Real Estate & Public. April 2016

Real Estate & Public April 2016 Inhalt 5 | Editorial Immobilien- und Mietrecht 6 7 8 9 10 11 12 13 14 | | | | | | | | | Weitere Konkretisierung ...
Author: Hedwig Schulz
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Real Estate & Public April 2016

Inhalt 5 | Editorial Immobilien- und Mietrecht 6 7 8 9 10 11 12 13 14

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Weitere Konkretisierung der Anforderungen an die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform Kein Ausschluss von Mängelrechten durch vorbehaltlose Ausübung einer Verlängerungsoption? Abgrenzung von Betriebsund Offenhaltungspflicht im Gewerberaummietvertrag Schriftformkündigung bei mündlicher Vereinbarung der Nutzung von Außenflächen Gewährleistungsausschluss trotz Arglist des Mitverkäufers wirksam? Berechtigt eine unerlaubte Untervermietung stets zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages? Ausübung eines gemeindlichen Wiederkaufsrechts nach 20 Jahren möglich? Vertretung einer geschlossenen Investment-KG Grundstückskauf: Pflicht der Gemeinde zur Bebauungsplanänderung als aufschiebende Bedingung?

Privates Baurecht 16 17 18 19 21 22 23

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Muss sich der Auftraggeber eine bereits vom Werklohn abgezogene Vertragsstrafe vorbehalten? AGB-Klausel zu vorbehaltenen Massenänderungen wirksam? Wie weit reicht das Einverständnis mit der Mängelbeseitigung durch eine Fremdfirma? Zuschlag trotz Kalkulationsfehlers: Auftraggeber schuldet keinen Schadensersatz Kein verbindlicher Bauzeitenplan vereinbart: kein Anspruch wegen gestörten Bauablaufs! Bauvertrag: Umdeutung der außerordentlichen Kündigung eines Bauvertrages in eine freie Kündigung Vorformulierte Sicherheitsabrede wird abgeändert: Klausel ist „ausgehandelt“!

Architektenrecht 24 25 26 27

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Wann ist der Architekt an seine Schlussrechnung gebunden? Nachträgliche Schwarzgeldabrede: Vertrag nichtig – kein Honorar – keine Mängelansprüche! Modernisierung notwendig: Architekt muss Urheberrechtsbeeinträchtigung hinnehmen! Building Information Modeling – die Digitalisierung beim Planen und Bauen schreitet voran!

Öffentliches Bau- und Planungsrecht 28 29 30 31

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An wen ist Nutzungsuntersagung vermieteter Räume zu richten? Beschlagnahme eines privaten Grundstücks zur Bereitstellung als Flüchtlingsunterkunft Ausschluss einzelner Nutzungen im Gewerbegebiet Der Auftraggeber nimmt in Kenntnis eines Mangels vorbehaltlos ab – wie ist die Rechtslage?

Vergaberecht 32 | Nachforderung nur bei mit Angebot abzugebenden Erklärungen und Nachweisen 34 | OLG München: Alternativpositionen sind nur bei berechtigtem Interesse zulässig 35 | Bietergemeinschaft konzernverbundener Unternehmen

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Umweltrecht 36 | Einwendungsausschluss im deutschen Umweltrecht unionsrechtswidrig 38 | Das Schicksal der Dresdner Waldschlösschenbrücke Steuerrecht 39 | Umsatzsteuer: Erwerb vom Bauträger kann eine Geschäftsveräußerung im Ganzen sein 40 | Umsatzsteueroption nur im Grundstückskaufvertrag möglich Verfahrensrecht 42 43 44 45

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Grundbucheinsicht für Journalisten? Verwaltungsgericht für Anwohnerklagen gegen Flüchtlingsunterkunft zuständig Wann gilt eine Klage noch als „demnächst“ zugestellt? Fähigkeit zur Erstattung der Kosten eines vor Prozessbeginn eingeholten Gutachtens

Rechtsänderungen 46 | Das neue Vergaberecht 2016 48 | Neuregelungen in der VOB / B 48 | Neue EU-Schwellenwerte 2016 / 2017 im Vergaberecht veröffentlicht News – kurz gefasst 49 50 50 51

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Mietvertrag: Räumungs- / Rückgabeanspruch des Vermieters als Insolvenzforderung? VOB / B-Vertrag: keine Abnahmeverweigerung wegen fehlender Dokumentation Keine Regelung zum Honorar vereinbart: Projektsteuerer kann EUR 110 pro Stunde abrechnen! Säumniszuschläge entfallen rückwirkend

Impressum Das Update Real Estate & Public wird verlegt von CMS Hasche Sigle, Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB.

Verantwortlich für die fachliche Koordination: Klaus-Dieter Schick Dr. Stefan Voß

CMS Hasche Sigle Lennéstraße 7 10785 Berlin

CMS Hasche Sigle Schöttlestraße 8 70597 Stuttgart

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Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, „Die Jagd an der Börse – die Zukunftsperspektiven der deutschen Immobilien-Aktiengesellschaften“ sowie „Das Jahr der Disruptionen – oder wie die Digitalisierung die gesamte Immobilienwirtschaft verändern wird“ waren die von hochkarätigen Panellisten intensiv diskutierten Themen auf der zweiten CMS-RealEstate-Investorenkonferenz Ende Februar in Frankfurt. Ist es möglich, mit Gewerbeimmobilien-Portfolien an der Börse ähnliche Wertsteigerungen zu generieren, wie es zuletzt den großen Wohnimmobilien-AGs gelungen ist? Ist die Immobilie möglicherweise künftig nur noch Plattform, um ganz andere Leistungen einer neu gestalteten Wertschöpfungskette zu verkaufen und hängen neue „PropTechs“ die „alte“ Immobilienwirtschaft dabei ab? Schon diese Themen versprechen, dass es auch 2016 in der Immobilienwirtschaft spannend bleibt. CMS wird alle neuen Entwicklungen – wie immer – in vorderster Linie begleiten.

Wir konnten das neue Jahr gleich mit verschiedenen Top-Mandaten beginnen, etwa mit der Beratung von Savills beim Erwerb von verschiedenen Objekten im Gesamtwert von rund EUR 300 Millionen, der Beratung von Luxcara beim Erwerb eines britischen Photovoltaik-Portfolios oder mit der Begleitung eines der ersten BIM-Projekte in Deutschland. In diesem Heft finden Sie erneut wesentliche Neuigkeiten aus den letzten Monaten zum Immobilienrecht, gewerblichen Mietrecht, privaten Baurecht, zum öffentlichen Bau- und Planungsrecht sowie zum Vergabe-, Umwelt- und Steuerrecht. Auch einige verfahrensrechtliche Neuigkeiten greifen wir auf. Am Ende des Heftes stellen wir Ihnen die Neuregelungen der VOB / B in einer Synopse, das neue Vergaberecht sowie die neuen vergaberechtlichen EU-Schwellenwerte vor. Sie finden also einen bunten Strauß an Themen, von denen sicher das eine oder andere auch Ihr Geschäft unmittelbar betreffen wird.

Bitte sprechen Sie uns wegen aller weiteren Fragen jederzeit an. Ihr Geschäftsbereich Real Estate & Public

Dr. Andreas Otto Geschäftsbereichsleiter

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Immobilien- und Mietrecht

Weitere Konkretisierung der Anforderungen an die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform Hintergrund Das in § 550 BGB vorgesehene Schriftformerfordernis für Miet- und Pachtverträge, die für eine längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden, dient dem Zweck, dass sich neben den Vertragsparteien auch ein möglicher Erwerber des Grundstücks, der von Gesetzes wegen mit Eigentumsübertragung in die Vermieterstellung eintritt, über den Umfang und Inhalt der auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten zuverlässig unterrichten kann. Die wesentlichen Vertragsbedingungen wie Mietgegenstand, Miete, Dauer und die Parteien müssen sich daher aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergeben. Im Falle eines Formmangels ist der geschlossene Mietvertrag ordentlich kündbar. Die Entscheidungen Ist ein Mietvertrag mündlich oder konkludent durch ein Invollzugsetzen zustande gekommen, ist das gesetzliche Schriftformerfordernis gleichwohl gewahrt, wenn eine von beiden Parteien unterzeichnete Vertragsurkunde inhaltsgleich und vollständig die vereinbarten Mietbedingungen ausweist. Dem Urteil des BGH vom 17.06. 2015 – XII ZR 98 / 13 – lag ein Fall zugrunde, in welchem die Vertragsurkunde bereits vom Vermieter unterzeichnet worden war, der Mieter jedoch, bevor er selbst unterzeichnete, inhaltliche Änderungen vornahm,

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ohne dass der Vermieter diese Version ebenfalls unterzeichnete. Formal­ juristisch gesehen lehnte der Mieter das ursprüngliche Angebot des Vermieters durch die Ergänzung der Änderungen ab und unterbreitete ihm ein neues, § 150 Abs. 2 BGB. Das neue Angebot auf Vertragsschluss wurde vom Vermieter jedoch nicht schriftformgemäß durch Unterzeichnung der Urkunde, sondern nur konkludent durch faktischen Vollzug der vertraglichen Bedingungen angenommen. In der Folgezeit lebten die Parteien den Vertrag samt den Ergänzungen. Das hält der BGH für ausreichend. In einem weiteren Urteil vom 25.11.2015 – XII ZR 114 / 14 – nahm der BGH zudem zu wesentlichen Vertragsbedingungen und -änderungen im Licht des Schriftformerfordernisses Stellung. Wird im Rahmen einer nachträglichen Vereinbarung die Miete für länger als ein Jahr und nicht jederzeit vom Vermieter widerrufbar geändert, so liegt stets eine im Sinne des § 550 BGB wesentliche Vertragsänderung vor. Zwar war in Rechtsprechung und Literatur bislang umstritten, ob auch bei unerheblichen Änderungen der Miete, wie einer Erhöhung um bspw. EUR 20 der Formzwang bestehe. Gerade die Miete sei jedoch für den möglichen Erwerber von erheblichem Interesse. Zudem könne bereits eine marginale Änderung für den Eintritt eines Zahlungsverzuges unter Umständen entscheidend sein und „das Fass zum Überlaufen bringen“. Wegen des

Gebots der Rechtssicherheit seien daher jedwede Toleranz- oder Erheblichkeitsgrenzen abzulehnen und stets ein schriftformkonformer Nachtrag zu schließen. Praxistipp Zwar besteht weiterhin die Tendenz des BGH, einen Schriftformmangel seltener zu bejahen, doch zeigt das zweite Urteil aus dem November letzten Jahres, dass auf eine stete großzügige Behandlung in Grenzfällen kein Verlass ist. Im Zweifel und insbesondere, wenn die Grundpfeiler eines Mietverhältnisses wie Vertragsdauer, Miethöhe oder Gegenstand betroffen sind, sollte daher stets eine Vertrags- oder Nachtragsurkunde von beiden Parteien unterzeichnet werden. 

Franziska Krokutsch Rechtsanwältin bei CMS in Berlin. E [email protected]

Immobilien- und Mietrecht

Kein Ausschluss von Mängelrechten durch vorbehaltlose Ausübung einer Verlängerungsoption? Hintergrund Im Anschluss an sein Urteil vom 05.11.2014 – XII ZR 15 / 12 – hat der BGH mit dem Urteil vom 14.10.2015 – XII ZR 84 / 14 – erneut über die Anwendbarkeit des § 536 b BGB („Kenntnis des Mieters vom Mangel bei Vertragsschluss oder Annahme“) bei der vorbehaltlosen Ausübung einer Verlängerungsoption entschieden und damit über die Frage, ob der Mieter mit seinem Minderungsrecht ausgeschlossen ist. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt wurden der beklagten Mieterin laut Mietvertrag nach Ablauf der Festlaufzeit zwei Optionen zu je fünf Jahren gewährt, die stillschweigend, also automatisch in Kraft treten sollten, wenn die Mieterin nicht fristgerecht eine gegenteilige Erklärung abgibt. Während der Festlaufzeit hatte die Mieterin wiederholt verschiedene Mängel gegenüber der klagenden Vermieterin gerügt. Da diese die Mängel nicht beseitigte, erklärte die Mieterin die Minderung und behielt einen Teil der Miete ein. Mangels Beendigungserklärung verlängerte sich das Mietverhältnis nach Ablauf der Festlaufzeit um den Optionszeitraum von fünf Jahren. Die Entscheidung Die geltend gemachte Minderung der Beklagten ist nicht analog § 536 b BGB ausgeschlossen, weil diese trotz Mängelkenntnis die Verlängerungsoption ausgeübt hat,

ohne sich ihre Rechte wegen der Mängel vorzubehalten. Mit der vorliegenden Entscheidung bestätigt der BGH sein Urteil vom 05.11.2014 und verneint damit wohl endgültig die in der Vergangenheit angenommene analoge Anwendung des § 536 b BGB. Eine direkte Anwendung des § 536 b BGB kommt nicht in Betracht, da es sich bei der Laufzeitverlängerung durch Option nicht um einen „Vertragsschluss“ im Sinne der Norm handelt; das Mietverhältnis wird mit demselben Vertragsinhalt fortgesetzt, eine Änderung der Vertragsbeziehungen wird nicht bewirkt, schon gar nicht durch das Unterlassen einer Beendigungserklärung mit der Folge der automatischen Vertragsverlängerung. Auch die Analogie verneint der BGH. Es fehlt sowohl an der erforderlichen planwidrigen Regelungslücke als auch an der vergleichbaren Interessenlage. Im Zuge des Mietrechtsreformgesetzes 2001 hat der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen, eine Regelung für den Fall der nachträglichen Kenntnis eines Mangels und der vorbehaltlosen Mietzahlung zu treffen, vielmehr ist § 536 c BGB abschließend. Zudem ist die vorbehaltlose Optionsausübung während eines laufenden Vertragsverhältnisses von einem neuen Vertragsschluss zu unterscheiden, denn die Grundentscheidung für das Mietverhältnis und den konkreten Zustand der Mietsa-

che als vertragsgemäß ist bereits gefallen, die mietvertraglichen Rechte und Pflichten sind festgelegt und das Dauerschuldverhältnis zwischen Vermieter und Mieter besteht bereits (seit längerer Zeit). Praxistipp Die Entscheidung des BGH ist konsequent. Wenn bereits die aktive Ausübung einer Option ohne Vorbehalt nicht als Vertragsschluss gewertet wird, so ist das Minus, nämlich das Schweigen, erst recht nicht als Vertragsschluss zu qualifizieren. In seinem vorangegangenen Urteil vom 05.11.2014 hatte der BGH jedoch klargestellt, dass im Einzelfall eine Korrektur über § 242 BGB möglich sei und etwaige vermieterseitige Vertrauenstatbestände Berücksichtigung finden könnten. Zudem ist § 536 c BGB stets zu beachten, wonach das Recht zur Minderung ausgeschlossen ist, wenn der Mieter den Mangel dem Vermieter gegenüber nicht (rechtzeitig) anzeigt. 

