Reise-Tagebuch-Kalender 2007

Reise-Tagebuch-Kalender 2007 geschrieben von Nina Klenk, Andrés Bäppler, Heinz Recht, Wiebke Göbel Fotos von Wiebke Göbel, Nina Klenk, Heinz Recht, An...
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Reise-Tagebuch-Kalender 2007 geschrieben von Nina Klenk, Andrés Bäppler, Heinz Recht, Wiebke Göbel Fotos von Wiebke Göbel, Nina Klenk, Heinz Recht, Andrés Bäppler, Jörg Stamm

ReiseTagebuchKalender 2007 geschrieben von Nina Klenk, Andrés Bäppler, Heinz Recht, Wiebke Göbel Fotos von Wiebke Göbel, Nina Klenk, Heinz Recht, Andrés Bäppler, Jörg Stamm

Das Projekt ’Escuela para la vida’ in Montebello - Hilfe zur Selbsthilfe

Fünfzig kinder suchen paten! Bis Weihnachten diesen Jahres werden etwa fünfzig Kinder die Grundschule "Colegio de las aguas”in Montebello, Kolumbien besuchen. Auch wenn sie zwischen 5 und 12 Jahre alt sind, besuchen alle die erste Klasse und beginnen gemeinsam damit, Lesen und Schreiben zu lernen. Diese

Der gemeinnützige Verein Schule fürs Leben e.V., Frankfurt hat sich zum Ziel gesetzt, mittellosen Kindern und Jugendlichen durch unkonventio-

Altersunterschiede stellen hohe Anforderungen an unsere Lehrer vor Ort und wir sind alle gespannt wie sich die Kinder und der Unterricht vor

nelle und professionelle Ausbildung eine Lebensgrundlage zu schaffen.

Ort entwickeln werden.

Unser erstes Projekt ist eine Schule in Montebello nahe der Millionenstadt Cali in Kolumbien. Neben Lesen und Schreiben erlernen die Kinder

von anfang bis ende

dort zukünftig auch eine berufliche Tätigkeit, mit der sie auf integere Weise ihren Lebensunterhalt verdienen können. Und sie erhalten zweimal

Als Pate begleiten Sie ein Kind über einen bestimmten Zeitraum. Im Idealfall, bis es die Schulausbildung beendet hat und damit auf integere

am Tag eine Mahlzeit – oft die einzige am Tag.

Weise seinen Lebensunterhalt selbst verdienen kann. Sie können die Entwicklung des Kindes begleiten und aktiv daran teilhaben. Das schaff Nähe zu Ihrem Patenkind und es ist wünschenswert, aber nicht verpflichtend, mit ihm persönlich in Kontakt zu treten. Das wäre auch ein Schritt

In Kolumbien herrscht Bürgerkrieg: Allein im Jahr 2002 starben 32.000 Menschen eines gewaltsamen Todes, 4.000 Personen wurden entführt

sich gegenseitig mehr zu verstehen. Sie wissen als Pate genau, wen Sie unterstützen und wie Ihre Spende eingesetzt wird. Sie haben die Mög-

und verschleppt. Die Zahl der Flüchtlinge liegt bei ca. 2 Mio. Jeder kämpft gegen jeden: Militärs, linke Guerilla, marxistische Befreiungseinheiten,

lichkeit sich mit dem Patenkind auszutauschen und es vielleicht sogar zu besuchen.

paramilitärische Einheiten, Drogenkartelle. Schulen, besonders in den Randbereichen der Großstädte und auf dem Land, sind nicht oder nur teilweise vorhanden. Viele Jungen sind deshalb Rekrutierungsbeute der bewaffneten Einheiten. Für Mädchen ist der Schritt in die Prostitution

warum genau 25 euro?

naheliegend.

25 Euro ist genau der Betrag,mit dem die Schule fürs Leben e.V. einem Kind den Schulbesuch finanzieren kann. Das beinhaltet zum Beispiel Lehr- und Lernmittel, Miete für den Klassenraum, zwei Mahlzeiten am Tag und Gehalt für die Lehrer. Mit Ihrer Patenschaft möchten wir eine

Von allein können Kinder ohne Schulbildung ihr Schicksal kaum wesentlich beeinflussen. Und auch die Kinder dieser Kinder werden diesen

erste Berufsausrüstung für Ihr Patenkind erwerben, also zum Beispiel eine Nähmaschine, einen Computer, einen Werkzeugkoffer. So ist der

Teufelskreis nicht durchbrechen. Die Schule fürs Leben e.V. baut auf das Konzept der "Hilfe zur Selbsthilfe".

Anfang fürs "richtige Leben" gut vorbereitet. Und darum geht es uns. briefe, e-mails und besuche Sie können mit Ihrem Patenkind per e-mail in Kontakt treten, denn die Schule ist dank einer großzügigen Spende bald mit Computernausgerüstet. Natürlich können Sie auch einen Brief schreiben. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter sind, falls nötig, bei der Übersetzung behilflich. Sobald Ihre Unterlagen bei der Schule fürs Leben eingegangen sind, erhalten Sie alle Angaben und Kontaktadressen zu Ihrem Patenkind. und was, wenn ich die patenschaft beenden möchte? Ihre Patenschaft können Sie jederzeit ohne Angabe von Gründen kündigen. Die Schule fürs Leben wird dafür Sorge tragen, dass der Schulbesuch des Kindes sicher gestellt bleibt.Teilen Sie uns Ihre Entscheidung jedoch bitte mit. Wenn Ihr Patenkind die Schule verlässt, können Sie Pate für ein anderes Kind werden oder aber die Patenschaft beenden. liebe auf den ersten blick

Andrés Bäppler 1. Vorsitzender

Ulla Schuch 2. Vorsitzende

Wenn Sie die Schulkinder in Montebello besser kennen lernen möchten, um "Ihr Patenkind" auszuwählen, teilen Sie uns dies bitte mit.Wir senden Ihnen dann – möglichst via e-mail – Fotos und kurze Biographien. Oder kommen Sie zu uns ins Büro, besuchen Sie unsere Internetseite oder eine unserer Veranstaltungen. Dort haben wir eine Mappe mit allen Patenkindern, in der Sie in Ruhe blättern und lesen können.

wie werde ich Pate? Auf unserer Internetseite www.schulefuersleben.de finden Sie alle Informationen über eine Patenschaft. Falls Sie keinen Internetzugang haben, rufen Sie uns einfach an unter: 069 – 95 50 98 37.

Nina

Viebke

Andrés

Carlos

Nina Klenk: 46, reisendes Mitglied der Schule fürs Leben aus Schlangenbad, Architektin Andrés Bäppler: 46, reisender erster Vorsitzender der Schule fürs Leben aus Frankfurt, Architekt und Deutsch-Kolumbianer Heinz Recht: 67, reisendes Mitglied der Schule fürs Leben aus BadenBaden, ehem. Produzent beim SWR Wiebke Göbel: 30, reisendes Mitglied der Schule fürs Leben aus Frankfurt, Projektleiterin bei der Hertie-Stiftung Colegio de las Aguas: Grundschule für 120 mittellose kolumbianische Kinder in Montebello nahe Cali, initiiert und unterstützt von dem gemeinnützigen Frankfurter Verein Schule fürs Leben e.V. La Soledad: neues Grundstück der ‘Fundacion para la Vida’ in Montebello, Projektpartner der Schule fürs Leben in Kolumbien, zentraler Ort des Geschehens BMZ: Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit; Leitung Frau Wiecorek-Zeul Guadua: südamerikanische Form des Bambus und beachtlicher nachwachsender Baustoff

Heinz

Simona

Carlos: 31, Halbbruder von Andrés, Verwalter der Fundacion para la Vida und Lehrer im Colegio de las Aguas, beides in Montebello Nelson: ein Fahrer – Tyler: noch ein Fahrer Doña Leonor: 70, Mutter von Andrés, Carlos und Onassis; lebt in Montebello Vermesser: Neffe von Andrés; wegen Liebeskummer ausgefallen Architektin: ortskundige Kolumbianerin Thomas Cook: Ehemaliger Weltreisender und Namensgeber für Travellerschecks, Reisebüros und andere Dinge Jörg Stamm: deutscher Zimmermann, verheiratet mit einer Kolumbianerin, lebt und arbeitet nahe Cali in Sachen Bambus Gloria, Monika, Diego, Viktor: MitarbeiterInnen von Jörg Stamm Diana: 22, Lehrerin am Colegio de las Aguas seit 2 Jahren Japxon: 25, Lehrer am Colegio de las Aguas seit 1 Jahr, unterrichtet auch Sport Simona: 45, Direktorin am colegio de las Aguas, seit 2 Jahren Don Alfonso: 55, Hausmeister und ‚Mann für Alles’ im Colegio de las Aguas seit 2 Jahren

ricia t a P . u Sandra

Delia

bild n e p p u Gr

Diana

Delia: 19, Deutsche auf Kolumbienreise Martin: Bruder von Delia, 20, auf Kolumbienreise Andri: Indonesier, Bambusinteressierter auf Kolumbienreise Statiker: kolumbianischer Pornofan Mopedfahrer: unglücklicher Unbekannter Onassis: 24, Halbbruder von Andrés, lebt in Kolumbien, hat vier Kinder von zwei verschiedenen Frauen Don Guillermo: Großgrundbesitzer mit Pool, Workshop-Gastgeber Sandra: 23, Lehrerin am Colegio de las Aguas seit 2 Jahren Patricia: 20, Lehrerin am Colegio de las Aguas seit 2 Jahren Luicia, Christina, Eugenio: neue Lehrer und Lehrerinnen am Colegio de las Aguas Empeatrice: Küchenhilfe im Colegio de las Aguas Michael: ehemaliger GTZ-Mitarbeiter, in Kolumbien gestrandet Eisverkäufer: kolumbianische Form der Ich-AG Guerilla: illegales Team in Kolumbien und anderswo auf der Welt Tom Cruise: amerikanischer Filmstar und Frauenheld Busfahrer: professioneller Kolumbianer

so n o f l A Don

Gerhard Thyben: deutscher Konsul, Pilot, lebt in Cali Dr. Michael Glotzbach und Frau: Deutsches Botschafterehepaar in Bogota Javier: vom Fliegen tief beeindruckter Zimmermann in Jörgs Firma Señora Velazco: geborene Hartmann, Deutsche Kolonie Uli Klaiber: Fotograf, Deutsche Kolonie Schorsch Batz: Landwirt, Deutsche Kolonie Papa Hartmann: Vater von Señora Velazco, Deutsche Kolonie Kunigunde Wuebbolt: Ehrenbürgerin von Popayán, Deutsche Kolonie Herr Sussmann und seine Schwester: Vorkriegsflüchtlinge, Deutsche Kolonie Thomas Dreher: Arzt und Homöopath, Deutsche Kolonie Schorsch: ehemaliger DED-Mitarbeiter, Deutsche Kolonie Elizabeth: eine der vielen kolumbianischen ledigen Kusinen von Andrés Aguablanca: Schule in einem Armenviertel von Cali mit Vorbildfunktion für das Colegio de las Aguas Frau Vollmer: Vereinsvorsitzende von "Aguablanca e.V." in Deutschland, der Verein unterstützt

