Reich und Kirche vor dem Investiturstreit

Sonderdruck aus: Reich und Kirche vor dem Investiturstreit Vorträge beim wissenschaftlichen Kolloquium aus Anlaß des achtzigsten Geburtstags von Gerd...
Author: Eduard Lang
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Sonderdruck aus:

Reich und Kirche vor dem Investiturstreit Vorträge beim wissenschaftlichen Kolloquium aus Anlaß des achtzigsten Geburtstags von Gerd Tellenbach

Herausgegeben von Kar1 Schmid

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Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen

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JOACHIM VOLLASCH

bischöflichen Klosterherren unrerstand oder der bischöflichen Jurisdiktionsgewalt des Diözesanbischofs, oder wenn es- aus dieser eximiert-auf den Schutz der hpostelfürsren in einerZeit angewiesen war, in der sich das Papsttum mehr als hilfsbedürftig denn als bewegende Kraft darstellte und königliche, bischöilicbe oder adelige Übergriffe auf Klöster nicht ernsthaft abzuwehren vermochte? Früheste Anzeichen dafür, daß sich an diesen Rahmenbedingungen mönchischen Lebens im 10. Jahrhundert etwas zu ändern begann, finden sich schon in der Ottonenzeit selbst. Wie Iangst bekannt, vermittelte Kaiserin Adelheid Beziehungen zwischen dem Hof der Ottonen und Cluny, NO es dem Mönchtum im 10. Jahrhundert gelang, unabhängig von weltlicher und kirchlicher Gewalt seine Selbstbestimmung zu gewinnen und vom Papst die Erlaubnis zu erhalten, nicht allein Mönche aus anderen Klöstern zu strengerem Leben aufzunehmen, sondern auch, wenn es dir jeweiligen Klosterherren zuließen, andere Klöster zur Refonn übertragen zu bekommen! Sicher bot die Selbstbestimmung eines sich erneuern wollenden Mönchtums die wesentlichste Voraussetzung dafür, Reich und Kirche beabsichtigt oder unbeabsichtigt beeinflussen zu können. Es erscheint hier aufschlußreich genug, daß es nicht etwa die Äbte von Cluny waren, die ihre Klösterreform ins Reich hinnein ausbreiten wollten, sondern daß vom Kaiserhof das Angebot anMaiolusvon Cluny hetangetragzn wurde, Abt über alle Klöster Deutschlands und Italiens zu werden, ja sogar Papsts. Obwohl Maiolus alle Angebote ausschlug, um seine Herde nicht zu verlassen, verfestigen sich die persönlichen Beziehungen zwischen den Ottonen und den Äbten von Cluny, wie man weiß, nochb. Bedeuteten sie aber mehr als beispielsweise der Einfluß, den Männer wie Abt Ramwold von St. Emmeram oder die Asketen Nilus oder Rornuald auf Otto 111. persönlich übteni? Sranden nicht solchen Beziehungen weitaus häufiger jene bedeutender Bischöfe und Hofkapelläne mit dem Kaiser gegenübers? In die Unentschiedenheit dieser Fragen vermag HeinrichsII. Herrschaft sicheren Aufschluß zu bringen. Hatte schon Theodor Schieffer bei aller Kontinuität, die es von den Ottonen zu Heinrich 11. zu beobachten gab, auf das Neue hingewiesen, das mit

4 Zum Knüpfen der Beziehungen zwischen ottonischem Hof und der Abtei Cluny durch Kaiserin Adelheid vg1. bereirs Ernst SACKUR, Die Cluniaccnser in ihrer kirchlichen und allgemeingeschichrlichcn Wirksamkeit bis zui Mine des elften Jahrhunderrs, bes. 2, Halle a. d. Saale 1894 (Nachdmck Tübingen 1971) S. 449453; zum Erlangen der Selbstbestimmungund der päpstlichen Erlaubnis, Möncheund Klöster Mönchtum (wie Anm. 3) S. 146f. zur Reform anzunehmen, vgl. WDLLASCH, 5 Dazu, wie erst ausgangs des 11. Jahihunderü die Cluniacenser nach dem Südwesten des deutschen Reiches gemfen wurden, siehe zuletzt Joachim W o ~ u s u iSuila , presenza cluniacense in Gemania (in: Cluny in Italia ein Europa, Atti dei Convegno di Pescia) Cesena 1984, zu den Angeboren OttosI. und OtrosIl. an Maiolus vgl. WOLLASCH, Mönchtum (wie Anm. 3) S. 161. 6 Zur Ablehnung der an Maiolus ergangenen Angebote durch diesen vgl. WOLLASCH, Mönchtum (wie Anm. 3) S. 161. Für die weirere Vertiefung der Beziehungen zwischen ottonischem Hof und der Abtei