Stefanie Nagel Rechtsanwältin bei CMS in Köln. E [email protected]

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Immobilien- und Mietrecht

Abgrenzung von Betriebsund Offenhaltungspflicht im Gewerberaummietvertrag

Hintergrund

Die Entscheidung

Praxistipp

Mit Beschluss vom 15.07.2015 – 5 U 597 / 15 – hat das OLG Dresden zu der Frage Stellung genommen, ob der Vermieter einen Gewerberaummietvertrag außerordentlich fristlos kündigen kann, wenn der Mieter gegen eine formularvertraglich vereinbarte Betriebspflicht verstößt, der Mietvertrag jedoch zugleich eine ununterbrochene Offenhaltungspflicht enthält und diese möglicherweise nicht wirksam vereinbart werden kann. Vermieter und Mieter schlossen einen Formularvertrag über Gewerberäume, in dem sich der Mieter zum Betrieb einer Apotheke verpflichtete. Der Vertrag enthielt an anderer Stelle eine Pflicht des Mieters zur Offenhaltung der Geschäftsräume. Der Mieter überließ die Flächen durch erlaubte Untervermietung an einen Apotheker. Dieser kündigte den Untermietvertrag. Nach Beendigung blieb die Apotheke geschlossen, weil der Mieter nicht gleich einen neuen Untermieter fand. Der Vermieter mahnte den Mieter zunächst wegen Nichtbetriebs der Apotheke ab und kündigte nach Fristablauf außerordentlich. Hiergegen wendet sich der Mieter und trägt unter anderem vor, er habe keiner Betriebspflicht unterlegen, denn die (unzweifelhafte) Unwirksamkeit der Offenhaltungspflicht führe zur Gesamtunwirksamkeit der vertraglichen Regelung von Betriebs- und Offenhaltungspflicht.

Das OLG hält die Kündigung für wirksam und bestätigte zunächst die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach in Gewerberaummietverträgen eine Betriebspflicht formularvertraglich wirksam vereinbart werden könne. Durch den vertragswidrigen Nichtgebrauch des Ladengeschäfts hat der Mieter fortgesetzt gegen diese Betriebspflicht verstoßen und damit einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages geschaffen. Ob die im Vertrag zugleich vereinbarte Offenhaltungsverpflichtung möglicherweise einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB nicht standhalte, könne in dem zu entscheidenden Fall dahinstehen. Da nämlich die Betriebspflicht sprachlich und inhaltlich ohne Weiteres von der Offenhaltungspflicht getrennt werden könne, trete ein Summierungseffekt, der die Klausel insgesamt unwirksam mache, nicht auf. Die Betriebspflicht einerseits und die Offenhaltungspflicht andererseits seien an unterschiedlichen Stellen im Vertrag geregelt und ließen sich auch inhaltlich voneinander abgrenzen. Während die Betriebspflicht den Mieter verpflichtet, die gemieteten Räume zu einem bestimmten Zweck tatsächlich zu nutzen, regelt die Offenhaltungspflicht, dass der Mieter die Räume zu bestimmten Zeiten nicht schließen darf.

Da die Einhaltung der Betriebspflicht vor allem für die Attraktivität von Shoppingcentern von Bedeutung ist, sollte insbesondere hier in vom Vermieter vorformulierten Verträgen darauf geachtet werden, die Betriebspflicht und die Offenhaltungspflicht sprachlich voneinander zu trennen und an unterschiedlichen Stellen im Vertrag zu regeln. Ungeachtet dessen ist dennoch Vorsicht geboten, da die Rechtsprechung des OLG Dresden noch nicht höchstrichterlich bestätigt wurde. Aufgrund der zunehmend differenzierenden Rechtsprechung zur Wirksamkeit der Festlegung einer Betriebspflicht in Kombination mit dem Ausschluss eines Konkurrenz- und Sortimentsschutzes bei gleichzeitiger Auferlegung einer Sortimentsbindung ist bei der Vertragsgestaltung im Einzelfall äußerste Sorgfalt geboten und zu empfehlen, diese Klauseln möglichst im Einzelnen auszuhandeln. 

Johanna Hofmann, Immobilienökonom (IREBS), Rechtsanwältin bei CMS in Frankfurt / Main. E [email protected]

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Immobilien- und Mietrecht

Schriftformkündigung bei mündlicher Vereinbarung der Nutzung von Außenflächen Hintergrund Der damalige Grundstückseigentümer vermietete an den Mieter im Mietvertrag näher bezeichnete Gebäudeflächen mit einer Größe von 320 m² zum Betrieb eines Restaurants. Darüber hinaus vereinbarten die Parteien mündlich, dass der Mieter auch die vor dem Gebäude befindlichen Flächen für den Gaststättenbetrieb nutzen darf. Diese Außenflächen belaufen sich auf insgesamt ca. 900 m². Hier errichtete der Mieter einen Biergarten und einen Zugangsbereich mit Pflanzen. Nachdem der Vermieter das Grundstück veräußert hatte, wies der Erwerber den Mieter an, die Nutzung auf den Außenflächen zu unterlassen und mahnte den Mieter ab. Nachdem sich der Mieter auf die mündliche Vereinbarung berufen hatte, kündigte der Erwerber den Mietvertrag unter anderem ordentlich und berief sich auf die Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform. Die Entscheidung Mit seinem Beschluss vom 25.08. 2015 – 5 U 1057 / 15 – folgt das OLG Dresden der ständigen Rechtsprechung des BGH, wonach sich alle wesentlichen Vertragsbedingungen aus der Mietvertragsurkunde ergeben müssen. Nach dem OLG stellt es einen Verstoß gegen die gesetzliche Schriftform dar, wenn der Mieter vereinbarungsgemäß über die in der Vertragsurkunde genannten 320 m² im Gebäude hinaus mehr als 900 m² um das Gebäude herum nutzt, die für die Durchführung des Mietzwecks durch den Mieter von erheblicher

Bedeutung sind. Dem Senat sei zwar bewusst, dass im Einzelfall die Vereinbarung über die Nutzung von Flächen dann nicht der Schriftform bedürfe, wenn festgestellt werden könne, dass diese Nutzung im Rahmen des konkreten Mietverhältnisses nur eine untergeordnete Bedeutung habe. Im vorliegenden Falle sei die zusätzliche Flächennutzung aber schon wegen ihres beträchtlichen Umfangs wesentlich. Hinzu komme, dass es sich nicht lediglich um Nebenflächen handele, sondern um Bereiche, die für die Durchführung des Mietzwecks von erheblicher Bedeutung seien. Auch den Einwand des Mieters, die Berufung des Vermieters auf den Schriftformmangel verstoße gegen Treu und Glauben, ließ das OLG nicht gelten. Zwar könne es ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich sein, wenn eine Partei geltend macht, der Mietvertrag sei mangels Wahrung der Schriftform ordentlich kündbar. Vorliegend seien aber die Voraussetzungen hierfür schon deshalb nicht gegeben, weil es sich bei dem jetzigen Vermieter nicht um denjenigen Vertragspartner der Beklagten handele, durch dessen mündliche Vereinbarung mit dem Mieter die gesetzliche Schriftform verletzt wurde. Andernfalls würde der Zweck des Schriftformerfordernisses, den Erwerber zu schützen, unterlaufen.

tergeordnete Bedeutung im Rahmen des Mietvertrages schließen lässt, sollten die Mietvertragsparteien grundsätzlich auch hier Aufmerksamkeit walten lassen und für eine genaue Definition der Außenflächen sorgen. Einigen sich die Parteien im Laufe des Mietverhältnisses auf einen abweichenden Flächenumfang, so ist dies in einem formgerechten Nachtrag zum Mietvertrag festzuhalten. Dabei hat der Mieter zu beachten, dass einem Grundstückserwerber gegenüber, der gemäß § 566 BGB in das Mietverhältnis eintritt, nicht nur der Einwand der Treuwidrigkeit fehlgeht. Auch eine sogenannte Schriftformheilungsklausel hätte vorliegend eine Kündigung nicht verhindern können, da nach der Rechtsprechung des BGH der Erwerber in Bezug auf Schriftformverstöße aus der Zeit vor seinem Eintritt nicht an eine solche Klausel gebunden ist. 

Praxistipp Da sich aus dem Umstand, dass es sich bei einer dem Mieter überlassenen Fläche um eine Außenfläche handelt, nicht generell auf deren un-

Johannes Bescher, LL. M. Rechtsanwalt bei CMS in Düsseldorf. E [email protected]

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Immobilien- und Mietrecht

Gewährleistungsausschluss trotz Arglist des Mitverkäufers wirksam? Hintergrund Im Zusammenhang mit Immobilienkaufverträgen ist oft problematisch, in welchem Umfang der Verkäufer den Käufer über bestehende Mängel aufklären muss bzw. wie weit die Nachforschungspflicht des Käufers geht. Gibt es mehrere Verkäufer und lediglich einer von beiden kennt einen Mangel und klärt den Käufer (pflichtwidrig) nicht darüber auf, stellt sich überdies die Frage, ob der Käufer gegen beide Verkäufer vorgehen kann. Einen solchen Fall hatte das OLG Saarbrücken zu entscheiden (Urteil vom 17.06.2015 – 2 U 84 / 13). Die Entscheidung Ein Ehepaar veräußerte ein Hausgrundstück. Die Käufer haben das Gebäude besichtigt. Mit ihrer Klage forderten die Käufer Zahlung von Schadensersatz, da eine seitlich neben dem Gebäude errichtete Stützmauer einzustürzen drohte und daher zurückgebaut und ersetzt werden musste. Es stellte sich heraus, dass die Mauer nicht nach den statischen Vorgaben errichtet worden war. Der Ehemann hatte die Mauer selbst gebaut und kannte den Mangel der Mauer. Er hatte die Käufer aber nicht darauf hingewiesen. Das OLG Saarbrücken stellte zunächst fest, dass ein Mangel gegeben sei. Darüber hinaus habe der Verkäufer, der diesen Mangel kannte, eine Aufklärungspflicht gehabt. Hierbei stellte das Gericht klar, dass die Käufer, auch wenn sie das Grundstück

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besichtigt hatten, keine so weitgehende Nachforschungspflicht traf, dass sie den statischen Mangel selbst hätten entdecken müssen. Da der Verkäufer den Mangel kannte, habe dieser arglistig gehandelt, sodass auch der in dem Kaufvertrag vereinbarte Gewährleistungsausschluss nicht zum Tragen komme. Dagegen hat das Gericht entschieden, dass die Käufer trotz der Arglist des Ehemannes die Ehefrau nicht in Anspruch nehmen können. Diese könne sich auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen. Der Ehefrau sei die Arglist des Ehemannes nicht zuzurechnen, zumal sie selbst keine Kenntnis von dem Mangel gehabt habe. In diesem Zusammenhang setzte sich das Gericht im Einzelnen mit der vor der Schuldrechtsreform im Jahr 2002 ergangenen Rechtsprechung des BGH auseinander, welche stets eine Zurechnung der Arglist des Mitverkäufers annahm. Diese gegenteilige BGH-Rechtsprechung sei auf das geltende Schuldrecht nicht zu übertragen. Stattdessen bedürfe es eines konkreten Zurechnungstatbestands, den das OLG verneinte.

Hier hat das Gericht den Schwerpunkt auf die Aufklärungspflicht des Verkäufers gelegt. Darüber hinaus kann ein Käufer nicht gegen alle Verkäufer vorgehen, wenn nur einer von diesen arglistig gehandelt hat. Eine Zurechnung der Arglist kommt laut dem OLG Saarbrücken erst dann in Betracht, wenn der arglistig handelnde Verkäufer den anderen Verkäufer beim Vertragsschluss vertritt. Das OLG nimmt dabei in Kauf, dass der Käufer in solchen Konstellationen keinen Rücktritt vom Kaufvertrag ausüben kann und auf die Geltendmachung von Schadensersatz beschränkt wird. Mit dieser Ansicht widerspricht das OLG Saarbrücken früheren Entscheidungen des BGH. Das OLG hat die Revision zugelassen, die derzeit auch beim BGH anhängig ist. Insofern bleibt abzuwarten, ob der BGH seine zum alten Schuldrecht vertretene Ansicht bestätigt oder dem OLG zustimmt und die Zurechnung der Arglist eines Verkäufers zum Nachteil eines weiteren Verkäufers erschwert. 

Praxistipp Für die Praxis ist das Urteil in zweierlei Hinsicht interessant. Zunächst wird noch einmal klargestellt, in welchem Verhältnis die Aufklärungspflicht des Verkäufers bei Kenntnis eines Mangels zu der Nachforschungsmöglichkeit und -pflicht des Käufers steht.

Dr. Christoph Grenz Rechtsanwalt bei CMS in Düsseldorf. E [email protected]

Immobilien- und Mietrecht

Berechtigt eine unerlaubte Untervermietung stets zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages?

Hintergrund Der Kläger hatte 2008 vom Beklagten Gewerbeflächen zum Betrieb einer Werbeagentur und eines Anzeigenblattes gemietet. Der Mietvertrag gestattete dem Kläger eine Untervermietung nur mit Zustimmung des Vermieters, wobei diese nur aus wichtigem Grund verweigert werden durfte. Anfang 2014 bat der Kläger darum, den Mietvertrag auf seine Frau als neue Mieterin zu übertragen. Der Beklagte war dazu grundsätzlich bereit, machte seine Zustimmung aber von einer Mieterhöhung abhängig. Der Kläger zog es daraufhin vor, die Flächen zunächst an seine Frau nur unterzuvermieten. Der Beklagte war damit nicht einverstanden und forderte den Kläger auf, das Untermietverhältnis unverzüglich zu beenden. Als der Kläger dem nicht nachkam, kündigte ihm der Beklagte fristlos wegen unerlaubter Untervermietung. Der Kläger wehrte sich und zog vor Gericht. Die Entscheidung Das OLG Dresden (Beschluss vom 30.06.2015 – 5 U 375 / 15) gab dem Kläger Recht und hielt die fristlose Kündigung des Beklagten für unwirksam. Entscheidend war dabei für das Gericht, dass der Kläger einen Anspruch

auf Genehmigung der Untervermietung an seine Frau besaß. Denn nach den Regelungen des Mietvertrages habe der Vermieter seine Zustimmung nur aus wichtigem Grund verweigern dürfen. Einen solchen verneinte das Gericht, nachdem es die Interessen der Beteiligten gegeneinander abgewogen hatte. Neben dem Umstand, dass die Untermieterin die Flächen weiter im Rahmen des vereinbarten Mietzwecks nutzen wollte, stellte das Gericht vor allem auf die Person der Untermieterin ab. Da der Beklagte grundsätzlich bereit war, die Frau des Klägers als neue (Haupt-)Mieterin zu akzeptieren (er hatte dies lediglich von der Zahlung einer höheren Miete abhängig gemacht), müsse er sie im Zweifel auch als Untermieterin zulassen.

Flächen zu reduzieren. Umgekehrt möchte der Vermieter beeinflussen können, wer die in seinem Eigentum stehenden Flächen nutzt. Die hier streitige Vertragsklausel ist daher durchaus sinnvoll und in der Praxis weitverbreitet. Sie zwingt den Vermieter aber, in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob ein wichtiger Grund vorliegt, wenn er eine Untermieterlaubnis verweigern oder gar wegen unerlaubter Untervermietung kündigen will. Sonst drohen ihm selbst Schadenersatzansprüche und / oder eine fristlose Kündigung des Mieters, wenn er die begehrte Untermieterlaubnis zu Unrecht verweigert oder das Mietverhältnis wegen einer nur formal unerlaubten Untervermietung kündigt. 

Vor diesem Hintergrund bliebe die Untervermietung zwar mangels Zustimmung des Vermieters rechtswidrig. Weil der Mieter aber einen Anspruch auf diese Zustimmung besaß, rechtfertigte ein solcher Verstoß nach Ansicht des Gerichts grundsätzlich keine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses. Praxistipp Gerade bei langfristigen Mietverträgen ist eine Untervermietung oft die einzige Möglichkeit für den Mieter, die Kosten für nicht mehr benötigte

Dr. Hans Fabian Kiderlen Rechtsanwalt bei CMS in Hamburg. E [email protected]

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Immobilien- und Mietrecht

Ausübung eines gemeindlichen Wiederkaufsrechts nach 20 Jahren möglich?

