sein soll (Ex 13,9). Am Sabbat und an den Feiertagen werden sie nicht angelegt, da sich diese Tage per se durch ihre besondere Heiligkeit auszeichnen.

eckiges, meist weißes, durch farbige Streifen geziertes Umhängetuch aus Wolle, Baumwolle oder Seide, das fast den ganzen Körper einhüllt. Er wird sowohl während des Synagogengottesdienstes als auch beim häuslichen Gebet umgelegt. Neben dem großen Tallit (Tallit gadol), der während Morgengebets über der Kleidung getragen wird, gibt es einen kleinen schalähnlichen Tallit (Tallit gatan), der um den Hals liegt und nur die Brust bedeckt. Fromme Juden tragen den kleinen Tallit auch tagsüber unter © Bayerischer Rundfunk

Über die Bedeutung der Kippa, des kleinen Käppchens, mit dem Juden ihren Hinterkopf bedecken, weiß Alon schon bestens Bescheid. „Sie ist das Zeichen dafür, dass Gott über einem steht“. Die Formen, Größen und Materialien der Kippa (Plural: Kippot) unterscheiden sich. Sie kann aus Stoff, gehäkelt oder gestrickt, schwarz, weiß, blau oder andersfarbig sein. Das Tragen der Kippa ist zwar keine in der Tora verankerte Vorschrift, aber ein verpflichtender religiöser Brauch. Als symbolische Grenze zwischen Erde und Himmel, Mensch 2

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und Schöpfer ist sie ein Ausdruck der Ehrfurcht des Gläubigen vor Gott. Die Tora – das heilige Wort Gottes Nachdem sich Alon zuhause mit seinem Vater vorbereitet hat, geht Rabbiner Julian-Chaim Soussan den Gottesdienst nochmals Schritt für Schritt mit ihm durch. Zunächst öffnet der Rabbiner den To-

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förmigen Torazeigers, der auch Torafinger, Deuter oder hebräisch Jad genannt wird, ist ein Ausdruck der Ehrfurcht vor dem Wort Gottes. Praktisch ist der Torazeiger außerdem. Er verhindert eine Beschädigung oder Beschmutzung der meist sehr alten und wertvollen Torarollen. Die Spannung fällt ab, jetzt wird gefeiert Alon hat seine Vorbereitungen abgeschlossen. Nun kann sich die Familie zuhause zur Sabbatfeier versammeln. Am nächsten Tag hat es Alon geschafft. Er hat seinen Toraabschnitt vorgetragen, seine Rede gehalten und ist nun ein vollwertiges Gemeindemitglied. Jetzt, nachdem die Anspannung der letzten Tage von ihm abgefallen und alles gut gelaufen ist, kann er seine Geschenke und die anschließende, ausgelassene Feier mit Es-

raschrein. Er hat seinen Platz auf einem gen Jerusalem ausgerichteten Podium. Der Toraschrein, vor dem auf einem Leuchter ein ewiges Licht brennt, ist das sakrale Zentrum der Synagoge. Er birgt die Fünf Bücher Mose, den so genannten Pentateuch. Die stets von einem besonderen Schreiber auf Pergament handgeschriebenen Torarollen sind auf zwei Holzstäben aufgrollt, mit einem Torawimpel umwunden und von einem besonders geschmückten Toramantel (Mappa) umhüllt. Auf dem Mantel ist der Toraschild (Tass) angebracht. Den Kopf der Torarolle schmückt eine Silberkrone (Kether), um die Herrschaft der Schrift über das Volk Israel zu symbolisieren. Statt der Krone können auch Rimonim (Grantäpfel), ein mit Glöckchen verzierter Aufsatz, die Torarollen schmücken. Die kostbar eingehüllte heilige Schrift wird für gewöhnlich nur zum Gebet oder zum Studium hervor geholt. Damit Alon seine Lesung üben kann, macht Rabbiner Soussan heute eine Ausnahme. Nachdem er die Rollen geöffnet und auf einem Lesepult (Bima) abgelegt hat, fährt Alon mit einem silbernen Stab die Zeilen entlang. So vermeidet er, das Buch

mit dem Finger zu berühren. Die Nutzung des hand© Bayerischer Rundfunk

sen, Musik und Tanz im Kreise seiner Familie und Freunde so richtig genießen. 2. Jasmin und das Schma Israel Die Archäologiestudentin Jasmin stößt bei Grabungen auf ein geheimnisvolles Kästchen. Dar-

in befindet sich ein Pergamentstück mit seltsamen Schriftzeichen, die sie für Hebräisch hält. Nachforschungen in einer Bibliothek bestätigen ihre Vermutung. Als sie daran geht, den Text mithilfe eines Wörterbuches zu übersetzen, springt ihr ein Bibliothekar zur Seite. Jasmins Helfer kann den Text als Bruchstück des jüdischen Glaubensbekenntnisses identifizieren, das nach seinen Anfangsworten auf hebräisch 3

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Schma Israel, also „Höre Israel“ genannt wird. Es bezeugt den Glauben an die Existenz des einen und einzigen Gottes, den das Volk Israel mit ganzem Herzen lieben und verehren soll. Das Schma Israel ist das wichtigste Gebet des Judentums. Bereits Kinder lernen es auswendig und fromme Juden sprechen es mehrmals täglich. Aufgrund seiner fundamentalen Bedeutung wird das Schma Israel auf kleine Pergamentrollen geschrieben und in der Mesusa, einer Schriftkapsel am Türpfosten jüdischer Häuser und Wohnungen, sowie in den Gebetsriemen (Tefilin) eingeschlossen. Dadurch ist es in jedem Haus, in jedem Zimmer gegenwärtig und sowohl dem Herzen als auch dem Kopf jedes betenden Juden buchstäblich jederzeit hautnah präsent. Stichwort Mesusa In jedem jüdischen Haus befindet sich an jedem Türrahmen (mit Ausnahme des Badezimmers) auf der rechten Seite eine Mesusa. Das ist ein länglicher, oft schön verzierter Behälter aus Holz oder einem anderen Material, der außen in hebräischen Buchstaben das Wort Schadai bzw. dessen Anfangsbuchstabe Schin trägt. Schadai bedeutet "der Allmächtige“ und ist einer der Namen Gottes. Im Innern der Mesusa befindet sich eine kleine Pergamentrolle auf die zwei Abschnitte aus der Tora geschrieben sind (5. Buch Mose 6,4-9 und 11,13-21). Diese beiden Abschnitte sind gleichzeitig die ersten beiden Teile des Schma Israel. Höre Israel! Das Schma Israel setzt sich aus drei Tora-Abschnitten zusammen und lautet auf deutsch: Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr ist einzig. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute befehle, sollen in deinem Herzen sein. Und du sollst sie deinen Kindern einschärfen, und du sollst von ihnen sprechen, wenn du in deinem Haus sitzt und wenn du auf dem Weg gehst und wenn du dich hinlegst und wenn du aufstehst. Und du sollst sie dir als Zeichen auf deinen Arm binden, und sie sollen Merkzeichen zwischen deinen Augen sein. Und du sollst sie auf die Pfosten deines Hauses und an deine Tore schreiben. Und wenn ihr auf meine Gebote hört, die ich euch heute gebiete, dass ihr den Herrn, euren Gott, lieben und ihm dienen sollt mit eurem ganzem Herzen und eurer ganzen Seele, dann werde ich eurem Land Regen geben zu seiner Zeit, Frühregen und Spätregen, und du wirst dein Getreide, deinen Wein und dein Öl einsammeln. Ich werde deinem Vieh auf deinem Feld Gras geben, und ihr werdet essen und © Bayerischer Rundfunk

satt werden. Passt auf euch auf, damit sich euer Herz nicht verführen lässt und ihr euch abwendet und andern Göttern dient und euch vor ihnen niederwerft. Dann wird der Zorn des Herrn über euch kommen. Er wird den Himmel verschließen, so dass kein Regen kommt und die Erde ihren Ertrag nicht gibt und ihr schnell getilgt werdet aus dem guten Land, das euch der Herr gibt. Nehmt diese Worte in eure Herzen und in eure Seele und bindet sie zum Zeichen auf eure Hand und macht sie zum Merkzeichen zwischen euren Augen. Lehrt sie eure Kinder, indem ihr davon sprecht, wenn du in deinem Haus sitzt und wenn du auf dem Weg gehst und wenn du dich hinlegst und wenn du aufstehst. Und schreibe sie an die Pfosten deines Hauses und an deine Tore, damit eure Tage und die Tage eurer Kinder zahlreich werden in dem Land, das der Herr, wie er deinen Vätern geschworen hat, ihnen geben will, wie die Tage des Himmels auf der Erde. Und der Herr sagte zu Moses: Sprich zu den Söhnen Israels und sage ihnen, dass sie sich Quasten machen an den Ecken ihrer Kleider für ihre Generationen und dass sie einen blauen Faden an die Quaste des Zipfels tun. Und sie sollen euch zur Quaste werden und ihr sollt sie ansehen und sie sollen euch an alle Gebote des Herrn erinnern und ihr sollt sie tun und nicht eurem Herzen und euren Augen folgen, denen ihr nachhurt. Damit ihr an alle meine Gebote denkt und sie erfüllt und eurem Gott heilig seid. Ich bin der Herr, euer Gott, der euch aus Ägypten herausgeführt hat, um euer Gott zu sein. Ich bin der Herr, euer Gott. Wie kommt die Tora ins Rheinland? Damit ist nun zwar der Inhalt des geheimnisvollen Fundes geklärt, aber noch nicht, wie ein Abschnitt der Tora ins Rheinland kam und warum er dort in der Erde vergraben wurde. Jasmin bittet ihren Professor um Hilfe, der das Dokument auf den Beginn des 13. Jahrhunderts datiert und Licht ins Dunkel seiner Herkunft bringen kann. Dazu muss der Gelehrte weiter ausholen und einige wichtige Stationen der Geschichte des Volkes Israel erzählen. Von Abraham bis Mose Am Beginn der jüdischen Geschichte, die in der Tora berichtet wird, steht gemäß biblischer Überlieferung der Stammvater Abraham. Er zieht aus Ur in Chaldäa nach Haran, das zwischen Euphrat und Tigris nahe der heutigen syrisch-türkischen Grenze liegt. Dort befiehlt 4