Reisetagebuch Kolumbien, 2006 Freitag, 21. Juli

Heinz Wir treffen uns pünktlich – wie verabredet: Flughafen Frankfurt, IberiaSchalter, 06.00 Uhr morgens. Wir sind: Nina, Wiebke und ich. Dabei geht mir durch den Kopf, dass die beiden zusammen vielleicht mal gerade so alt sind wie ich. Aber wir haben uns ja vorher schon mal gesehen und wussten, worauf wir uns einlassen. Von jetzt an bilden wir für zweieinhalb Wochen so eine Art Schicksalsgemeinschaft, überlege ich. Die Dame am Iberia-Schalter lässt uns beim Einchecken wissen, dass wir in Bogota unser Gepäck in Empfang nehmen und dann für den Weiterflug nach Cali wieder aufgeben müssen. Wir nehmen es zur Kenntnis. Der Service auf dem Flug nach Madrid ist gleich null. Frühstück gibt es nicht. Also warten wir gut zwei Stunden und nehmen unser Bocadillo auf dem Madrider Flughafen. Der Weiterflug nach Bogota ist wie Langstreckenflüge so sind. Man kann nicht schlafen, beschäftigt sich mit Lesen und Musikhören, zieht sich die zwei im Bordprogramm angebotenen Filme rein oder lässt es .... döst vor sich hin und schlägt irgendwie die Zeit tot. Ich beneide Wiebke. Sie hat ihre Reisetabletten genommen und schläft die ganze Zeit. Da freut es mich ja richtig, gegen Ende des Fluges mit einer Denksportaufgabe konfrontiert zu werden: Für die Einreise verlangt der kolumbianische Staat das Ausfüllen eines äußerst komplizierten Formulars. Mit gegenseitiger Hilfe schaffen wir die geforderten Eintragungen. Bei Wiebke setzt kurz vor der Landung eine Phase ein, in der ich nicht mehr mit ihr tauschen möchte. Ihr wird schlecht und diese Übelkeit wird sie bis Cali verfolgen.

Gepäckband Flughafen Bogota: Die Menschen stehen in Dreier- und Viererreihen. Die ersten Gepäckstücke sind in Sicht .... Geschiebe, Gezerre. Wiebke sitzt mit Papiertüte ausgestattet, erschöpft auf dem Boden, passt auf unser Handgepäck auf. Nina und ich lassen das Band nicht aus den Augen. Unsere Geduld wird auf die Probe gestellt ... wir warten ... Immer weniger Menschen sind irgendwann um uns herum. Nina testet ihr Spanisch, es funktioniert und sie kommt mit der Nachricht zurück, dass unsere Koffer nun doch schon weiter sind als wir – nämlich im Flugzeug nach Cali. Wir haben viel Zeit verloren, es wird knapp, um Gottes willen jetzt nicht den Flieger verpassen! Endlich im Gebäude für Domestic Flights angekommen, entdecken wir Andrés. Er hatte schon befürchtet, wir kommen nicht mehr. Freudige Begrüßung ... Wiebke ist ganz krank, übersteht aber die letzte Etappe. Nach knapp einer Stunde Flugzeit empfängt uns in Cali eine angenehme Wärme und ein Begrüssungskomitee: Carlos, der Bruder von Andrés sowie Nelson und Tyler, die beiden Fahrer mit ihren betagten, schon etwas klapprigen Karossen. Auf dem Beifahrersitz eine schlafende Wiebke; hinten sitze ich zusammen mit Andrés, der Kofferraum vollgeladen mit unserem Gepäck, absolut durchgeschlagene Stoßdämpfer ... auf der Fahrt in die Stadt tut jedes der vielen Schlaglöcher dem Auto nicht gut – aber auch nicht meinem Rücken. Keiner der Ortskundigen weiß genau, wo denn unser Hotel ist. Man fragt und bekommt widersprüchliche Auskünfte. Offensichtlich fällt es den Menschen hier schwer, zuzugeben, dass man etwas nicht weiß. So fahren wir mehrmals im Kreis. Irgendwann hat die Odyssee ein Ende und wir stehen vor dem richtigen Haus. Ein Garten mit Palmen, dahinter die einladende Fassade eines Familienhotels. Nach dieser langen Reise freuen wir uns alle auf ein bequemes Bett.

Samstag, 22.Juli

Nina Ich habe eine unruhige Nacht. Meine Jacke mit Pass, Handy, Geld und Ohropax ist nicht mehr da. Ich wache immer wieder auf und frage mich, was ich mache, wenn sie nicht wieder auftaucht. Am Morgen telefoniert Andrés mit Carlos. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Nelson hat sich gemeldet, die Jacke liegt in seinem Auto. Dieser erste Tag kann jetzt doch etwas entspannter losgehen. Wir wollen frühstücken. An der Ecke zur carara 5 kehren wir dann direkt ein. Wiebke und ich haben uns den Essensvorschlägen von Andrés angeschlossen und leckere Rühreier mit Tomaten und Zwiebeln gegessen. Zu dem Zeitpunkt wissen wir ja noch nicht, dass wir das ab jetzt jeden Morgen essen. Heinz ist in Experimentierlaune und hat sich gleich durch Empanadas und irgendwelche angeblich mit Äpfeln gefüllten Teilchen, die aber sehr nach Käse schmecken, durchgefuttert. Das Ergebnis davon war, dass auch er sich in Zukunft an Andrés´ Erfahrungsvorsprung halten will. Nach dem Frühstück fahren wir mit dem Taxi ins Zentrum. Zum einen, um auf der Bank Geld zu wechseln und zum anderen, um die Cousine von Andrés zu begrüßen, die in einem Schmuckladen arbeitet. Nach 40-minütigem Warten und weiteren 30 Minuten Verhandlungen am Bankschalter sind wir dann zumindest soweit erfolgreich, dass wir das Bargeld und Andrés´ Reiseschecks zu Pesos gemacht haben. Bei Heinz gibt es größere Probleme. Wir werden vertröstet und sollen am Montag um 8.00 Uhr wiederkommen.

Januar Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31

Wir machen uns auf den Weg zur Cousine. Andrés ist sich allerdings nicht mehr ganz sicher, wo sie arbeitet. Wir durchkämmen daraufhin ca. 20 Blocks mit 300 Läden, aus denen ohrenbetäubende Salsamusik dröhnt dann geben wir auf. Nach einer kurzen Pause im Hotel holt uns Tyler ab und wir fahren nach Montebello, um uns das Grundstück unserer Schule anzusehen. Das Grundstück ist ziemlich groß, steil und unwegsam. Auch die Zufahrt über die unbefestigte, schmale Straße ist eher schwierig. Die Lage der Terrasse, auf der das erste Gebäude errichtet werden soll, legen wir mit großen Schritten ungefähr fest. Genaue Pläne des Grundstückes gibt es nicht, weil der mit der Vermessung des Grundstücks beauftragte Neffe von Andrés leider den Reizen einer leicht bekleideten 15-jährigen erlegen ist und im Liebestaumel den Job nicht mehr beenden konnte. Na ja, es geht wahrscheinlich auch so. Nach der Begehung des Grundstücks geht es zum Essen zu Andrés Mutter, Doña Leonor. Es gibt Hühnchen mit Reis und ich verstehe von der Konversation mit ihr und Bruder Carlos leider so gut wie nichts. Ich weiß nicht, was die da sprechen, auf jeden Fall hat das mit dem, was ich mich seit zwei Jahren bemühe zu lernen, nichts zu tun. Ich bin frustriert.