Hintergrund Der Einheimischenwohnungsbau kann von den Gemeinden durch den verbilligten Verkauf von Grundstücken gefördert werden. Erfolgt der Verkauf unter der Vereinbarung einer Bauverpflichtung nach den Vorgaben eines (künftigen) Bebauungsplans, stellt der Grundstückskaufvertrag einen städtebaulichen Vertrag dar (§ 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB). Zur Sicherung des mit der verbilligten Abgabe des Grundstücks als Bauland im Einheimischenmodell verfolgten städtebaulichen Ziels kann sich die Gemeinde ein Wiederkaufsrecht vorbehalten. Die Entscheidung Der BGH (Urteil vom 26.06.2015 – V ZR 271 / 14) stellt klar, dass die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts im Einheimischenmodell nicht generell gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung verstoße. Die in dem hier entschiedenen Fall erfolgte Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts mit einer 30-jährigen Ausübungsfrist könne jedoch eine unangemessene Vertragsgestaltung (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB) darstellen. Die vertraglichen Vereinbarungen seien dabei nicht an den §§ 305 ff. BGB zu messen, da diese durch die spezialgesetzliche Regelung für städtebauliche Verträge (§ 11 Abs. 2

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BauGB) verdrängt würden. Der BGH lässt nach wie vor offen, ob dies auch für Verträge gilt, die nach dem 31.12.1994 (nach Inkrafttreten der EG-Klauselrichtlinie) geschlossen worden sind. Die mit dem Wiederkaufsrecht auferlegte Belastung sei nur zulässig, wenn sie zeitlich begrenzt sei und die Länge der Ausübungsfrist in angemessenem Verhältnis zur Höhe der durch den Preisnachlass gewährten Subvention stehe. In der Vergangenheit hat der BGH eine Frist von 15 Jahren für zulässig, eine Bindung von über 30 Jahren in aller Regel für unverhältnismäßig erachtet. Bindungen von über 20 Jahren habe der BGH nur dann als verhältnismäßig angesehen, wenn die gewährte Subvention deutlich über die beim Einheimischenmodell üblichen Abschläge von bis zu 30 % gegenüber dem Verkehrswert hinausgegangen sei. Werde jedoch, wie in dem hier entschiedenen Fall, ein nur geringer Preisnachlass (weniger als 20 %) gewährt, verstoße die Bindung von über 20 Jahren gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung. Der BGH stellt dabei klar, dass auch die Verhinderung der Bodenspekulation zulasten der Allgemeinheit durch eine längere Frist kein anderes Ergebnis rechtfertige. Ebenso sei unbeachtlich, wenn wie im hier entschiedenen Fall der Weiterverkauf an

Abkömmlinge des Käufers oder deren Ehegatten gestattet wurde. Der BGH hat offengelassen, ob ein Verstoß gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung zur Nichtigkeit des Wiederkaufsrechts insgesamt oder entsprechend § 139 BGB nur zur Verkürzung der vereinbarten auf eine angemessene Ausübungsfrist führt. Im vorliegenden Fall konnte dies dahinstehen, da das Grundstück erst nach Ablauf einer angemessenen Frist weiterveräußert wurde. Praxistipp Wurde der Gemeinde im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags ein Wiederkaufsrecht eingeräumt, kann die Prüfung der Ausübungsfrist sinnvoll sein. Ist die Frist unverhältnismäßig lang, kann sie ggf. auf ein angemessenes Maß reduziert werden. 

Filip Niemiec Rechtsanwalt bei CMS in Berlin. E [email protected]

Immobilien- und Mietrecht

Vertretung einer geschlossenen Investment-KG

Hintergrund Mit Inkrafttreten des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) hat sich die Welt für geschlossene Fonds in vielen Bereichen geändert. Eine der Neuerungen liegt darin, dass die Verwaltung eines geschlossenen Fonds im Regelfall durch eine Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) zu erfolgen hat. Bis zum Inkrafttreten des KAGB war es üblich, dass ein geschlossener Fonds, der zuletzt meist in der Rechtsform der GmbH & Co. KG aufgelegt wurde, durch seine Organe, d. h. die Komplementär-GmbH oder eine geschäftsführende Kommanditistin, verwaltet wurde. Für die Praxis stellte sich angesichts der neuen Rechtslage die Frage, durch wen ein geschlossener Fonds, inzwischen zumeist aufgelegt in der Rechtsform der geschlossenen Investment-KG, zukünftig vertreten wird: durch die KVG, der nach neuem Recht die Verwaltung des geschlossenen Fonds obliegen soll, oder durch die Organe der Investment-KG. Die Entscheidung In seinem Urteil vom 01.10.2015 – 23 U 1570 / 15 – kommt das OLG München zu dem Ergebnis, dass ein geschlossener Fonds organschaftlich durch seine Organe vertreten wird und nicht durch die KVG. Das OLG München stützt seine Ansicht im Wesentlichen darauf, dass § 154 Abs. 1 Satz 2 KAGB der KVG zwar die Aufgabe der Verwaltung des Vermögens eines geschlossenen

Fonds übertrage, jedoch keine Regelung beinhalte, die der KVG Vertretungsbefugnis oder Verfügungsbefugnis einräume. Vor diesem Hintergrund bleibe es bei der Grundregel des § 149 Abs. 1 KAGB, wonach auf die Investment-KG im Übrigen die Bestimmungen des HGB Anwendung fänden, sodass die Investment-KG auch weiterhin durch ihre Organe vertreten werde. Praxistipp Die Entscheidung des OLG in München macht deutlich, dass es zwischen offenen und geschlossenen Fonds, wenngleich sich beide Modelle aufsichtsrechtlich durch die Reform sehr angenähert haben, weiterhin einen wesentlichen Unterschied gibt. Während ein offener Fonds mangels eigener Rechtspersönlichkeit zwangsläufig durch die ihn verwaltende KVG repräsentiert und vertreten wird – die KVG handelnd für Rechnung des Sondervermögens –, besteht bei geschlossenen Fonds eine Doppelzuständigkeit. Diese Doppelzuständigkeit folgt daraus, dass ein geschlossener Fonds organschaftlich durch seine Organe vertreten wird, d. h. im Falle der Investment-KG durch deren Komplementär-GmbH, während aufsichtsrechtlich die KVG für die Verwaltung des Fonds zuständig ist. In der Praxis wirft diese Doppelzuständigkeit keine signifikanten Probleme auf und wird aufgelöst, indem die Organe der Investment-KG der KVG eine umfassende Vollmacht erteilen, die Investment-KG zu vertreten.

Dennoch ist es wichtig, sich dieser Doppelzuständigkeit bewusst zu sein, und zwar sowohl für diejenigen, die geschlossene Fonds kon­ zipieren oder verwalten, als auch für diejenigen, die Verträge mit geschlossenen Fonds abschließen. Für diejenigen, die geschlossene Fonds konzipieren oder verwalten, gilt es, für die sich aus dieser Doppelzuständigkeit ergebenden Probleme geeignete Lösungen zu suchen und vertraglich zu verankern (z. B. im Falle eines Konflikts geeignete Eskalationsverfahren vorzusehen). Für diejenigen, die Verträge mit geschlossenen Fonds abschließen, ist es wichtig zu wissen, dass die KVG nicht gesetzlich zur Vertretung ermächtigt ist, sondern auf Basis rechtsgeschäftlich erteilter Vollmacht. Zudem sollte beim Abschluss von Mietverträgen mit geschlossenen Fonds darauf geachtet werden, die Vertretungsverhältnisse korrekt darzulegen, um möglichen Schriftformproblemen aus dem Weg zu gehen. 

Dr. Kai-Guido Schick Partner bei CMS in Stuttgart. E [email protected]

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Immobilien- und Mietrecht

Grundstückskauf: Pflicht der Gemeinde zur Bebauungsplan­ änderung als aufschiebende Bedingung?

Hintergrund Gemeinden dürfen sich beim Verkauf von Grundstücken nicht vertraglich dazu verpflichten, einen Bebauungsplan nach konkreten Vorgaben abzuändern (Kopplungsverbot aus § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB). Zulässig sind im Interesse des redlichen Grundstücksverkehrs hingegen Vereinbarungen, die keine Leistungspflicht regeln, sondern für eine ausbleibende Planänderung anderweitige Auswirkungen festlegen (z. B. einen Schadensersatzanspruch). Mitunter ergibt sich die Ausgestaltung aus dem Vertragstext nicht eindeutig, was eine Auslegung erforderlich macht. Die Entscheidung Der BGH hat sich im Beschluss vom 02.10.2015 – V ZR 307 / 13 – mit der Wirksamkeit eines Kaufvertrages befasst, in dem sich die Gemeinde zu einer Planänderung verpflichtete und deren Umsetzung an anderer Stelle die Fälligkeit des Kaufpreises bestimmte. Der BGH hat entschieden, dass in dieser Konstellation kein Verstoß gegen das Kopplungsverbot vorliege. Es sei davon auszugehen, dass die Parteien im Zweifel dasjenige regeln wollten, das sich im Rahmen des Zulässigen hält, also keine unzulässige Leistungsverpflich-

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tung. In dem zu entscheidenden Fall sprachen mehrere Umstände gegen eine konkrete Zusage von Planungsakten: Die Gemeinde hatte die Haftung für Sachmängel ausgeschlossen, was zum Ausdruck brachte, dass sie nicht für die Herstellung einer bestimmten Bebaubarkeit einstehen wollte. Darüber hinaus zeigte die Verknüpfung der beiden Regelungen, dass einzige Folge im Falle des Ausbleibens nur der Nichteintritt der Fälligkeit sein sollte. Da es dem Willen der Parteien entspreche, dass die konkrete Zahlungspflicht im Falle der ausbleibenden Planänderung gar nicht erst entstehe, könne es allerdings nicht bei der Fälligkeitsregelung verbleiben, entschied der BGH. Die Verknüpfung der Pflicht- und der Fälligkeitsregelung müsse als aufschiebende Bedingung verstanden werden, wonach der Vertrag nur bei erfolgreicher Planänderung wirksam würde. Die gemeindliche Förderung der Bebaubarkeit sei in diesem Fall eine Ausformung der Treuepflicht der Parteien eines schwebend unwirksamen Vertrages. Der BGH spricht dem Käufer für diesen Fall aus Treu und Glauben das Recht zu, sich vom Vertrag zu lösen, wenn ihm ein weiteres Zuwarten auf die Planänderung nach Abwägung der Interessen und Umstände unzumutbar wäre.

Praxistipp Die Missachtung des Kopplungsverbotes hat die Nichtigkeit der betreffenden Vereinbarung, unter Umständen sogar des gesamten Kaufvertrages zur Folge. Deshalb ist es bei der Vertragsgestaltung besonders wichtig, dass Klauseln nicht auf die Verkürzung der Bauleitplanung abzielen. Eine aufschiebende Bedingung ist als solche im Kaufvertrag klar zu benennen, um von vornherein eine Auseinandersetzung darüber zu vermeiden, ob nicht eine unwirksame Leistungspflicht geregelt wurde. Auf den Eintritt der Bedingung sollte die Gemeinde gewissenhaft hin­wir­ken. 

Isabel Schreyger Partnerin bei CMS in Köln. E [email protected]

Privates Baurecht

Muss sich der Auftraggeber eine bereits vom Werklohn abgezogene Vertragsstrafe vorbehalten? Hintergrund Nach § 341 Abs. 3 BGB kann ein Auftraggeber eine Vertragsstrafe nur dann verlangen, wenn er sich deren Geltendmachung bei der Abnahme des Bauwerks vorbehalten hat. Was aber passiert, wenn der Auftraggeber die Vertragsstrafe bereits zuvor vom Werklohn des Bauunternehmers abgezogen hat? Nach der bisherigen Ansicht des BGH musste der Auftraggeber auch in diesen Fällen zum Zeitpunkt der Abnahme nochmals einen entsprechenden Vorbehalt erklären, wenn er die Vertragsstrafe endgültig behalten wollte. Von dieser Rechtsprechung ist der BGH nun abgerückt. Die Entscheidung In einem Bauvertrag für die Errichtung einer Doppelhaushälfte hatten die Parteien eine Vertragsstrafe für die nicht fristgerechte Fertigstellung vereinbart. Nachdem die Bauarbeiten zum vereinbarten Fertigstellungstermin noch nicht abgeschlossen waren, zog der Bauherr den vollen Vertragsstrafenbetrag in Höhe von rund EUR 8.500 von der nächsten vereinbarten Abschlagszahlung ab. Der Anwalt des Bauherrn hatte dies dem Unternehmer vorher schriftlich angekündigt. Später stritten die Parteien darüber, ob und wie der Bauherr die Arbeiten des Bauunternehmers abgenommen hat. Unstreitig war der Bauherr aber in diesem Zusammenhang nicht noch einmal auf die Vertragsstrafe

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eingegangen. Er hatte insbesondere gegenüber dem Bauunternehmer nicht noch mal ausdrücklich erklärt, dass er die Vertragsstrafe endgültig behalten wolle.

Mit der Entscheidung rückt der BGH ausdrücklich von seiner bisherigen Rechtsprechung zu dieser Rechtsfrage ab. Praxistipp

Im Prozess forderte der Bauunternehmer die Auszahlung der Vertragsstrafe. Da der Bauherr bei der Abnahme keinen Vorbehalt gemäß § 341 Abs. 3 BGB gemacht habe, könne er die Vertragsstrafe nicht behalten. In seiner Entscheidung vom 05.11.2015 – VII ZR 43 / 15 – hat der BGH die Forderung des Bauunternehmers zurückgewiesen. Der BGH führt aus, dass die Vertragsstrafenforderung des Bauherrn mit dem Abzug vom Werklohn bereits durch Aufrechnung erloschen sei. Der Bauherr habe sie daher zum Zeitpunkt der Abnahme nicht mehr verlangen oder vorbehalten können. Das Vorbehaltserfordernis des § 341 Abs. 3 BGB diene zudem, so der BGH, der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Mit diesem Normzweck sei es nicht in Einklang zu bringen, wenn die Aufrechnungswirkung bei einem fehlenden Vorbehalt im Nachhinein entfallen könne. In der gegebenen Fallkonstellation bestünde auch kein besonderes Schutzbedürfnis des Bauunternehmers. Dieser habe aufgrund der erfolgten Aufrechnung schon hinreichend Klarheit über die Absicht des Bauherrn, die Vertragsstrafe geltend zu machen, ohne dass es hierzu eines nochmaligen Vorbehalts bedürfe.

Die Entscheidung des BGH führt zu mehr Klarheit. Die bisherige Rechts­ praxis war für einen juristischen Laien kaum nachvollziehbar und führte schnell zu vermeidbaren Anspruchsverlusten. Allerdings muss gewarnt werden: Der Vorbehalt der Vertragsstrafe bei Abnahme ist nur dann entbehrlich, wenn die Vertragsstrafe bereits vorher vollständig durch eine Aufrechnung des Bauherrn realisiert wurde. Dies zu beurteilen kann im Einzelfall schwierig sein. Bauherrn sind daher gut beraten, wenn sie den Vorbehalt der Vertragsstrafe standardmäßig in jede Abnahmeerklärung aufnehmen. 

