Rehabilitation bei Sehbehinderung und Blindheit

Rehabilitation bei Sehbehinderung und Blindheit Astrid Maritzen Norbert Kamps Rehabilitation bei Sehbehinderung und Blindheit Mit 109 Abbildungen ...
Author: Günther Raske
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Rehabilitation bei Sehbehinderung und Blindheit

Astrid Maritzen Norbert Kamps

Rehabilitation bei Sehbehinderung und Blindheit Mit 109 Abbildungen

1 23

Dr. med. Astrid Maritzen Medizinischer Dienst Krankenversicherung Westfalen-Lippe Gelsenkirchen

Dipl.-Ing. Norbert Kamps Beratender Ingenieur für Hilfsmittelversorgung Xanten

ISBN-13 978-3-642-29868-4 DOI 10.1007/978-3-642-29869-1

ISBN 978-3-642-29869-1 (eBook)

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Planung: Dr. Klaus Richter, Heidelberg Projektmanagement: Hiltrud Wilbertz und Barbara Knüchel, Heidelberg Lektorat: Martina Kahl-Scholz, Möhnesee Projektkoordination: Cécile Schütze-Gaukel, Heidelberg Zeichnungen: Emil Wolfgang Hanns, Freiburg-Gundelfingen Umschlaggestaltung: deblik Berlin Fotonachweis Umschlag: © Luis Pedrosa, Getty Images / iStockphoto.com Satz: TypoStudio Tobias Schaedla, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer Medizin ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.springer.com

V

Geleitwort Blindheit und Sehbehinderung gehören mit zu den schwersten Schicksalen des Menschen. Aus diesem Grund müssen die Gesellschaft und speziell wir Augenärzte diesen beiden Phänomenen Rechnung tragen. Es gehört zu unseren Aufgaben, den sehbehinderten Patienten Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln, die es ihnen ermöglichen, trotz ihrer Behinderung am Leben und Arbeiten in unserer Gesellschaft teilhaben zu können. Das Buch von Frau Dr. med. Maritzen und Herrn Dipl.-Ing. Kamps beschreibt blinden- / sehbehindertenspezifische Kenntnisse und Fertigkeiten (z. B. Frühförderung, Rehabilitation, Braille-Schrift, vergrössernde Sehhilfen), die diesen Menschen ein Leben in unserer Gesellschaft erleichtern. Pädagogische Einrichtungen für Blinde und Sehbehinderte sind auf die Zusammenarbeit mit Augenärzten, Optikern und den Fachleuten anderer Disziplinen angewiesen, um eine optimale Versorgung mit Hilfsmitteln zu ermöglichen. Aus diesem Grund leisten die beiden Autoren einen wichtigen Beitrag dazu, unseren Verpflichtungen gegenüber den Sehbehinderten in unserer Gesellschaft nachzukommen. Da angesichts veränderter Krankheits- und Behinderungsbilder zukünftig statt von ausschließlich blinden oder sehbehinderten Menschen immer mehr von multimorbiden Patienten mit Mehrfachbehinderungen ausgegangen werden muss, werden die Komplexität der Aufgaben und damit die Anforderungen an unsere Gesellschaft weiter zunehmen. Vor diesem Hintergrund sind die Anstrengungen, die beide Autoren auf sich genommen haben, vorbildlich, und man darf dem Buch eine weite Verbreitung wünschen. Essen, im März 2012 Prof. Dr. K.-P. Steuhl