Sonntag, 23.Juli

Wiebke Früh am Sonntagmorgen um neun Uhr besucht uns die Architektin, mit der Carlos über die kolumbianische "Fundación Carbajá" in Kontakt getreten ist und die für uns den Bauantrag bei den Behörden einreichen soll. Sie ist in Begleitung eines Bauingenieurs, der die dazugehörige Statik machen soll. Andrés erklärt anhand der Pläne und der Fotos, die wir gestern vom Gelände gemacht haben, unser Projekt. Nina und ich versuchen, dem auf Spanisch geführten Gespräch mühsam zu

folgen. Der Bauingenieur hat nur Bedenken. Am Ende stellt sich heraus, dass er eine Baufirma hat und den Auftrag gerne selbst ausführen würde. Wir lassen uns von dieser Begegnung natürlich nicht entmutigen, sondern bitten Carlos, sich um Alternativen zu bemühen. Bei einem reichhaltigen Frühstück mit pikantem Rührei, Bananenkuchen, Cafe latte und Saft schmieden wir Pläne für den Tag. Wir besuchen das "Intercentro". Wie in einer Einkaufspassage ziehen sich Geschäfte durch das Areal. Unter freiem Himmel, aber doch verbunden mit Dächern und Grünanlagen, bietet es gleichzeitig die Möglichkeit für Konsum, aber auch für Ruhe und Rückzug. Hier findet man alles, was das Shopping-Herz begehrt. Doch ich frage mich, wie viele Menschen es sich wirklich leisten können, hier einzukaufen. Wir fahren mit dem Taxi wieder zurück in die Stadt. Ich fühle mich manchmal an Kuba erinnert, aufgrund des spanischen Einflusses, der Natur und der Mentalität der Menschen. Aber auch an Indien, weil auch hier eine bunte Vielfalt an Autos, Lkws und Menschen sich den Schlaglöchern der Straßen aussetzen und dies mit großer Geschwindigkeit. Jede Fahrt wird damit auch zu einem kleinen Abenteuer. Mir fällt auf, dass fast alle Mofaund Motorradfahrer eine Reflektorenweste tragen, mit aufgedrucktem Nummernschildcode. Wie wir von Andrés erfahren, dienen diese Westen nicht zur Sicherheit der Motorradfahrer, sondern zur leichteren Identifizierbarkeit. Allzu oft kam es vor, dass vom Motorrad aus unliebsame Menschen auf der Straße erschossen wurden. Die Täter konnten unerkannt verschwinden. Seit Einführung der Westen ist die Ermordungsrate deutlich gesunken. Am Abend erleben wir dann Cali noch einmal

von seiner ganz besonders schönen Seite. Zu Fuß gehen wir von unserem Hostal in die Altstadt San Antonio. Durch kleinere Häuserzeilen und Gässchen führt uns der Weg bergauf, vorbei an kleinen Geschäften mit Kunsthandwerk und Läden aus denen uns der Salsa entgegenschallt. Und dann erreichen wir ihn, den "Hügel der Verliebten", von dem aus wir einen wundervollen Blick auf die Lichter von Cali werfen können. Hell erleuchtet strahlen die drei Kreuze "las tres cruces", die Wahrzeichen der Stadt, vom Nachbarberg auf uns herab. "Hügel der Verliebten" stimmt wirklich. Wir bahnen uns den Weg durch kuschelnde und picknickende Pärchen zu der ältesten Kapelle von Cali. Auf dem Kirchplatz feiern die Familien gemeinsam ihren Sonntagabend. Für die Kinder und Erwachsene gibt es ein volles Programm: Hüpfburg, Bergrutsche, eine kleine Theatervorführung, Musiker, Clowns, Akrobaten und Komiker. Erfüllt von der lauen Nacht, dem wunderschönen Anblick der Stadt, der fröhlichen und ausgelassenen Atmosphäre, krönen wir den Abend mit einem Besuch im Café Macondo. Das Café ist eine Liebeserklärung an den kolumbianischen Kaffee, aber auch an die Caféhauskultur in Europa. Wir schwelgen in cremigen Kaffee- und süßen Kuchenkreationen und sind uns einig, alles in allem war es ein gehaltvoller und wunderschöner Tag.

Februar Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28

Montag, 24.Juli

Heinz In aller Frühe checken wir im Hotel aus. Um 8.00 Uhr haben wir einen Termin bei der Bank. Es ist der zweite Anlauf, meine Travellerschecks einzulösen. Das Problem: Ich habe Schecks von Thomas Cook. Die sind aber in Kolumbien mehr als exotisch. Man muss mit London telefonieren, um sicher zu sein, dass die Papiere auch "sauber" sind. Irgendwie klappt das nicht. Die freundliche Bankangestellte kommt auf die Idee, bei Cook in Amerika das telefonische Okay einzuholen. Olé, es funktioniert. Ohne Andrés als Dolmetscher hätte ich mein Geld nie bekommen. Mir wird klar, als Alleinreisender in Kolumbien ohne Spanisch ist man verloren. Englisch spricht hier kaum jemand. Wir stärken uns in einer der vielen Frühstückbars. Bei dem üppigen Angebot weiß ich nie so recht, für was ich mich entscheiden soll. Stress: alles ist fremd und neu und anders. Ich bin neugierig; aber irgendwie ist mir, als würde mein Kopf sich weigern, das alles mitzumachen. Meine nur rudimentären Spanischkenntnisse machen mir die meisten Probleme. Wir fahren nach Candelaria, wo wir die nächsten Tage bei einem Workshop nicht nur viel über Bambus als Baumaterial erfahren werden, sondern auch, wie man in der Praxis damit umgeht. Jörg, ca. 40, der absolute Fachmann auf dem Gebiet, erwartet uns bereits auf seinem Gelände, ein Lagerplatz für jede Menge Bambus. Er zeigt uns seinen Betrieb: Zwei offene Hallen, ein Bürotrakt, Werkstatträume und ein Tauchbecken, in dem die Bambusstämme "immunisiert" werden. Wir lernen seine Mitarbeiter kennen: Gloria, Monika,

Diego und Viktor. Unsere Schulmannschaft ist auch schon eingetroffen: Diana, Japxon, Don Alfonso ... Später tauchen noch drei junge Menschen auf, mit denen wir gar nicht gerechnet haben: Delia, Martin und Andri. Delia und Martin sind Geschwister, kommen wie Jörg aus dem Sauerland, und haben sich bis zum Jahresende einen Kolumbienaufenthalt verordnet. Andri ist Indonesier und macht sozusagen einen Schnupperkurs in Sachen Bambus. Die Drei sind uns eine willkommene Hilfe und werden gleich zwangsrekrutiert. Jörg hält einen Einführungsvortrag. Danach sind wir überzeugt, dass Bambus ein idealer Baustoff ist. Andrés erläutert anhand der Pläne die Konstruktion der Elemente, von denen wir einige bauen wollen, als "Prototypen" sozusagen. Nach soviel Theorie wird es sinnlich. Wir machen einen Ausflug in einen Bambuswald, beobachten, wie die Stämme mit der Machete gefällt, dann vermessen und abtransportiert werden. Wiebke interessiert sich zwischenzeitlich mehr für exotische Blüten. Ekelige Spinnen halten sie davon ab, noch weiter in den Wald vorzudringen. Wir fahren zurück. Der Personentransport auf der offenen Ladefläche eines Kleinlasters ist ein ungewohntes Vergnügen. Die Phase des Zuhörens und Zusehens ist vorbei. Inzwischen wieder auf dem Gelände der Zimmerei beginnt nun endlich die praktische Arbeit. Jörg gibt die Anweisung, seinen gesamten Bambusbestand Stück für Stück in die Hand zu nehmen und zu sortieren: Die

Dicken zu den Dicken, die Dünnen zu den Dünnen, die Geraden zu den Geraden, die Krummen zu den Krummen! Wir hantieren mit den bis zu 10 Meter langen Stämmen und verteilen sie nach den Vorgaben übers ganz Gelände. Doch, wo ist die Grenze zwischen dünn und dick, krumm und gerade. So ganz gerade ist ein Bambusstamm ja nur ganz selten. Und auch die Kriterien dick und dünn scheinen einer subjektiven Wahrnehmung zu unterliegen. Wir tun unser Bestes, diskutieren die Zuordnung, tragen manch einen Stamm mehrmals hin und her. Am Ende stellt Jörg fest, dass das für den Anfang schon mal ganz gut war, bezeichnet unser Arbeitsergebnis als erstes Vorsortieren, erklärt nochmals die Details, auf die wir zu achten haben und lässt uns die Arbeit wiederholen. So ganz schaffen wir das nicht mehr bis zum Einbruch der Dunkelheit. Wir fahren zu unserer Unterkunft: eine ehemalige Hacienda, eine friedliche Idylle – wäre da nicht gleich daneben die Straße mit dem Fernverkehr. Ich verkneife mir das Bad im Swimmingpool, packe mein Gepäck aus, fühle mich in dem Zimmer wohl und übersehe dabei gern, dass meine Vorstellung von Sauberkeit nicht ganz den kolumbianischen Verhältnissen entspricht. Nach dem gemeinsamen Abendessen führt Jörg noch zwei Filme vor über den Bau einer Bambusbrücke und den Neuaufbau des Dorfes Quebrada Negra, das durch eine Naturkatastrophe zerstört wurde. Wir sind alle ziemlich müde und so richtig alt wird an diesem Abend von unser keiner mehr.

März Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31

Dienstag, 25.Juli

Nina Nach unserem gemeinsamen Frühstück fahren wir wieder mit dem Laster das kurze Stück zur Zimmerei. Auf dem Gelände tragen wir dann wieder den ganzen Vormittag Bambusstangen in verschiedenen Längen über den Platz. Gelegentlich kriegen wir auch wieder die ein oder andere Einweisung, wie man am besten sägt oder die Verbindungen herstellt. Im Eifer des Gefechts schmeißt mir Andrés auch noch eine der dicksten Stangen auf den Fuß. Nun habe ich einen geschwollenen Zeh. So langsam bekommen wir ein Auge für die Verwendungsmöglichkeiten der verschiedenen Längen, Dicken und Kurven. Mühsam passen wir einige der vorsortierten Stangen auf die erforderlichen Längen an und schneiden sie mit der Motorsäge zurecht. Delia ist völlig begeistert vom Sägen und mittlerweile von oben bis unten mit Motoröl voll gespritzt. Nach dem üppigen Mittagessen auf der Hacienda mit dem obligatorischen Hühnchen und Reis fährt Jörg Diana, Don Alfonso, Andrés und mich zur Busstation. Andrés und ich fahren im Auftrag von Carlos nach Cali, um uns mit dem Statiker zu treffen, der ein zweites Angebot für die Geländemodellierung machen soll. Don Alfonso und Diana wollen ihre Badesachen holen, um abends nach der Arbeit noch in das Hacienda-eigene Schwimmbecken zu springen. Die Fahrt durch die Zuckerrohrfelder dauert etwa eine Stunde und die ganze Zeit grölt laute Salsa- und Merenguemusik aus den