Martin Krause Partner bei CMS in Köln. E [email protected]

Privates Baurecht

AGB-Klausel zu vorbehaltenen Massenänderungen wirksam? Hintergrund Die Stadt H beauftragte die Beklagte mit der Erstellung einer Lärmschutzwand an einer Bundesstraße sowie verschiedenen Erd- und Tiefbauarbeiten. Die Beklagte beauftragte als Nachunternehmerin die Klägerin, die erforderlichen Arbeiten vorzunehmen. In dem Auftragsschreiben heißt es: „Massenänderungen – auch über 10 % – sind vorbehalten und berechtigen nicht zur Preiskorrektur.“ Bei der Ausführung wurde festgestellt, dass Leistungen einiger Positionen nicht benötigt werden. Bei anderen Positionen reduzierte sich die tatsächlich erforderliche Leistungsmenge ganz erheblich. Die Klägerin rechnete die Unterdeckung der allgemeinen Geschäftskosten und der kalkulatorischen Aufschläge für Wagnis und Gewinn mit einem Nachtrag ab und verfolgte diesen mit der Vergütungsklage. Das LG wies die Klage ab. Das OLG bestätigte die Klageabweisung durch einen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung Der BGH (Beschluss vom 04.11.2015 – VII ZR 282 / 14) hebt den Beschluss auf und verweist das Verfahren an das OLG zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück. Der BGH weist darauf hin, dass jedweder Ausschluss einer Preisanpassung bei Massenänderungen in AGB

den Vertragspartner unangemessen benachteilige und gemäß § 307 BGB unwirksam sei. Mit dieser Regelung würde nicht nur eine Anpassung zugunsten des Auftragnehmers nach § 2 Abs. 3 VOB / B ausgeschlossen, sondern darüber hinaus auch eine Preisanpassung nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB. Zudem weist der BGH darauf hin, dass die vertragliche Vereinbarung ausgelegt werden müsse, ob zum einen § 2 Abs. 3 VOB / B nachrangig gelten solle und ob zum anderen die Parteien dennoch von einer übereinstimmenden Anwendung des § 2 Abs. 3 VOB / B ausgegangen seien. Praxistipp Bereits mit Urteil vom 08.07.1993 – VII ZR 79 / 92 – hat der BGH entschieden, dass die Preisanpassungsmöglichkeit gemäß § 2 Abs. 3 VOB / B wirksam ausgeschlossen werden kann. Die Preisanpassungsmöglichkeit gemäß § 2 Abs. 3 VOB / B zählt nicht zu der für eine Klauselbewertung maßgeblichen gesetzlichen Regelung im Sinne des § 307 BGB. Ihr Ausschluss führt nicht zu einer Gefährdung des Vertragszwecks. Eine Preisanpassung kann vielmehr, wie auch bei Pauschalpreisverträgen, über die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB erreicht werden. Im Gegensatz hierzu stellt der Ausschluss der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten der Preisanpassung gemäß § 313 BGB sowie der insoweit ebenfalls in Betracht kommenden

Ansprüche aus §§ 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 und 3 BGB in AGB eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners dar und ist unwirksam. Die Unwirksamkeit der vorstehenden Regelung führt nicht dazu, dass § 2 Abs. 3 VOB / B „auflebt“, wie dies etwa bei dispositiven gesetzlichen Regelungen der Fall sein kann. Bei der Gestaltung von Verträgen ist dennoch ein besonderes Augenmerk auf einen wirksamen Ausschluss der Preisanpassung gemäß § 2 Abs. 3 VOB / B zu legen. Zwar steht dem Auftragnehmer auch im Falle einer nachrangigen Vereinbarung nicht unbedingt ein Preisanpassungsanspruch gemäß § 2 Abs. 3 VOB / B zu. § 2 Abs. 3 VOB / B wurde aufgrund einer entgegenstehenden vorrangigen Regelung gerade nicht vertraglich vereinbart. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass dem Auftragnehmer ein Anspruch auf Preisanpassung gemäß § 2 Abs. 3 VOB / B aufgrund (ergänzender) Vertragsauslegung zustehen kann. 

Dr. Katrin Rohr-Suchalla Partnerin bei CMS in Stuttgart. E [email protected]

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Privates Baurecht

Wie weit reicht das Einverständnis mit der Mängelbeseitigung durch eine Fremdfirma? Hintergrund Der Auftraggeber hat bei Vorliegen eines werkvertraglichen Mangels mehrere gesetzlich festgeschriebene Rechte. Neben den Rechten auf Nachbesserung oder Minderung steht ihm auch das Recht der Selbstvornahme zu. Das bedeutet, dass er einen festgestellten Mangel ggf. selbst beseitigen bzw. durch einen Dritten beseitigen lassen kann. Voraussetzung hierfür ist jedoch grundsätzlich, dass der Auftraggeber den Mangel rügt und dem Auftragnehmer die Gelegenheit gibt, den Mangel innerhalb einer zuvor bestimmten, angemessenen Frist selbst zu beseitigen. Dem Auftraggeber kommt hinsichtlich der Mängelrüge die Symptomrechtsprechung des BGH zugute. Danach reicht es aus, dass der Auftraggeber mit seiner Mängelrüge lediglich die Mängelerscheinungen angibt, die auf die mangelhafte Bauleistung verweisen. Diese müssen aber so konkret gekennzeichnet werden, dass sie gegenüber anderen möglichen Mängeln, die nicht gerügt werden, abgegrenzt werden können. Die Entscheidung Dem OLG Düsseldorf (Urteil vom 18.12.2015 – 22 U 84 / 15) lag kürzlich ein Fall zur Entscheidung vor, bei dem der Auftragnehmer Trockenbauarbeiten bei einem neu zu errichtenden Gebäude nur mangelhaft erbracht hatte. Die unzureichende Ausführung hatte zur Folge, dass ein Blower-Door-Test (Luftdichtigkeitstest) nicht erfolgreich durchgeführt werden konnte. Der Auftragnehmer erklärte sich nach anfänglicher Ablehnung der Verantwortung damit

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einverstanden, dass die in einem ersten im Jahr 2012 durchgeführten Ortstermin benannten und hinreichend gerügten Mängel durch eine Drittfirma beseitigt werden. Bei weiteren, über ein Jahr später durchgeführten Ortsterminen mit einem Sachverständigen wurden weitere Mängel festgestellt. Auf das daraufhin vom Auftraggeber an den Auftragnehmer ohne gesonderte Aufforderung zur Mängelbeseitigung übersandte Gutachten unternahm der Auftragnehmer nichts. Der Auftraggeber ließ daher auch die weiteren Mängel durch einen Dritten beseitigen und verlangte, dass der Auftragnehmer die hieraus resultierenden Kosten der weiteren Mängelbeseitigung tragen solle. Dies lehnte der Auftragnehmer ab, weil er die Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs als nicht gegeben ansah. Sowohl das LG als auch die Berufungsinstanz beim OLG Düsseldorf gaben dem Auftragnehmer recht. Das Gericht rügte insoweit das Fehlen einer erneuten Aufforderung zur Mängelbeseitigung seitens des Auftraggebers, die auch nicht in der bloßen Übersendung des Gutachtens zu sehen war. Die neuerliche Aufforderung wurde auch nicht als infolge der Geschehnisse des Jahres 2012 entbehrlich betrachtet, weil sich die dort vom Auftragnehmer erteilte Genehmigung zur Mängelbeseitigung durch eine Drittfirma gerade nicht auf die weiteren, insoweit streitgegenständlichen Mängel erstreckte. Der Auftraggeber konnte sich auch nicht auf die Symptomrechtsprechung des BGH und die ursprünglich ausgesprochene Mängelrüge und Be-

seitigungsaufforderung berufen, weil das OLG Düsseldorf feststellte, dass es sich bei den durch den Sachverständigen weiteren dokumentierten Mängeln um neue Symptome handelte. Diese hätten daher einer neuen Rüge und Aufforderung zur Mängelbeseitigung bedurft. Im Übrigen war die Nachfristsetzung im vorliegenden Fall auch sonst nicht entbehrlich, weil keine besondere Dringlichkeit zur Mängelbeseitigung gegeben war und die Mängelbeseitigung durch den Auftragnehmer im Übrigen auch nicht unzumutbar erschien. Praxistipp Auftraggebern ist dringend anzuraten, vor der Beauftragung von Mängelbeseitigungsarbeiten die hierfür gesetzlich vorgegebenen Voraussetzungen zu erfüllen. Anderenfalls droht wie im vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall der Verlust des Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Auftragnehmer, so dass der Auftraggeber – selbst wenn der Auftragnehmer den Mangel verursacht hat – auf den Kosten der Mängelbeseitigung sitzen zu bleiben droht. 

Daniel Fußy Rechtsanwalt bei CMS in Berlin. E [email protected]

Privates Baurecht

Zuschlag trotz Kalkulationsfehlers: Auftraggeber schuldet keinen Schadensersatz

Hintergrund Ein Schadensersatzanspruch wegen Fehlverhaltens im Vergabeverfahren lässt sich nicht an in Anspruch genommenes und enttäuschtes Vertrauen in die Rechtmäßigkeit des vergabebezogenen Handelns knüpfen. Vielmehr muss eine Verletzung der in § 241 Abs. 2 BGB begründeten Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Vertragspartners vorliegen. Die Verletzung ist gegeben, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung eine unbillige Diskrepanz besteht. Der in den Vergabe- und Vertragsordnungen verankerte Appell, öffentliche Aufträge zu angemessenen Preisen zu erteilen, ist innerhalb einer vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen. Die Entscheidung Der Entscheidung des OLG Brandenburg vom 21.11.2015 – 4 U 7 / 14 – lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger hat sich an einer öffentlichen Bauausschreibung beteiligt. Bei zwei Positionen des Leistungsverzeichnisses gab der Kläger Einheitspreisangebote ab, die eklatant unter den angebotenen Einheitspreisen des zweitgünstigen Bieters lagen. Noch vor Zuschlagserteilung

bat der Kläger unter Hinweis auf einen Kalkulationsfehler zu diesen Positionen darum, ihn von der Vergabe auszuschließen. Der Beklagte erteilte dem Kläger gleichwohl den Zuschlag auf dessen Angebot und der Kläger führte die Arbeiten aus. Nach Fertigstellung begehrte der Kläger eine korrigierte Vergütung für die strittigen Positionen des Leistungsverzeichnisses. Das OLG hat den Schadensersatzanspruch des Klägers zurückgewiesen und festgestellt, dass der Beklagte gegenüber dem Kläger keine vorvertragliche Pflichtverletzung begangen hat, indem er einen Zuschlag auf ein Angebot mit einem unangemessen niedrigen Preis erteilt hat. Insbesondere folge ein Ersatzanspruch nicht aus § 241 Abs. 2 BGB i. V. m. § 25 Nr. 3 VOB / A 2002 (= § 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB / A 2012). Die vom Kläger behauptete unbillige Diskrepanz zwischen erbrachter Leistung und Gegenleistung liege nicht vor. Maßgebend sei, ob der Auftraggeber den vom Auftragnehmer irrig kalkulierten Preis billigerweise nicht mehr als auch nur im Ansatz äquivalentes Entgelt für die erbrachte Leistung auffassen kann. Bei der insoweit vorzunehmenden Abwägung wird eine alle Umstände des Einzelfalls

berücksichtigende Bewertung des vorvertraglichen Verhaltens im Vergabeverfahren verlangt, wobei als Anknüpfungspunkte die Massivität des Irrtums, das Auftragsvolumen, die drohenden Nachteile und die Gewinnspanne in Betracht kommen. Bei der zu Ungunsten des Klägers vorgenommenen Abwägung stellte das Gericht fest, dass die Abweichung des Gesamtpreises des Klägers trotz der zwei fehlkalkulierten Einzelpositionen zum nächstgünstigsten Bieter nur 10 % betrug. Einzelne niedrige Preise wurden offenkundig im Gesamtangebot des Klägers durch höhere Preise für andere Positionen ausgeglichen. Praxistipp Die Entscheidung des OLG Brandenburg ist nachvollziehbar. Zentrales Prüfungskriterium bei der Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung ist nicht eine Betrachtung einzelner Leistungspositionen, sondern der Angebotspreis insgesamt. Indem die Abweichung des vom Kläger angebotenen Gesamtpreises nur bei 10 % zum nächstgünstigsten Bieter lag, konnte der Beklagte davon ausgehen, dass durch die Zuschlagserteilung die wirtschaftliche Existenz

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des Klägers nicht gefährdet ist, zumal das Auftragsvolumen für den Gewerbebetrieb des Klägers überschaubar war. Grundsätzlich muss der falsch kalkulierende Bieter beachten, dass eine Anfechtung bei einem Kalkulationsirrtum nicht möglich ist. Um sich dennoch von der Arbeitsausführung zu befreien oder gar vom Auftraggeber einen Schadensersatz wegen

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Verschuldens bei Vertragsschluss zu verlangen, ist Voraussetzung, dass Leistung und Gegenleistung in keinem Verhältnis zueinander stehen und der Auftraggeber diese Tatsache kannte oder kennen musste. Im vorliegenden Fall war ungewöhnlich, dass der Kläger die Durchführung der Arbeiten nicht verweigerte, sondern sie erbrachte, und anschließend Ersatzansprüche an den Beklagten stellte. 

Dr. Stephan Kraatz Partner bei CMS in Leipzig. E [email protected]

Privates Baurecht

Kein verbindlicher Bauzeitenplan vereinbart: kein Anspruch wegen gestörten Bauablaufs!

Hintergrund Die gerichtliche Durchsetzung von bauzeitbezogenen Ansprüchen ist für Auftragnehmer, die sich in ihrer Leistungserbringung behindert sehen, regelmäßig ein steiniger Weg. Die größte Hürde, die es für den Kläger zu meistern gilt, ist die konkrete bauablaufbezogene Darstellung der Behinderungen, die den tatsächlichen (gestörten) Bauablauf dem ursprünglich vorgesehenen Bauablauf gegenüberstellt. Diesen Grundsatz der Rechtsprechung konkretisiert das OLG Brandenburg in seiner Entscheidung vom 02.12.2015 – 11 U 102 / 12: Die Darstellung erfordert einen verbindlichen Termin für den Baubeginn. Haben die Parteien es versäumt, einen verbindlichen Baubeginn festzulegen, kann sich der Auftragnehmer nicht auf eine verzögerte Fertigstellung berufen. Die Entscheidung Im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung zur Errichtung von Lärmschutzwänden an einer Bundesstraße erteilte der Auftraggeber dem Auftragnehmer im November 2001 den Zuschlag. Im Vertrag wurde der Ausführungszeitraum auf 120 Tage festgelegt. In einer der Anlagen zum Zuschlagsschreiben vereinbarten die Parteien unter Hinweis auf „Verzö-

gerungen beim Streckenbau“ die Bauausführung „frühestens ab Januar 2003“. Der genaue Zeitpunkt sollte erst nach gesonderter Übereinkunft mit dem Autobahnbauamt bestimmt werden. Nachdem es zu Verzögerungen durch Vorunternehmer gekommen war, konnte der Auftragnehmer mit der Bauausführung erst im Juni 2003 beginnen und seine Arbeiten im März 2004 fertigstellen. Wegen des gestörten Bauablaufs machte er Mehrkosten in Höhe von EUR 188.000 gegenüber dem Auftraggeber geltend. Das LG Neuruppin wies die Klage ab. Gegen das Urteil legte der Auftragnehmer Berufung ein. Ohne Erfolg! Das OLG Brandenburg stellt fest, dass Ansprüche wegen gestörten Bauablaufs ausscheiden, wenn kein verbindlicher Bauzeitenplan vereinbart ist. Die Vereinbarung „ab Januar 2003“ bringt nicht zum Ausdruck, wann die Arbeiten spätestens beginnen sollten. Darüber hinaus hebt das Gericht eine zum Vertragsbestandteil gewordene Baubeschreibung vom Juli 2001 hervor, die festlegt, dass bei gleichzeitig laufenden Bauarbeiten der Bauablauf für die Gesamtmaßnahme durch den Auftraggeber bestimmt werde und mögliche Behinderungen in die Einheitspreise einzukalkulieren seien.