VII

Vorwort Therapeutisch nicht beeinflussbare Sehbeeinträchtigungen sind nicht erst seit der Einführung des Begriffes »low vision« in den deutschen Sprachraum existent und haben einen einschneidenden Einfluss auf die gesamte Lebensgestaltung der Betroffenen und ihres Umfeldes. Durch die gesteigerte Aufmerksamkeit und Aufgeschlossenheit gegenüber Seheinschränkungen in der Bevölkerung und dem (früheren, sowie aktuellen) Engagement von Interessengruppen, Verbänden, Institutionen und Einrichtungen unterschiedlicher Professionen, ist es zu verdanken, dass die soziale und berufliche Integration sehgeschädigter und blinder Menschen auf der Basis vielfältiger rehabilitativer Maßnahmen stetig zunimmt. Im Mittelpunkt stehen dabei eine effiziente Hilfsmittelversorgung, aber auch das angepasste Verändern bisheriger Lebens- und Verhaltensmuster, sowie von Umweltbedingungen, u.a. durch das Erlernen spezieller Techniken und Vorgehensweisen. Insbesondere eine bedürfnisangepasste Versorgung unter Beachtung von Kontextfaktoren, kann die individuelle Lebensqualität des Einzelnen und seiner sozialen Umgebung erfolgreich verbessern helfen. Dabei stellt häufig nur eine interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen den Schlüssel des Erfolges dar.

»Die Wittenberger Altstadt-zum Fühlen, Sehen und Begreifen«. Das auf dem Markt befindliche Altstadtmodell der Lutherstadt Wittenberg als ein aus Bronze auf Sandsteinsockel (1,90 x 1,30 m) geschaffenes Tastobjekt von Egbert Broerken weist Beschriftungen auch in Braille auf und ist ein Beispiel für die gelungene Teilhabe stark sehbehinderter und blinder Personen an geschichtlichem und kulturellem Leben.

VIII

Vorwort

Dieses Buch ist als umfassender Überblick über theoretische und praktische Grundlagen der hilfsmittelgestützten Rehabilitation von Sehbehinderung und Blindheit Betroffener gedacht, und das mit Praxisnähe zur berufsübergreifenden Nutzung. Durch die unterschiedlichen beruflichen Erfahrungen der beiden Autoren, ist eine umfassende und sich ergänzende Betrachtungsweise möglich geworden. Die Problematik der Anpassung wird von der medizinischen und optischen Seite, sowie der Fragen, die in der täglichen Praxis bei den Kostenträgern und ihres Gutachterdienstes auftreten, mit dem Ziel betrachtet, einen praxisorientierten Leitfaden zu bieten. Durch das Buchprojekt sensibilisiert, sind die Autoren auf positive Beispiele für die Teilhabe sehbehinderter und blinder Menschen in ihren Heimatstädten (u.a. bronzenes Stadtmodell der Lutherstadt Wittenberg – siehe Foto –, akustische Führung im Archäologischen Park Xanten mit Originalfunden zum Anfassen, Botanischer Garten des Gruga-Parks in Essen mit Rundgang mit Blindenleitsystem sowie Beschriftungen in Braille und Stationen mit Hörsäulen) aufmerksam geworden, die hier nur stellvertretend für ähnliche Projekte anderer Städte und Gemeinden sowie Institutionen erwähnt werden und Ideen für zukünftige Projekte wecken sollen. Unser besonderer Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der das Buchprojekt unterstützenden Firmen, ohne welche die bildhafte Untermauerung der praxisbezogenen Aspekte nicht möglich gewesen wäre: A. Schweizer Optik GmbH, Carl Zeiss Vision GmbH, Optelec GmbH, Papenmeier GmbH & Co. KG, sowie Reinecker-Reha-Technik GmbH. Wertvolle Hinweise und Tipps erhielten wir auch durch die Herren Andreas und Walter Hurraß, daher gilt ein besonderer Dank auch ihnen für die stets konstruktive Zusammenarbeit. An dieser Stelle bedanken wir uns zudem bei den Mitarbeitern des Springer-Verlages, die uns in vielfältiger Weise unterstützt haben. Nicht zuletzt gilt ein ganz besonderer Dank aber auch unseren Familien, die mit viel Geduld wohl die größte Unterstützung geboten haben. Essen und Xanten, im Herbst 2012 Astrid Maritzen und Norbert Kamps

