REFERAT: Interessenvertretung beim Bund Wie macht das der Kanton Bern?

REFERAT: Interessenvertretung beim Bund – Wie macht das der Kanton Bern? Referent/in Frau Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer Thema/Anlass SPAG-W...
Author: Hede Heinrich
2 downloads 0 Views 38KB Size
REFERAT: Interessenvertretung beim Bund – Wie macht das der Kanton Bern?

Referent/in

Frau Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer

Thema/Anlass

SPAG-Weiterbildungsveranstaltung 2013

Datum

Donnerstag, 24. Januar 2013, 16.30 Uhr

Ort

Interlaken, Lindner Grand Hotel Beau Rivage, Höheweg 211 Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Damen und Herren Liebe Mit-Lobbyisten Als Regierungsrätin erhalte ich jeweils immer sehr viele Referatsanfragen und habe natürlich auch sehr viele Auftritte. Dabei gibt es solche, wo ich sehr gerne und mit Freuden gehe, und es gibt natürlich auch solche, wo ich als Regierungsvertreterin einfach gehen muss, Pflichtanlässe halt, wie sie die Agenda von jedem Politiker und jeder Politikerin füllen. Ihre Anfrage für ein Referat hat mich überrascht und auch neugierig gemacht. Überrascht war ich, dass sie beim Thema Interessensvertretung der Kantone – oder halt etwas direkter Lobbying – gerade an mich denken. Ich gebe zu, ich fühle mich etwas geehrt. Geschmunzelt habe ich, dass Sie als Berufslobbyisten mich an Ihre Weiterbildung einladen. Ich hoffe nicht, dass Sie von mir Tipps und Tricks für ein noch effektiveres Lobbying in Bundesbern erwarten. Glauben Sie mir, wenn ich dazu ein Patentrezept hätte, würde ich es Ihnen nicht verraten. So oder so hat mich aber Ihre Einladung interessiert und ich habe mich gefreut auf diesen Anlass so quasi unter uns Lobbyistinnen und Lobbyisten. Ich danke Ihnen für Ihre Einladung und heisse Sie ganz herzlich willkommen, hier im Kanton Bern. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitlobbyisten, machen wir uns nichts vor: Lobbyisten haben einen schlechten Ruf. Und dieser wird auch nicht besser mit anderen Umschreibungen wie Verantwortlicher Public Affairs oder Interessensvertreter. Gemäss den üblichen Vorstellungen sind Lobbyisten geheime, unbekannte Einflüsterer, welche in den Vorzimmern der Macht verkehren und mit allen Mitteln versuchen, Politikerinnen und Politiker zu beeinflussen. Lobbyisten sind diffus, intransparent und agieren hinter den Kulissen. Die Zeitungen schreiben von der Atomlobby, von der Pharmalobby oder von der Ökolobby. Und alle diese Begriffe sind in der Regel medial negativ besetzt. Bekannt sind unzählige Geschichten und Anekdoten: Zum Beispiel vom Naturschutz-Lobbyisten (Callus Cadenau), welcher mit Detailzahlen Parlamentarierinnen und Parlamentarier derart bedrängt, dass diese schon fast panikartig das Weite suchen – notfalls halt auch mal auf die Toilette, wenn er in der Wandelhalle auftaucht. Spannend ist auch immer die Liste, welcher Parlamentarier welchem Lobbyisten Zugang zum Bundeshaus verschafft. Die Altständerätin (Erika Forster), welche ihrem Ehemann und Präsidenten eines nicht unwichtigen Wirtschaftsverbandes (Ueli Forster, economiesuisse) unter der Kategorie Familie einen der begehrten Bundeshauspässe überlässt. Oder auch der überaus bekannte SVP-Nationalrat (Christoph Blocher), welcher einen seiner beiden Zutrittspässe einem nicht viel weniger bekannten Alt-Rocker (Chris von Rohr) gibt. Sie gehen mit mir einig: Das wirft Fragen auf! Fragen, die zeigen: Lobbying ist in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt, hat etwas Geheimes wenn nicht gar Unheimliches an sich und ist deshalb prima vista verdächtig, wenn nicht gar gefährlich.