Cluny spricht allein schon die Tatsache, daß cs Abr Odilovon Cluny war, der die Lebensbeschreibungder Kaiserin Adelheid verial3t hat (Die Lebensbeschreibun- der Kaiserin Adelheid von Abt Odilo von Cluny bearb. von Herben PAULHART [= Mirteilungen des 1ns"tiiuts f. östeireichische Geschichtsforschung, Erg. Bd. XX/2] 1962, erschienen Graz-Köln 1963). 7 Jahrbücher des Deutschen Reicher unter OrtoII. und OrtolIL, 2 (hg. von Marhilde UHLIR~, Berlin 1934) bes. S. 195f., 291f., 368t 8 Vgl. Josef FLECKENSTEIN, Die Hofkapelle der deurschen Könige I1 (= Schriften der MGH 16/11) Sruttgan 1966, S. 77-117 über die Hofkapelle OttoslII.

Heinrich 11. einsetzte9, s o dürfte dies nämlich in besonderer Weise für Heinrichs 11. Beziehungen zum Mönchtum gelten. Hierbei ist nicht s o sehr die Intensität gemeint, mit der HeinrichII. in Abtswahlen und Besirzgefüge von Klöstern eingriff'', nicht seine Übertragung von Klöstern etwa an die bischöfliche Kirche Bamberg". Auch seine Förderung klösterlicher Reformen im Reich von seiner hayerischen Basis aus, der Einsatz Godehards von Niederaltaich und Tegernsee etwa, des späteren Hildeshcimer Bischofs, in Hersfeldi2 sowie später die Berufung lothringischer Reformäbte in Reichsabreien - genannt sei nach Irnrno von Gorze, Prüm und der Reichenau vorab Poppo von Stablo"- bezeichnet noch nichr das Neue, das HeinrichsII. Herrschaft für eine Einwirkung des Mönchtums auf das Reich brachte. Denn alle diese Maßnahmen kaiserlicher Herrschaft über Klöster im Reich bewegten sich, eher noch folgerichtiger als unter den Ottonen, im Raum eines der Reichskirche und dem Reich verpflichteten Mönchtums. Vielmehr ist festzuhalten, daß Heinrich 11. den hl. Benedikt von Nursia, nach dessen Rege! die europäischen Klöster seinerzeit ausgerichtet waren, persönlich aufs höchste verehrte'". In Benedikt erkannte er den Arzt, der ihn in seinem Steinleiden öfters, besonders aber bei seinem Besuch auf dem Monte Cassino im Sommer 1022, geholfen habe. Adalberts Vita Heinrichs 11. aus dem 12. Jahrhundert hielt im Anschluß an den Bericht über den Kaiserhesuch auf dem Monte Cassino 1022 fest: A b eo autem tempore et deinceps quadam speciali veneracione et dilectione sancto Benedicto et omnibus monasticae religionü cultoribus stitditit deservireI5. Von der Zeit an aber und fürderhin war der Kaiser bemüht, in einer besonderen Verehrung und Liebe dem hl. Benedikt und allen, die das mönchische Leben pflegten, z u dienen. Es mag sein, daß dieser Text in der Forschung deshalb nichr beachtet wurde, weil er erst im 12. Jahrhundert, im Zusammenhang mit der Heiligsprechung Heinrichs II., aufgezeichnet wurdeT6.Offensicht9 Theodor SCHIEFFER. HeinrichII. und KonradII. (Deutschen Archiv 8. 1951, S. 38W371. I ? Aus ~ ~ I i ~ r e iBiisp:clen c i ~ ~ : ~ i v i h:er n ~ H:inrich,ll i F.ir;rifi ir 5 . \ I r \ i i n i n in'l'iicr l.er;usgcorii