IX

Inhaltsverzeichnis 1

Allgemeine Einführung in die Thematik . 1

4.2.2

2

Medizinische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 5

4.2.3

2.1

Anatomie des Auges und Physiologie des Sehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Tiefenschärfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Fotorezeptoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Reizweiterleitung (Sehbahn) . . . . . . . . . . . . . . . 7 Rezeptive Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Räumliche Summation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Sehschärfe und Auflösungsvermögen . . . . . . 8 Die Sehschärfe beeinflussende Faktoren . . 11 Lesefähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Gesichtsfeld und Einfluss auf Lese- und Orientierungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Spezielle Gesichtsfeldausfälle und ihre funktionellen Auswirkungen . . . . . . . . . . . . 16 Lesefähigkeit bei Gesichtsfeldausfällen . . . 22 Rehabilitation von (homonymen) Gesichtsfelddefekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Bestimmung der Fähigkeitsstörungen . . . 24 Klinische Untersuchung und allgemeine Anpasspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.2 2.2.1 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.5 2.5.1

4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.2.7 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3

4.3.4 4.3.5 4.3.6

3

Pathophysiologische Aspekte typischer Krankheitsbilder und Grundsätze zum Behinderungsausgleich . . . . 29

3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.1.7 3.1.8

Spezielle Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . Altersabhängige Makuladegeneration . . . Glaukom / Retinopathia pigmentosa . . . . . Makuladystrophien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Optikusatrophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diabetische Makulo- und Retinopathie . . . Amblyopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trübung der brechenden Medien . . . . . . . . Netzhautablösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

Teilhabe und berufliche/medizinische Rehabilitation von Menschen mit Sehbehinderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

4.1 4.2 4.2.1

30 31 31 32 32 33 33 33 34

ICF und Teilhabe von Menschen mit Sehbehinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Sehbehinderung im Alltag . . . . . . . . . . . . . . . 40 Einschränkungen in der Sicherheit . . . . . . . 41

Einschränkungen bei der Mobilität und der Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einschränkungen bei der Informationsaufnahme und der Kommunikation . . . . . . Einschränkungen bei der körperlichen Hygiene und beim Kleiden . . . . . . . . . . . . . . Einschränkungen bei der Nahrungszubereitung und Aufnahme . . . . . . . . . . . . . Einschränkungen in der Wohnung und bei der Haushaltsführung . . . . . . . . . . . . . . . . Einschränkungen bei körperlichen Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berufliche/medizinische Rehabilitation Sehgeschädigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsrechtliche Grundsätze . . . . . . . . . . (Hilfsmittelgestützte) Medizinische Rehabilitation im stationären Bereich . . . . (Hilfsmittelgestützte) Medizinische Rehabilitation im privaten und häuslichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frührehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hilfsmittel in der Schule, Ausbildung und im Studium (schulische Rehabilitation) . . . Hilfsmittel im Berufsleben und am Arbeitsplatz (berufliche Rehabilitation) . . .

42 42 43 43 43 43 44 45 46

47 64 68 70

5

Allgemeine Maßnahmen und Hilfsmittel bei Sehbehinderung . . . . . . . 75

5.1 5.2 5.3

Vergrößerung durch Annäherung . . . . . . . . Großdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fernsehen (TV-Sehen) als Weg der Informationsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . Großbildlupe als Hilfsmittel der GKV? . . . . Mehraufwand für Audiodeskription als Hilfsmittel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Licht als Hilfsmittel in der Low-VisionVersorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Charakterisierung des Lichts in der Low-Vision Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beleuchtung im Nahbereich . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Raumbeleuchtung und -gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . Lichtschutzgläser und Kantenfilter . . . . . . .

5.3.1 5.3.2 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.5

76 77 79 79 80 80 81 82 85 86 86

X

Inhaltsverzeichnis

5.5.1

Wirkungsweise und Ausführungen von Lichtschutzgläsern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Leistungsrechtliche Bewertung von Lichtschutzgläsern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Wirkweise und Ausführungen von Kantenfiltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Lichtschutzfassung und Seitenschutz . . . . 92 Leistungsrechtliche Bewertung von Kantenfiltergläsern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Hilfen im Alltag und Haushalt . . . . . . . . . . . . 94 Uhren und Wecker für sehbehinderte und blinde Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Einkaufen und Kennzeichnung von Produkten in der hauswirtschaftlichen Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Farberkennungsgeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Sonstige elektronische und nichtelektronische Hilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Lebenspraktische Fertigkeiten . . . . . . . . . . 102 Leistungsrechtliche Bewertung der LPF . . 104