Lautsprechern. Am Stadtrand von Cali steigen wir aus und fahren mit dem Taxi weiter. Das Bezeichnungssystem der Straßen erweist sich mal wieder als recht undurchsichtig. Der Taxifahrer bringt uns ungefähr zur richtigen Adresse und wir laufen dann zwischen der Calle 3, 3A, 4 und 4A hin und her. Nach mehrmaligem Fragen schaffen wir es dann endlich, mit zweistündiger Verspätung den Bauingenieur zu finden. Das Angebot, das der Statiker uns unterbreitet, ist absolut indiskutabel. Er nennt einen Preis, der in Deutschland wohl gepasst hätte, aber nicht in Kolumbien. Das erste Angebot, welches der "Fundación escuela para la vida" bereits vorliegt, ist um das 10fache günstiger! Der Mann war mir von Anfang an suspekt. Unser erstes Treffen am Sonntag leitete er mit einem Gang zum Internetrechner ein, um Andrés in rekordverdächtiger Zeit mit den einschlägigen Pornoseiten vertraut zu machen. Da habe nicht nur ich etwas konsterniert geguckt. Auch wenn wir nicht ins Geschäft kommen, fährt er uns noch zum Busterminal, wo Diana schon auf uns wartet. Den richtigen Bus zu finden, erweist sich ebenfalls nicht als Kinderspiel und wir fragen uns durch mehrere Geschosse des Terminals, bis wir endlich fündig werden. In der Zimmerei tragen wir dann noch eine Stunde Bambusstangen durch die Gegend bis die Dunkelheit hereinbricht und uns die Mücken auffressen. Ich schmecke ihnen wohl am besten, so wie meine Beine aussehen. Dazu noch der dicke Zeh...ich habe das Mitleid von allen auf meiner Seite. Auf der Rückfahrt sitze ich bei Jörg vorne im Fahrerhaus. Was er mir über Land und Leute erzählt, finde ich ziemlich spannend. Als wir

zur Hacienda abbiegen wollen, tut es plötzlich einen riesigen Schlag. Ein Mopedfahrer, der uns unbedingt noch überholen wollte, ist auf den Laster aufgefahren und liegt nun in der Dunkelheit verletzt auf der Straße. Die Jungs reagieren ganz schnell, schaffen den Mann auf die Ladefläche, das Moped von der Straße und fahren ihn direkt ins Krankenhaus. Wie wir nach einer Stunde erfahren, ist glücklicherweise bis auf Schürfwunden und einer Verletzung am Bein nichts Gravierendes passiert. Trotzdem ist der Abschluss dieses Tages nicht so richtig angenehm und wir gehen nach einer weiteren kalten Dusche auch alle bald ins Bett.

Mittwoch, 26.Juli

Heinz Heute ist der Tag, an dem der Bagger, den die Montebellanos organisiert haben, seine Arbeit aufnehmen soll. Ich fahre gegen Mittag mit Andrés los, um dieses Ereignis nicht zu verpassen. Während der Fahrt kommt ein Anruf von Carlos. Der Baggerfahrer will mehr Geld. Wie Carlos, so sind auch wir der Meinung, wir sollten verhandeln. Doch als wir ankommen, ist der Mann schon weg. Es wird viel telefoniert, man versucht einen Ersatz zu finden. Wir fahren zu einem Steinbruch, wo zwei Bagger im Einsatz sind. Onassis begleitet uns. Er und Andrés verhandeln mit einem der Männer. Ich stehe dabei und kriege mal wieder nichts mit, versuche, in den Gesichtern zu lesen. Es scheint, dass man sich näher kommt. Wir gehen auseinander. Man wird mit dem Chef reden und über den Preis ist man sich auch noch nicht so ganz einig. Auf der Rückfahrt mache ich mir Gedanken, was ist, wenn Onassis, der die Verhandlung weiterführen soll, nicht erfolgreich ist. Da wird dann unser ganzer Zeitplan zur Makulatur. Andrés kennt das Land und die Menschen. Er ist optimistisch.

April Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 6. April: Karfreitag, 8. + 9. April: Ostern

Wiebke An diesem Tag sortieren wir wieder BambusStangen, schrauben und bohren, sägen und schleppen. Das wirkliche Highlight kommt dann erst kurz vor der Dämmerung: ein Laster mit 300 Stangen Bamboo, auf die wir schon seit zwei Tagen gewartet haben. Bevor es dunkel wird, müssen wir den Laster noch

schnell abladen. Auch nach diesem Tag wissen wir eine Abkühlung im Swimmingpool von Don Guillermo zu schätzen. Wenn es je einen gütigen Großgrundbesitzer gegeben haben sollte, dann hätte er so ausgesehen wie Don Guillermo, in seinen weißen Hosen, den korrekten Hemden und seinem Hut – gefolgt von seinen lieben, leider etwas fetten, Labradoren. Am Abend wollen wir es dann endlich wissen: Salsa! Flugs wird Musik organisiert und einige Getränke, die das Blut verdünnen und die Muskeln lockern – was selbst eingefleischte Tanzmuffel in Bewegung bringt. Aber nicht nur Salsa, auch Merengue und Reggaeton werden gespielt und spätestens nach diesem Abend ist es mit der Schüchternheit vorbei.

Donnerstag, 27. Juli

Heinz Vierter Arbeitstag: Unsere Unerfahrenheit hat sich gelegt. Wir stehen nicht mehr herum und warten darauf, dass uns Jörg oder einer seiner Mitarbeiter erklärt, wo es lang geht. Martin hat es richtig gepackt. Er ist inzwischen der Experte bei der Montage der 11 Meter langen Dachtraversen. Andere

liefern zu, kümmern sich um die Stützen. Die Frauen gehen mit Kettensäge und Flex um, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Ich habe heute für mich das Fräsen von "Fischmäulern" entdeckt. Da wird Teilen der Abstützung am oberen Ende eine Form verpasst, die einem Fischmaul ähnelt. Die aufliegende Dachtraverse bekommt so einen exakten Halt. Andrés treibt uns an. Zum Abschluss unserer Arbeit hier möchte er unbedingt ein fertiges Stützelement testweise aufstellen. Kurz vor Einbruch der Dämmerung ist es dann soweit. Alle packen an.... langsam bewegt sich das 11 Meter breite und gut 5 Meter hohe Gebilde nach oben. Ich beobachte den feierlichen Moment durch den Sucher meiner Videokamera. Doch da ist plötzlich das Bild weg, weil der frisch aufgeladene Akku den Geist aufgegeben hat. Bis ich das defekte Teil ausgetauscht habe, ist die Aktion vorbei.

So bleibt mir die sich gegen den Abendhimmel absetzende, beeindruckende Konstruktion im Gegenlicht. Andrés ist stolz und überglücklich. Wir müssen Abschied nehmen von Monika, Gloria, Diego, Viktor und auch von Andri. Morgen geht es für uns drei Autostunden weiter in nördliche Richtung. Wir verlassen das Gelände der Zimmerei, sitzen auf der Ladefläche von Jörgs Kleinlaster, winken… Eine sentimentale Stimmung begleitet uns auf dem Weg zu unserer Hacienda. Ich will unter die Dusche...aber es gibt kein Wasser. Dafür erhält Andrés die Nachricht, dass morgen der Bagger kommt!

Freitag, 28.7.

Nina Heute ist die "Klassenfahrt" mit den Lehrern angesagt – ein Workshop mit dem Kollegium der Schule auf einer Finca in der Nähe von Armenia. Als der Bus samt Fahrer kommt, können wir uns nicht wirklich vorstellen, wie wir mit so vielen Personen und dem ganzen Gepäck da rein passen sollen. Nach zwanzigminütiger Packkunst und viel Gelächter ist dann soweit alles verstaut. Sowohl wir als auch die Gepäckberge befinden sich jetzt innerhalb des Fahrzeugs. Ich äußere die Vermutung, dass

es sich um ein Transportmittel für Kindergartenkinder handelt, weil selbst die Knie der eher kleingewachsenen Kolumbianer nicht hinter die Sitze passen. Der aufgetürmte Gepäckhaufen droht in jeder Kurve umzufallen, was jedes Mal von Diana, Sandra und Patricia mit lautem Gekreische kommentiert wird. Mit steifen Gliedern erreichen wir nach dreieinhalbstündiger Fahrt die sehr schön gelegene Finca. Delia, Wiebke und ich beziehen gemeinsam ein Zimmer. Wir verduddeln den Nachmittag, fahren in den Supermarkt, dösen auf den Betten herum. Vor dem Abendessen will ich dann doch noch schnell unter die Dusche. Als das Wasser mal wieder nicht warm wird, werde ich richtig sauer. Nach fast einer Woche kaltem Duschen sind meine Haare wie Draht und ich komme zähneklappernd aus der Dusche und heule fast vor Verzweiflung. Hier oben in den Bergen ist es deutlich frischer als in der Stadt und ich friere jetzt richtig. Nach dem Abendessen wird es ernst und wir setzen uns im Pavillon zusammen. Jeder der

Mai Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 39 31 1. Mai: Maifeiertag, 17.Mai: Christi Himmelfahrt, 27. + 28. Mai: Pfingsten

alten und der neuen Lehrer stellt sich vor und erzählt, was ihm wichtig ist und warum er in der Schule von Montebello arbeiten will. Unsere Arbeitsgruppe besteht aus Simona, der Schuldirektorin, Carlos, dem Schulverwalter, den vier "alten" Lehrern Sandra, Diana, Patricia, sowie Japxon. Dazu kommen die drei "Neuen": Lucia, Christina und Eugenio. Don Alfonso, der "Mann für alles" und Empeatrice, die Küchenhilfe, dürfen natürlich auch nicht fehlen. Don Alfonso traut sich nicht in der großen Runde zu sprechen und gibt Simona einen Brief, den sie vorliest: Mein Name ist Alfonso Fernandez Diaz. In der Schule bin ich für verschiedene Arbeiten zuständig. Ich habe noch nie bei einer Schuleinrichtung gearbeitet. Ich hatte das große Glück von Anfang an beim Projekt "Colegio de las Aguas" zu sein, welches die "Fundación escuela para la Vida" ins Leben gerufen hat. Im Moment verlebe ich zwei wunderschöne Jahre in dieser Institution, die die besten meines Lebens waren. Sie haben mir genutzt, um mein Leben als Vater und als Kollege zu verbessern. Ich habe gelernt mich selbst als Person zu schätzen. Ich kann mich jetzt selbst wahrnehmen und habe mich durch sie weiterentwickelt. Es hat mich sehr beeinflusst, weil ich innerhalb dieser Institution als Mensch wahrgenommen werde. Mir ist es wichtig, mein Können als Baumeister mit all meiner Kraft einzubringen. Ich danke Gott, dass ich diese Gruppe sensationeller Menschen gefunden habe, im wahrsten Sinn des Wortes. Ich bin Gott auch sehr dankbar, dass ich mich neben Andrés einfinden konnte, im Angesicht einer so wunderbaren Aufgabe. Ebenso möge Gott seine Mitarbeiter segnen und beschützen, für immer. Ich bitte um Entschuldigung, dass ich nicht mehr weiß. Freundlichst, Alfonso Wir sind zu Tränen gerührt über seine Worte.