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ihm Gott, nach Kanaan aufzubrechen. Dieses Land, in dem "Milch und Honig fließen", ist Jahwes „ewiges Geschenk“ an Abraham und all seine Nachkommen (Gen 13). Abraham gehorcht und schließt den ersten Bund mit Gott. Abrahams Sohn Isaak hat zwei Söhne, Esau und Jakob. Als Älterer der beiden hat Esau Anspruch auf den Erstgeburtssegen, der ihn in die Rechte seines Vaters einsetzt und zum Führer der Sippe macht. Jakob erschleicht sich diesen Segen, der in seiner Gültigkeit nicht mehr rückgängig zu machen ist. Aus Furcht vor dem Zorn seines Bruders flieht Jakob nach Haran, wo er zwanzig Jahre bleibt und eine große Zahl an Nachkommen zeugt. Schließlich macht er sich auf, um mit seinen Söhnen nach Kanaan heimzukehren. Jakob söhnt sich mit Esau aus und siedelt bei Sichem in Kanaan. Schließlich zwingt ihn eine schwere Hungersnot, mit seinen Söhnen nach Ägypten zu ziehen, wo sie 17 Jahre lang leben. Bevor Jakob stirbt, segnet er seine zwölf Söhne, die zu den Ahnherren der zwölf Stämme Israels (Asser, Benjamin, Dan, Gad, Isachar, Josef (Efraim u. Manasse), Juda, Levi, Naftali, Ruben, Sebulon und Simeon) werden. Nachdem Jakob gestorben ist, geraten seine Söhne und deren Familien in große Bedrängnis. Ein neuer Pharao fürchtet, Stärke und Reichtum der hebräischen Siedler könnten seine Herrschaft gefährden. Daher zwingt er sie unter seine Knechtschaft und lässt sie Fronarbeit verrichten. Ein Grund für die Versklavung der Juden ist sicher auch der immense Bedarf an Arbeitern, den die Bauwut der Pharaonen ausgelöst hatte. Ohne Sklaven konnten die ägyptischen Gottkönige weder ihre Pyramiden noch die Tempel, Paläste, Wehranlagen errichten. Daher war ihnen jedes Mittel recht, um billige Arbeitskräfte zu pressen.

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Wer sich zu ihm bekennt, schwört der Vielgötterei, wie sie etwa in Ägypten oder auch noch viel später bei den Griechen und Römern vorherrschte, ab. Mit dem monotheistischen Bekenntnis der Juden beginnt eine neue Zeit in der Ideengeschichte der Menschheit. Aus dem Glauben an den Gott Abrahams, der Moses am Sinai die Zehn Gebote überbrachte, werden sich mehr als fünfzehnhundert bzw. zweitausend Jahre später das Christentum und der Islam entwickeln. Vom Tempelbau zur Diaspora Am Ende des Zuges durch die Wüste erblickt Moses das Gelobte Land jenseits des Jordans von der Spitze eines Bergers aus, stirbt aber, bevor es betreten kann. Unter der Führung Josuas erobern die zwölf Stämme das "verheißene Land" in langen und blutigen Kriegen gegen die dort siedelnden Völker, Kleinkönige und Stadtstaaten der Kanaaniter und ihrer Nachbarn. Nach der erfolgreichen Einnahme verteilen Josua und der Priester Eleasar auf Geheiß Gottes die Gebiete unter den zwölf Stämmen Israels (Jos 13-20). Um 1000 vor Christus entstehen die beiden Königreiche Israel und Juda. König David regiert beide Länder in Personalunion, ohne die staatliche Trennung je aufzuheben. David holt die Bundeslade mit den steinernen Gesetzestafeln nach Jerusalem, das zum Zentrum der Doppelmonarchie und zum kultischen Mittelpunkt des israelitischen Volkes aufsteigt. Davids Sohn Salomo, der den Thron um 965 bestiegen haben dürfte, kann den Bestand der Doppelmonarchie für die Zeit seiner ebenfalls rund vierzig Jahre zählenden Herrschaft sichern. Er baut Jerusalem weiter aus, verstärkt die Festungsanlagen und errichtet den Tempel

Gottes Rettungstat am Auserwählten Volk Doch Gott erbarmt sich über das Elend seines Volkes in Ägypten und wählt Moses zum Werkzeug der Errettung. Er trägt ihm auf, das geknechtete Volk Israel in die Freiheit nach zu führen. Auf diesem vierzigjährigen Zug durch die ins gelobte Land erneuert Gott den Bund mit seinem auserwählten Volk. Am Berg Horeb empfängt Moses die Gesetzestafeln und damit die Grundlage des jüdischen Rechts- und Religionsverständnisses. An das wichtigste dieser Gesetze erinnert das Schma Israel mit dem Bekenntnis, dass es nicht viele, sondern nur einen Gott gibt. Dieser eine Gott, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, duldet keine anderen Götter neben sich. © Bayerischer Rundfunk

als zentrales Heiligtum seiner Hofburg (1 Könige 6; 7,13-51). Nahezu ein Jahrtausend später, nach einer langen, wechselvollen und kämpferischen Geschichte, nutzen die Römer im Jahr 63 vor 5

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Christus einen Thronstreit im jüdischen Königshaus, um die Herrschaft an sich zu bringen. , der neue Machthaber im Osten, besetzt Jerusalem. Judäa wird tributpflichtig, die Macht übt ein römischer Statthalter aus.

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das Schma Israel singt. Hannah weist nochmals auf die Bedeutung des „Höre Isreal“ hin.

Von 37 vor Christus bis 44 nach Christus herrschen die Herodianer als Vasallenkönige der Römer über Teile Palästinas. Nach dem Tod Agrippas I. im Jahr 44 n. Chr. erlischt das Haus der Herodianer. Palästina wird wieder in das System römischer Provinzen eingegliedert und von einem Prokurator verwaltet. Zwischen 40 und 68 n. Chr. gelingt es aufständischen Gruppen, breite Volksschichten zu mobilisieren und in den offenen Kampf gegen Rom zu führen. Im Jahr 66 entfacht die Frage des Kaiserkultes den Jüdischen Krieg. Treibende Kraft sind die Zeloten. Sie stellen den größten Teil der antirömischen Freiheitskämpfer und besetzen die Festung Masada. Der römische Kaiser Vespasian und später sein Sohn Titus schlagen unerbittlich zurück. Im April 70 fällt Jerusalem, der Tempel verbrennt. Der jüdische Staat ist erloschen, die Juden verlieren das Siedlungsrecht. Sie werden vertrieben, die Diaspora beginnt. Die ersten Juden kommen im Gefolge der Römer nach Germanien. Obwohl die Geschichte der jüdischen Siedlungen noch weitgehend unerforscht ist, sind größere Gemeinden, etwa in der Garnisonsstadt Colonia Aggripina (Köln), bereits für das 4. Jahrhundert bezeugt. Für die Zeit nach dem Abzug der Römer und die Jahrhunderte danach fehlen zuverlässige Quellen, sie setzen erst mit Karl dem Großen wieder ein. Wie die Tora unter die Erde kam Jetzt weiß Jasmin, wie die Tora ins Rheinland kam. Aber sie weiß noch immer nicht, weshalb sie vergraben wurde. Hannah Rubin, eine jüdische Freundin des Professors, kann Jasmins Wissensdurst stillen. Sie bestätigt, dass seit dem frühen Mittelalter viele jüdische Gemeinden auf jenem Gebiet existierten, das wir heute Deutschland nennen. So lebten wissenschaftlichen Schätzungen zufolge bereits im 11. Jahrhundert rund 20.000 Juden im Deutschen Reich. In Städten wie Köln, Worms, Mainz, Speyer oder Regensburg entstanden ab 1100 die ersten Synagogen und Studieneinrichtungen. Der Toraabschnitt, den Jasmin gefunden hat, stammt wahrscheinlich aus einer dieser untergegangenen und in Vergessenheit geratenen Synagogen, meint Hannah. Zuletzt besuchen Jasmin und Hannah einen Sabbat-Gottesdienst in der Synagoge, wo ein Kantor © Bayerischer Rundfunk

„Es ist das erste Gebet, das ein Jude lernt, und das wichtigste“, sagt sie. „Es wird am Morgen, am Abend und in der Synagoge gebetet.“ Schließlich klärt Hannah noch das Rätsel der vergrabenen Tora. Mit einem Geheimnis hat der Fund nichts zu tun. „Das ist ganz einfach, das ist so ein Brauch im Judentum. Aus Ehrfurcht vor dem Wort Gottes wird eine alte, verbrauchte Tora nicht einfach vernichtet, sondern bestattet.“ Und um dieser Glaubenstradition ihren Respekt zu erweisen, willigt Jasmin ein, das Torastück einem Rabbiner zur erneuten Bestattung zu übergeben. 3. Avitall Gerstetter: Die jüdische Kantorin Avitall Gerstetter ist zwar noch jung, hat aber doch schon Geschichte geschrieben: Sie ist die erste deutsche jüdische Kantorin und leitet in dieser Funktion die Gottesdienste zweier jüdischer Gemeinden in Berlin. Avitall, die sich selbst als deutsche Jüdin bezeichnet, wurde 1971 in West-Berlin geboren

und von ihrer Familie religiös erzogen. Nach dem Abitur studierte sie zunächst an einer Talmudhochschule (Jeschiwa) in Jerusalem. Es folgte eine Ausbildung an der Hochschule der Künste in Berlin mit dem Hauptfach Gesang und den Fächern Klavier, Klarinette und Tanz. Ihre Ausbildung zur Kantorin absolvierte sie 2001 in New York. 6

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Das Amt des Kantors ist ein fester Bestandteil des Gottesdienstes in der Synagoge. „Beim Gebet fun-

giert ein Mitglied der Betergemeinschaft als „Abgesandter der Gemeinde". Dieser stellt sich vor den an der Ostwand des Raumes befindlichen Schrank, der die Torarollen enthält, und spricht gewisse Gebete laut, jedoch sind alle Anwesenden verpflichtet, die Gebete gleichfalls zu sagen. Die Gebetsrichtung, in der auch meist die Sitzplätze im Raum angeordnet sind, ist gegen Jerusalem, d.h. nach Osten. Die Aufgabe des Abgesandten der Gemeinde kann jeder übernehmen, sofern er die erforderlichen Kenntnisse besitzt. Meist aber hat ein speziell ausgebildeter Mann diese Funktion, der als Kantor oder Vorbeter bezeichnet wird und von der Kultusgemeinde dafür angestellt ist. Der Kantor hat keinen priesterlichen Rang; er betet mit der Gemeinde, aber nicht für sie.“ Quelle: Zentralrat der Juden in Deutschland,