5.5.2 5.5.3 5.5.4 5.5.5 5.6 5.6.1 5.6.2

5.6.3 5.6.4 5.7 5.7.1

6

Optische Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . 107

6.1 6.1.1 6.1.2

Lupen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergrößerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Equivalent Viewing Distance und Equivalent Viewing Power . . . . . . . . . . . . . . Grundsätzliche Zusammenhänge zwischen Vergrößerung und anderen Parametern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geometrischer Linsenaufbau und Abbildungsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Material der Linsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bedeutung des Lichtes . . . . . . . . . . . . . Spezielle Lupenarten und ihre Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lesepult als Adaptationshilfe . . . . . . . . . . . Mon- und binokulare Umsetzung verstärkter Nahadditionen (Hyperokulare, Lupengläser) . . . . . . . . . . . . Mon-und binokulare Umsetzung verstärkter Nahadditionen über Einstärkenlinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsetzung verstärkter Nahadditionen über eine Mehrstärkenlinse . . . . . . . . . . . . . Fernrohrsysteme (Galilei, Kepler) . . . . . . . . Optische und technische Grundlagen . . . Galilei-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kepler-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6.1.3

6.1.4 6.1.5 6.1.6 6.1.7 6.1.8 6.2

6.2.1

6.2.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3

108 108 110

7

Elektronische vergrößernde Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

7.1 7.2 7.2.1

Elektronische Lupen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildschirmlesegeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau und Eigenschaften von Bildschirmlesegeräten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lösungen für besondere Sehaufgaben . . Leistungsrechtliche Bewertung von Bildschirmlesegeräten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hard- und Software bei Sehbehinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergrößerungssoftware . . . . . . . . . . . . . . . . . Großschrifttastaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergrößerungssoftware und Großschrifttastaturen als Leistung der GKV . . . . . . . . .

7.2.2 7.2.3 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3

152 157 158 163 166 168 168 170 171

8

Blindenhilfen zum Lesen und Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

8.1 8.2 8.2.1

Brailleschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schreibhilfen für Blinde . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsrechtliche Bewertung von Schreibhilfen für Blinde . . . . . . . . . . . . . . . . . Geräte zur Informationsgewinnung . . . . . Geschlossene Vorlesesysteme . . . . . . . . . . . Offene Vorlesesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . Adaption herkömmlicher Computer . . . . Spezielle Organizer und Computer für Blinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsrechtliche Bewertung von Geräten zur Informationsgewinnung . . . . DAISY-Player . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsrechtliche Bewertung von DAISY-Playern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.3.4

174 176 179 180 181 184 185 190

110

8.3.5

111 113 113

8.4 8.4.1

114 123

9

Hilfsmittel zur Orientierung und Mobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

9.1 9.1.1 9.2 9.3

Der Blindenlangstock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stocktechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektronische Hindernismelder . . . . . . . . . Elektronische Orientierungshilfen für Blinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsrechtliche Bewertung von elektronischen Orientierungshilfen . . . . . Mobilitätstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsrechtliche Bewertung zum Orientierungs- und Mobilitätstraining . . . Blindenführhunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsrechtliche Bewertung . . . . . . . . .

125

126

9.3.1

129 132 134 136 144

9.4 9.4.1 9.5 9.5.1

192 199 200

202 206 207 208 209 212 216 221 224

XI Inhaltsverzeichnis

Service-Teil Quellennachweis Abbildungen . . . . . . . . . . . . . 229 Nützliche Internetadressen auf einen Blick . . 231 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

1

Allgemeine Einführung in die Thematik

A. Maritzen, N. Kamps, Rehabilitation bei Sehbehinderung und Blindheit, DOI 10.1007/978-3-642-29869-1_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