H:\mrao\DOCP-#343351-v3A-20130124_SPAG_Tagung.DOC

Seite 1 von 5

Ich persönlich habe eine viel unverkrampftere Haltung zum Lobbying. Lobbyarbeit ist ein zentraler Bestandteil jeder politischen Arbeit. Mein Verständnis von Politik ist es, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger und damit der Öffentlichkeit möglichst gut zu vertreten. Und das ist eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe. Als Regierungsrätin des Kantons Bern bin ich von der Berner Bevölkerung gewählt. Entsprechend ist es meine Aufgabe als Politikerin deren Interessen zu vertreten, auch gegenüber dem Bund. Der Berufsstand des Lobbyisten ist mir übrigens auch deshalb weder ganz unbekannt noch völlig unsympathisch, weil er doch gewisse Ähnlichkeiten hat mit meinem ursprünglichen Beruf der Rechtsanwältin. Sowohl der Lobbyist, wie auch die Rechtsanwältin sind Fürsprecher von anderen Leuten. Sie müssen sich sehr gut in die Anliegen ihrer Auftraggeber oder Mandanten eindenken und einfühlen und dann mit ausgeprägtem Fachwissen, viel Engagement und Einsatz bestmöglich für deren Interessen einstehen und kämpfen. Damit komme ich zum Inhalt meines Vortrags. Wie der Kanton als Ganzes seine Interessenspolitik offiziell organisiert hat, werden Sie morgen von Thomas Moser, unserem Delegierten für Aussenbeziehungen, erfahren. Ich selber werde Ihnen heute eine politischere und auch persönlichere Sicht aufzeigen. Ich werde Ihnen aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen aufzeigen, wie der Kanton Bern oder meine Direktion auf politischer Ebene gegenüber dem Bund Anliegen und Projekte vertritt und wie wir zum Erfolg kommen. Gerade bei der Bahnfinanzierung, beim Agglomerationsverkehr, beim Hochwasserschutz oder auch bei der Energiepolitik konnten wir in den vergangenen Jahren wichtige Erfolge beim Bund verzeichnen. Gestützt auf diese Erfahrungen werde ich Ihnen drei Erfolgsfaktoren präsentieren und im Anschluss an mein Referat zur Diskussion stellen. Was braucht es also, damit der Kanton Bern seine Interessen wirksam vertreten kann?

Der erste und auch wichtigste Erfolgsfaktor sind glaubhafte und gut begründete Anliegen und Argumente. Sie sind der Schlüssel zum Erfolg. Lobbyarbeit ist dann erfolgreich, wenn das Anliegen gut begründet ist und die Argumente für sich selber sprechen.

Wenn wir beispielsweise Gelder für Projekte zum Schutz vor Naturgefahren wollen, kann das vor dem Hintergrund der Ereignisse der vergangenen Jahre gut begründet werden. Sie sind ja heute hier in Interlaken, im Berner Oberland. Dieses wurde in den letzten 10 Jahren –wie übrigens auch andere Kantonsteile - mehrmals von sehr grossen Hochwassern und Unwettern heimgesucht. Verwüstete Täler, zerstörte Infrastrukturen, Menschen, welche ihre Habseligkeiten verloren haben, das die Bilder, welche ich bei meinen jeweiligen Besuchen nach den Unwettern angetroffen habe. Umso unverständlicher für diese Menschen war es, dass der Bund beim Hochwasserschutz gerade in diesen Jahren massiv sparen wollte. Das war einfach nicht in Ordnung und auch nicht gerecht. Aus diesem Grund habe ich mich damals mit all meiner Kraft und ich denke auch mit der notwendigen Hartnäckigkeit beim Bund für mehr Hochwasserschutzgelder eingesetzt. Diese Gelder waren einfach notwendig. Dank guten Argumenten, dank unermüdlichem Einsatz und grossem Engagement und der notwendigen Hartnäckigkeit ist es mir damals zusammen mit Verbündeten gelungen, die erforderlichen Gelder zu beschaffen. Der zuständige Vizedirektor des BAFU, er ging Ende Jahr in Pension, hat es mir übrigens noch lange gedankt und bei jeder Gelegenheit immer wieder betont, dass dank meiner HartH:\mrao\DOCP-#343351-v3A-20130124_SPAG_Tagung.DOC