Das Gefühl, Gott ganz nahe zu sein Während orthodoxe Juden nur männliche Kantoren zulassen, können in liberalen Gemeinden auch Frauen dieses Amt bekleiden. Dabei spielt das gemeinsame Singen eine wesentliche Rolle. Für Avitall ist der Gesang eine Möglichkeit, sich eins mit Gott

und den Menschen zu fühlen: „Durch all diese Gebete und dadurch, dass man von der Gemeinde unterstützt wird und mit der Gemeinde gemeinsam singt, entsteht eine tolle Atmosphäre des Miteinanders und man hat das Gefühl, für einen Moment Gott ganz nahe zu sein.“ Die Begegnung mit Gott sucht Avitall nicht nur in der Synagoge. Beten gehört ganz selbstverständlich © Bayerischer Rundfunk

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zum Alltag der Kantorin. „Ich bete auch zuhause, weil es mir persönlich etwas gibt. Es ist einfach etwas Besonderes. Dieses Zwiegespräch mit Gott zu haben, das ist auch ein ganz schöner Moment, ganz anders als in der Synagoge, wo man gemeinsam betet.“ Ein wesentlicher Bestandteil des jüdischen Glaubenslebens sind Essensvorschriften, die Avitall sehr ernst nimmt. Daher kauft sie nur koschere, das heißt „erlaubte“ Lebensmittel. Sehr wichtig ist dabei die strikte Trennung vom Milch- und Fleischprodukten. „Sofern Milchiges und Fleischiges zubereitet wird, muss es zwei separate Küchen und zwei Sorten von Geschirr und Besteck geben“, erklärt Avitall. Großen Wert legt die Kantorin auch auf die gemeinsame Sabbatfeier mit Freunden und Fa-

milienmitgliedern: „An sechs Tagen hat Gott die Welt erschaffen und am siebten Tag hat er geruht und den siebten Tag hat er Sabbat genannt“; erklärt Avitall die Herkunft des jüdischen Ruhetages. Für sie ist der Sabbat etwas ganz Besonderes: „Man isst besonders, man nimmt sich die Zeit, man sitzt als Familie zusammen, hat aber auch Besucher, man trinkt Wein und lässt es sich gut gehen.“ Avitalls Familie, die mit ihr den Sabbat begeht, ist nicht besonders groß. Die meisten ihrer Verwandten fielen während des Dritten Reichs dem Holocaust zum Opfer und wurden in den Konzentrationslagern ermordet. „Unter den Nationalsozialisten ging es meiner Familie ganz schlecht. Viele wurden abgeholt und in die Konzentrationslager gebracht. Und eigentlich hat aus meiner Familie nur mein Opa, meine Oma und die Schwester meiner Oma überlebt. Und das war eine ganz große Familie mit zwölf Kindern. Das ist natürlich dann sehr schade, dass ich diesen Teil der Familie nicht mehr habe“. Aufgrund ihrer familiären wie der jüdischen Geschichte insgesamt weiß Avitall sehr genau, welche Folgen blinder Hass, Unwissenheit und schiere Dummheit zeitigen. Vielleicht ist ihr das 7

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friedliche Miteinander aller Religionen in Deutschland darum ein dauerhaftes Anliegen. Um ihrem Traum von Toleranz, Rücksicht und gegenseitigem Respekt ein Stück näher zu kommen, organisiert sie seit 2005 alljährlich im Sommer ein interreligiöses Fußballturnier, in dem Juden, Muslime und Christen um den von ihr initiierten Avitalls-Cup spielen. „Denn Fußball“, da ist sich Avitall sicher, „verbindet die Menschen, genau wie der Glaube an Gott.“ 4. Tora, Mischna, Gemara und Talmud Die Tora („Lehre“, „Weisung“, „Gesetz“) umfasst im Kern die Fünf Bücher Mose (Pentateuch). Nach jüdischem Glauben wurden sie ihm am Berg Sinai von Gott übergeben. Sie enthalten die Gesamtheit aller 613 für das Judentum verbindlichen Mitzwot (göttliche Gebote und Verbote). Die Zahl setzt sich zusammen aus 365 Verboten sowie 248 Geboten und hat symbolischen Charakter: 365 steht für die Tage eines Jahres, 248 für die Körperglieder des Menschen. Gemäß jüdischer Deutung betont die Summe der Mitzwot, dass der Mensch als Ganzes und immer unter dem Wort und der Weisung Gottes lebt. Untrennbar mit dieser schriftlichen Offenbarung ist eine zweite mündliche Offenbarung verbunden, die Moses im Sinne der jüdischen Tradition ebenfalls am Berg Sinai empfing. Sie liefert den Schlüssel für das Verständnis der schriftlichen Tora und wurde über Jahrhunderte hinweg von einer Generation an die nächste weiter gegeben. Als nach der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 n. Chr. der jüdische Staat und mit ihm das Priestertum erlosch, wuchs die Sorge um den Bestand der mündlichen Toraüberlieferung. Daher reifte der Entschluss, diesen zentralen Pfeiler des Judentums durch eine Niederschrift zu bewahren. Am Ende eines mehrschichtigen Sammlungs- und Redaktionsprozesses lag zu Beginn des 3. Jahrhunderts mit der Mischna („Wiederholung“) erstmals eine verbindliche Schriftfassung der mündlichen Tora vor. Das wohl um 220 n. Chr. abgeschlossene Werk ist eine Ausfaltung der kultischen und alltäglichen Religionsgesetze (Mitzwot), die von der schriftlichen Tora lediglich skizziert werden. In sechs „Ordnungen“ gegliedert, stiftet die Mischna durch detaillierte Handlungsvorschriften eine autoritative Tradition der jüdischen Glaubens- und Lebenspraxis. Dazu zählen vor allem die religionskonforme Landwirtschaft, der Sabbat und die Festzeiten, die Reinheitsgebote, das Ehe- und Familienleben sowie strafrechtliche, sakrale und liturgische Belange. Die als Halacha („Wegweisung“) bezeichnete normative Komponente der Mischna wird durch ein Haggada © Bayerischer Rundfunk

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(„Kunde“) genanntes, nicht-gesetzliches Kompendium von Geschichten, Legenden und Gleichnissen ergänzt, das den moralisch-ethischen Gehalt der Tora narrativ vermittelt. Auf diesem Grundstock wuchs im Lauf der folgenden Jahrhunderte ein umfangreiches Kommentarwerk heran, das rund 3000 rabbinische Analysen, Auslegungen sowie Ergänzungen zur Mischna enthält und daher den Namen Gemara („Vollendung“) trägt. Die Gemara ist zwei Fassungen erhalten, von denen die eine um 400 in Jerusalem, die andere um 500 in Babylonien entwickelt wurde. Trotz deutlicher Unterschiede hinsichtlich des Umfangs, des Detaillierungsgrades und ihrer Rigidität folgen beide Versionen dem auf sechs Ordnungen basierenden Gliederungsprinzip der Mischna. Aufgrund ihres ergänzenden Charakters ist die Gemara untrennbar mit der Mischna verbunden und bildet mit ihr gemeinsam den Talmud („Studium“), der bis heute als grundlegendes jüdisches Gesetzeswerk in allen praktischen Angelegenheiten oberste Autorität beansprucht. Da es zwei Versionen der Gemara gibt, unterscheidet man zwischen dem Jerusalemer und dem Babylonischen Talmud. Nachdem der Babylonische Talmud deutlich umfangreicher, strenger und in der Regel sorgfältiger gearbeitet ist, gilt er als gewichtigste Referenz in Fragen der Glaubenspraxis. Der Jerusalemer Talmud hat nur dann autoritatives Gewicht, wo der Babylonische Talmud unklar bleibt oder Fehlstellen aufweist. 5. Beschneidung, Bar Mitwa und Bat Mizwa Zum Zeichen des ewigen Bundes, den Gott mit Abraham geschlossen und durch die Gabe der Tora bekräftigt hat, werden alle männlichen Juden am achten Tag nach der Geburt beschnitten. Die Verschiebung auf einen späteren Termin setzt triftige Gründe wie etwa eine Krankheit voraus. In der Regel findet die Beschneidung (Brit Mila) zuhause oder in einem Krankenhaus statt und wird entweder von einem Kultusbeamten (Mohel) oder einem jüdischen Arzt vorgenommen. Zugleich mit der Beschneidung erhält der Knabe einen jüdischen Namen, der nicht mit dem standesamtlichen „bürgerlichen“ Namen übereinstimmen muss. Mädchen werden nicht beschnitten, sie erhalten auch nicht zwingend einen jüdischen Namen. 8

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Mit 13 Jahren werden männliche Juden Vollmitglied der jüdischen Gemeinde und sind damit ein „Sohn des Gebots“ (Bar Mizwa). Von nun an gelten sie in religiösem Sinn als erwachsen und sind verpflichtet, alle religiösen Vorschriften einzuhalten. Mit diesem Tag ist der Vater auch nicht mehr dafür verantwortlich, dass der Sohn die religiösen Gebote einhält. Die "Söhne des Gebots" zählen fortan zur Mindestzahl von zehn erwachsenen Juden (Minjan), die für den Gemeinschaftsgottesdienst in der Synagoge vorgeschrieben sind. Üblicherweise wird das neue Gemeindemitglied am Sabbat nach seinem 13. Geburtstag erstmals zum Vorlesen der Tora aufgerufen. Die Familie feiert den Tag mit einem festlichen Mahl (Bar Mizwa-Feier). Dabei ist es üblich, dass der mündig gewordene Knabe einen eigenen Toravortrag im Familien- und Freundeskreis hält. Mädchen erhalten bereits mit zwölf Jahren den Status einer Bat Mizwa (Tochter der Pflicht), in neuerer Zeit wird auch – vor allem in reformiert-jüdischen Familien - ihre religiöse Volljährigkeit durch ein Bat Mizwa-Fest gefeiert. 6. Der Sabbat – Tage der Ruhe und Besinnung Der wöchentliche Sabbat ist der wichtigste und heiligste Tag des Judentums. Er beginnt am Freitag nach Einbruch der Dunkelheit und endet am Samstagabend. Sein strenges Werkverbot erinnert an das Ausruhen Gottes am siebten Tag der Schöpfung, seine besondere Heiligkeit ist durch die göttliche Einsetzung im Buch Exodus begründet: „Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiliges. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt. Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn.“ (Exodus, 20,8-11) Durch den Mund des Propheten Jesaja bekräftigt Gott das Sabbatgebot abermals: „Achtet den Sabbat als einen Tag, der mir geweiht ist und an dem ihr keine Geschäfte abschließt! Er soll ein Feiertag für euch sein, auf den ihr euch freut. Entweiht ihn nicht durch eure Arbeit, durch Geschäfte oder leeres Geschwätz! Achtet ihn vielmehr als einen Tag, an dem ihr Zeit habt für mich, den Herrn. Wenn ihr das tut, werde ich die Quelle eurer Freude sein. Ich werde euch über Berge und Schluchten tragen und euch das ganze Land mit seinem reichen Ertrag schenken, das ich eurem Stammvater Jakob zum Erbe gegeben habe. Mein Wort gilt!“ (Jesaja 58, 13-14) © Bayerischer Rundfunk