2

1

Kapitel 1 · Allgemeine Einführung in die Thematik

Aufgrund unserer demographischen Entwicklung, der damit verbundenen kontinuierlichen Entwicklung von Risikofaktoren und nicht zuletzt der Zunahme krankheitsbedingter Defizite ist die Anzahl der Personen, die an Sehstörungen und deren Folgen leiden, deutlich gestiegen. So erblinden in Deutschland pro Jahr etwa 10.000 Personen (12,3 Personen pro 100.000 Einwohner). Laut einem Report der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 2004 ist in den entwickelten Ländern ein »moderater« Anstieg von Erblindungen um 9 % und ein erheblicher Anstieg von Sehbehinderungen um 80 % im Vergleich zwischen 1990 und 2002 aufgetreten. Gemäß dieser Angaben der WHO ist für den Stand 2002 von ca. 1,2 Millionen Menschen mit einer Sehbehinderung oder Erblindung in Deutschland auszugehen (Bertram 2005). Erworbene oder kongenitale Sehbehinderungen weisen für die Betroffenen oft ein hohes Störpotential auf, u. a. wegen der daraus entstehenden Isolierung und Verarmung an sozialen Kontakten und der ggf. behinderten Eigenständigkeit und Mobilität sowie des Verlustes, sich selbst unbeeinträchtigt zu informieren. Häufig stellen diese Seheinschränkungen zudem eine nicht unbedeutende Behinderung für andere therapeutische oder rehabilitative Maßnahmen z. B. bei Multimorbidität dar. Aus diesem Grund ist die Rehabilitation sehgeschädigter Kinder und Erwachsener unabhängig von der Genese so bedeutsam und gleichzeitig so vielschichtig. Abhängig von der Art der vorliegenden Erkrankung, deren individueller Ausprägung, der begleitenden Kontextfaktoren (z. B. Komorbiditäten wie Hörbeeinträchtigungen und Bewegungseinschränkungen) und insbesondere der Motivation und der Lebensumstände des Sehbehinderten (z. B. Leseverhalten), kann eine Versorgung gut oder ggf. auch nur in Teilbereichen, bzw. unzureichend (z. B. Versorgung für Ferne, Nähe oder für Mobilität) möglich sein und im Einzelfall sogar scheitern. Um den unterschiedlichen Anforderungen des täglichen Lebens gerecht zu werden, sind in der Regel mehrere Sehhilfen notwendig, wobei die Wiederherstellung des Lesevermögens zur Informati-

onsgewinnung als ein im Grundgesetz verankertes Grundbedürfnis des täglichen Lebens im Mittelpunkt einer jeden Anpassung mit vergrößernden Sehhilfen steht. > Es gibt keine Sehhilfe für alle Bedürfnisse!

In Zeiten der elektronischen Medien/des elektronischen Medienbooms wird nicht selten von Betroffenen oder Angehörigen eine elegante elektronische Versorgung beim Kostenträger beantragt (z. B. elektronische Lupe). Das darf im Einzelfall jedoch nicht ausschließen, dass ein individueller Abgleich/ eine individuelle Überprüfung der Bedürfnisse des zu Versorgenden mit den durch das Defizit vorgegebenen Bedingungen erfolgt, um eine nutzbringende und gleichzeitig wirtschaftliche Versorgung zu erreichen. Oft ist eine »einfache« optische Lösung im Einsatz praktikabler und zielführender und nicht zuletzt auch wirtschaftlicher. Andererseits bietet der technische Fortschritt sehbehinderten Personen heute einen nicht unerheblich verbesserten Zugang zu Wissen und Informationen und damit eine sich stetig verbessernde Lebensqualität, sodass es auch im Einzelfall diesen zu nutzen gilt. Unabhängig davon steht jedoch die Frage im Vordergrund, welche Versorgung für eine sehgeschädigte Person im Einzelfall zur Erfüllung ihrer individuellen Bedürfnisse/Erfordernisse mit den die Versorgungsmöglichkeiten eingrenzenden krankheitsbedingten Gegebenheiten möglich ist, und erst nachrangig ist die Frage der Wirtschaftlichkeit zu klären. > »Lesen wie früher« wird in der Regel nicht mehr möglich sein.

Nach vorangegangenem klärendem Gespräch bezüglich der Anforderungen des Sehbehinderten im täglichen Leben und dem sich daraus ergebenen Versorgungsbedarf erfolgt auf der Basis der erhobenen klinischen augenärztlichen Untersuchungsbefunde eine Erprobung der zur Auswahl stehenden Sehhilfen. Dabei sollte die Testung aller prinzipiell in Frage kommender Hilfsmittel über einen ausreichend langen Zeitraum erfolgen, um bei der Verordnung sicherzustellen, dass diese nicht nur den individuellen Anforderungen entsprechen, sondern auch ausreichend beherrscht und damit genutzt werden.