Praxistipp Die Entscheidung des OLG Brandenburg überzeugt. Ein verbindlicher Bauzeitenplan – der regelmäßig die Grundlage für einen Anspruch aus § 2 Nr. 5 Satz 1 VOB / B oder aus § 6 Nr. 6 VOB / B bildet – kann ohne einen Termin für den Baubeginn nicht vereinbart werden. Es mag zwar im Einzelfall so sein, dass ein fehlender Bauzeitenplan (ähnlich einer fehlenden Urkalkulation bei Nachträgen wegen geänderter oder zusätzlicher Leistungen) nachträglich ausgearbeitet werden kann. Sofern der Auftragnehmer sich jedoch nicht auf einen konkreten Starttermin für seinen nachträglich erstellten Bauzeitenplan berufen kann, wird die Darstellung der Behinderungen niemals konkret bauablaufbezogen sein, wie es die Rechtsprechung verlangt. 

Dr. Jan Philipp Wimmer Rechtsanwalt bei CMS in Berlin. E [email protected]

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Privates Baurecht

Bauvertrag: Umdeutung der außerordentlichen Kündigung eines Bauvertrages in eine freie Kündigung Hintergrund Kündigt der Auftraggeber einen Bauvertrag außerordentlich, beispielsweise wegen Mängeln oder wenn der Auftragnehmer sich im Verzug befindet, entsteht häufig Streit darüber, ob ein außerordentlicher Kündigungsgrund vorliegt. Ist kein außerordentlicher Kündigungsgrund gegeben, stellt sich regelmäßig die Frage, ob der Auftraggeber weiterhin am Vertrag festhalten oder ob er sich auch dann vom Vertrag lösen möchte und die ausdrücklich als außerordentliche Kündigung bezeichnete Erklärung des Auftraggebers zur Beendigung des Bauvertrages gemäß § 140 BGB in eine freie Kündigung gemäß § 649 BGB umgedeutet werden muss. Die Entscheidung Mit Beschluss vom 16.04.2015 – 3 U 19 / 15 – hatte das OLG Bamberg darüber zu entscheiden, wie eine unwirksame außerordentliche Kündigung zu bewerten ist, und stellte auf Grundlage gefestigter Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 24.06.2004 – VII ZR 271 / 01) klar, im Regelfall sei davon auszugehen, dass ein Auftraggeber, der die außerordentliche Kündigung erkläre, sich in jedem Fall vom Vertrag lösen möchte. Wenn daher nicht ersichtlich sei, dass der Auftraggeber nur eine außerordentliche Kündigung gewollt habe und bei deren Unwirksamkeit am Vertrag habe festhalten wollen, müsse die unwirksame außerordentliche Kündigung in

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eine jederzeit mögliche freie Kündigung umgedeutet werden. Dies sei bei einem Bauvertrag regelmäßig der Fall, weil der Auftraggeber mit Erklärung der Kündigung die Voraussetzungen für den Einsatz eines Drittunternehmers schaffen wolle. Regelmäßig beauftrage er zeitnah nach erklärter Kündigung einen Dritten mit der Fertigstellung der Bauarbeiten. Dies spreche gegen den Willen, am Vertrag festzuhalten. Im Regelfall bestehen daher keine ernstlichen Zweifel daran, dass der Auftraggeber den Bauvertrag auch im Falle der Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung beenden möchte. Stattdessen liege es grundsätzlich im unmittelbaren Interesse des Auftraggebers, das Bauvorhaben schnellstmöglich zu Ende zu führen. Dies sei jedoch nur möglich, wenn das bestehende Vertragsverhältnis beendet und ein Dritter mit der Fertigstellung des Bauvorhabens beauftragt werde. Da der Auftragnehmer in diesem Verfahren vor dem OLG Bamberg Zahlung aus einer Abschlagsrechnung verlangt hatte, wies das Gericht die Klage in vollem Umfang ab. Nach Beendigung des Bauvertrages durch Kündigung – sowohl im Falle einer außerordentlichen als auch im Falle einer freien Kündigung – ist nämlich Schlussrechnungsreife eingetreten, sodass der Auftragnehmer Zahlungsansprüche nur noch auf Grundlage seiner Schlussrechnung geltend machen kann.

Praxistipp Die Entscheidung entspricht gefestigter Rechtsprechung und ist insbesondere deshalb bemerkenswert, weil sowohl das LG als auch das OLG darauf hingewiesen hatten, dass in diesem Falle das Vorgehen aus einer Abschlagsrechnung nicht zulässig ist. Trotzdem sah der auf Werklohn klagende Auftragnehmer keine Veranlassung, eine Schlussrechnung zu legen, sodass seine Klage zu Recht in vollem Umfang abgewiesen wurde. Auftragnehmer sollten daher stets die Schlussrechnung stellen, wenn der Auftraggeber ihnen durch Kündigung den Auftrag entzieht. Dies gilt auch dann, wenn der Auftragnehmer überzeugt ist, dass kein außerordentlicher Kündigungsgrund vorliegt. In diesem Fall kann der Auftragnehmer gemäß § 649 BGB den gesamten vereinbarten Werk­ lohn abzüglich der ersparten Aufwendungen abrechnen. 

Dr. Jochen Reuter, LL.M. (Victoria University of Wellington) Rechtsanwalt bei CMS in Frankfurt / Main. E [email protected]

Privates Baurecht

Vorformulierte Sicherheitsabrede wird abgeändert: Klausel ist „ausgehandelt“!

Nach einem Urteil des KG Berlin vom 15.01.2015 – 27 U 192 / 13 – sollen Änderungen an gesetzesfremden Regelungsgehalten im Laufe von Vertragsverhandlungen die Vermutung für ein Aushandeln der Klausel begründen und somit einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle entgegenstehen. Der BGH hat die gegen das Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss vom 05.11.2015 – VII ZR 37 / 15 – zurückgewiesen. Hintergrund Insbesondere im Unternehmerverkehr werden die strikten Vorgaben des AGB-Rechts vielfach als lästig empfunden. Vom Verwender wird daher oftmals eingewandt, die ihn begünstigende Klausel sei von den Parteien individuell ausgehandelt worden und unterliege daher gemäß § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB keiner AGBrechtlichen Kontrolle. Die Rechtsprechung hat indes hohe Hürden für ein solches Aushandeln gesetzt. Der Verwender muss den gesetzesfremden Kerngehalt einer Klausel ernsthaft zur Disposition stellen. In der Instanzenrechtsprechung werden diese Voraussetzungen häufig nicht erfüllt.

Die Entscheidung Das KG Berlin wies die erstinstanzlich noch erfolgreiche Klage eines Generalunternehmers auf Herausgabe einer Gewährleistungsbürgschaft in der Berufungsinstanz ab. Zwar habe der Bauherr zunächst vorformulierte Vertragsbedingungen vorgelegt. Für die im Laufe der Verhandlung geänderte und letztendlich vereinbarte Sicherheitenabrede habe der Generalunternehmer indes schon keine vorformulierte Klausel dargelegt. Somit habe es schon an AGB gefehlt. Zudem sei die Sicherheitenabrede von den Parteien jedenfalls ausgehandelt worden. Der Bauherr habe den Vertrag insgesamt zur Disposition gestellt, indem er um dessen Prüfung sowie um Übermittlung von Änderungswünschen gebeten hatte. Dem sei der Generalunternehmer durch eine Überarbeitung des Vertragsentwurfs auch nachgekommen. In der vierten, zehnten und elften Fassung des Vertragsentwurfs seien dabei auch gesetzesfremde Regelungsgehalte der Sicherheitenabrede geändert worden. Die Änderung von vorformulierten Vertragsbedingungen während der Vertragsverhandlungen begründe schließlich die

Vermutung des ersten Anscheins, dass die Änderungen gerade auf die Verhandlungen zurückzuführen seien. Praxistipp Verwender von vorformulierten Vertragsbedingungen sollten diese bereits bei der ersten Übermittlung vollumfänglich zur Disposition stellen und den Empfänger ausdrücklich um Änderungswünsche bitten. Die anschließende Verhandlung der Vertragsbedingungen sollte sodann dokumentiert werden. Es empfiehlt sich zudem, zunächst eher von Maximalpositionen auszugehen, damit diese im Verlauf der Verhandlung durch Änderungen des Vertragspartners „heruntergehandelt“ werden. 

Dr. Oliver Kerpen Rechtsanwalt bei CMS in Köln. E [email protected]

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Architektenrecht

Wann ist der Architekt an seine Schlussrechnung gebunden?

Hintergrund Der Bauherr (B) schloss mit dem Architekten (A) einen schriftlichen Vertrag über die Planung eines Einfamilienhauses. Sie vereinbarten ein Pauschalhonorar für die Leistungen der Phasen 1 bis 9 in Höhe von EUR 60.000 zuzüglich Mehrwertsteuer. A legte Abschlagsrechnungen und rechnete als letzte „Abschlags­ pauschale“ den Restbetrag zum 30.12.2006 ab. B bezahlte und ließ sich die letzte Zahlung als „Abschlussrechnung“ quittieren. Am 16.03.2008 forderte A mit einer Teilschlussrechnung weitere EUR 58.871,03, wobei er die geleisteten Zahlungen in Ansatz brachte. Während des erstinstanzlichen Verfahrens legte er eine geänderte Kostenrechnung vor und verlangte EUR 62.346,33. Das LG sprach einen Betrag in Höhe von EUR 34.317,93 zu. Das OLG hob die Entscheidung auf. Die Entscheidung Der BGH (Urteil vom 19.11.2015 – VII ZR 151 / 13) nimmt als Anspruchsgrundlage § 631 Abs. 1 BGB i. V. m. § 4 Abs. 4 HOAI (1996) an. Dem Auftragnehmer steht danach ein Anspruch auf die Vergütung nach HOAI-Mindestsätzen zu. Rechtsfehlerfrei hat das OLG zwar die letzte „Abschlagsrechnung“ nach einer Gesamtwürdigung als

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Schlussrechnung eingeordnet. Es ist jedoch A nicht verwehrt, weiteres Honorar nach dem HOAI-Mindestsatz zu verlangen. Dieses steht A auch dann noch zu, wenn er eine Schlussrechnung gestellt hat, in der die Forderung nicht vollständig ausgewiesen ist. Darin liegt kein Verzicht auf die weitere Forderung. Der Anspruch ist auch nicht gemäß § 242 BGB nach Treu und Glauben ausgeschlossen. A wäre (trotz Mindestsatzunterschreitung) nur dann an seine Schlussrechnung gebunden, wenn B (1) auf eine abschließende Berechnung des Honorars vertrauen durfte, (2) er sich im berechtigten Vertrauen (3) auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung in schutzwürdiger Weise so eingerichtet hat, (4) dass ihm eine Nachforderung nicht mehr zugemutet werden kann (BGH, Urteil vom 12.10.2008 – VII ZR 105 / 07).

Praxistipp Der BGH hat mit seiner Entscheidung vom 23.10.2008 die Anforderungen an ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Endgültigkeit von Architektenrechnungen sehr hoch geschraubt, was er erneut bestätigt. Eine Bindungswirkung an die Schlussrechnung ist nur unter sehr engen Voraussetzungen (Ziff. 1 bis 4) gegeben. Eine Bindungswirkung tritt beim sachkundigen Auftraggeber, der die Mindestsatzunterschreitung erkannt hat oder hätte erkennen können, regelmäßig nicht ein. Vorliegen kann sie bei einem privaten Auftraggeber, der den Charakter des zwingenden Preisrechts nicht kennt, hierüber nicht aufgeklärt wird und der bei einer Vergütung nach HOAI-Mindestsätzen das Bauvorhaben nicht durchgeführt hätte. 

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Bezahlung der Schlussrechnung und die Erteilung einer Quittung genügen für ein schutzwürdiges Vertrauen nicht. Zudem muss sich B durch weitere Maßnahmen, die er unternommen oder unterlassen hat, auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung eingerichtet haben. Das schlichte Abwarten genügt ebenfalls nicht. Zudem muss sich die Nachforderung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls als besondere Härte und als nicht mehr zumutbar erweisen.

Nikolai Schirmer, Dipl.-Ing. Rechtsanwalt bei CMS in Stuttgart. E [email protected]

Architektenrecht

Nachträgliche Schwarzgeldabrede: Vertrag nichtig – kein Honorar – keine Mängelansprüche!

Hintergrund Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) leistet derjenige Schwarzarbeit, der Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei als Steuerpflichtiger seinen sich aufgrund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht nachkommt. Das so beschriebene Verbot führt nach der Rechtsprechung des BGH dazu, dass der der Dienst- oder Werkleistung zugrunde liegende Vertrag gemäß § 134 BGB nichtig ist, wenn der Unternehmer vorsätzlich gegen das SchwarzArbG verstößt und der Besteller den Verstoß des Unter­ nehmers kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt. Die Entscheidung Das OLG Stuttgart hatte über einen Fall zu entscheiden, wonach ein Architekt einem Bauherrn eine Rechnung über EUR 1.500 zuzüglich EUR 285 Umsatzsteuer stellte, die der Bauherr auch überwies. Daneben zahlte der Bauherr dem Architekten absprachegemäß EUR 1.000 in bar, um insoweit keine Umsatzsteuer bezahlen zu müssen. Bei der Ausführung des von dem Architekten geplanten Baus kam es zu erheblichen Mängeln, woraufhin der Bauherr den Architekten gerichtlich auf Schadensersatz in Anspruch nahm.

Das Gericht wies die Klage des Bauherrn mit Urteil vom 10.11.2015 – 10 U 14 / 15 – unter Hinweis auf die Nichtigkeit des Vertrages wegen Verstoßes gegen das SchwarzArbG zurück. Der beklagte Architekt habe Schwarzarbeit geleistet, indem er für einen Teilbetrag des vereinbarten Werklohns keine Umsatzsteuer verlangen und abführen wollte. Der Bauherr habe dies erkannt und bewusst gefördert. Der Umstand, dass sich die Absicht der Steuerhinterziehung nur auf einen Teil des vereinbarten Architektenhonorars bezogen habe, ändere nichts an der Nichtigkeit des gesamten Architektenvertrages. Ein Architektenvertrag könne allenfalls als teilwirksam angesehen werden, wenn die Parteien dem Teil des Vertrages, für den eine Umsatzsteuer entrichtet wurde, bestimmte Teilleistungen zuordnen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10.04.2014 – VII ZR 241 / 13, Rn. 13). Vorliegend haben die Parteien eine solche Zuordnung jedoch nicht vorgenommen. Auch der Umstand, dass die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch keine „Ohne-Rechnung-Abrede“ getroffen haben und damit zunächst ein wirksamer Vertrag abgeschlossen wurde, führe zu keiner anderen Bewertung. Die nachträgliche Abrede, einen Teilbetrag ohne Rechnung zu zahlen, gestalte den ursprünglich wirksamen Vertrag insgesamt mit dem Inhalt, den er durch die „Ohne-Rechnung-Abrede“ gefunden habe. Die in der Literatur

vertretene Ansicht, dass allein der Abänderungsvertrag gegen das SchwarzArbG verstoße und deshalb nur dieser, nicht jedoch der gesamte Vertrag nach § 134 BGB nichtig sei, sei abzulehnen. Eine isolierte Betrachtung der „Ohne-Rechnung-Abrede“ berücksichtige nicht hinreichend ihren verfolgten Zweck, den ursprünglich geschlossenen Vertrag an die neu vereinbarten Konditionen anzupassen und damit insgesamt abzuändern. Praxistipp Wer das im SchwarzArbG enthaltene Verbot bewusst missachtet, bleibt nach der sich nunmehr festigenden Rechtsprechung des BGH schutzlos, wenn später Gewährleistungsrechte geltend gemacht werden sollen. Dies gilt auch, wenn sich die Schwarzgeldabrede nur auf einen Teil der Vergütung bezieht. Neben generellen Erwägungen ist auch aus diesem Grund von einer „Ohne-RechnungAbrede“ abzuraten. 