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Während des Sabbat gelten strengste Ruhevorschriften. Der Talmud listet insgesamt 39 Arbeiten auf, die an diesem Tag nicht erlaubt sind. Unter das Werkverbot fallen beispielsweise Tätigkeiten wie Backen, Kochen, Licht oder Feuer anzünden, Ein- und Verkaufen, Telefonieren oder Fernsehen. Ebenso untersagt ist es, Verkehrsmittel zu benutzen, Sport zu treiben oder Geld zu berühren. All diese Verbote dienen einem einzigen Zweck: Am Sabbat soll der Mensch Abstand vom Alltag gewinnen und seine Zeit ausschließlich Gott und der Familie widmen. Der Sabbat setzt ein, wenn die ersten drei Sterne am Abendhimmel aufscheinen oder ein schwarzer Faden nicht mehr von einem weißen zu unterscheiden ist. Den eigentlichen Sabbatbeginn markiert eine Zeremonie, die traditionell der Hausfrau obliegt: Sie zündet die Sabbatlichter an und segnet die Kerzenflammen. Damit sind die Werkverbote des Tages in Kraft. Um den Sabbat würdig zu begehen, wurde zuvor das Haus geputzt und der Tisch festlich geschmückt. Sämtliche Speisen für die drei obligatorischen Sabbatmahlzeiten sind vorgekocht, ein spezieller Sabbatofen oder ein Wärmerohr hält sie bis Samstagabend warm. Nachdem die Sabbatlichter angezündet sind, begeben sich die Familien zum ersten der drei besonders ausführlichen und feierlichen Sabbatgottesdienste in die Synagoge. Der Gottesdienst klingt mit dem Kiddusch ("Heiligung") aus. Dabei spricht der Vorbeter den Segen über einen Becher Wein, um die besondere Heiligkeit des Tages zu betonen. Nach der Rückkehr von der Synagoge setzen sich die Familien und ihre Gäste an den Esstisch, um gemeinsam das Sabbatmahl zu genießen. Auf dem geschmückten Tisch stehen der Sabbatleuchter mit den bereits brennenden Kerzen, der mit Wein gefüllte Kidduschbecher und die geflochtenen, von einem Tuch bedeckten Sabbatbrote (Challot) bereit. Dem eigentlichen Mahl geht eine Reihe fest gefügter Segenshandlungen voraus. Zunächst segnet der Vater die Kinder, danach singt er – zumal in orthodoxen Familien - gemeinsam mit ihnen das Frauenlob aus den Sprüchen Salomos. Anschließend hebt der Vater den randvoll gefüllten Kiddusch-Becher und segnet den Wein zum Zeichen der Sabbatheiligung. Er trinkt als erster, dann geht der Becher reihum, bis alle Tischgenossen ebenfalls getrunken haben. Nachdem sich alle die Hände gewaschen haben, beginnt das Sabbatmahl. Der Vater 9

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deckt die Sabbatbrote auf, segnet sie und zerteilt die Laibe mit einem ausschließlich dieser Zeremonie vorbehalten Challa-Messer. Danach tunkt er ein Stück des Brotes in Salz und isst, bevor er jedem Tischgenossen ein eigenes Brotstück zuteilt. Die Mahlzeit selbst fällt reichhaltig aus, besondere Sabbatspeisen oder Speisetabus gibt es jedoch nicht. Das gemütliche Essen schließt mit gemeinsam gesungenen Liedern und einer erneuten Lobpreisung aus den Psalmen. Am Samstag haben alle Familienmitglieder reichlich Zeit zum Ausschlafen, denn der Gottesdienst beginnt später als unter der Woche. Er ist sehr festlich und hebt sich durch besondere Gebete und Lieder von den Wochentagsgottesdiensten ab. Anschließend versammelt sich die Familie zur zweiten Sabbatmahlzeit. Nachmittags findet ein weiterer sehr ausführlicher Gottesdienst statt, dem sich ein drittes gemeinsam genossenes Mahl anschließt. Den Ausklang bildet schließlich die Hawdala („Unterscheidung“), eine vom Vater geleitete Zeremonie, die den Wiederbeginn des Alltags einleitet. Da mit dem Sabbatausgang wieder Feuer entzündet werden darf, wird zunächst das Hawdalalicht, eine dünne, aus zwei Wachssträngen geflochtene Kerze mit doppeltem Docht, angesteckt. Darauf füllt der Vater einen Becher so reichlich mit Wein, dass er in eine untergestellte Hawdalaschale überfließt. Darin drückt sich der Wunsch aus, dass auch die kommende Woche Überfluss an guten Dingen bereit halten möge. Anschließend segnet der Vater das Hawdalalicht, den Wein und aromatische Gewürze („Bessanim“), die in einer Büchse oder auf einem Tablett reihum gehen. So hat jeder Gelegenheit, den „Duft“ des Sabbat nochmals symbolisch zu genießen. Wenn alle männlichen Familienmitglieder vom Wein getrunken haben, hebt der Hausherr den Becher und spricht den Unterscheidungssegen, um den Feiertag endgültig vom Werktag zu trennen. Zuletzt wird noch die Hawdalakerze gelöscht – entweder mit einem Weinrest aus dem Becher oder durch das Eintauchen in den übergeflossenen Wein, den die Hawdalaschale aufgefangen hat. „Dieser Tag zwingt uns zum Innehalten. Damit öffnet er uns die Augen für das Wesentliche.“ Warum ihn der Sabbat tief berührt, schildert Steven Langsan, Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.

„Viele Menschen, Juden und Nichtjuden, halten den Sabbat für einen sehr strengen Tag. Man darf kein Licht einschalten, man darf nicht ins Kino gehen, © Bayerischer Rundfunk

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nicht kochen, nicht einkaufen, man darf nicht mit der U-Bahn oder dem Auto fahren, man darf nicht, man darf nicht, man darf nicht. Aber warum darf man nicht? Weil man so die Chance hat, etwas Wichtiges zu erfahren. Weil man erstens erkennen soll, dass der liebe Gott unser aller Schöpfer ist, und dass alle die Fähigkeiten und Talente, die wir Menschen haben, von ihm kommen. Und zweitens kann man diesen Ruhetag nicht wirklich genießen, wenn es keine strengen Gesetze gibt, die uns die Arbeit verbieten. Erst diese Gesetze schaffen die Möglichkeit, die Arbeit ruhen zu lassen, und erst dadurch können wir die Schönheit des Sabbat auskosten. Doch worin besteht nun diese Schönheit? Zum einen darin, dass sich die Familie Zeit nimmt, gemeinsam drei feierliche Mahlzeiten einzunehmen. Wie oft essen Familien während der Woche miteinander? Immer seltener! Und wer bringt es unter der Woche fertig, ein klingelndes Telefon zu ignorieren? Viele Leute können es nicht, aber am Sabbat müssen sie es können. Wie viele Leute schaffen es unter der Woche, auf den Fernseher zu verzichten, um ganz für die Familie da zu sein? Am Sabbat müssen sie es können. Wenn wir den Sabbat einhalten, sind wir also in einem positiven Sinn gezwungen, die schönen und wirklich reichen Aspekte des Lebens zu berücksichtigen. Dazu gehören neben den leiblichen auch die geistigen Dinge: Am Sabbat sind die Gottesdienste länger, man verbringt mehr Zeit in der Synagoge, man hat Zeit, sich mit den biblischen Texten zu beschäftigen. Alles in allem hat dieser Ruhetag so viele schöne Aspekte, die wir auskosten können, weil das Sabbatgebot die nötige Voraussetzung schafft. Dieser Tag zwingt uns zum Innehalten. Damit öffnet er uns die Augen für das Wesentliche: Die Begegnung mit der Familie, die Begegnung mit Gott. Daher ist es kein Wunder, dass mir immer wieder gerade Christen sagen, wie sehr sie uns um diesen strengen Ruhetag beneiden. Und das ist es, was ich meiner Gemeinde zu vermitteln versuche. Auch unter unseren Gemeindemitgliedern gibt es viele, denen die Aspekte und die Potenziale unseres Ruhetages noch nicht wirklich aufgegangen sind. Diese Gemeindemitglieder laden wir ein, am Freitagabend mit uns zu essen und an den Tischliedern, an den Gebeten, am Lichterglanz und an der erhebenden Atmosphäre teilzuhaben. Das Judentum, und das wollen wir zeigen, ist etwas Lebendiges und sehr Schönes, wenn man es nur zulässt.“ 10