3 Kapitel 1 · Allgemeine Einführung in die Thematik

> Jede verordnete Sehhilfe muss dem individuell ermittelten Vergrößerungsbedarf, welcher sich aus dem maximalen Sehvermögen, dem zur Verfügung stehenden Gesichtsfeld den individuellen Bedürfnissen sowie den Textvorgaben (z. B. beim Lesen) ergibt, entsprechen. Das Hilfsmittel muss in seiner Anwendung durch den Leistungserbringer ausreichend geschult sein, sodass die Nutzung beherrscht wird und gegenüber dem Kostenträger (meist der Krankenkasse) begründbar ist.

Aber auch eine Versorgung mit Blindenhilfen zum Erhalt der Mobilität und damit der Selbstständigkeit (z. B. Blindenlangstock oder Leitgeräte) gehört zum Versorgungsumfang der Krankenkassen und ist sinngemäß in der fortlaufend weiter entwickelten Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens enthalten. Jeder augenärztliche Verordner muss demzufolge die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen solcher Hilfsmittel kennen, um seine Patienten gezielt beraten und eine entsprechende Verordnung vornehmen zu können. Darüber hinaus existiert eine Vielzahl an Produkten, die u.a. das selbstständige Wohnen und das tägliche Leben erleichtern und für welche die Krankenkasse nicht in der Versorgungspflicht steht (z. B. Gegenstände des täglichen Lebens). Auch für diesen Bereich finden sich nachfolgend entsprechende Hinweise und Empfehlungen, um Betroffene, deren Angehörige, behandelnde Ärzte sowie Leistungserbringer zu informieren und somit einen optimalen Ausgleich bzw. eine optimale Kompensation des jeweils vorhandenen Handicaps in Bezug auf die individuellen Bedürfnisse zu ermöglichen. In Kürze Neben der Kenntnis, welche Hilfsmittel für welchen Einsatz zum Behinderungsausgleich im Einzelfall in Frage kommen, soll im nachfolgenden Inhalt insbesondere auch die Frage der Zuständigkeit bzgl. der Kostenübernahme vermittelt werden.

1

2

Medizinische Grundlagen

2.1

Anatomie des Auges und Physiologie des Sehens – 6

2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5

Tiefenschärfe – 6 Fotorezeptoren – 6 Reizweiterleitung (Sehbahn) – 7 Rezeptive Felder – 7 Räumliche Summation – 8

2.2

Sehschärfe und Auflösungsvermögen – 8

2.2.1

Die Sehschärfe beeinflussende Faktoren

2.3

Lesefähigkeit – 12

2.4

Gesichtsfeld und Einfluss auf Lese- und Orientierungsfähigkeit

2.4.1 2.4.2 2.4.3

Spezielle Gesichtsfeldausfälle und ihre funktionellen Auswirkungen Lesefähigkeit bei Gesichtsfeldausfällen – 22 Rehabilitation von (homonymen) Gesichtsfelddefekten – 23

2.5

Bestimmung der Fähigkeitsstörungen

2.5.1

Klinische Untersuchung und allgemeine Anpasspraxis

– 11

– 24 – 25

A. Maritzen, N. Kamps, Rehabilitation bei Sehbehinderung und Blindheit, DOI 10.1007/978-3-642-29869-1_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

– 16

– 14

6

2

Kapitel 2 · Medizinische Grundlagen

Um rehabilitative Maßnahmen und insbesondere eine zielführende Versorgung mit vergrößernden Sehhilfen oder Blindenhilfen vornehmen zu können, sind Kenntnisse über spezifische Funktionseinschränkungen mit ihren Ursachen und Auswirkungen notwendig, um diese regelrecht kompensieren zu können. Daher sind nachfolgend die in diesem Zusammenhang einflussnehmenden Faktoren erläutert.