lich vermochte daran auch der ausführliche Bericht Leos von Ostia in der Chronik von Monte Cassino über HeinrichsII. Besuch" nichts zu ändern, konnte man ihm doch handfeste Eigeninteressen des Benediktsklosters vorhalten. Damanden ganzenZusammenhangzwischen HeinrichsII. Steinleiden und seiner Benediktsverehrung in den Bereich des Sagenhaften verwies", wurde vernachlässigt, daß nicht allein Leo von Ostia das Steinleiden des Kaisers und dessen Begegnung mit dem hl. Benedikt in Heinrichs Zeit als Herzog von Bayern und nach Benediktbeuren z~rückverlegte'~, sondern daR der Herrscher selbst 1022 in einer original erhaltenen, unangefochtenen Kaiserurkunde kundtat, er sei dem hl. Benedikt von kieinauf verbunden, der ihn öfters in seiner Krankheit geheilt habe: (. ..locum, in quo venerabilispatrir nostri sanctürimi Benedicti corpus fovetur, pollere admodum cilpimus, quippe quem a p r i m o aetatii Fore semper maxime dileximus cuiusque lntercessione piissima hactenirs er in regno roborati er in infinnitate sepius positi misericorditer relevati ~umus)~'. Es kann kein Zweifel bestehen, daß für den Kaiser sein Aufenthalt im Sommer 1022 auf dem Monte Cassino ein Schlüsselerlebnis geworden ist, das für ihn den Entschluß, daraus Folgerungen zugunsten des Mönchtums zu ziehen, gestärkt hat. In diesem südlichsten Kloster des Reiches handelte er nicht einfach als Herr über die Klöster. Vielmehr öffnere er sich monastischen Belangen besonders. Dies wird auch deutlich, wenn man überprüft, welche Aktivität HeinrichII. in seinen letzten heiden Lebensjahren, sich immer wieder im \Vesten des Reiches aufhaltend, der Klösterreform zugewendet hat. Th. Schieffer schrieb dazu aus gutem Grund: .Man muß schon von einer neuen, zweiten Phase seiner Klosterreform sprechen.. . s 2 ' . Sie gilt es mit den reichen Geschenken, die der Kaiser dem hl. Benedikt in Monte Cassino und anderswo-erwähnt sei die Goldene Altartafel von Basel-widmete, zusammenzusehenz2.Daß Heinrich 11. dabei planvoll vorging, ergibt sich aus der Abstimmung gemeinsamer Schritte zur Kirchenreform, die er mit König R o b e n l I . dem Frommen von Frankreich damals suchte. Rudolf Glaber hob in seinen fünf Büchern Geschichte die gleichgerichteten Interessen HeinrichsII. und RobertsII. hervorz3. 1023 trafen heide Herrscher einander in Ivois am Bamberg speziell war Clunys Ansehen im 12.Jahrhunden noch so ungebrochen, daß der Michelsberger Mönch Herbord in seiner Dialog-Vita des Bischois Otto von Bamberg das eigene benedikiinische Mönchsleben als ciuniacensisches bezeichnete (dazu WOLLASCH, Mönchtum [wie Anm. 3j S. 183 mit Aam. 609). Und: dem Autor der Vita ging es in Bambcrg gewiß nicht darum, in Rom Clunys Ansehen zu steigern, sondern dasjenige HeinrichslI., dessen Heiligsprechung erwünscht wurde. Dazu fügte sich der Kaiserbesuch in Cluny, ohne freilich von spezifischer Bedeutung für den Nachweis heiligmäßigen Lebcns Heinrichs 11. sein zu können. (MGH SS 34, S. 247-251). 17 11, 43, hs. Ton Hartmut HOFFMAXI* u , 1875)S. 209 18 [ahrbücher des Deutschen Reiches unter Heinrichli., 3 (hq. von Harry B ~ ~ s s uBcrlin 19 11; 45 (MGH SS 34, S. 253). 2C MGH DH I1 474, Monrecassino 1022 21 SCNIEFFER (wie Anm. 9) S. 402. 22 Wie Anm. 14. LCScinq iivrcs dc scs hirtoircs, hg. von Maurice Pnon (= Collection de ieates 1) Paris 23 Raoul GLXBER, 1886, 11, 2, 8, S. 58, ebenso die Gesta episcopoium Cameracensium 111, 37 (MGH CS 7, S. 480);vgL. dazu Karl-Ferdinand WERKER, Das hochmittelalterliche Imperium im politischen Bewu5üein Frankreichs (Historische Zeitschrift200, 1965, S. 23f.) und DEKS.,Wes~frankcn-Frankreichunter den Spätkarolingern und frühcn Kaperingern (88&1060) (in: Handbuch der Europäischen Geschichte, hg. von Theodor SCHIEDER, 1, 1976) S. 759.