Dr. Sebastian Huck, LL. M., UWE Bristol Rechtsanwalt bei CMS in Hamburg. E [email protected]

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Architektenrecht

Modernisierung notwendig: Architekt muss Urheberrechts­ beeinträchtigung hinnehmen!

Hintergrund Ein Architekt wendet sich aufgrund seines Miturheberpersönlichkeitsrechts gegen Veränderungen an einem von ihm zu Beginn der 70erJahre mitgeplanten Verwaltungsgebäude. Er ist der Auffassung, das Gebäude genieße insgesamt Urheberrechtsschutz, da es insbesondere durch seine Funktionalität und die besondere äußere als auch innere Gestaltung gekennzeichnet sei. Er erkennt grundsätzlich an, dass energetische Modernisierungsmaßnahmen nötig sind, meint jedoch, dass die seit der Errichtung des Gebäudes an der Fassade vorgenommenen Veränderungen, die zum Teil schon im Jahr 1991 erfolgten, zu einer inakzeptablen „Verunstaltung“ des Gesamtwerks führen. Deshalb macht er umfangreiche Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche sowie einen Anspruch auf Zugang zum Gebäude zur Prüfung des Ausmaßes der Veränderungen geltend. Die Entscheidung Das OLG Düsseldorf entschied durch Urteil vom 08.09.2015 – 20 U 75 / 14 –, dass die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht bestehen, da es für die beanstandeten Veränderungen an einer Wiederholungsgefahr fehlt. Einen Beseitigungsanspruch nahm das Gericht

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nur in sehr engen Grenzen an, nämlich bezogen auf ein bestimmtes Gestaltungselement der Fassade, das erst kürzlich geändert wurde. Jedoch sei auch diese Veränderung grundsätzlich zulässig, da sie zum Zwecke der PCB-Entsorgung erfolgte. Durch die vom Eigentümer gewählte Umsetzung, die zu einer Veränderung der farblichen Fassadengestaltung führte, sah das Gericht das Architektenurheberrecht allerdings verletzt. Im Übrigen scheiterten die Beseitigungsansprüche des Architekten bereits an der Unbestimmtheit der Klageanträge wie auch daran, dass die Veränderungen aufgrund gesetzlicher Vorgaben sowie der Modernisierungsinteressen des Eigentümers gerechtfertigt sind. Hinzu kommt, dass der Architekt gewisse Veränderungen seit über 20 Jahren ohne Beanstandung hingenommen hat, sodass etwaige Ansprüche insoweit verjährt sind. Ein Zugangsrecht des Urhebers zur Prüfung des Ausmaßes der Veränderung wurde verneint, da dies kein gesetzlich normierter Zweck und die Aufzählung in § 25 UrhG insoweit abschließend ist.

Individualität, eine künstlerische Qualität aufweist – Schöpfungshöhe. Nur in diesem Fall sind die Voraussetzungen für die Annahme eines Urheberpersönlichkeitsrechts des Architekten erfüllt. Jedoch sind selbst dann Veränderungen zulässig, wenn die (Modernisierungs- / Nutzungs-) Interessen des Eigentümers überwiegen. Das im Urhebergesetz normierte Änderungsverbot greift dann nicht. Grundsätzlich sollten Immobilieneigentümer vor der Beauftragung und Durchführung von Arbeiten am Bauwerk prüfen, ob unter Umständen Urheberpersönlichkeitsrechte eines Architekten bestehen bzw. eine Verletzung droht. Es besteht sonst die Gefahr, dass der Architekt die Arbeiten stoppt bzw. den Rückbau erzwingt. 

Praxistipp Ein Bauwerk oder ein Teil eines Bauwerks genießt urheberrechtlichen Schutz, wenn es aus der Masse des alltäglichen Bauschaffens herausragt, also eine ausreichende schöpferische

Dr. Domenico Ferragina Rechtsanwalt bei CMS in Berlin. E [email protected]

Architektenrecht

Building Information Modeling – die Digitalisierung beim Planen und Bauen schreitet voran! Eine digitale Revolution hält Einzug in die Arbeit von Architekten und Ingenieuren. Seit Bundesverkehrsminister Dobrindt am 15.12.2015 den Stufenplan „Digitales Planen und Bauen“ vorgestellt hat, gibt es kein Zurück mehr: Building Information Modeling (BIM) wird ab dem Jahr 2020 zur Regel – zumindest in öffentlichen Ausschreibungen des Ministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Es ist jedoch anzunehmen, dass die BIM-Methode über diesen Anwendungsbereich hinaus schnell an Bedeutung gewinnen wird – und damit werden sich auch neue Rechtsfragen stellen. Die BIM-Methode BIM beschränkt sich nicht auf die Anwendung einer neuen Software­ lösung. Auch steht nicht die Visualisierung des Bauvorhabens im Mittelpunkt. Vielmehr beschreibt BIM eine Methode für die kooperative Zusammenarbeit der Planungs- und Baubeteiligten. Die Beteiligten fügen ihre jeweiligen Leistungen zu einem digitalen Bauwerksmodell zusammen. Dieses kann neben den geometrischen Informationen für die dreidimensionale Darstellung mit beliebig vielen Details zu Verfügbarkeit oder Preisen der Baustoffe, aber auch zu ihren technischen Eigenschaften, wie Brandschutz oder Schalldurchlässigkeit, befüllt werden. Das BMVI beschreibt als Ziel von BIM die Erstellung eines Bauwerkmodells, das die für seinen Lebenszyklus relevanten Daten konsistent erfasst, verwaltet und einen transparenten Austausch der

Informationen zwischen den Beteiligten ermöglicht. Rechtliche Herausforderungen Im Hinblick auf die planerische Tätigkeit stellt BIM eine grundsätz­liche Veränderung dar. Auch aus rechtlicher Sicht stellen sich neue Fragen und gewohnte Lösungen sind an die neuen Anforderungen anzupassen. Eine sorgfältige Vertragsgestaltung ist dabei der Schlüssel zu einem erfolgreichen BIM-Vorhaben. Haftungsrechtlich gilt der Grundsatz, dass der Auftragnehmer die im Vertrag beschriebenen Leistungen schuldet. Die Verträge sollten in ihren Leistungsbildern daher sehr genau beschreiben, welche BIM-Leistungen zu welchen Meilensteinen geschuldet sind. Vertragliches Neuland stellen die BIM-Managementaufgaben dar. Hierbei handelt es sich insbesondere um die Ausarbeitung des Bedarfs für das konkrete Vorhaben sowie die Koordination und die Überwachung der BIM-Vorgaben während der Planung und Ausführung. Die Diskussion, wer die Aufgaben des BIMManagements wahrnehmen soll, ist noch in vollem Gange. In Betracht kommen Objektplaner, Projektsteuerer und externe Dienstleister, die sich auf diese Aufgaben spezialisiert haben. Im Ergebnis wird diese Frage projektabhängig beantwortet werden müssen. Für einen reibungslosen Ablauf eines BIM-Vorhabens ist entscheidend, dass für alle Beteiligten dieselben

vertraglichen Ziele verbindlich sind. Das kann durch die Ausarbeitung eines Projekthandbuchs oder durch besondere Vertragsbedingungen sichergestellt werden. Alternativ kommt auch die – oft nicht praktikable – Möglichkeit in Betracht, die Einheitlichkeit der Anforderungen an den Architekten und die Fachplaner durch den Abschluss eines Mehrparteienvertrags zu gewährleisten. Fazit Für die angerissenen und alle weiteren Rechtsfragen – zu denken ist etwa an urheberrechtliche Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Bauwerksmodell – lassen sich mit den vorhandenen Instrumentarien ausgewogene und interessengerechte Lösungen finden. Die bislang bewährten Leistungsbeschreibungen und Vertragsmuster sollten jedoch sorgfältig überprüft werden, damit sie dem Regelungsbedarf im Hinblick auf die BIM-Leistungen gerecht werden. 

Dr. Jan Philipp Wimmer Rechtsanwalt bei CMS in Berlin. E [email protected]

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Öffentliches Bau- und Planungsrecht

An wen ist Nutzungsuntersagung vermieteter Räume zu richten?

Hintergrund Der Antragsteller wandte sich gegen eine Verfügung der örtlichen Bauaufsichtsbehörde, die ihm als Eigentümer die Vermietung von baurechtlich nicht genehmigten Dachgeschosszimmern an ausländische Arbeitnehmer untersagte. Bei einer Ortsbesichtigung stellte die Behörde den ausgebauten Zustand des Dachgeschosses fest. Vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg unterlag der Antragsteller überwiegend bei der Anfechtung der Untersagung. Die Entscheidung Mit Beschluss vom 11.09.2015 – 1 ME 118 / 15 – hat auch das OVG Lüneburg die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Die Bauaufsichtsbehörde durfte die Untersagung direkt gegenüber dem Eigentümer bzw. Vermieter ausüben und musste sich nicht zunächst an die Mieter wenden. Zwar ist eine Nutzungsuntersagung aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr grundsätzlich zunächst gegen Nutzer auszusprechen, also die jeweiligen Mieter. In Einzelfällen ist aber eine Verfügung

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gegenüber dem Eigentümer geboten. Die Rechtsprechung nennt hierzu Fälle mit ständig wechselnden oder der Behörde unbekannten Nutzern (vgl. für den Fall der Prostitutionsausübung: OVG Lüneburg, Beschluss vom 24.06.2013 – 1 ME 52 / 13). Der Senat hat allerdings entschieden, dass im Einzelfall, wie hier, ein solcher besonderer Fall auch vorliegen kann, wenn Nutzer ständig wechselnde Arbeitnehmer sind. Die Bauaufsichtsbehörde hatte anhand eines aktuellen Melderegisterauszugs festgestellt, dass in den letzten vier Jahren insgesamt 123 verschiedene Nutzer in den betroffenen Wohnungen gemeldet waren. Aus den im Verfahren vorgelegten letzten neun Mietverträgen konnte entnommen werden, dass diese erst vier bis fünf Monate zuvor geschlossen worden waren. Insofern ist auch in diesem Fall ein Handeln der Bauaufsichtsbehörde direkt gegenüber dem Eigentümer bzw. Vermieter geboten.

Mieter / Pächter als Handlungsstörer herangezogen werden müssen und nur bei besonderen Umständen der Eigentümer richtiger Adressat ist. Sie zeigt aber einen weiteren Fall auf, in dem die besonderen Umstände eine Nutzungsuntersagung direkt gegen den Eigentümer rechtfertigen. Dieser Einzelfall muss allerdings vorliegen und von der Behörde gründlich geprüft werden. Insofern ist bei Erhalt eines entsprechenden Bescheides stets zu prüfen, ob diese Voraussetzungen vorlagen. Ansonsten kann er leicht vor dem zuständigen Verwaltungsgericht angegriffen werden. 

Praxistipp Die Entscheidung ändert zwar nicht den Grundsatz, dass bei nicht genehmigten Nutzungen zunächst die

Anton Glab Rechtsanwalt bei CMS in Berlin. E [email protected]

Öffentliches Bau- und Planungsrecht

Beschlagnahme eines privaten Grundstücks zur Bereitstellung als Flüchtlingsunterkunft Hintergrund Der zunehmende Flüchtlingszustrom in jüngster Zeit wirft neue Fragen bezüglich der Unterbringung der Schutzsuchenden auf. Eine Stadt in Niedersachsen hat zu drastischen Mitteln gegriffen und ein privates Grundstück zum Zwecke der Nutzung als Flüchtlingsunterkunft beschlagnahmt. Das OVG Lüneburg (Beschluss vom 01.12.2015 – 11 ME 230 / 15) hatte über die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu entscheiden. Die Entscheidung Der Antragsteller ist Eigentümer eines leer stehenden Gebäudekomplexes in Niedersachsen, welchen die Antragsgegnerin im Oktober 2015 beschlagnahmt hat, um dort Flüchtlinge unterzubringen. Gegen den Beschlagnahmebescheid, der auf der Ermächtigungsgrundlage des § 11 Nds. SOG (ordnungsrechtliche Generalklausel) beruhte, ist der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorgegangen. Das VG Lüneburg hat daraufhin die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers wiederhergestellt, da es die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage als nicht erfüllt ansah. Diese Auffassung teilt auch das OVG Lüneburg, wobei auch ein Rückgriff auf die Generalklausel im Hinblick auf

den Gesetzesvorbehalt als problematisch angesehen wird. Letztlich wird dies jedoch offengelassen, weil es bereits an der gegenwärtigen Gefahr, im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 Nds. SOG, fehle. Dies zeige sich daran, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung im Stadtgebiet noch freie Kapazitäten zur Unterbringung von Flüchtlingen bestanden hätten. Darüber hinaus dürfe die Gewährung sozialer Fürsorge, die grundsätzlich der Allgemeinheit obliege, nicht auf eine Privatperson abgewälzt werden. An die Heranziehung Privater seien wegen des Schutzes des Art. 14 GG hohe Anforderungen zu stellen. Das folgende abgestufte Vorgehen solle berücksichtigt werden: Zunächst habe die Behörde die eigenen Möglichkeiten, insbesondere öffentliche Gebäude (z. B. Sporthallen), auszunutzen. In einem zweiten Schritt könne auf freiwilliger Basis auf Privatpersonen, z. B. durch Anmietung von Wohnraum (z. B. Hotels oder Jugendherbergen), zurückgegriffen werden. Erst als Ultima Ratio, nur bei Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und erst wenn die Gefahr drohender Obdachlosigkeit der Flüchtlinge nicht oder nicht rechtzeitig selbst oder durch Beauftragte abgewehrt werden könne, sei eine Beschlagnahme zulässig. Ein mit der vorrangigen Anmietung verbundener organisatorischer und finanzieller Mehraufwand sei dabei hinzunehmen. Wirtschaftspolitische Erwägungen, wie der Gesichtspunkt der Attraktivität des Tourismusstandortes, seien nicht geeignet, die

zwangsweise Inanspruchnahme nicht verantwortlicher Dritter zu rechtfertigen. Praxistipp Eine Beschlagnahme von Eigentum ist, wegen des verfassungsmäßigen Schutzes des Art. 14 GG, nicht ohne Weiteres zu befürchten. Die Privatnützigkeit des Eigentums hat jedoch dort ihre Grenzen, wo in einer besonderen Situation die Interessen der Allgemeinheit überwiegen. Hamburg (§ 14 a SOG HH) und Bremen (§ 26 a Abs. 1 Satz 1 Brem PolG) haben bereits neue Grundlagen für die Sicherstellung ungenutzter Grundstücke geschaffen und damit dem Gesetzesvorbehalt Genüge getan. Einer solchen Beschlagnahme stehen dann keine verfassungsmäßigen Bedenken entgegen, wenn die Sicherstellung auf einen verhältnismäßigen Zeitraum beschränkt, angemessen entschädigt und das vom OVG Lüneburg genannte Stufenprinzip eingehalten wird. 

Katharina Sengers Rechtsanwältin bei CMS in Düsseldorf. E [email protected]

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Öffentliches Bau- und Planungsrecht

Ausschluss einzelner Nutzungen im Gewerbegebiet

Hintergrund

Die Entscheidung

Eine Gemeinde hatte einen Bebauungsplan für ein bebautes Gebiet mit gewerblich und industriell genutzten Grundstücken aufgestellt. Mit dem Bebauungsplan setzte die Gemeinde für diesen Bereich mehrere Gewerbegebiete nach § 8 BauNVO fest und schloss „Lagerhäuser, Speditionen und Einzelhandelsläden nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO und Tankstellen nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO gemäß § 1 Abs. 5 BauNVO“ sowie „Ausnahmen nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO (Vergnügungsstätten) […] gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO“ aus. Planerisches Ziel der Gemeinde war, ein hochwertiges Gewerbegebiet zu schaffen, das Dienstleistungsbetrieben und dem produzierenden Gewerbe vorbehalten sein sollte. Zudem sollte durch den Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben der Ortskern gestärkt werden.