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7. Synagoge, Gottesdienst, Tallit und Tefilin Das Wort Synagoge kommt aus dem Griechischen und bezeichnet sowohl das jüdische Lehr-, Gebetsund Versammlungshaus als auch die in der Synagoge versammelte Gemeinde. Der Ursprung und die Entstehungszeit der jüdischen Synagoge sind strittig. Manche Forscher gehen davon aus, dass frühe Formen der Synagoge während des babylonischen Exils (586 bis v. Chr. 538) aus dem Bedürfnis entstanden, sich in besonderen Versammlungshäusern zum gemeinsamen Gebet einzufinden. Ein weiteres Motiv könnte die zunehmende Bedeutung des Sabbat und damit die Notwendigkeit eines Versammlungsortes für gottesdienstliche Zusammenkünfte beziehungsweise Lesungen aus der Schrift und das Gemeindegebet gewesen sein. Archäologische Zeugnisse und Schriftbelege dokumentieren die Existenz ägyptischer Synagogen für das 3. Jahrhundert vor Christus; auf der Insel Delos finden sich Überreste einer Synagoge aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert. Zur Zeitenwende dürften in jeder jüdisch besiedelten Ortschaft Palästinas und in großen Städten der Diaspora wie etwa Rom oder Alexandria bereits Synagogen bestanden haben. Wie erhaltene Inschriften zeigen, dienten sie "dem Vorlesen des Gesetzes und zum Unterricht in den Geboten". Größere Synagogen waren zudem mit Wasseranlagen und Herbergen für Fremde ausgestattet. Daneben fungierte die Synagoge auch als Gerichtssaal und als Unterbringungsmöglichkeit für jüdische Reisende. So entwickelte sich die Synagoge zum jüdischen "Gemeindezentrum", in dem neben dem Gottesdienst alle das Gemeinwesen betreffenden Angelegenheiten ihren Ort hatten. Ein betont sakraler Charakter entfaltet sich erst nach der Tempelzerstörung im Jahr 70 n. Chr. 8. Der Synagogengottesdienst Der jüdische Gottesdienst kennt keine priesterlichen Funktionen. An der Gestaltung des Gottesdienstes sind alle männlichen Gemeindemitglieder beteiligt. Um einen Gottesdienst zu feiern, müssen jedoch mindestens zehn kultfähige und über dreizehn Jahre alte Männer anwesend sein (Minjan). Die Frauen folgen dem Gottesdienst meist auf einer eigenen Empore. In manchen Synagogen ist die Trennung der Geschlechter jedoch so weit aufgehoben, dass Männer und Frauen – wenn auch in getrennten Bankreihen, gemeinsam im Hauptraum sitzen. © Bayerischer Rundfunk

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Im Zentrum des jüdischen Gottesdienstes steht die Lesung aus der Tora. Dazu kommen liturgische Elemente wie das gemeinsame Bekenntnis, gesprochene und gesungene Gebete sowie der Segen. Sofern das Quorum des Minjan erfüllt ist, finden Wochentags, am Sabbat und an den Feiertagen regelmäßig drei Gottesdienste statt: einer am Morgen, einer mittags und einer abends. Aus Gründen der Praktikabilität werden der Nachmittags- und der Abendgottesdienst dabei häufig zusammengelegt. Die Leitung des Gottesdienstes obliegt dem Synagogenvorsteher oder dem Vorbeter. Zu diesem Amt ist jeder männliche Jude befugt, der das Gebetsritual beherrscht. Das Lektorenamt ist jenen vorbehalten, die Hebräisch lesen können. Der Vorbeter nimmt die Thorarollen zur Lesung aus dem Schrein und stellt sie anschließend wieder zurück. Zu seinen Aufgaben gehört es überdies, die Vorbeter und Lektoren aufzurufen und der Gemeinde das Zeichen zum Einsatz für die von ihr zu sprechenden Responsorien und Gebete zu geben. Am Sabbat werden sieben, am Versöhnungstag sechs, an anderen Festtagen fünf Männer zur Lesung aus der Tora aufgerufen. Jeder trägt mindestens drei Verse vor. Sofern der Aufgerufene den hebräischen Text nicht selbst vorlesen kann, liest er stumm mit, während ein geschulter Vorleser an seiner Stelle laut rezitiert. Da nicht alle Gemeindemitglieder das Hebräische beherrschen, sind Gebetbücher mit phonetischen Umschriften und Erläuterungen in Gebrauch. Die Torarollen werden im Tora-Schrein aufbewahrt. Er hat seinen Platz auf einem gen Jerusalem ausgerichtetem Podium. Für den Vorleser ist in der Nähe des Thoraschreins ein Lesepult, die Bima, eingerichtet. Vor dem Thoraschrein brennt auf einem Leuchter ein ewiges Licht. Die stets von einem besonderen Schreiber auf Pergament handgeschriebenen Torarollen sind auf zwei Holzstäben aufgrollt, mit einem Torawimpel umwunden und von einem besonders geschmückten Toramantel (Mappa) umhüllt. Auf dem Mantel ist der Tora-Schild (Tass) angebracht. Den Kopf der Torarolle schmückt eine Silberkrone (Kether), um die Herrschaft der Schrift über das Volk Israel zu symbolisieren. Statt der Krone können auch Rimonim (Grantäpfel), ein mit Glöckchen verzierter Aufsatz, die Thorarollen schmücken. 11

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Zum Gottesdienst wird die Tora feierlich aus dem Schrein geholt, erhoben und abschnittweise auf der Bima ausgerollt. Um die Heiligkeit der Tora zu achten, bedient sich der Vorleser eines silbernen handförmigen Zeigestabes (Jad), mit dem er die Zeilen nachfährt, ohne das Buch mit der Hand zu berühren. „Im Mittelpunkt steht das Wort Gottes“ Steven Langnas, Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, erläutert die liturgische Ordnung des jüdischen Gottesdienstes. Wir feiern täglich drei Gottesdienste, die einer sehr umfangreichen und ausdifferenzierten Liturgie folgen. Im Zentrum steht dabei das gemeinsame Lesen der Tora und eines Abschnittes aus den Propheten. Dazu kommen feste Gebete, die jeden Tag morgens, nachmittags und abends gebetet werden. Am Sabbat sowie an den jeweiligen Fest- und Feiertagen sind darüber hinaus spezielle Feiertagsgebete vorgesehen, die alleine neun stattliche Bände füllen. All diese Gebete werden teilweise laut gesprochen und mitgesungen oder abwechselnd mit dem Vorbeter rezitiert beziehungsweise gesungen. Wer nicht in den Gottesdienst kommen kann, ist trotzdem verpflichtet zu beten. Auf alle Fälle obligatorisch sind die Tischgebete vor und nach dem Essen. Für die Feiertage gibt es darüber hinaus eine Reihe besonderer Gebete und Tischlieder, die die Bedeutung des jeweiligen Tages erläutern. Die Sprache der Lesungen und Gebete ist Hebräisch. Wir nicht hebräisch kann, findet den Text in phonetischer Umschrift sowie Übersetzungen und Kommentare, damit er jederzeit laut oder stumm mitbeten bzw. mitsingen kann.

Ein besonderes Merkmal des Gebetsmantels sind auffällige Schaufäden (Zizijot). Sie bestehen aus langen weißen und mehrfach verknoteten Wollfäden, die an den vier Ecken des Tallit zu Quasten gebündelt sind. Zum Gebet während der Wochentage legt jeder religiös mündige Jude zudem zwei schwarze Lederkapseln (Tefilin) an, die er mit schwarzen Lederriemen am linken Arm und auf der Stirn befestigt. Die Tefilin umschließen auf Pergament geschriebene Bibelabschnitte und erfüllen so das Gebot, dass die Tora „zum Zeichen an deiner Hand und zum Erinnerungsmal zwischen deinen Augen“ sein soll (Ex 13,9). Am Sabbat und an den Feiertagen werden sie nicht angelegt, da sich diese Tage per se durch ihre besondere Heiligkeit auszeichnen. Zuallererst Lehrer: Der Rabbiner Steven Langnas ist Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern und zudem Vorstandsmitglied der Europäischen Rabbinerkonferenz. Er wurde 1956 geboren und studierte an der Yeshiwa-Universität in New York. Im Folgenden erläutert er die Aufgaben eines Gemeinderabbiners.

Der Gebetsmantel (Tallit) ist ein viereckiges, meist weißes und durch farbige Streifen geziertes Umhängetuch aus Wolle, Baumwolle oder Seide, das fast den ganzen Körper einhüllt. Er wird sowohl während des Synagogengottesdienstes als auch beim häuslichen Gebet umgelegt.

„Wir Rabbiner werden ja oft mit Geistlichen wie einem Pfarrer oder einem Priester verglichen, aber das trifft es nur teilweise. Ein Rabbiner ist vor allem ein Lehrer, jemand, der die Befugnis hat, in allen Fragen jüdischer Gesetze zu entscheiden. Da unsere Gesetze oftmals sehr unterschiedliche Auslegungen erlauben, muss es jemanden geben, der eine klare Meinung hat und im Falle strittiger Interpretationen eine Entscheidung für die Gemeinde trifft. Das ist ein Teil meiner Aufgabe und Zuständigkeit. Dann bin ich als Rabbiner natürlich auch Seelsorger, der in allen Lebens- und Glaubensfragen zur Verfügung steht. Obendrein habe ich auch administrative Funktionen in Gemeindeangelegenheiten und halte öffentliche Lektürestunden für Erwachsene sowie Studenten der Gemeinde. Zuletzt bin ich auch, anderes als viele Rabbiner, in der Synagoge und im Gottesdienst aktiv. Diese Tätigkeit gehört jedoch nicht zum verbindlichen Pflichtprogramm eines Rabbiners, der ja, wie bereits gesagt, vor allem ein Lehrer sein soll.

Neben dem großen Tallit („Tallit gadol“), der während Morgengebets über der Kleidung getragen wird, gibt es einen kleinen schalähnlichen Tallit („Tallit gatan“), der um den Hals liegt und nur die Brust bedeckt. Fromme Juden tragen den kleinen Tallit auch tagsüber unter der Kleidung.

Im Gottesdienst hat der Rabbiner eigentlich gar keine Funktion. Ein jüdischer Gottesdienst kann, muss aber nicht von einem Rabbiner geführt werden. Die einzige Voraussetzung ist die Anwesenheit von zehn erwachsenen männlichen Juden. Dieses Quorum nennen wir Min-

Tallit und Tefilin Während des Gottesdienstes gelten strenge rituelle Auflagen: Die Gläubigen bedecken ihren Kopf mit der Kippa, hüllen sich in den Gebetsmantel (Tallit) ein und legen die Gebetsriemen (Tefilin) an.