DER EINFLUSS DES MÖXCHTUMS A U F REICH CND KIRCHE

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Chiers, nachdem das Treffen im Auftrag Heinrichs 11. von Bischof Gerhard von Cambrai und Abt Richard von C. Vanne de Verdun vorbereitet worden war2'. Als Schieffer betonte, damals hätte der Kaiser nnach dem Vorbilde der westdeutschen Bischöfe und Herren-wir denken etwa an Brauweiler, die Stiftung des Pfalzgrafen Ezzo.. .
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64 Zu Siegfried vonMainz, Ulrich und Geiald ausRegensburgvgl. WOLLASCH (wie Anm. 45)s. 216f. mit Anm. 75f., zu Markgraf Hermann von Baden Eduard Kar1 Heinrich HEYCK,Geschichte der Herzoge von Zähringen, Freiburg i. Br. 1891192, ND Aalen 1980, S. 105; Otto Gerhard OEXLE,Hermann I. (in: Neue dt. Biographie 8, 1969, S. 643f.); Joachim WOLLASCH, Dei Kalender Bernolds von St.Blasien (in: Sr. Blasien. Festschrift aus Anlaß des Zoojährigen Bestehens der Kloster- und Pfarrkirche, hg. von Heinrich H E I D E G G EHugo R ~ ~O~n , München-Zürich 1983) S. 37; zum 26. April ist Hemann unter dm Mönchen von Cluny in den Necrologien von S. Manial de Limoges, Maicigny-sur-Loire, S. Manin-des-Champs und Longpont eingetragen: Synopse der cluniacensischen Necrologien, unter Mitwirkung von Wolf-Dieter HEIM,Joachim MEHNE,Franz NEISKEund Dietrich POECKhg. von Joachim WOLLASCH (= Münstenche Mittclaltei-Schriften 3912) Bd. 2, München 1982, S. 232, Zeile 19. Wie im 2. Necrolog von C. Manial de Limoges alsHerimannzr cstehr er im Necrologvon S. Benignede Dijon (Bibliothequedelaville deDijon, ms. 634, zw. fol. 137 und 138 auf der recto-Seite eines nichtnumeiierten Blattes als 9. der Tageseinträge) zum selben Tag als Herimanniri clu(niacensii). (Bei WOLLASCH, Mönchtum [wie Anm. 31 S. 167 ist bei der Nennung Hermanns die Anm. 542 ebenso zu streichen wie bei der Nennung Geralds die Worte uder Begründer des Cluniacenserpriorats La Chariie-sur-Loire und spärers.). 65 Genanni seien hier nur der erzbischöflich-kölnischeDienstmann Ingelbenus (Wolfgaq TESKE,Laien, Laienmönche und Laienbrüder in der Abtei Cluny. Ein Beitrag zum ,Konversen-Problem iine nece I'hsic in .ici Ge>;hlchte .{er .. \ion:htumc. da\ 6.5 dazin ~ c K:lci: i c n J K:rchc iinscnir'