Samstag, 29.07.06

Wiebke Die Finca "La Joya" mit Pool, Whirlpool und Pferden liegt eingebettet in den wunderschönen Hügeln dieser Region – der Kaffeeregion. Am Morgen liegen die Wolken tief in den grünen Berghängen, doch die Sonne kommt kräftig hervor und die Wolken verdampfen mit feinem Nebel, so dass gegen Mittag nur noch der blaue Himmel strahlt. Wir befinden uns hier immerhin auf 1900 Metern, oder ist doch alles nur Filmkulisse? "Bonanza"? "African Queen"? Kitschige lateinamerikanische Telenovelas? Wenn wir uns am Abend "Gute Nacht" sagen, dann hat es fast etwas von den "Waltons". Ja - für den Moment habe ich mal Zeit durchzuhängen und dies wörtlich zu nehmen - in der Hängematte… Wir beginnen pünktlich um neun Uhr mit der Besprechung. Jede Lehrkraft hält ein Referat, in dem es um Zielsetzungen und Visionen der Schule geht, aber auch um Alltagsschwierigkeiten, positive Entwicklungen und Erfolge. Wir bekommen einen sehr intensiven Einblick, unter welchen Bedingungen und welchen Voraussetzungen "unsere" Kinder Bildung erfahren dürfen. Am meisten beeindruckt mich das Engagement und die Leidenschaft der Lehrkräfte für ihre Arbeit. Dabei geht es ihnen nicht nur um den Unterricht der Schüler, sondern auch um die Vermittlung von Werten wie Respekt, Fürsorge und Verantwortung. Es ist spürbar, wie sehr sie die Kinder lieben. Schön ist auch zu sehen, wie sie sich gegenseitig unterstützen und während der Besprechung Mut zusprechen. Alle leisten hier wirklich Großes. Wir sind gerührt von dieser Leidenschaft und es ist uns wichtig, dass Simona, Sandra, Diana,

Japxon und Patricia eine Anerkennung erhalten und ihre Leistung auch honoriert wird. Nach diesen intensiven Präsentationen ist für den Nachmittag ein kleines Spiel- und Spaßprogramm angesagt. Japxon und Patricia haben sich einen sportlichen Wettstreit ausgedacht. Herrlich, mal wieder alberne Spiele wie Sackhüpfen machen zu dürfen oder sich mit Klopapier als Mumie zu verkleiden. Letztendlich sind wir alle Sieger und beschließen den Abend mit dem Anschauen des an diesem Tag von Heinz gedrehten Filmmaterials, was zur allgemeinen Heiterkeit beiträgt.

Sonntag, 30.07.2006

Heinz Der Vormittag steht zur freien Verfügung für mich eine gute Gelegenheit, das Gelände zu verlassen. Die faszinierende Landschaft, die uns umgibt, weckt das Bedürfnis nach einem kleinen Ausflug zu Fuß. Ich habe die Videokamera dabei und muss mich bremsen, entdecke immer wieder neue Perspektiven, die es sich zu drehen lohnt. Wieder zurück bittet Andrés uns zu einem Gespräch. Es geht um die Gehälter für die

Juni Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 1. Juni: Fronleichnahm

Lehrer. Sie haben sich die ganze Zeit mit einem geringen Monatseinkommen zufrieden gegeben, das weit unter dem in Kolumbien üblichen Tarif liegt. Dabei machen Sie ihren Job nicht nur als Lehrer. Sie sind für die Kinder auch Familienersatz. Wir sind uns schnell einig, dass es absolut demotivierend wäre, die Gehälter für ein weiteres Jahr konstant zu halten. Wir wollen das morgen mit Diana, Patricia, Sandra und Japxon besprechen. Gegen Mittag taucht Michael auf. Er hat neun Jahre für die "Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit" gearbeitet, ist wie Jörg in Kolumbien hängen geblieben, hat auch seine eigene Firma, handelt mit Bambus und Aloe Vera. Das Land scheint ja eine extrem anziehende Wirkung zu haben, geht mir durch den Kopf. Da bin ich doch froh, dass sich mein Aufenthalt nur auf gut zwei Wochen beschränkt und die Gefahr, kolumbiensüchtig zu werden, sich in Grenzen hält. Michael fährt mit uns in die Berge nach "Quebrada Negra" – ein Dorf, das bei dem Erdbeben 1999 dem Erdboden gleich gemacht wurde. Für die Aufbauhilfe von damals zwei Millionen DM aus Deutschland sollten Zelte angeschafft werden. Die Mitarbeiter von GTZ hatten da einen besseren Vorschlag: Bambushäuser zum gleichen Preis! Und, oh Wunder, sie konnten sich damit durchsetzen. Der Aufbau wurde für die Dorfbewohner mit der Auflage verbunden, dass die Familienmitglieder beim Bau der Häuser mitarbeiten. Dies war nicht ohne Folgen. Die Menschen hatten schnell gelernt mit Bambus umzugehen, gründeten eine Kooperative und bauen heute Häuser, Hallen, Ställe, Brücken und sichern sich damit ihre Existenz. Hilfe zur Selbsthilfe – hier hat es in vorbildlicher Weise funktioniert.

Wie fast überall auf der Welt, am Sonntagnachmittag wird Fußball gespielt. So auch in Quebrada Negra: Auf dem Dorfplatz zwei Tore, dazwischen die kickende männliche Dorfjugend. Die Frauen, die Mädchen, die Kinder, die Alten sitzen auf Stühlen vor den Häusern, verfolgen das Spielgeschehen. Aus den geöffneten Fenstern dröhnt Salsamusik. Eine ausgelassene fröhliche Atmosphäre verfolgt uns auf unserem Rundgang durch den Ort. Wir besichtigen ein Bambus-Haus. Ich bin überrascht über den relativ großzügigen Zuschnitt und die zweckmäßige Raumaufteilung. Im Vergleich zu den vielfach kleinen, ärmlichen bretter- und wellblechverschlagenen Behausungen in Montebello ist das hier der reine Luxus. Wir entdecken einen Eisverkäufer oder er uns. Er steht am Fenster, lässt seine Ware in einem Korb herunter. Der Geldtransport findet in umgekehrter Richtung auf die gleiche Weise statt. Das Eis ist hausgemacht und schmeckt nach Mantequilla. Fast keiner von uns kann der süßen Versuchung widerstehen. Meine Tabletten gegen Darmverstimmung möchte ich eigentlich unangebrochen wieder mit nach Hause nehmen. So verzichte ich – unnötigerweise, wie sich zum Glück herausstellt. Ein Abschiedsdrink in der Dorfbar und wir verlassen den Ort, dessen lebensfrohe, friedliche Atmosphäre allerdings gebrochen wird durch die auffallende Präsenz bewaffneter Soldaten. Quebrada Negra war vor ein paar Jahren noch eine Hochburg der Guerilla. Die hat sich zwar in die Berge verzogen – aber wer weiß, vielleicht werden wir ja beobachtet......

Nicht gekidnappt kehren wir wohlbehalten zurück. Nach dem Abendessen gibt es noch eine spontane Fete. Mit dem Salsa ist es bei mir wie mit dem Spanisch. Ich kann beides nicht. Also ziehe ich mich zurück, verarbeite das Erlebte und mache mir Notizen für das Tagebuch.

Montag 31.7

Nina Nach der spontanen Tanzparty gestern abend quälen wir uns gegen neun Uhr einigermassen müde aus den Betten. Ich gehe ganz schnell duschen, um noch warmes Wasser abzubekommen. Während mir das heiße Wasser über den Rücken läuft, muss ich schon wieder kichern, wenn ich daran denke, wie die kolumbianischen Mädels immer und immer wieder die Szene "Tom Cruise trifft Delia" pantomimisch nachgestellt haben, die sich am vergangenen Nachmittag auf dem Marktplatz von Quebrada Negra abgespielt hat: ein recht alkoholisierter junger Mann mit nacktem Oberkörper und echt cooler Brille hatte solchen Gefallen an Delia gefunden, dass sie vor Verzweiflung entsetzt flüchten musste. Dieses Ereignis sorgt nicht nur an diesen Tag, sondern auch für die weitere Woche zu Lachkrämpfen, sobald das Wort "Tom Cruise" fällt. Das Gespräch mit den Lehrern steht an. Dass die Gehaltserhöhung fällig ist, haben wir ja am Vortag schon geklärt, auch wenn das für uns bedeutet, dass wir verstärkt auf Patensuche gehen müssen. Mit dem Vorschlag, den Andrés ihnen unterbreitet, sind Diana, Sandra, Patricia und Japxon auch weitestgehend zufrieden.

Juli Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31

Bis um fünfzehn Uhr geht es dann noch in der großen Runde um die Finanzen, Schulfarben, Namen und Uniformen. Das ist alles wieder sehr anstrengend und gegen Ende verstehe ich auch nicht mehr viel, weil die Konzentration nachlässt. Bis zur Abfahrt um halb fünf muss ich dringend auch noch mal schlafen.