Seite 2 von 5

näckigkeit heute genug Gelder für den wichtigen Schutz der Menschen vor Hochwasser vorhanden ist. Lobbying braucht also ein begründetes Anliegen, gute Argumente und viel Engagement und Einsatz. Auch im Verkehr lässt sich der Bedarf für neue Anliegen plakativ darlegen. Bei der Lobbyarbeit für den Ligerztunnel haben wir die Entscheidträger vor Ort eingeladen und ihnen bei einem Apéro und Nachtessen direkt an der heutigen Bahnstrecke, die dort fast durch Wohnzimmer fährt, die Dringlichkeit des Anliegens demonstriert. Bilder übervoller Busse, Züge und Bahnhöfe sind ebenfalls selbsterklärend. Überhaupt verrate ich Ihnen wohl kein Geheimnis, dass effektive Lobby-Arbeit neben den überzeugenden Fakten immer auch eine Prise Emotionen umfassen muss. Politik benötigt den Kopf, gleichwertig aber auch den Bauch. Es sind Emotionen oder auch Bilder, welche bei uns Menschen starke Reaktionen auslösen und weniger sachliche und nüchterne Fakten. Hinter öffentlichkeitswirksamen Anlässen steckt aber auch immer sehr viel Grundlagenarbeit. So hat der Kanton Bern mit sehr viel fachlichem Aufwand seine Agglomerationsprogramme erarbeitet. Darin wird die Notwendigkeit für neue Infrastrukturen gut begründet und hergeleitet. Entsprechend sind wir stolz, dass die Berner Agglomerationen vergleichsweise am meisten Geld pro Einwohner aus dem Infrastrukturfonds erhalten haben.

Obwohl der Kanton Bern verhältnismässig gross ist, ist für mich klar, dass es in der Regel alleine nicht geht – nur Koalitionen führen weiter. Das ist der zweite Erfolgsfaktor.

Das lässt sich anhand der noch laufenden Diskussion um die Finanzierung der Bahninfrastruktur aufzeigen. Zusammen mit den Westschweizer Kantonen und dem VöV – dem Verband für den öffentlichen Verkehr – haben wir uns gegen den Willen des Bundesrates für ein grösseres erstes Ausbaupaket stark gemacht. Beim Ständerat waren wir damit erfolgreich. Und ich bin optimistisch, dass auch der Nationalrat zustimmen wird. Die vorberatende Kommission ist letzte Woche einstimmig auf die Vorlage eingetreten. Wichtig war in diesem Zusammenhang, dass sich alle Beteiligten im Paket fanden. Das heisst, dass aus allen Regionen wichtige aber auch sinnvolle Projekte enthalten waren. Zudem ist es uns gelungen, auch Zürich und die Ostschweiz einzubinden, die ursprünglich mit anderen Vorstellungen ins Rennen stiegen.

In Zusammenhang mit den beiden Autobahnzubringern Emmental und Oberaargau, die nach unseren Vorstellungen eigentlich ins Nationalstrassennetz gehören, haben wir schmerzlich erfahren, was es heisst, alleine auf weiter Flur zu kämpfen. Zwar haben wir versucht, auf verschiedene Koalitionen zurückzugreifen. An einer Medienkonferenz hat sich beispielsweise ein Solothurner Parlamentarier für die Berner Projekte eingesetzt. Schliesslich sind wir aber mit dem Anliegen gescheitert, da es uns nicht gelungen ist, andere Kantone mit ähnlichen Anliegen mit an Bord zu holen, obwohl es H:\mrao\DOCP-#343351-v3A-20130124_SPAG_Tagung.DOC

Seite 3 von 5

diese durchaus gegeben hat. Eine Rolle spielte dabei auch, dass die nationalen Organisationen wie beispielsweise die Konferenz der Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren nicht eingebunden werden konnten. Zusammenfassend lautet deshalb der zweite Erfolgsfaktor, dass Lobbying allein und isoliert in der Regel chancenlos bleibt. Es braucht Partner und Verbündete, welche am selben Strick ziehen und gemeinsam für gemeinsame Interessen kämpfen. Mit dem Beispiel der Autobahnzubringer komme ich zu meinem dritten Erfolgsrezept: Jedes Anliegen hat seine Zeit – aber steter Tropfen höhlt den Stein. Es ist ganz schwierig in Zeiten, in denen die Mittel für den Strassenbau anerkannterweise knapp sind und das Päckchen bereits geschnürt ist, neue Elemente einzubringen. Auf der anderen Seite können interne oder externe Faktoren Prozesse unheimlich beschleunigen oder gar erst möglich machen.

Augenfälliges Beispiel sind die traurigen Ereignisse von Fukushima, welche die Wende in der Energiepolitik in der Schweiz überhaupt erst so rasch ermöglicht haben. Um solche Gelegenheiten oder Windows of Opportunity überhaupt nutzen zu können, müssen wir vorbereitet sein. Das haben wir im Kanton Bern mit unserer Energiepolitik und unserer Energiestrategie getan. Der Berner Regierungsrat hat seine Energiestrategie im 2006 verabschiedet und bereits damals den geordneten Atomausstieg aufgezeigt und eingeleitet. Schon im 2006 haben wir auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien gesetzt. Aus diesem Grund zählen wir heute in der Energiepolitik zu den Vorreitern und verfügen über eine entsprechend gute Basis für die Energiewende. Fenster können sich aber auch rasch wieder schliessen. Ich bin mir nicht sicher, ob heute mit gleicher Leichtigkeit und Konsequenz der Hebel in der Energiepolitik umgestellt werden könnte wie vor kurz nach den Ereignissen in Japan. Dort wird ja heute bereits wieder an neue AKWs gedacht.