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jan. Jedes erwachsene Mitglied der Gemeinde, das gut lesen kann und die für diesen Feiertag reservierten speziellen Melodien kennt, kann einen Gottesdienst leiten. Manche Synagogen haben zusätzlich einen Kantor, also einen Vorsänger oder Vorbeter, der den Gottesdienst leitet und durch seinen Gesang die Gebete interpretiert. Eine priesterliche oder religiös autoritative Funktion hat der Kantor allerdings nicht.“ 9. Jüdische Speisegesetze (Kaschrut) Die Jüdischen Speisegesetze (Kaschrut) regeln sowohl die Art als auch die Zubereitung, den Verzehr und die Lagerung erlaubter Speisen sowie die Frage dabei verwendbarer Küchengeräte und Tischgeschirre. Tierische Lebensmittel Erlaubt ist alles, „was unter den Vierfüßlern gespaltene Klauen hat, und zwar völlig durchspaltene Klauen, und wiederkäut.“ Einschränkend kommt hinzu, dass nur diejenigen geflügelten, vierfüßigen Kleintiere essbar sind, „die oberhalb der Füße Schenkel haben, um damit von der Erde zu hüpfen.“ Zu dieser Gruppe gehören beispielsweise Schafe, Ziegen, Rehwild. Da Schweine im Unterschied zu Rindern weder zweigespaltene Hufe haben, noch Wiederkäuer sind, ist Schweinefleisch „trefe“, also unrein, und nicht zum Verzehr geeignet. Das gilt ebenso für Kaninchen oder Hase. • Grundsätzlich verboten ist der Verzehr von „auf dem Bauche kriechenden und schleichenden Getier wie Schlangen, Reptilien, Insekten, Schnecken, Würmern etc. • Fische sind koscher, sofern sie Flossen, Schuppen und Kiemen aufweisen. Im Wasser lebende Tiere ohne Schuppen und Flossen, wie etwa der Aal oder alle Schalentiere, sind trefe und damit verboten. • Der Verzehr von Geflügel ist gestattet, sofern es sich nicht um Greifvögel und Wildgeflügel handelt. Pflanzliche Lebensmittel Als koscher gelten die meisten pflanzlichen Lebensmittel mit Ausnahme von Wein, der nicht von Juden gekeltert wurde sowie nicht von Juden hergestellte vegetarische Fertiggerichte. Als nicht koscher gelten ebenfalls Früchte, die während der ersten drei Jahre nach der Pflanzung geerntet wurden. Trennung von Milch- und Fleischprodukten Die Tora untersagt, das Fleisch von Säugetieren und Geflügel (Warmblüter) zusammen mit Milchpro© Bayerischer Rundfunk

dukten zuzubereiten, zu lagern oder zu essen. Strenggläubige Juden verwenden daher getrennte Herde sowie getrenntes Ess- und Kochgeschirr für Zubereitung und Verzehr wie auch getrenntes Spülwasser bzw. Spülmaschinen für die Säuberung des Geschirrs. Fleisch darf nie in Milch gekocht oder mit Milch gegessen werden. Ein Butterbrot mit Salami, ein Cheeseburger oder eine Pizza mit Schinken und Käse gehören für gläubige Juden zu den verbotenen Vermischungen von Milchigem und Fleischigem. Wegen des Labs aus Kälbermägen dürfen die meisten Weich- und Schnittkäse nicht verzehrt werden. Ebenfalls verboten sind Produkte mit Gelatine aus Tierknochen. Die Schlachtung Da Juden kein Blut verzehren dürfen, schreiben die Speisegesetze auch vor, dass Warmblüter und Vögel geschächtet werden müssen, um koscher zu sein. Selbst an sich koschere Tierprodukte wie Rindfleisch oder Hühnerfleisch gelten als trefe, wenn die Tiere nicht vorschriftsmäßig geschächtet werden. Beim Schächten werden die Halsschlagader und Luftröhre des Tieres von einem besonders ausgebildeten Schächter mit einem scharfen Messer durchtrennt. Anschließend wird das Tier mit dem Kopf nach unten aufgehängt, damit es vollständig ausblutet. Danach muss das Fleisch von Blutbahnen und unerlaubten Adern und Fetten gesäubert und im Wasser und Salz "koscher" gemacht werden. Da Fische keine Warmblüter sind, müssen sie nicht geschächtet werden, um koscher zu sein. 10. Der Tempel Salomos Über den 1. Tempel, den Salomo in Jerusalem errichten lässt, sowie über die kultische Ausstattung des Heiligtums, sind wir durch ausführliche Beschreibungen im alttestamentlichen Buch der Könige (1 Kg 6, 1-36; 7, 13-51) sehr gut unterrichtet. 1 Kg 6.1 Im vierhundertundachtzigsten Jahr nach dem Auszug Israels aus Ägyptenland, im vierten Jahr der Herrschaft Salomos über Israel, im Monat Siw, das ist der zweite Monat, wurde das Haus dem HERRN gebaut. 6,2 Das Haus aber, das der König Salomo dem HERRN baute, war sechzig Ellen lang, zwanzig Ellen breit und dreißig Ellen hoch. 6,3 Und er baute eine Vorhalle vor der Tempelhalle des 13

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Hauses, zwanzig Ellen lang nach der Breite des Hauses und zehn Ellen breit vor dem Hause her. 6,4 Und er machte am Hause Fenster mit festen Stäben davor. 6,5 Und er baute einen Umgang an der Wand des Hauses ringsumher, so dass er um die Tempelhalle und um den Chorraum herging und machte Seitengemächer ringsumher. 6,6 Der untere Gang war fünf Ellen weit und der mittlere sechs Ellen weit und der dritte sieben Ellen weit; denn er machte Absätze außen am Hause ringsumher, so dass die Balken nicht in die Wände des Hauses eingriffen. 6,7 Und als das Haus gebaut wurde, waren die Steine bereits ganz zugerichtet, so dass man weder Hammer noch Beil noch irgendein eisernes Werkzeug beim Bauen hörte. 6,8 Die Tür zum unteren Seitengemach war auf der rechten Seite des Hauses, so dass man durch eine Wendeltreppe hinaufging auf die mittleren Seitengemächer und von den mittleren auf die dritten. 6,9 So baute er das Haus und vollendete es. Und er deckte das Haus mit Balken und Tafelwerk von Zedern. 6,10 Und er baute Gänge um das ganze Haus herum, je fünf Ellen hoch, und verband sie mit dem Hause durch Balken von Zedernholz.

Flügel des einen Cherubs die eine Wand berührte und der Flügel des andern Cherubs die andere Wand berührte. Aber in der Mitte berührte ein Flügel den andern. 6,28 Und er überzog die Cherubim mit Gold. 6,29 An allen Wänden des Allerheiligsten ließ er ringsum Schnitzwerk machen von Cherubim, Palmen und Blumenwerk, innen und außen. 6,30 Auch überzog er innen den Boden mit Goldblech. 6,31 Und an der Tür des Chorraums machte er zwei Türflügel von Ölbaumholz mit fünfeckigen Pfosten 6,32 und ließ Schnitzwerk darauf machen von Cherubim, Palmen und Blumenwerk und überzog sie mit Goldblech. 6,33 Ebenso machte er auch an der Tür der Tempelhalle viereckige Pfosten von Ölbaumholz 6,34 und zwei Türen von Zypressenholz, so dass jede Tür zwei Flügel hatte, die sich drehten, 6,35 und machte Schnitzwerk darauf von Cherubim, Palmen und Blumenwerk und überzog es mit Gold, genau wie es eingegraben war. 6,36 Er baute auch den inneren Vorhof von drei Schichten behauener Steine und von einer Schicht Zedernbalken.

6,14 Und Salomo baute das Haus und vollendete es. 6,15 Er bedeckte die Wände des Hauses innen mit Brettern von Zedernholz. Vom Boden des Hauses bis an die Decke täfelte er es innen mit Holz, und den Boden des Hauses täfelte er mit Brettern von Zypressenholz. 6,16 Und er baute zwanzig Ellen von der Rückseite des Hauses entfernt eine Wand aus zedernen Brettern vom Boden bis an die Decke und baute so im Innern den Chorraum, das Allerheiligste. 6,17 Die Tempelhalle vor dem Chorraum war vierzig Ellen lang. 6,18 Innen war das ganze Haus lauter Zedernholz mit gedrehten Knoten und Blumenwerk, so dass man keinen Stein sah. 6,19 Den Chorraum machte er im Innern des Hauses, damit man die Lade des Bundes des HERRN dahin stellte. 6,20 Und vor dem Chorraum, der zwanzig Ellen lang, zwanzig Ellen breit und zwanzig Ellen hoch war und überzogen mit lauterem Gold, machte er den Altar aus Zedernholz. 6,21 Und Salomo überzog das Haus innen mit lauterem Gold und zog goldene Riegel vor dem Chorraum her, den er mit Gold überzogen hatte, 6,22 so dass das ganze Haus ganz mit Gold überzogen war. Dazu überzog er auch den ganzen Altar vor dem Chorraum mit Gold. 6,23 Er machte im Chorraum zwei Cherubim, zehn Ellen hoch, von Ölbaumholz. 6,24 Fünf Ellen hatte ein Flügel eines jeden Cherubs, so dass zehn Ellen waren von dem Ende seines einen Flügels bis zum Ende seines andern Flügels. 6,25 So hatte auch der andere Cherub zehn Ellen, und beide Cherubim hatten das gleiche Maß und die gleiche Gestalt. 6,26 Auch war jeder Cherub zehn Ellen hoch. 6,27 Und er stellte die Cherubim mitten ins Allerheiligste. Und die Cherubim breiteten ihre Flügel aus, so dass der

Die von David nach Jerusalem gebrachte Bundeslade geht mit der Zerstörung des Tempels im Jahr 587 v. Chr. verloren. Über ihren weiteren Verbleib sind nur legendenhafte Berichte erhalten. Einer Erzähltradition zufolge soll sie noch vor der Zerstörung des Tempels nach Äthiopien gebracht worden sein, wo sie noch heute aufbewahrt wird.