Wir fahren natürlich mit demselben Minibus zurück. Der Fahrer hat wohl keine richtige Lust mehr, uns lauthals singend und gakkernd durch die Gegend zu fahren und rast, als wäre der Teufel hinter uns her. Es gibt einige sehr riskante Überholmanöver, die ich hinten zum Glück nicht in ganzer Härte wahrnehme. Wiebke, die vorne sitzt, weil ihr ja immer schlecht wird, erzählt hinterher, dass sie einige Male mit geschlossenen Augen um unser Leben gebangt hat. Aber wir haben es geschafft und kommen gegen 20 Uhr in unserem Hotel in Cali an, wo wir am Anfang der Reise schon waren. Wiebke und ich haben jetzt ein zweigeschossiges Appartement mit eigenem Internetanschluss, auf den wir uns direkt stürzen, um noch die ein oder andere Mail zu lesen oder zu schreiben. Nach kurzem Abendessen geht es direkt ins Bett, denn morgen wird wieder gearbeitet.

Dienstag, 01.08.06 Heute wollen wir nach Montebello. Wir sind gespannt, ob wirklich ein Bagger gearbeitet hat. Aber zuvor verbringen wir mal wieder

zwei Stunden auf der Bank. Dort treffen wir zufällig Doña Leonor, die ihr monatliches Geld aus Deutschland abholt. Da das mit Heinz auf der Bank mal wieder länger dauert, fahren Wiebke, Doña Leonor und ich schon mal mit dem Taxi nach Montebello vor. Dort treffen wir auf einen Carlos mit ganz langem Gesicht. Der Bagger ist schon seit Samstag kaputt und außer, dass er unsere gute Muttererde den Abhang runtergeschüttet hat, ist auf dem Gelände nicht viel passiert. Carlos telefoniert wie wild nach einem Ersatz. Er will es wissen. Am späten Nachmittag hat er endlich eine neue Firma gefunden, die am nächsten Morgen um 7.00 Uhr mit den Arbeiten beginnen will. Der Bagger wird am Abend noch angeliefert. Dies lässt uns glauben, dass es am nächsten Morgen weitergeht. Kurz darauf kommt auch Jörg mit der ersten Fuhre auseinander genommener Bambusträger, die wir bei einsetzender Dunkelheit noch abladen müssen. Der Workshop geht ab sofort weiter. Wir gehen auf ein schnelles Abendessen in die Kneipe an der Ecke zu unserem Hotel. Das Hühnchen ist aus, deshalb bestelle ich mir ein leckeres Steak.

Mittwoch, 02.08.2006

Heinz 7.00 Uhr Arbeitsbeginn vor Ort, Tyler holt uns eine halbe Stunde vorher am Hotel ab. Der frühe Start macht Sinn. Die Temperaturen sind am Vormittag ganz angenehm. Gegen Mittag treibt uns die körperliche Arbeit und die Hitze den Schweiß aus allen Poren. Da legen wir dann lieber eine lange Siesta bei Doña Leonor ein. Sie bekocht uns vorzüglich, meint es gut und packt mir immer zu große Portionen auf den Teller. Andrés und Jörg sind heute im Privatflugzeug des deutschen Konsuls Gerhard Thyben nach Popayàn geflogen. Dort treffen sie den deutschen Botschafter. Wir sind also auf uns gestellt.

Es gibt Tage, an denen nichts so richtig läuft. Heute ist so ein Tag. Der neue Bagger ebnet tatsächlich weiter das Gelände ein, bläst uns seine Abgase ins Gesicht. Wir arbeiten ober-

halb auf einem kleinen Plateau, montieren die für den Transport auseinander genommenen Stützen und Traversen wieder zusammen. Da hat sich einiges verbogen, die Teile passen nicht mehr so richtig zusammen. Es fehlt an Platz, an Werkzeug, an Material zum Unterlegen. Wir behelfen uns mit Ziegelsteinen – eine äußerst wackelige Angelegenheit. Der Bagger gräbt sich immer näher an unseren Lagerplatz heran. Es kommen immer neue Vorschläge, die uns aber nicht so richtig weiterbringen – ein ziemliches Durcheinander ist das Ergebnis. Als wir dann so ein fast fertig montiertes Teil aufrichten wollen und es uns umkippt, arbeiten wir etwas weniger hektisch weiter. "In der Ruhe liegt die Kraft" meint Martin – nicht zu unrecht. Wir hoffen, morgen etwas besser voran zu kommen. Im Hotel ist mir nach einer warmen Dusche und Ruhe. Ich lese noch ein wenig in meinem Kolumbienführer. Beim Einschlafen überlege ich, dass es jetzt noch vier Tage bis zu unserer Abreise sind. Ich freue mich auch auf Zuhause.

August Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 15. August: Mariä Himmelfahrt

Andrés Der neue deutsche Botschafter in Bogota, Dr. Michael Glotzbach, hält morgen seinen Antrittsbesuch bei der "deutschen Kolonie" in Popayán. Da wir immer noch keine Information aus dem Umfeld der Botschaft haben, wieso wir eine solche "negative" Stellungnahme zu unserem BMZ–Antrag erhalten haben, hat mich Jörg auf die Einladungsliste setzen lassen. Nun stehe ich hier, wie "hingebeamt", vor einer einmotorigen Piper auf dem Sportflughafen von Cali. Ich beobachte, wie Gerhard Thyben, der Pilot und

gleichzeitig auch deutscher Konsul in Cali, den Flieger vorbereitet und alles checkt, ob es sich dreht, spannt, wackelt oder fest ist. Nun, es gilt von hier aus nach Popayán zu fliegen, mit Jörg, seinem Zimmermann Javier und mir als Passagiere. Mit einer fast kindlichen Leichtigkeit manövriert Gerhard Thyben das wackelige Gefährt auf die Startbahn des Flughafens von Cali, wo ansonsten die großen Jets starten oder landen. Obwohl mir beim Anblick der kleinen Kiste etwas mulmig wird, habe ich später keinerlei Bedenken bezüglich meines Überlebens dieser Reise. Sorgsam und genau, mit sichtlich ausgebuffter Routine, behandelt Gerhard dieses Flugzeug und alle Instrumente im Cockpit. Jörg lässt mich vorne sitzen, damit ich die beste Aussicht habe. Der Flug ist einfach grandios! Quasi aus dem flachen Tal steigen wir auf. Riesige Zuckerrohrfelder unter uns. Grün wohin das Auge sieht! Ein großer Reichtum, aber ich frage mich, wie viel Kunstdünger dabei in den Boden gelangt ist. Das Brunnenwasser in Candelaria soll so aggressiv sein, dass man damit die Gold- und Silberware sauber ätzen kann. Wir fliegen an Candelaria vorbei, zwi-

schen der Mittelkordillere und der Westkordillere hindurch. Die beiden Gebirgszüge schließen sich in der Ferne zusammen und werden zum Andenmassiv vor Ecuador. Grün, Grün und immer wieder saftiges Grün, unzählige Wege verbinden viele kleine Bauernhöfe. Von Ost nach West ziehen sich Flusstäler. Die Straße von Cali nach Popayán führt immer wieder von den Hügeln in die Täler, um dann einmal mehr zu den Kuppen aufzusteigen. Gerhard stellt etwas sarkastisch fest: "Ein wunderschönes Land! Man muss es überfliegen, um es kennen zu lernen, denn es auf dem Land zu bereisen, ist zu gefährlich." Er spielt natürlich auf die Guerilla an, die in diesen Weiten wohl zu Hause ist. Die kleine Piper kämpft gegen die Windböen. "Holprigen Flug" nennt das Gerhard. Ich aber habe das Gefühl, dass das Spiel mit den Elementen zu diesem Flug unbedingt dazu gehört. Nach 45 Minuten sicher angekommen, dankt Javier Gerhard mit den Worten: "Jetzt kann ich in Ruhe sterben, ich habe alles gesehen, was ich sehen musste!" Ich verstehe ihn, wobei ich es mit dem Sterben nicht so eilig habe. Während Gerhard sich auf die Ankunft des Botschafters nebst Gemahlin vorbereitet, die er anschließend zu einem Rundflug einladen möchte, gehen Jörg und ich ins Schwimmbad. Mit etwas schlechtem Gewissen gegenüber Wiebke, Nina und Heinz, die in Montebello die Guadua-Rahmen zusammenschrauben, genieße ich das Wasser doch sehr.

Donnerstag 3. 8.

Nina Heute sind wir faul. Wir haben beschlossen, dass es reicht, wenn wir um acht Uhr oben in Montebello sind und haben deshalb Tyler für halb acht bestellt. Delia verabschiedet sich. Sie fährt noch für drei Wochen nach Popayán, um dort in einem Jugendzentrum zu arbeiten, bevor sie in unserer Schule als Englischlehrerin mithilft. Bei Andrés´ Mama, die ich mittlerweile verstehe (oh Wunder!), gibt es erst mal Kaffee und Frühstück. Danach schlendern wir so

langsam Richtung Schulgelände. Die Arbeit geht schleppend voran. Der gestrige Tag steckt uns noch in den Knochen. Das Zusammenschrauben der Träger gestaltet sich weiterhin schwierig. Leider ist keiner da, der über die entsprechende Sachkunde ver-

fügt. Wir verlieren viel Zeit mit dem Hin- und Herschleppen der halbfertigen Träger - ständig auf der Suche nach einer geeigneten Lagermöglichkeit auf dem abfallenden Gelände. Die Arbeitsbedingungen sind sowieso eher nervig. Wir streiten uns um Hammer und Schraubenschlüssel. Die Bohrer und Sägeblätter sind mittlerweile stumpf. Im Moment arbeiten immer nur zwei Leute und der Rest steht herum. Mit dem Anbringen der Fischbauchträger sind wir schlicht überfordert und beschließen, das den Profis zu überlassen. Gegen 13 Uhr endlich Mittagessen bei Doña Leonor, die sich wieder sehr viel Mühe mit dem Hühnchen gemacht hat. Sie kocht jetzt schon den dritten Tag für acht Leute mit Nachtisch, Kaffee und allem Zip und Zap. Ich glaube sie ist auch froh, wenn das morgen vorbei ist. Nach dem Essen entspanntes Gruppenkuscheln auf der Terrasse. Gegen 15 Uhr raffen wir uns auf, um die letzten Schrauben reinzudrehen. Als wir auf das Grundstück zurückkommen, erfahren wir, dass auch der zweite Bagger den Geist aufgegeben hat. Die Hydraulik ist kaputt. Morgen früh um sieben Uhr soll es weitergehen. Ich glaube nicht so recht daran. Die letzte Schraube ist versenkt und abgesägt. Wir drücken uns noch mit Sandra, Diana und Japxon bis 17 Uhr auf dem Grundstück herum und erzählen viel Blödsinn in schlechtem Spanisch, bis Andrés und Jörg kommen…

September Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

Andrés Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist eine Krawatte anzuziehen. Ich habe vergessen eine einzupacken. Natürlich wird eine Krawatte und der dazu gehörige Anzug bei einem Botschafterempfang unumgänglich sein. Jedenfalls in Deutschland. Aber scheinbar nicht hier in Popayán, denn Jörg ist etwas irritiert von meinen Überlegungen. Er ruft bei zwei ebenfalls geladenen Gästen an, um zu erfahren, wie sie sich kleiden und das Echo ist gleich: "Mer komm´n so wie mer sin´." So ist Jörg glücklich und als Schlipshasser beruhigt, nicht so ein Ding anziehen zu müssen. Ich bin zufrieden, nicht aus dem Rahmen zu fallen. Im Hof des Hotels San Francisco - benannt nach dem ehemaligen Franziskanerkloster, von dem aus im 17. Jahrhundert Kolumbien regiert wurde - findet sich am Tisch des Botschafterehepaars Glotzmann ein wild zusammen gewürfelter Haufen von Frauen und Männern ein. Siebzehn an der Zahl, die

alle irgend etwas mit der Vokabel "deutsch" zu tun haben. Señora Velazco, geborene Hartmann, arbeitet beim städtischen Archiv und verwaltet alle historischen Dokumente der Stadt. Neben Jörg sitzen Uli Klaiber, ein Fotograf, Schorsch Batz, ein Landwirt, Papa Hartmann und Kunigunde Wuebbolt, ihres Zeichens Ehrenbürgerin von Popayán. Herr Sussmann und seine Schwester vertreten die Vorkriegsflüchtlinge. Herr Thyben sitzt gleich daneben. Dessen Vater kam erst nach dem Krieg her, als deutsche Kampf-Piloten zu Hause nicht mehr so gefragt waren. Thomas Dreher, ein Arzt und Homöopath, ehemals im Hospital in Cali tätig, gehört auch zu den Gästen. Schorsch, ein stämmiger, bayerischer,

ehemaliger DED – Mitarbeiter, hat sich in der Umgebung niedergelassen. Er ließ einige Rinder auf seinen Ländereien weiden, bis er von der Guerilla erpresst und für 10 Tage entführt wurde. Seine Frau konnte ihn frei kaufen. Heute betreibt er eine Schreinerei. Kunigunde hat das Treffen mit dem Botschafter organisiert. Dieser möchte sich einen Überblick über die deutsche Gemeinde dieser Stadt verschaffen. Ich bekomme die Möglichkeit, mit ihm über unseren BMZ–Antrag zu sprechen und habe den Eindruck, dass er an unserem Projekt interessiert ist. Der Rückflug ist genau so spektakulär wie der Hinflug. Der Himmel ist so klar, dass wir sehr weit schauen können. Das Massiv hinter dem Hügel von Cali, auf dem die "tres cruces" stehen, ist weitaus gewaltiger, als es von der Stadt her den Eindruck hat. Impresionante! Perfekte Landung, kurzes Adios mit Gerhard. Der Abstecher nach Popayán war ein tolles Erlebnis! Natürlich hat der Lkw von Jörg einen Platten. Es wäre auch langweilig in Kolumbien ohne solche Überraschungen. Zum Glück können wir den Reifen in der Flugzeugwerkstatt aufpumpen und kommen bis nach Montebello, wo wir die anderen total ausgepowert und am Rande ihrer Kräfte antreffen. Als wir nach Popayán aufbrachen, hätte ich nicht gedacht, dass sie auch nur einen einzigen Rahmen würden zusammensetzen können. Jetzt sind alle sechs Rahmen bis auf die Unterbögen fertig! Auch Jörg ist überrascht. Ich verstehe nicht, wieso sie alle so unzufrieden sind. Ich vermute, dass sie nicht wissen, was sie tatsächlich geleistet haben. Wahnsinn!

Nina Andrés und Jörg sind völlig begeistert von unserem Werk - zu unserer Überraschung. Wir haben so gehadert – doch jetzt sind wir auch stolz! Wir fahren schnell ins Hotel zurück, weil wir bei Andrés Kusinen zum Essen eingeladen sind. Die Tochter von Kusine Elisabeth hat heute ihren einundzwanzigsten Geburtstag und deshalb müssen wir noch eine klassische kolumbianische Torte besorgen. Wir sind nämlich nicht so sicher, ob die Teilchen aus Vollkornmehl, die Andrés in der deutschen Biobäckerei um die Ecke gekauft hat, den hiesigen Geschmack treffen. Kurz nach acht Uhr treffen wir bei den Mädels ein, die sich auch richtig freuen, Andrés wieder zu sehen. Das Menü besteht aus Hühnchensuppe und als Hauptgang Hühnchen mit Reis. Nicht dass ich Hühnchen nicht mag, es war auch bisher immer lecker zubereitet, aber ich glaube, ich brauche eine mehrmonatige "Pollopause", wenn ich wieder zu Hause bin. Die Torte mit dem superkünstlichen roten Farbüberzug kommt sehr gut an und schmeckt auch gar nicht so schlecht, wie sie aussieht. Auf jeden Fall besser als die Bioteilchen. Um zehn Uhr sind die Chicas müde und wir machen uns auf den Rückweg ins Hotel. Wiebke und Heinz sind auch am zusammenbrechen. Deshalb gehen nur Andrés und ich noch auf einen Absacker in das Café an der Ecke. Der falsche Caipi schmeckt so lecker, dass wir uns noch einen zweiten bestellen. Deutlich später als geplant und leicht angetrunken fallen wir ins Bett.

Oktober Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 6 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 3. Oktober: Tag der deutschen Einheit

Freitag, 04.08.06

Wiebke Für heute haben wir uns noch einmal das neuere Centro Comercial "Chipi Chapi" vorgenommen. Heinz, Nina, Andrés und ich bummeln zusammen mit Sandra, Diana und Japxson durch die Läden und essen zusammen zu Mittag. Unsere wirkliche Aufgabe an diesem Tag besteht in dem Einkauf für ca. 60 Gäste, die zu der Schulfeier erwartet werden. Mit Unmengen an Tüten verlassen wir den gutsortierten Supermarkt, der auch genauso gut in Frankfurt hätte stehen können. Alle Marken, alle Produkte, alle Kleinigkeiten, die wir aus Deutschland kennen, gibt es hier zu kaufen. Schließlich finden wir zwei Taxen, die uns nach Montebello fahren. Am Abend tafeln wir dann in dem Restaurant "Casa Vieja". Das liebevoll sanierte Gebäude liegt eingebettet in einem wunderschön angelegten Garten am Fluss Rio Cauca. Hier werden Speisen aus Calis "alter Küche" gereicht. Es ist ein stimmungsvolles Ambiente. Eine Combo mit zwei Musikern und einer Sängerin singen auf melancholische Weise Lieder voll Poesie und "emoción". Ich bewundere Japxon, Sandra und Diana, die die Lieder und Texte fast alle kennen und mitsingen können. Ich beneide sie um diesen Teil ihrer Kultur.

Samstag, 05.08.2006

Heinz Unser letzter Tag. Andrés hat für den Vormittag mit Nina, Wiebke und mir einen Ausflug geplant. Tyler holt uns am Hotel ab. Wir fahren durch Cali, verlassen die Stadt auf einer Ausfallstraße, links und rechts Einkaufszentren, Tankstellen, Supermärkte, Autosalons, Möbelhäuser.... Irgendwann hört die Bebauung auf. Wir biegen ab und es geht steil bergauf. Die Straße ist in einem überraschend guten Zustand, keine Zumutung für Tylers defekte Stoßdämpfer. Andrés klärt uns auf: Die reichen Bonzen aus Cali haben diese Ecke mit der guten Luft und dem faszinieren-

dem Blick ins Tal für sich entdeckt und sich hier ihre Fincas hingebaut. Es dauert nicht lange und wir fahren an einem dieser Anwesen vorbei. Die bewaffneten Soldaten, die uns überall begegnen, sind nicht auf Guerillasuche, sondern bewachen die Privatgrundstücke. Die Straße endet in einem Waldweg. Wir steigen aus, lassen Tyler mit dem Auto zurück und erkunden das Gelände zu Fuß. Wir stapfen durch einen Urwald, müssen uns mühsam einen Weg suchen. Ich bedauere, keine Machete mitgenommen zu haben. Auch wäre es besser, ich hätte statt meiner offenen Sandalen festes Schuhwerk an den Füßen. Ohne Schlangenbiss, dafür aber mit einigen Moskitostichen mehr ausgestattet, finden wir zu unserem Auto zurück. Froh, unsere Dschungelexpedition so gut überstanden zu haben, treten wir die Rückfahrt an und landen im Verkehrsstau. Trotzdem machen wir noch einen Umweg. In "Aguablanca", einem Armenviertel direkt in Cali, gibt es die Schule "Fe y alegria de providencia", die in Zielsetzung und Inhalt vergleichbar ist mit unserem Projekt in Montebello. Wir sind neugierig und wollen sehen, wie es dort aussieht. Leider reicht die Zeit nicht mehr für einen Besuch. Im Vorbeifahren werfen wir einen Blick auf das nach außen fensterlose Gebäude. Das, was sich hinter den Mauern verbirgt, wird Andrés für uns noch herausfinden. Ein Anruf aus Montebello: Man will mit den Vorbereitungen für das Fest beginnen. Wir versprechen, bald da zu sein. Ein etwas vollmundiges Versprechen – bei dem Verkehr. Den vom deutschen Biobäcker gebackenen deutschen Apfelkuchen, mit dem wir die kolumbianischen Gäste überraschen wollen, müssen wir auch noch abholen. Viel zu spät kommen wir in Montebello an. Jörg hat eine Überraschung für uns vorbereitet und zur Demonstration zwei der fertigen Bambusele-