Ein anderes Beispiel, bei dem wir auf die gute Gelegenheit warten, ist Roadpricing, also die Idee nutzungsabhängige Gebühren für Strassenbenutzer einzuführen. Fragt man die Experten, hört man unisono, dass dies das Patentrezept zur Lösung der Verkehrsprobleme wäre. Sogar die nationale FDP hat sich letzte Woche in diesem Sinne geäussert. In einem langen Prozess, den wir zusammen mit Politikern und Fachleuten in der Region Bern durchlaufen haben, konnten wir zeigen, dass Roadpricing für die Region Bern durchaus erfolgversprechend wäre. Mit einer Gebühr von nur fünf Franken pro Tag und Auto, könnten ohne nennenswerte Nebeneffekte die Staus morgens und abends auf den Hauptachsen der Agglomeration Bern deutlich reduziert werden. Insgesamt würde der Autoverkehr um 15 bis 20 Prozent abnehmen. Gleichzeitig könnten Einnahmen in der Höhe von etwa 200 Millionen Franken erzielt werden, die beispielsweise für den Bau und Unterhalt neuer Verkehrsanlagen eingesetzt werden könnten.

H:\mrao\DOCP-#343351-v3A-20130124_SPAG_Tagung.DOC

Seite 4 von 5

Zusammen mit der Stadt und Region Bern und auch mit dem Städteverband und mit parlamentarischen Vorstössen haben wir uns auf Bundesebene, wo zuerst Gesetzesänderungen nötig waren, für ein Roadpricing eingesetzt. Bisher leider noch ohne Erfolg. Der Zeitpunkt war jedoch noch nicht der richtige, da auf Bundesebene die Diskussionen über die Verkehrsfinanzierung noch auf anderer Ebene am laufen sind. Ich bin aber überzeugt, dass auch der Bund früher oder später auf das Thema zurückkommen wird. Zu offensichtlich ist, dass sich die Ausbauwünsche von Bund und Kantonen mit den vorhandenen Mitteln nicht finanzieren lassen. Auch hier müssen wir am Thema dran bleiben, denn wie gesagt, steter Tropfen höhlt den Stein – bis die Gelegenheit kommt.

Lassen Sie mich zum Schluss nochmals die drei Erfolgsfaktoren zusammenfassen: Erstens: Glaubhafte und gut begründete Anliegen und Argumente sind der Schlüssel zum Erfolg. Zweitens: Alleine geht’s nicht– nur Koalitionen führen weiter. Drittens: Jedes Anliegen hat seine Zeit – aber steter Tropfen höhlt den Stein. Wie bei jedem Kochrezept spielen aber bei der Lobbyarbeit viele weiche Faktoren eine Rolle. Eine Prise vom richtigen Gewürz zum richtigen Zeitpunkt kann den entscheidenden Akzent setzen; zu viel von einem andern Kraut kann das ganze Essen verderben. Ganz wichtig ist bei der Lobbyarbeit ein gutes Netzwerk, das regelmässig gepflegt wird und zum richtigen Zeitpunkt aktiviert werden kann. Dazu gehören Kontakte zu Politik und Verwaltung auf nationaler Ebene aber auch zur Wirtschaft und zu den verschiedenen Interessenorganisationen. Das Netzwerk ist zwar tragfähig, darf aber nicht zu stark belastet werden. Einzelne Akteure können, wenn sie zuviel und zu verschiedensten Themen auftreten, schnell verbraucht sein und nicht mehr glaubwürdig wirken. Entsprechend ist es wichtig, die richtigen Personen zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Ort zu schicken, um mit den richtigen Leuten Gespräche zu führen. Dabei muss man als Politikerin manchmal auch zurückstehen können. Sie wissen nun, welche Faktoren aus meiner Sicht für eine gute Interessenvertretung notwendig sind. Gerne stehe ich Ihnen nun für Fragen zur Verfügung. Und es nähme mich natürlich wunder, ob Sie als professionelle Lobbyisten weitere Pfeile im Köcher haben, die der Kanton Bern in Zukunft für eine erfolgreiche Interessenvertretung verwenden könnte.

H:\mrao\DOCP-#343351-v3A-20130124_SPAG_Tagung.DOC

Seite 5 von 5