Ferne gespannt, der Linsenquerschnitt verringert sich durch ihre Abflachung und die Brechkraft ist geringer. Bei der Nahakkommodation sind die Zonulafasern durch das Anspannen des Ziliarmuskels entspannt, die Linse nimmt aufgrund ihrer Eigenelastizität (Spannung) ihre entspannte kugeligere Form an und die Brechkraft verstärkt sich.

2.1.2 2.1

Anatomie des Auges und Physiologie des Sehens

Das Auge stellt ein mit transparenten Medien unterschiedlicher Brechkraft gefülltes, kugeliges, paariges Sinnesorgan dar, welches Licht unterschiedlicher Wellenlänge (ca. 350 -750 nm) über bio-fotochemische in bio-elektrische Impulse umwandelt und so die Verarbeitung der Informationen in der okzipitalen Großhirnrinde (Sehzentrum) ermöglicht. Bevor die elektromagnetischen Wellen des Lichts auf die sensorischen bzw. rezeptorischen Anteile des Auges (Retina) auftreffen, werden sie nach Durchtritt durch die optisch brechenden Medien (u. a. Brechkraft der Hornhaut ca. 43 dpt; der Linse ca. 16 dpt) gebündelt. Die Menge des einfallenden Lichts wird dabei durch die Pupillenweite über die ringförmig bzw. radiär verlaufende glatte Muskulatur der Iris (M. sphincter et dilatator pupillae) gesteuert. Der M. sphincter pupillae bewirkt eine Miosis über die cholinerge Innervation durch den N. oculomotorius, wohingegen die Mydriasis über den Halssympathikus adrenerg durch den M. dilatator pupillae gesteuert wird. Über den Pupillarreflex ist eine schnelle Anpassung der Pupillenweite an sich plötzlich ändernde Helligkeitswechsel möglich.

2.1.1

Tiefenschärfe

Die Regulierung der Tiefenschärfe der Bildwahrnehmung erfolgt über die Akkommodation, d. h. die Fähigkeit der Linse, aufgrund ihrer Elastizität ihre Wölbung und damit ihre Brechungseigenschaften zu variieren. Die Zonulafasern, der Aufhängeapparat der Linse, sind beim Sehen in der

Fotorezeptoren

In der äußersten Netzhautschicht befinden sich die Fotorezeptoren (ca. 3,2–6,5 Mio. Zapfen und ca. 60125 Mio. Stäbchen), welche für das fotopische oder Tagessehen bzw. für das skotopische oder Dämmerungssehen verantwortlich sind. Diese Rezeptoren (Stäbchen und Zapfen) weisen als Lichtsinneszellen der Netzhaut ein unterschiedliches Absorptionsmaximum des Lichtes auf, wodurch sich ihre unterschiedliche Sehqualität erklärt. Im zentralsten Netzhautareal mit einem Durchmesser von 0,25 bis 0,5 mm befinden sich ausschließlich Zapfen, wobei sich wiederum ihre höchste Dichte in der Foveola befindet. Außerhalb der Fovea centralis (ca. 5° oder 1,5 mm Durchmesser) nimmt die Zahl und die Verteilungsdichte der Zapfen zur Peripherie hin deutlich ab. Die Zapfen sind nur bei ausreichender Beleuchtung aktiv, sie ermöglichen daher über ein hohes räumliches Auflösungsvermögen scharfes Sehen und das Sehen von Einzelheiten am Tage.

Zapfen Die in der menschlichen Retina existierenden drei Arten von Zapfen weisen unterschiedliche Absorptionsspektren für Licht auf (maximal blauempfindliche Zapfen mit höchster Absorption bei 450 nm, maximal grünempfindliche Zapfen mit höchster Absorption bei 525 nm, maximal rotempfindliche Zapfen mit höchster Absorption bei 555 nm), was die Voraussetzung zur Wahrnehmung verschiedener Farben darstellt. Als sog. Trichromat ist gemäß der Farbenlehre somit jeder Farbtüchtige in der Lage, aus den drei Grundfarben seine Farbwahrnehmung zu mischen.

Stäbchen Außerhalb der Fovea centralis nimmt die Anzahl der Stäbchen in Richtung der peripheren Anteile