mente aufgebaut. Wir kommen gerade noch so rechtzeitig, um mitzuerleben, wie ein drittes dazu gestellt wird. Ich bin beeindruckt. Andrés' Gesamtkonzept vor Augen drängt sich mir das Bild auf, wie sich die Klassenräume kaskadenartig über den Hang verteilen - dazwischen Schulkinder. Dreihundert, vierhundert und irgendwann vielleicht auch fünfhundert, die in den Unterrichtspausen auf dem Gelände herumtoben. Ich freue mich. Dass wir heute abend so eine Art Richtfest feiern, empfinde ich da mehr als angemessen. Nina und Wiebke übernehmen das Regiment in der Küche. Andrés und ich marinieren das Fleisch. Doch wer kümmert sich um das Grillfeuer? Don Alfonso stellt sich der Aufgabe – aber leider etwas spät. Das Kollegium ist mit der Dekoration und dem Decken der Tische beschäftigt. Die ersten Gäste kommen, warten geduldig. Onassis hat seine Beschallungsanlage in Betrieb genommen. Mit den Salsaklängen kommt schon mal Partystimmung auf. Die Anzahl der Gäste wächst: die Eltern der Schüler, Verwandte, Freunde, Familienangehörige der

November Schulmannschaft ... Am Ende sind es fast sechzig. Andrés hält eine Ansprache. Ich verstehe Namen und vermute richtig, dass er sich bei allen bedankt. Endlich ist es soweit. Das vegetarische Buffet wird eröffnet ... sozusagen der erste Gang. Der Hauptgang

Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 1. November: Allerheiligen, 21. November: Buß- und Bettag, 25. November: Totensonntag

kommt noch. Da ist dann Don Alfonso mit seiner Mannschaft am Grill der Maitre de Cuisine. Irgendwann kommt Unruhe auf, Tischerücken und die Veranda wird zur Tanzfläche. Onassis ist ein wirklich guter DJ. Sein Musikmix gefällt mir – auch, wenn ich nicht tanze und mit der Kamera beschäftigt bin. Das Ding kann ich aber nicht den ganzen Abend in der Hand halten und so erwischt es mich dann doch. Nach halbdurchtanzter Nacht nehme ich mir vor, zuhause nicht nur mein Spanisch zu verbessern. Den Salsakurs buche ich doch dann gleich mit. Irgendwie will das Fest kein Ende nehmen. Es ist, als würden wir uns vor dem Unvermeidlichen drücken wollen. Doch so gegen zwei Uhr in der Nacht ist es dann soweit: viele, viele Umarmungen, Tränen, Versprechen, sich wieder zu sehen, machen uns den Abschied schwer. Es braucht seine Zeit, bis wir dann auf der Ladefläche von Jörgs Transporter Platz genommen haben. Wir fahren durch das nächtliche Cali. Die Kneipen, Bars und Diskotheken sind immer noch geöffnet. Salsaklänge begleiten unsere Fahrt. Menschen tanzen auf den Straßen, rufen und winken uns zu. Ganz Cali will offensichtlich von uns Abschied nehmen. Adios Amigos ... wir kommen wieder!

Sonntag 6.8.

Nina Abreisetag. Der Wecker klingelt wieder früh, wir müssen noch packen und wollen um 9 Uhr noch einen Abschiedskaffee mit Jörg und dessen Frau Sandra trinken, die nach der gestrigen Abschiedsfiesta auch in unserem Hotel untergekommen sind. Wir sind alle reichlich übernächtigt. Punkt halb zehn steht Tyler mit Carlos vor der Tür. Von Nelson, unserem zweiten Fahrer keine Spur. Er steht im Verdacht, nicht aus dem Bett gekommen zu sein, weil er gestern recht tief ins Glas geguckt hat. Ich glaube, die Kolumbianer vertragen keinen Alkohol. Ansonsten kann ich mir diese desaströsen Ausmaße mit der geringen Menge an Alkohol, die für 60 Personen zur Verfügung stand (10 Flaschen Rotwein, zwei Kisten Bier und 1 Flasche Baileys) nicht erklären. Nelson zählt bald wieder zu den Lebendigen und ist auch zehn Minuten später da. Wir brauchen durch die extrem leere Stadt am Sonntagvormittag nur eine halbe Stunde bis zum Flughafen. Wir frühstücken noch mit Carlos und Andrés und dann müssen wir wirklich gehen.

In Bogotá haben wir fast fünf Stunden Aufenthalt und wir vertreiben uns die Zeit mit Kaffee trinken, Bücher und CDs kaufen. Und dann wird es auf einmal knapp mit der Zeit. Der Flieger steht schon da und kurz vor dem Betreten des Flugzeugs sollen wir die Diplomarbeit, den Einreisezollschein, den wir mühsam auf dem Hinflug ausgefüllt haben, wieder abgeben. Ich habe ihn in meinem Pass und alles geht glatt. Wiebkes ist spurlos verschwunden. Sie war sich sicher, dass sie ihn bei den Tickets hatte und nun ist er weg. Heinz hat seinen nicht richtig unterschrieben und sie wollen uns nicht ausreisen lassen, bevor beide nicht 24 Dollar zahlen, die sie glücklicherweise noch haben. Als wir nach dieser Aufregung endlich auf unseren Plätzen sitzen, überfällt mich dann die Wehmut. Gleich verlassen wir dieses wunderschöne Land. Jetzt, nachdem ich gestern den Durchbruch hatte und eine halbwegs flüssige Konversation zustande gebracht habe, jetzt, wo meine Beine sich an die Mückenstiche so langsam gewöhnt haben, muss ich nach Hause. Ich schaue aus dem Fenster, sehe Bogotá und die Berge unter mir verschwinden und wische heimlich ein Tränchen aus dem Augenwinkel. Ich denke mit Stolz an unsere Bambusträger und daran, wie viel Spaß wir mit der Lehrertruppe beim Zusammenbau hatten. Sie werden mir fehlen, meine neuen Familienmitglieder, nach diesen zwei Wochen des intensiven Beisammenseins. Als wir in die Wolken eintauchen, denke ich nur noch:

Dezember nd, e b A e g ler Ta l a t h c i eder. i n w t s ´ i m s E " ich kom ge." a r F e n i Ke

Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di Mi Do Fr Sa So 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 24. Dezember: Heiligabend, 25. Dezember: 1. Weihnachtstag, 26. Dezember: 2. Weihnachtstag, 31. Dezember: Silvester

Danke

an Frau Vollmer vom Verein "Aguablanca e.V. Herborn", die uns uneingeschränkt mit

Danke,

dass Sie diesen Tagebuch-Kalender gekauft haben. Sie unterstützen damit das

Ihrem Wissen, Ihrem Optimismus und Ihrem Netzwerk wertvolle Hilfe geleistet hat. Wir verdanken Ihr den

Projekt Schule fürs Leben und machen gleichzeitig sich oder anderen eine Freude. Der Tagebuch-Kalender kann

Kontakt zur Deutschen Schule sowie zur Schule "Fe y alegria de providencia" in Cali.

doppelt genutzt werden. Als Kalender (quer an zwei Nägeln aufgehängt) ist er ein farbenfroher Begleiter durch

Danke an Frau und Herrn Wieshoff vom "Early Learning Institut", die uns 68 kg Englisch–Schulbücher

das Jahr 2006. Später kann er als Tage-Buch immer mal wieder zur Hand genommen und gelesen werden.

gespendet und die Herr Schwaegerl von der "Projektfabrik" Andrés übergeben hat. Statt T-Shirt und

Vielleicht macht er ja neugierig auf das Land Kolumbien und seine Menschen.

Zahnpasta haben Wiebke, Heinz und Nena diese Schulbücher in ihre Reisekoffer gepackt. Sie werden bereits im Unterricht verwendet! Herr Schwaegerl und Andrés

Danke an Hans-Josef Klein und der "Deutschen Welle", die der Schule großzügigerweise 150 Kappen zur Verfügung gestellt hat. Und an Catherine Beckmann, die den Kontakt zur Deutschen Welle hergestellt hat. Die blauen Mützen sind die ersten Teile der Schuluniformen und passen mit ihrem leuchtenden Blau prima zum "Colegio de las Aguas" - Schule des Wassers.

Ein besonders großes Danke an Frau Chierchewski und "bengo", Frau Nett und das BMZ, Frau Rosseg, Frau Prechel und Herrn Lanner von der Deutschen Botschaft in Bogotá, die es uns ermöglichen, für die Kinder unserer Schule den ersten Gebäudeabschnitt zu realisieren. Wie so oft im Leben hat der persönliche Kontakt und das direkte Gespräch unserem Antrag zum Erfolg verholfen. Danke für Ihre Geduld, Ihre konstruktive Kritik und Ihre Unterstützung!

Danke auch an Fa. Druckmanagement Kurt Morr, der uns seit Anbeginn mit großem Engagement beim Druck unserer Informationsmaterialien und Kalender hilft!

Schule fürs leben Schwarzburgstrasse 10 60318 Frankfurt T 0 69 . 95 50 98 36 F 0 69 . 95 50 98 37 www.schulefuersleben.de Postbank Frankfurt BLZ 500 100 60 Kto 753 123 608

Impressum Text: Wiebke Göbel, Nina Klenk, Heinz Recht, Andrés Bäppler Redaktion: Tobias Jost und Heinz Recht Layout: IM Design, Ilona Metscher Fotos: Wiebke Göbel, Nina Klenk, Heinz Recht, Andrés Bäppler, Jörg Stamm Druck: ………………….. (nn) Idee und Vertrieb: Schule fürs Leben e.V.

Schwarzburgstrasse 10 | 60318 Frankfurt | T 0 69 . 95 50 98 36 | F 0 69 . 95 50 98 37 www.schulefuersleben.de