Das BVerwG (Urteil vom 10.09.2015 – 4 CN 8 / 14) hat die Entscheidung des VGH Mannheim wegen einer unzutreffenden Auslegung der Anforderungen von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB aufgehoben und das Verfahren an den VGH zurückverwiesen. Der VGH habe die Anforderungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB an die Erforderlichkeit der Aufstellung eines Bebauungsplans und einen zulässigen Nutzungsausschluss überspannt.

Gegen diesen Bebauungsplan stellte der Eigentümer eines in dem Plangebiet gelegenen Grundstücks, das unter anderem an Speditionsunternehmen vermietet war, einen Normenkontrollantrag gemäß § 47 VwGO. Der VGH Mannheim erklärte den Bebauungsplan für unwirksam, da er gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verstoße. Der Planung der Gemeinde fehle es an einem Konzept, das die Nutzungsausschlüsse städtebaulich rechtfertige. Hiergegen richtete sich die Revision der Gemeinde.

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§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB setze der Bauleitplanung eine erste, strikt zu beachtende Grenze, wonach die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht geboten ist, wenn die Gemeinde keine städtebaulichen Ziele verfolgt. Diese Grenze schließe jedoch nur grobe und einigermaßen offensichtliche Fehlgriffe aus. Die Einzelheiten der Planung bemessen sich nach dem Abwägungsgebot gemäß § 1 Abs. 7 BauGB. Die Planung der Gemeinde war unstreitig von dem städtebaulichen Ziel der Schaffung eines höherwertigen Gewerbegebiets getragen. In einem zweiten Schritt sei nach § 1 Abs. 3 BauGB bei einem Nutzungsausschluss zu prüfen, ob dieser geeignet ist, einen Beitrag zur Förderung des Ziels zu erreichen. Nicht notwendig für die Planrechtfertigung nach § 1 Abs. 3 BauGB sei, dass die Gemeinde alle Nutzungen ausschließen müsse, die der Zielerreichung entgegenstehen. Ausreichend sei, wenn

die Gemeinde die Festsetzungen treffe, für die nach ihrem planerischen Ermessen Anlass bestehe. Ein Planungskonzept könne lediglich solche planerischen Festsetzungen nicht rechtfertigen, die von vornherein nicht geeignet sind, das Ziel zu fördern. Praxistipp Die Entscheidung macht deutlich, dass den Gemeinden ein relativ weites planerisches Ermessen zukommt und sie auch einzelne Nutzungsarten in einem Plangebiet nach der BauNVO ausschließen können, wenn der Ausschluss dazu beiträgt, ein von der Gemeinde verfolgtes planerisches Ziel zu verwirklichen. Das bauplanerische Ziel muss durch den Ausschluss konkreter Nutzungen nicht vollständig erreicht werden. Dennoch erscheint es ratsam, in den Planunterlagen deutlich zu machen, welchem planerischen Ziel ein Nutzungsausschluss dient und was der Nutzungsausschluss zur Zielerreichung bei­trägt. 

Dr. Konrad Walter Rechtsanwalt bei CMS in Hamburg. E [email protected]

Öffentliches Bau- und Planungsrechtt

Der Auftraggeber nimmt in Kenntnis eines Mangels vorbehaltlos ab – wie ist die Rechtslage? Hintergrund Sehr oft wird im Prozess über Baumängel vorgetragen, der Auftraggeber habe den Mangel gekannt oder jedenfalls erkennen müssen, habe bei der Abnahme aber keinen Vorbehalt erklärt und sei deswegen mit allen Mängelansprüchen ausgeschlossen. Richtig ist insoweit: Gemäß § 640 Abs. 2 BGB stehen dem Auftraggeber die Ansprüche auf Mängelbeseitigung, auf Kostenerstattung nach einer Ersatzvornahme oder auf Minderung nur dann zu, wenn er sich bei Kenntnis des Mangels seine Rechte bei der Abnahme vorbehalten hat. Ein bloßes Kennenmüssen reicht für den Ausschluss nicht aus. Aber auch bei Kenntnis sind eventuelle Schadensersatzansprüche wegen des Mangels nicht ausgeschlossen. Der BGH hatte in seinem Urteil vom 12.05.1980 – VII ZR 228 / 79 – ausgeführt, dass Schadensersatzansprüche gemäß § 635 BGB a. F. und § 13 VOB / B auch insoweit von der vorbehaltlosen Abnahme unberührt bleiben, als sie auf die Kosten zur Mängelbeseitigung gerichtet sind. Der BGH hat darauf verwiesen, dass Schadensersatzansprüche, da sie ein Verschulden voraussetzen, nicht von der Ausschlusswirkung des § 640 Abs. 2 BGB umfasst sein sollen. Da einem Baumangel aber in den meisten Fällen ein Verschulden des Bauunternehmers zugrunde liegt, bleibt dieser trotz vorbehaltloser Abnahme regelmäßig verpflichtet, die Mängelbeseitigungskosten (als Schadensersatz) zu bezahlen.

Die anders lautende Entscheidung Das OLG Schleswig vertritt nun im Urteil vom 18.12.2015 – 1 U 125 / 14 – eine andere Auffassung: Die Rechtsprechung des BGH (die von der herrschenden Literaturmeinung geteilt wird) sei nach der Schuldrechtsreform nicht mehr anzuwenden. Zwar bliebe auch nach dem aktuellen Wortlaut des § 640 Abs. 2 BGB dem Auftraggeber der Anspruch auf Ersatz von Mangelschäden und Mangelfolgeschäden erhalten. Es sei jedoch nicht interessengerecht, dass dem Besteller, der in Kenntnis des Mangels abnimmt, ein Anspruch auf Ersatz des Mangelschadens erhalten bleibt. Der Auftraggeber verhalte sich vielmehr widersprüchlich, wenn er einerseits das Werk trotz des ihm bekannten Mangels als vertragsgerecht annimmt, andererseits jedoch später die Mittel ersetzt haben möchte, um den Mangel zu beseitigen. Die vom BGH vorgenommene Differenzierung zwischen verschuldensabhängigen und verschuldensunabhängigen Ansprüchen sei nicht überzeugend. Ein Schadensersatzanspruch setze im Übrigen voraus, dass zunächst erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt wurde (§ 281 Abs. 1 BGB). Dies setze einen Anspruch auf Nacherfüllung voraus; diesen habe der Auftraggeber aber durch die vorbehaltlose Abnahme gerade verloren. In dem entschiedenen Fall hat der Auftraggeber trotz Kenntnis nicht gerügt, dass – entgegen der Baubeschreibung – im Obergeschoss des

neu errichteten Hauses keine Roll­ läden installiert worden waren. Die Klage auf Ersatz der Kosten für die nachträgliche Installation hat das OLG Schleswig somit abgewiesen. Dem Antrag auf Feststellung, dass eventuelle Mangelfolgeschäden zu erstatten seien, durch die etwa Mietminderungen entstehen, hat das Gericht stattgegeben. Praxistipp Die Entscheidung des OLG Schleswig wird voraussichtlich eine Diskussion anstoßen, ob die Rechtsprechung des BGH aus dem Jahre 1980 weiterhin Anwendung finden soll. Bislang steht das OLG Schleswig mit seiner Rechtsauffassung allerdings allein da. Richtig dürfte auch bei Fortgeltung der Auffassung des BGH sein, dass Schadensersatz nur dann verlangt werden kann, wenn dem Unternehmer zunächst – vergeblich – die Gelegenheit zur Nachbesserung eingeräumt worden ist. 

Klaus-Dieter Schick Partner bei CMS in Stuttgart. E [email protected]

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Vergaberecht

Nachforderung nur bei mit Angebot abzugebenden Erklärungen und Nachweisen

Hintergrund Die Vergabestelle schrieb Bauleistungen beim Bau einer Autobahn europaweit im offenen Verfahren aus, wobei Zuschlagkriterium der niedrigste Preis war. Nachunternehmer mussten nicht mit dem Angebot angegeben werden. Nach Öffnung der Angebote forderte die Vergabestelle die Bieter auf, die Nachunternehmer zu benennen und entsprechende Verpflichtungserklärungen vorzulegen. Der Bieter kam der Aufforderung nach, erklärte jedoch bezüglich einer der Planungsleistungen entgegen seiner Angabe im Angebot, dass er diese in Eigenleistung, ohne Nachunternehmer, erbringen würde. Die Vergabestelle schloss das Angebot des Bieters daraufhin wegen Widersprüchlichkeit der gemachten Nachunternehmerangaben von der Wertung aus. Den Ausschluss hat der Bieter ohne Erfolg vor der Vergabekammer bekämpft. Mit der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde begehrt der Bieter, die Vergabestelle zu verpflichten, sein Angebot bei der Wertung zu berücksichtigen. Die Entscheidung Mit Erfolg. Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 21.10.2015 – VII-Verg 35 / 15) hebt den Beschluss der Ver-

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gabekammer auf und untersagt der Vergabestelle, einen Zuschlag ohne Einbeziehung des Angebots des Antragstellers zu erteilen. Das OLG führt zunächst aus, dass im vorliegenden Fall nicht der Anwendungsbereich von § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB / AEG, wonach Angebote ausgeschlossen werden können, wenn fehlende Nachweise und Erklärungen nicht innerhalb einer bestimmten Frist nachgereicht werden, eröffnet sei. Die Norm beziehe sich ausschließlich auf Erklärungen oder Nachweise, die von Bietern bereits mit dem Angebot vorzulegen sind. Dies folge bereits aus dem Wortlaut und entspreche auch dem Sinn der Norm. Durch § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB / A-EG solle verhindert werden, dass wirtschaftliche Angebote allein wegen der Nichteinhaltung von Formalitäten aus der Wertung ausscheiden. Hintergrund sei, dass Bieter bei der Aufforderung, Erklärungen oder Nachweise bereits mit dem Angebot einzureichen, unter hohem Zeitdruck und starkem Angebotsdruck, auch gegenüber ihren Nachunternehmern, stünden. In diesem Stadium des Verfahrens seien Bieter typischerweise der Gefahr ausgesetzt, die Vorlage bestimmter Erklärungen oder eines Nachweises zu versäumen. Im vorliegenden Fall stellt sich die Situation für den Bieter hingegen

anders dar: Wenn der Auftraggeber nach der Einreichung der Angebote gesondert bestimmte Unterlagen verlangt, können die Bieter unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt die nunmehr überschaubare Anzahl an Unterlagen und Nachweisen vorlegen. Eine von hohem Zeitdruck geprägte Situation, wie sie vor Abgabe des Angebots herrsche, liege nun nicht mehr vor. Darüber hinaus sei der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB / A-EG aber auch deshalb nicht eröffnet, weil im vorliegenden Fall keine geforderte Erklärung fehle, sondern die Erklärung nur inhaltlich zu beanstanden sei. Dementsprechend durfte der Auftraggeber das Angebot im vorliegenden Fall nicht ohne vorherige Aufklärung von der Wertung ausschließen. Er ist in einem solchen Fall dazu verpflichtet, in der nach § 15 VOB / A-EG vorgeschriebenen Form, den Inhalt des Angebots aufzuklären. Praxistipp Der Beschluss trifft zum einen wichtige Klarstellungen im Hinblick auf die Nachforderungspflicht nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB / A-EG. Sie gilt insbesondere nicht bei inhaltlicher Widersprüchlichkeit vorgelegter Unterlagen. Offen lässt sie, wie zu verfahren ist, wenn anstatt eines geforderten Nachweises ein anderer, nicht den

Anforderungen entsprechender Nachweis vorgelegt wird. Dann fehlt der verlangte Nachweis immer noch und er muss aus hiesiger Sicht nachgefordert werden. Auch im Hinblick auf den vom OLG angeführten Zweck der Bestimmung ist die Nachforderung geboten, da der Zeitdruck, unter dem der Bieter steht, auch zur Folge haben kann, dass er falsche oder veraltete Nachweise vorlegt. Die Nachforderungspflicht soll allerdings nicht gelten, wenn der Nachweis nicht mit dem Angebot vorzu-

legen ist, also insbesondere nicht, wenn nachträglich Unterlagen angefordert werden. Zum anderen zeigt die Entscheidung, dass Bieter nicht vorschnell wegen widersprüchlicher Angaben ausgeschlossen werden dürfen. Die Vergabestelle muss bei Ungereimtheiten aufklären und dem Bieter Gelegenheit geben, die Widersprüchlichkeit seines Angebots nachvollziehbar auszuräumen. 

Dr. Christian Scherer-Leydecker Partner bei CMS in Köln. E [email protected]

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Vergaberecht

OLG München: Alternativpositionen sind nur bei berechtigtem Interesse zulässig

Hintergrund Eine Behörde im Freistaat Bayern schrieb im offenen Verfahren die Errichtung einer Autobahnbrücke über die Bundesautobahn A 92 europaweit aus. Im Leistungsverzeichnis hatte der Auftraggeber eine Brückenkonstruktion vorgegeben, deren Voraussetzungen nur von dem Produkt eines bestimmten Herstellers erfüllt werden konnten. Alternativ bestand für die Bieter die Möglichkeit, Übergangskonstruktionen anderer Hersteller vorzuschlagen. Das einzige Zuschlagskriterium war der Preis. Nach Erhalt der Bieterinformation gemäß § 101 a GWB wandte sich ein Unternehmen, das zwar bei der Grundposition das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte, bei der vom Auftraggeber präferierten Alternativposition aber nur auf dem zweiten Platz lag, mit Rüge und Nachprüfungsantrag gegen die Festsetzung der Alternativposition. Die Entscheidung Das OLG München (Beschluss vom 22.10.2015 – Verg 5 / 15) stellte zunächst fest, dass die erst nach Erhalt der Bieterinformation erhobene Rüge rechtzeitig eingelegt worden sei. Der Nachprüfungsantrag sei nicht gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert, da die Frage der Zulässigkeit einer Alternativposition nicht von vornherein zum allgemeinen und

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grundlegenden Wissen der beteiligten Bieterkreise gehöre und deshalb nicht im Sinne der Vorschrift erkennbar sei. Auch in der Sache gab das OLG dem Antragsteller recht. Eine Alternativposition dürfe nur bei berechtigtem Interesse ausgeschrieben werden. Ein solches Interesse liege hier nicht vor. Wenn der Preis das einzige Zuschlagskriterium sei, dürfe neben der Grundposition nicht eine Alternativposition abgefragt werden, da Qualitätsunterschiede bei einer reinen Preiswertung nicht berücksichtigt werden können. Der Auftraggeber hätte vielmehr produktneutral ausschreiben müssen, da ausweislich der Alternativposition eine produktbezogene Ausschreibung nicht erforderlich und somit unzulässig war. Praxistipp Die Entscheidung liegt auf der bisherigen Linie der Rechtsprechung, wonach Alternativpositionen nur ausnahmsweise bei berechtigtem Interesse des Auftraggebers zulässig sind. Ein berechtigtes Interesse kann z. B. vorliegen, wenn nur mithilfe von Alternativpositionen die Kosten für die verschiedenen Ausführungsvarianten ermittelt werden können. Das bloße Interesse des Auftraggebers, den Markt für alternative Angebote abzufragen, genügt dagegen nicht. Zutreffend sind auch die Ausführungen des OLG zur Erkennbar-

keit gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB. Der zugrunde gelegte Maßstab des allgemeinen und grundlegenden Wissens des beteiligten Bieterkreises dürfte im Wesentlichen mit dem vom EuGH vertretenen Maßstab übereinstimmen, wonach die Erkennbarkeit im Hinblick auf die Sicht eines fachkundigen Durchschnittsbieters zu beurteilen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 12.03.2015 – C-538 / 13). Auf individuelle Kenntnisse und Fähigkeiten kommt es demnach nicht an. Auf die Frage des richtigen Antraggegners ist das OLG zu Recht nur kurz eingegangen. In der Rechtsprechung ist mittlerweile geklärt, dass richtiger Antragsgegner im Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung gemäß Art. 85 GG nicht der Bund, sondern das handelnde Bundesland ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20.03.2014 – X ZB 18 / 13). 