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Der Herodes-Tempel Herodes der Große lässt den 515 vollendeten 2. Tempel abtragen und ordnet einen prunkvollen Neubau an. Die Arbeiten beginnen um 19 v. Chr. und ziehen sich bis 12 n. Chr. hin; der Gesamtbau ist erst 64 n. Chr. fertiggestellt. Zu diesem Vorhof hatten auch Heiden Zutritt. Dahinter steigen weitere Vorhöfe terrassenartig an. Den Zutritt zum eigentlichen Vorhof verlegt ein steinernes Gitter. Hier waren mehrsprachige Schilder angebracht, die Nichtjuden das Betreten des Heiligtums bei Strafe untersagten. Im innersten Vorhof, den nur die Priester betreten durften, standen ein der kultischen Reinigung vorbehaltenes Wasserbecken und der Brandaltar. Über diesem Vorhof führten Treppen zum Tempelhaus mit zwei durch einen Vorhang abgetrennten Räumen. Im vorderen standen der siebenarmige Leuchter, der Tisch für die Schaubrote und ein Räucheraltar. Hinter dem Vorhang verbarg sich das Allerheiligste, ein bis auf die Bundeslade leerer und dunkler Raum, der Gott alleine vorbehalten blieb. Nur 14

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einmal jährlich, am Versöhnungstag Jom Kippur ist es dem Hohenpriester gestattet, das Allerheiligste zu betreten. Dabei besprengte er die Bundeslade mit dem Blut zweier Opfertiere. Bei der römischen Eroberung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr. wurde der Tempel zerstört. Erhalten blieb nur ein Stück der westlichen Stützmauer, die heutige „Klagemauer“. Der jüdische Historiker Flavius Josephus (geb. ca. 37 n. Chr. in Jerusalem, gest. ca. 100 n. Chr. in Rom) überliefert eine Beschreibung der Anlage: "Die Front des Gebäudes war gleich hoch und breit,

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nämlich 100 Ellen das Hintergebäude aber um 40 Ellen schmäler, da der Vorderbau rechts und links flügelförmig 20 Ellen weit über dasselbe hinausragte. Das vordere Tor des Heiligtums, 70 Ellen hoch und 20 Ellen breit, hatte keine Türen, denn es sollte ein Sinnbild des unabsehbaren, offenen Himmels sein. Seine Vorderseite war überall vergoldet, und wenn man hindurch sah, hatte man den vollen Anblick des eigentlichen Tempelhauses, welches zugleich das höchste Bauwerk des Tempels war..." (Eine Elle misst zwischen 50 und 80 Zentimeter).

Didaktische Hinweise Der Beitrag eignet sich für den Einsatz im katholischen und evangelischen Religionsunterricht sowie im Fach Ethik der Jahrgangsstufen 2 bis 9 aller Schularten. Lehrplanbezüge (Bayern) Grundschule Ethik 3. Jgst. 3.4 Kultur in ihrer Vielfalt entdecken und achten (Begegnung mit verschiedenen Kulturkreisen und unterschiedlichen Bekenntnissen; Grundzüge des Christentums und des Judentums kennen lernen und erfahren, wie Christen und Juden ihren Glauben leben) 3.4.3 Religionen begegnen: Das Judentum (Glaubensleben, Gebet, Synagoge, Sabbat, Festtage) Evangelische Religionslehre 3. Jgst. 3.8 Juden und ihren Glauben verstehen lernen 3.8.1 Begegnung mit dem Judentum Erfahren, was Juden für ihren Glauben besonders wichtig ist (Tora, Sabbat, Feste u. Feiertage) 3.8.2 Gemeinsamkeiten zwischen Juden und Christen Katholische Religionslehre 2. Jgst. 2.1 Auf vielfältige Weise beten 2.1.3 Im Gebet mit Gott und den Menschen verbunden (Menschen anderer Religionen beten anders (z. B. Juden, Muslime). 3. Jgst. 3.2 Jüdischem Glauben begegnen (Pessach-Fest kennen lernen und seine Bedeutung verstehen, Einblick in den jüdischen Gottesdienst und das jüdische Glaubensleben) 3.2.1 Das Volk Israel erzählt von seiner Befreiung (Pessachfest, Seder) 3.2.2 Wie Juden ihren Glauben leben (Sabbat, Synagoge, Gebetsleben) Hauptschule Ethik 5. Jgst. 5.4.2 Symbole und Überlieferungen, die für viele Menschen wichtig sind (wichtige religiöse Symbole und ihre Bedeutung, z. B. Kreuz, siebenarmiger Leuchter, Halbmond) 5.4.3 Religiöses Brauchtum und Feste (wichtige Feste verschiedener Religionen, z. B. Osterfest, Ramadanfest, Laubhüttenfest)

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Evangelische Religionslehre 5. Jgst. 5.4 Jüdisches Leben - Zeit und Umwelt Jesu 5.4.3 Jüdische Religion (die Bedeutung des Gesetzes im Leben der Juden (Sabbat, Speisegebote); Freude am Gesetz als Weg mit Gott zu leben, Feste, Synagoge, Kult) 8. Jgst. 8.3 Einander besser verstehen - Glaube und Leben der Juden 8.3.1 Jüdischer Glaube - Leben und Überlieferung (jüdisches Leben bei uns; Einblick in das Leben gemäß der Tora und ihrer Überlieferung gewinnen: Alltag und Feste (Sabbat, Pessach, Bar-Mizwa) 8.3.2 Miteinander verbunden – Gemeinsamkeiten im jüdischen und christlichen Glauben 8.3.3 Ausgrenzung und Verfolgung - Verständigung und Annäherung (Antisemitismus, Ghetto, Judenpogrome, Verfolgung der Juden im „Dritten Reich") Katholische Religionslehre 8. Jgst. 8.4 „Höre Israel, der Herr unser Gott ist einzig“– die Religion der Juden 8.4.1 Jüdisches Glaubensleben – Frömmigkeit, Feste und Brauchtum (religiöse Traditionen und Bräuche; tägliche Gebete; Sabbatfeier, Beschneidung, Bar/Bat Mizwa, Jom Kippur, Sukkot, Chanukka, Pessach und andere Feste) 8.4.2 Miteinander zutiefst verbunden – jüdischer und christlicher Glaube 8.4.3 Entfremdung und Verfolgung – Verständigung und Versöhnung (Juden und Christen in der Geschichte, judenfeindliche Einstellungen im Christentum, Ghettos, Judenpogrome; Verfolgungen der Juden im Nationalsozialismus; Ansatzpunkte zur Verständigung und Versöhnung) 8.5 Weltreligionen: Glaube und Leben im Judentum 8.5.1 Jüdische Zeugnisse, jüdisches Leben (Zeugnisse jüdischen Lebens; bedeutende jüdische Persönlichkeiten in Wissenschaft und Kunst; nach der Tora leben, z. B. tägliche Gebete, Reinheitsgebote, Sabbatfeier, Feste im Jahreskreis) 8.5.2 Der jüdische Glaube (Tora als Glaubensweisung: Glaube an den einen Gott; Landnahme- und Vertreibungsgeschichten, z. B. David, Jerusalem und der Tempel, babylonisches Exil; Abraham als Glaubensgestalt für Juden, Christen und Muslime 8.5.3 Zeiten der Verfolgung, Zeit der Verständigung und Befriedung (Zerstörung Jerusalems 70 bzw. 135 n. Chr. und Vertreibung aus Jerusalem; Leben in der Diaspora, Leben in ständiger Bedrohung, zB. Ghettos, Judenpogrome, Israel heute; Vernichtungsprogramm im Nationalsozialismus und Versöhnungsanstrengungen in der Gegenwart) Realschule Evangelische Religionslehre 9. Jgst. 9.3 Judentum: Achtung vor dem Verwandten und doch Anderen (Wiederholung und Vertiefung der Kenntnisse über das Judentum; Begegnung mit dem jüdischen Glauben: Grundzüge jüdischer Lehre, Tora; Sabbat, Feste, Riten und Vorschriften, Lebensgestaltung; Stationen jüdischer und christlicher Geschichte: Diaspora: zweite Zerstörung des Tempels, Vertreibung aus Palästina, Antisemitismus, Erklärungs- und Überwindungsversuche) Katholische Religionslehre 6. Jgst. 6.4 In der Wurzel verbunden: vom Leben und Glauben der Juden (Frömmigkeitspraxis im jüdischen Glaubensleben; jüdischer Alltag bei uns und in Israel: religiöse Feste und Bräuche: Beschneidung, Bar/Bath Mizwa); Feiern im Laufe des Jahres, z. B. Sabbat, Pessach und andere Feste) Gymnasium Ethik 6. Jgst. 6.3 Menschenbild und Ethik von Judentum und Christentum (Einblick in das Judentum und Christentum; zentrale Personen der jüdischen und christlichen Religion; jüdische und christliche Überlieferungen; ethische Forderungen von Judentum und Christentum und ihre aktuelle Relevanz) 7. Jgst. © Bayerischer Rundfunk

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7.4 Feste und ihre Bedeutung für die Gemeinschaft (Kenntnis wichtiger jüdischer, christlicher und islamischer Feste im Jahreslauf, ihr Zusammenhang und ihre Symbolik: Pessachfeier (Auszug aus Ägypten unter Mose, Ex 12), Ostern (Tod und Auferstehung Jesu, vgl. die Evangelien); Pfingsten (Apg. 2,136); Weihnachten (Mt 2,1-12, Lk 2,1-21); Opferfest; Fest des Fastenbrechens; Brauchtum in Zusammenhang mit diesen Festen) Evangelische Religionslehre 6. Jgst. 6.1 Zeit und Umwelt Jesu (Historische geographische und gesellschaftliche Situation in Palästina zur Zeit Jesu; Elemente des jüdischen Alltagslebens und religiöser Feste, die in neutestamentlichen Texten erwähnt werden; verschiedene Gruppen des Judentums und ihre Frömmigkeit; Messiaserwartung) 9. Jgst. 9.1 Judentum (Kenntnisse über jüdische Geschichte und jüdisches Selbstverständnis erwerben; gegenwärtiges jüdisches Leben und jüdischen Glauben wahrnehmen; jüdische Feste und Bräuche, Gebet und Gottesdienst; Grundmotive jüdischen Glaubens; Tora als Orientierung; Bedeutung von Erinnerung und Hoffnung; Motive und Formen des Antijudaismus und des Antisemitismus) Katholische Religionslehre 9. Jgst. 9.2 Das Judentum: Weltreligion und Wurzel des Christentums (Religion und Glaubenspraxis des Judentums; Tora als Lebensorientierung; Jerusalem und das von Gott geschenkte Land; Religion im Alltag und Gottesdienst, Pessach als Beispiel jüdischer Feste, Festkalender; Judenverfolgung im Mittelalter und 20. Jahrhundert; Dialog nach der Schoah: Wege zum Miteinander, Schuldbekenntnis des Papstes im Jahr 2000) Lernziele Die Schülerinnen und Schüler sollen: Grundzüge des Judentums kennen lernen und erfahren, wie Juden ihren Glauben leben, wichtige Fest- und Feiertage und ihre Bedeutung kennen, einen Einblick in den jüdischen Gottesdienst und das jüdische Glaubensleben erhalten, die Bedeutung des Gesetzes im Leben der Juden begreifen, Tora und Talmud als Fundament des jüdischen Lebens erkennen, Grundkenntnisse über jüdische Geschichte und jüdisches Selbstverständnis erwerben, Ausgrenzung und Verfolgung als aufgezwungenen Teil der jüdischen Geschichte begreifen, über Judenverfolgungen im Mittelalter und in der Neuzeit sowie die deutschen Verbrechen gegen Juden im 20. Jahrhundert Bescheid wissen, • über Wege zum Miteinander nachdenken und aktiv für Aussöhnung eintreten. • • • • • • • •

Anregungen Die Filmbeiträge setzen keinerlei Vorkenntnisse voraus und können unmittelbar eingesetzt werden. Die kurzen, meist dokumentarisch gehaltenen Filme laden besonders dazu ein, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der monotheistischen Religionen zu entdecken. Sie eignen sich daher vorzüglich zur Vorbereitung offener Klassengespräche, die das Thema weiter entfalten. Eine wesentliche Einsatzmöglichkeit besteht darin, die Beiträge gemeinsam zu sichten und nach einer ersten Sicherung der Inhalte entsprechende Gebräuche, Vorschriften oder Riten im Christentum zu erfragen. Die Erkenntnis, dass auch im Christentum bestimmte Speisevorschriften bzw. religiös begründete Speisegewohnheiten (z.B. Fleischverbot am Freitag, Eieressen an Ostern oder Kräuteressen am Gründonnerstag etc.) existieren, bringt den Schülern die zunächst vermutlich etwas fremde jüdische Religion näher. Zu den so aufspürbaren Gemeinsamkeiten zählen auch andere Parallelen wie etwas das Gebot, den Sonntag zu achten oder dem Gottesdienst unbedeckten Hauptes beizuwohnen. Die Suche nach Übereinstimmungen kann in Gruppen- oder Einzelarbeit bzw. in Form kurzer Referate erfolgen. © Bayerischer Rundfunk

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Das Internet bietet reichlich Gelegenheit, Kontakt mit einer der zahlreichen israelitischen Kultusgemeinden in Deutschland aufzunehmen. Die Klasse könnte so als Ergänzung der schulischen Arbeit den Besuch einer Synagoge anbahnen oder einen Referenten einladen. Eine weitere Möglichkeit, mehr über das Judentum zu erfahren, bietet der Besuch des Jüdischen Museums in München. Führungen für Schulklassen erfolgen in Kooperation mit dem Museumspädagogischen Zentrum München (MPZ). Jüdisches Museum St.-Jakobs-Platz 16 80469 München Telefon: (089) 233 96096 Telefax: (089) 233 989 96096 Internet: http://www.juedisches-museum-muenchen.de/ E-Mail: Eine hilfreiche Anlaufstelle zur Vermittlung von Referenten ist die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dachauer Str. 23 80335 München Telefon: (089) 59 47 20 Telefax: (089) 59 89 83 Internet: http://www.gcjz-m.de/ Arbeitsblätter zu allen drei Filmbeiträgen finden sich auf Planet Schule unter: http://www.planet-schule.de/index.php?id=9793 Zu Alon und die Bar Mizwa http://www.planet-schule.de/wissenspool/fileadmin/dam_media/_wdr/Weltreligion/pdf_neu/weltreligionen_judentum_arbeitsblatt1.ppdf http://www.planet-schule.de/wissenspool/fileadmin/dam_media/_wdr/Weltreligion/pdf_neu/weltreligionen_judentum_arbeitsblatt2.ppdf Zu Jasmin und das Schma Israel http://www.planet-schule.de/wissenspool/fileadmin/dam_media/_wdr/Weltreligion/pdf_neu/weltreligionen_judentum_arbeitsblatt3.ppdf Zu Die jüdische Kantorin http://www.planet-schule.de/wissenspool/fileadmin/dam_media/_wdr/Weltreligion/pdf_neu/weltreligionen_judentum_arbeitsblatt4.ppdf http://www.planet-schule.de/wissenspool/fileadmin/dam_media/_wdr/Weltreligion/pdf_neu/weltreligionen_judentum_arbeitsblatt5.ppdf Ein interaktives Quiz zu den drei monotheistischen Religionen findet sich unter: http://www.planetschule.de/sf/multimedia/lernspiele/weltreligionen/mme/PreLoader.html

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Arbeitsaufträge Wie in den Anregungen erwähnt, eignen sich die Beiträge vorzüglich dazu, Gemeinsamkeiten zwischen Judentum und Christentum zu entdecken, um so den Eindruck der Fremdheit durch das Erkennen verwandtschaftlicher Nähe zu ersetzen. Wesentliche Parallelen sind u.a. • Gottesbild (Monotheismus) • Glaubensbekenntnisse • Speisevorschriften • Initiationsriten und Heranführung an die Religionsmündigkeit (Bar Mizwa, Konfirmation, Erstkommunion, Firmung) • Zentrale Bedeutung der schriftlichen Überlieferung (Schriftreligionen) • Ausstattung der Kultstätten (Altar, Tabernakel, Ambo, Ewiges Licht – Toraschrein, Bima, Ewiges Licht) Die nähere Kenntnis der Gemeinsamkeiten hilft in einem zweiten Schritt dazu, über die Erschließung von Unterschieden zentrale Elemente der eigenen religiösen Vorstellungswelt und Glaubenspraxis in den Blick zu nehmen. Dabei sollte eine Bewertung möglichst vermieden und durch den Hinweis auf das gemeinsame Erbe ersetzt werden. Beobachtungsaufgaben zu den Filmbeiträgen Vor der gemeinsamen Filmbetrachtung kann die Lehrkraft konkrete arbeitsteilige Beobachtungsaufgaben ergeben. Die Gruppen bearbeiten beispielsweise folgende Fragestellungen: Alon und die Bar Mizwa • Welches christliche Fest ähnelt am ehesten der Bar Mizwa? • Wie unterscheiden sich Erstkommunion, Firmung oder Konfirmation von einer Bar Mizwa? Wo liegen die Gemeinsamkeiten? • Woraus besteht die Gebetskleidung, die Alon am Tag seiner Bar Mizwa erstmals anlegt? Welche besonderen Kleider tragen Christen am Tag ihrer Firmung oder Erstkommunion? • Welche Bedeutung hat die Kippa? Welche Bekleidungsvorschriften kennst du im Christentum? • Worin sieht Rabbiner Chaim Soussan die Bedeutung der Bar Mizwa? Fasse die wichtigsten Aspekte kurz zusammen. Jasmin und das Schma Israel • Wie unterscheidet sich das jüdische Glaubensbekenntnis vom christlichen Glaubensbekenntnis? Wo liegen die Gemeinsamkeiten? • Was ist die Hauptaussage des Schma Israel, wozu wird das Volk Isreal aufgerufen? • Welches Ereignis bezeichnet der Professor als Revolution, was ist die umwälzende Neuerung? • Welches gemeinsame Erbe teilen Juden, Muslime und Christen? Wie ist diese Gemeinsamkeit im Schma Israel begründet? • Welche Bedeutung hat das Schma Israel für das jüdische Glaubensleben? Welche Elemente des Schma Israel finden sich in christlichen Glaubensbekenntnissen wieder? Die jüdische Kantorin • Welche Aufgaben hat der Kantor einer jüdischen Gemeinde? Welche Rolle spielt der Gesang im christlichen Gottesdienst? • Warum betet Avitall Gerstetter? Welche Erfahrungen macht sie dabei? • Welche wichtige Grundregel der koscheren Küche nennt Avitall Gerstetter? Welche Speiseverbote oder Speisevorschriften bzw. Speisegewohnheiten kennt das Christentum? • Was schätzt Avitall Gerstetter am Sabbat? Welchen Ursprung hat dieser besondere Tag, wer hat ihn eingesetzt, und wie spiegelt er sich im Christentum? • Welches Schicksal musste Avitall Gerstetters Familie im Dritten Reich erleiden? Was wisst ihr über die Judenvernichtung? © Bayerischer Rundfunk

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Literaturhinweise Eli Barnavi (Hrsg.): Universal Geschichte der Juden. Von den Ursprüngen bis zur Gegenwart. München [dtv] 2004. Manfred Claus: Das Alte Israel. Geschichte, Gesellschaft, Kultur. München [Beck, Reihe C.H. Beck Wissen] 1999. Ulrich Harbecke: Die Juden. Geschichte eines Volkes. Düsseldorf [Verlag Grupello] 2007. Manfred Hutter: Die Weltreligionen. München [Beck, Reihe C.H. Beck Wissen] 22006. Martin Metzger: Grundriss der Geschichte Israels. Neukirchen-Vluyn [Neukirchener Verlag] 1998. Günter Stemberger: Jüdische Religion. München [Beck, Reihe C.H. Beck Wissen] 52006. Links Überblicksinformationen zum Judentum und zur jüdischen Geschichte http://www.ikg-m.de Homepage der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern http://www.zentralratdjuden.de/ Homepage Zentralrat der Juden in Deutschland http://www.judentum.net Zentrales Portal für den Zugang zu Webseiten, die sich mit der jüdischen Geschichte, der Religion und aktuelle Entwicklungen des Judentums in Deutschland auseinandersetzen. http://www.hagalil.com haGalil - informiert über das Judentum in Deutschland und Mitteleuropa. http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Juden_in_Deutschland Kurzer Abriss zur Geschichte der Juden in Deutschland. http://www.or-synagoge.de/frames_links_deu.html Linkliste der Neuen Synagoge Berlin zu verschiedenen jüdischen Glaubensrichtungen http://www.leobaeck.de/index.html Deutsch-jüdische Geschichte im Unterricht – Orientierungshilfe für Lehrplan- und Schulbucharbeit Zum Schma Israel http://www.talmud.de/cms/Texte_aus_dem_Morgengebet.149.0.html Jehonatan Grünfeld: Das Schma Jisrael im Morgengebet. (Text mit Erläuterungen) http://www.hagalil.com/judentum/gebet/schma.htm Das Schma Israel im Wortlaut http://www.judentum-projekt.de (Umfangreiche Homepage zu einem Schülerprojekt des Lessing Gymnasium in Döbeln Zu den Kaschruth-Gesetzen http://www.ordonline.de/images/stories/pdfs/erklrungen_zur_kaschrut.pdf Umfassende Erklärung der Kaschruth-Gesetze des orthodoxen Mannheimer Rabbiners Uvia Hod http://www.ordonline.de/ Webauftritt der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland Zu Avitall Gersteller http://www.avitall.de/ Homepage Avitall Gerstetter

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