Dr. Volkmar Wagner Partner bei CMS in Stuttgart. E [email protected]

Vergaberecht

Bietergemeinschaft konzernverbundener Unternehmen

Hintergrund In der Rechtsprechung war bisher nicht geklärt, unter welchen Voraussetzungen Bietergemeinschaften an Vergabeverfahren teilnehmen können, die aus konzernverbundenen Unternehmen bestehen. Grundsätzlich gilt als vergabe- und kartellrechtswidrig, wenn die sich in einer Bietergemeinschaft zusammenschließenden Unternehmen zueinander im Wettbewerb stehen und mindestens eines dieser Unternehmen auch allein in der Lage ist, den Auftrag auszuführen. Ob dieser Maßstab auch für konzernverbundene Unternehmen Anwendung findet, war umstritten. Nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 29.07.2015 – VII-Verg 5 / 15) besteht nunmehr Klarheit, dass Bietergemeinschaften im Konzernverbund vergabe- und kartellrechtlich grundsätzlich unbedenklich sind. Die Entscheidung In dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall schrieb eine gesetzliche Krankenkasse in einem europaweiten offenen Verfahren Arzneimittelrabattverträge gem. § 130 a Abs. 8 SGB V in mehreren Fachlosen aus. Die Fachlose waren so zugeschnitten, dass Bieter, die ein möglichst breites Sortiment anbieten konnten, im Wettbewerb einen Vorteil hatten. Infolgedessen sollten zwei Bietergemeinschaften den Zuschlag erhalten,

die jeweils aus verbundenen Unternehmen eines GmbH-Konzerns bestanden und somit auf gebündelte Sortimentressourcen zurückgreifen konnten. Hiergegen wandte sich ein Einzelbieter mit seinem Nachprüfungsantrag, in dem er unter anderem einen Verstoß gegen das Kartellverbot gemäß § 1 GWB geltend machte. Das OLG folgte dem nicht. Die Bildung der Bietergemeinschaften verstoße weder gegen das Kartellverbot gemäß § 1 GWB, noch liege eine wettbewerbsbeschränkende Abrede im Sinne des § 16 Abs. 3 f VOL / A vor. Das OLG stellte klar, dass Bietergemeinschaften auch dann grundsätzlich zulässig seien, wenn ihre Mitglieder konzernverbundene Unternehmen sind. Dies gelte bei GmbH-Konzernen sowohl für Bietergemeinschaften zwischen Tochterund Enkelgesellschaften mit einer gemeinsamen beherrschenden Muttergesellschaft (sogenannter faktischer Unterordnungskonzern) als auch für Bietergemeinschaften, die durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag und personelle Verflechtungen in der Geschäftsführung verbunden sind (sogenannter vertraglicher Unterordnungskonzern). Bei solchen Bietergemeinschaften sei bereits der Anwendungsbereich des § 1 GWB nicht eröffnet, da es an einem Wettbewerbsverhältnis fehle. Etwas anderes gelte nur dann, wenn Unterneh-

men ein und desselben Konzerns mit jeweils separaten Angeboten parallel an einem Vergabeverfahren teilnähmen, da sie insoweit in Konkurrenz zueinander träten. Praxistipp Die Entscheidung hat übergreifende Bedeutung für alle Branchen, insbesondere auch die Baubranche. Interessant ist neben der Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung, dass Bietergemeinschaften grundsätzlich zulässig sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.12.2014 – VII-Verg 22 / 14), die Klarstellung, dass der Begriff des Wettbewerbs im Sinne des AEUV, GWB und der VOL / A einheitlich zu verstehen sei. Hieraus folgt, dass etwa der Grundsatz des Geheimwettbewerbs zwischen konzernverbundenen Unternehmen nur dann verletzt werden kann, wenn die konzernverbundenen Unternehmen jeweils separate Angebote zu ein und derselben Ausschreibung parallel abgeben. 

Dr. Sven Brockhoff Rechtsanwalt bei CMS in Stuttgart. E [email protected]

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Umweltrecht

Einwendungsausschluss im deutschen Umweltrecht unionsrechtswidrig

Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 15.10.2015 – Rs. C-137 / 14 – erneut die Umweltverbandsklage gestärkt und zugleich ein wesentliches Prinzip des deutschen Umweltrechtsschutzes – den Einwendungsausschluss (Präklusion) – gekippt: Umweltverbände und sonstige Dritte können Klagen gegen Vorhabenzulassungen auch auf solche Mängel der Antragsunterlagen stützen, die sie im Verwaltungsverfahren nicht oder nicht rechtzeitig gerügt haben. Hintergrund Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) wurde schon mehrfach vom EuGH gerügt und in der Folge nachgebessert. Jetzt ging es vor allem noch um die Präklusionsvorschriften in § 2 Abs. 3 UmwRG (für Umweltverbandsklagen) und § 73 Abs. 4 VwVfG (für Klagen gegen Planfeststellungsbeschlüsse). Danach sind Einwendungen gegen die behördliche Zulassungsentscheidung für ein Vorhaben im weiteren Verwaltungs- wie auch im Gerichtsverfahren unerheblich, eine Klage daher insoweit unbegründet, als die gegen das Vorhaben vorgebrachten Themen

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nicht innerhalb der gesetzlichen Frist im behördlichen Verfahren gerügt wurden. Die Präklusionsvorschriften sollten Dritte und Umweltverbände dazu anhalten, auf erkennbare Mängel frühzeitig hinzuweisen, um das Verwaltungsverfahren effektiv zu gestalten. Zugleich brauchte der Vorhabenträger mit einer Klage gegen die Genehmigung wegen nicht schon im Verwaltungsverfahren eingewandter Mängel nicht mehr zu rechnen. Die Entscheidung Der EuGH erklärte die angegriffenen Vorschriften mit Urteil vom 15.10.2015 für unionsrechtswidrig. Zwar sei der nationale Gesetzgeber zur Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens berechtigt. Die hier maßgeblichen Art. 11 Abs. 1 der UVPRichtlinie bzw. Art. 25 Abs. 1 der IED-Richtlinie verlangten aber eine umfassende materielle wie verfahrensrechtliche Kontrolle. Diese würde durch die Präklusionsvorschriften unzulässig eingeschränkt.

Praxistipp Neben den schon in früheren Entscheidungen angelegten Erweiterungen des Rechtsschutzes auf rein objektiv wirkendes Umweltrecht und auf Fälle der fehlerhaften UVP bzw. UVP-Vorprüfung bedeutet die im Ergebnis aus dem jetzigen Urteil folgende Abschaffung der Präklusionsregeln einen tiefgehenden Eingriff in das umweltrechtliche Rechtsschutzsystem in Deutschland. Denn zukünftig könnte ein Umweltverband oder sonstiger Dritter etwaige Belange erst nach Genehmigungserteilung im gerichtlichen Verfahren vorbringen. Hierdurch wird die Funktion der Öffentlichkeitsbeteiligung im Verwaltungsverfahren als Kontrollinstrument einerseits und als Rechtsschutzinstrument andererseits geschwächt. Da eine Heilung von Fehlern nach Genehmigungserteilung ohnehin nur eingeschränkt möglich ist, dürften Drittklagen gegen umweltrelevante Vorhaben zukünftig weiter zunehmen. Zudem führt der fehlende Rückgriff auf den Einwendungsausschluss zu noch größerer Rechtsunsicherheit, voraussichtlich auch zu Bauverzögerungen und zu

höheren Kosten auf Seiten des Vorhabenträgers. Obwohl der EuGH sich nur zu zwei konkreten Präklusionsvorschriften geäußert hat, dürfte das Urteil zudem das Ende der Präklusion für die meisten umweltrechtlichen Verfahren bedeuten. Denn die im Umweltrecht weitverbreiteten Präklusionsvorschriften enthalten letztlich dieselben Regelungen wie die ausdrücklich für unionsrechtswidrig erklärten § 2 Abs. 3 UmwRG und § 73 Abs. 4 VwVfG. Der EuGH mag seine Entscheidung konsequent am Ziel der Richtlinien ausgerichtet haben, den Umweltschutz durch weite Klagemöglich-

keiten zu fördern. Dass nach dem nationalen Rechtsschutzsystem die Öffentlichkeitsbeteiligung nicht nur die Einhaltung umweltrechtlicher Vorschriften zu überwachen hilft, sondern zugleich Grundrechtsschutz durch Verfahren vermittelt und die Präklusionsvorschriften einen Ausgleich zum Bedürfnis des Vorhabenträgers nach Rechtssicherheit schaffen, findet in der Entscheidung – leider – kein Gehör. Fehlervermeidung und -korrektur sowie ggf. proaktives Zugehen auf Umweltverbände sind daher zukünftig noch wichtiger als schon bisher. 

Dr. Ursula Steinkemper Partnerin bei CMS in Stuttgart. E [email protected]

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Umweltrecht

Das Schicksal der Dresdner Waldschlösschenbrücke

Hintergrund Die Dresdner Waldschlösschenbrücke wurde zu einem Zeitpunkt geplant und planfestgestellt, als das umliegende Elbtal noch nicht als FFHGebiet (Fauna-Flora-Habitat) eingestuft war. Baubeginn erfolgte erst nach Ausweisung des FFH-Gebiets. Die Planfeststellungsbehörde hatte vor Gebietsausweisung überschlägig geprüft, ob das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen führen könne und nachträglich eine detailliertere Prüfung vorgenommen. Das BVerwG hatte über die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses zu entscheiden. Es hat dem EuGH mehrere Fragen zur Notwendigkeit einer nachträglichen Verträglichkeitsprüfung sowie zu der Art und Weise ihrer Durchführung vorgelegt. Die Entscheidung Der EuGH (Urteil vom 14.01.2016 – C-399 / 14) entschied, dass im Falle einer Ausweisung des Gebiets nach Planfeststellungsbeschluss keine originäre Verpflichtung bestehe, eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen. Die Mitgliedstaaten treffe aber eine allgemeine laufende Schutzpflicht aus Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie (92 / 43 / EWG), geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um eine Verschlechterung sowie Störungen, die sich im Hinblick auf die Ziele der Richtlinie erheblich auswirken könnten, zu vermeiden. Die Auswahl der Schutzmaßnahmen liege grundsätzlich im Ermessen der Mitgliedstaaten – eine Pflicht zur Durchfüh-

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rung einer nachträglichen Verträglichkeitsprüfung bestehe aber, wenn keine andere geeignete Maßnahme existiere, um erhebliche Verschlechterungen und Störungen zu vermeiden, oder wenn eine Ausnahme nach Art. 6 Abs. 4 der Habitatrichtlinie erforderlich wird. Entscheide sich der Mitgliedstaat, eine nachträgliche Verträglichkeitsprüfung durchzuführen, müsse diese auch den allgemeinen Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie genügen. Maßgeblicher Bezugspunkt sei dabei der Zeitpunkt der Ausweisung des Gebiets. Die Verwaltungsgerichte werden zu klären haben, ob die nachträgliche Überprüfung den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie entspricht. War die Prüfung nicht rechtmäßig, so kann der Fehler unter Umständen in einem nachträglichen Verfahren behoben werden. Gelingt auch dies nicht und führt der Rückbau nicht seinerseits zu erheblichen, nicht im Rahmen einer Alternativenprüfung überwindbaren Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets, ist nach Auffassung des EuGH sogar ein Rückbau der fertiggestellten Brücke nicht ausgeschlossen. Zwar sei auch dann zu prüfen, ob der Bau ausnahmsweise nach Art. 6 Abs. 4 der Habitatrichtlinie zulässig sei. Die Ausnahmenprüfung dürfe aber nicht davon beeinflusst werden, dass das Bauwerk aufgrund einer sofort vollziehbaren Genehmigung errichtet worden sei. Auch die wirtschaftlichen Kosten der Brücke einschließlich

eines möglichen Abrisses seien von untergeordneter Bedeutung. Praxistipp Vorhaben, die vor Ausweisung eines FFH-Gebiets genehmigt, aber erst danach gebaut bzw. fertiggestellt werden, werden zukünftig regelmäßig einer Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen sein, wenn erhebliche Auswirkungen auf das Gebiet nicht schon im Rahmen einer Vorprüfung ausgeschlossen werden können. Zudem sind bereits realisierte Vorhaben weder privilegiert zu behandeln, noch darf auf die Fertigstellung Rücksicht genommen werden. Dies betrifft alle Fälle, in denen eine Verträglichkeitsprüfung nicht oder fehlerhaft durchgeführt wurde. Ergibt die nachträgliche Prüfung, dass das Vorhaben zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets führen kann, ist ein Abriss durchaus denkbar. Vorhabenträger sollten daher vor Baubeginn sicherstellen, dass die Anforderungen des FFH-Rechts erfüllt sind. 

Dr. Neele Ann Christiansen Rechtsanwältin bei CMS in Hamburg. E [email protected]

Steuerrecht

Umsatzsteuer: Erwerb vom Bauträger kann eine Geschäftsveräußerung im Ganzen sein

Hintergrund Beim Erwerb von Grundstücken als ausschließlichem Kaufgegenstand stellt sich regelmäßig die Frage, ob es sich umsatzsteuerlich um eine steuerbefreite Grundstückslieferung (§ 4 Nr. 9 lit. a) UStG) handelt – mit der Möglichkeit zur Umsatzsteueroption (§ 9 UStG) – oder um eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen – bei der eine Umsatzsteueroption nicht möglich ist. Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen ist dabei umsatzsteuerlich anzunehmen, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Unternehmens an einen Unternehmer für dessen Unternehmen übertragen werden, sodass dem Erwerber die Fortführung der vom Verkäufer ausgeübten Tätigkeit möglich ist und auch tatsächlich erfolgt. Unschädlich ist, wenn der Erwerber erst durch den Erwerb zum Unternehmer wird. Die Finanzverwaltung hat schon seit Langem anerkannt, dass die Übertragung einer einzelnen Immobilie eine Geschäftsveräußerung im Ganzen sein kann (OFD Karlsruhe, Verfügung vom 31.09.1999). Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das übertragene Grundstück ein weiterführbares Unternehmen darstellt, das vom Käufer auch tatsächlich fortgeführt wird. Daher liegt nach Ansicht des BFH bei einem unvermieteten Grundstück regelmäßig keine Geschäfts-

veräußerung im Ganzen vor (BFH, Urteil vom 11.10.2007 – V R 57 / 06), und auch beim Erwerb eines vermieteten Grundstücks muss geprüft werden, ob der Erwerber tatsächlich das Unternehmen des Verkäufers fortführt (BFH, Urteil vom 24.09.2009 – V R 6 / 08). Insoweit hat der BFH entschieden, dass beim Erwerb vom Bauträger die Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen regelmäßig ausscheidet, selbst wenn sich die Tätigkeit des Bauträgers über die Errichtung des Gebäudes hinaus auch auf das Suchen von Mietern erstreckt und insoweit eine vermietete Immobilie übertragen wird (BFH, Urteil vom 28.10.2010 – V R 22 / 09). Die Entscheidung In seiner Entscheidung vom 12.08.2015 – XI R 16 / 14 – hat der BFH hingegen ausgeführt, dass auch der Erwerb vom Bauträger eine Geschäftsveräußerung im Ganzen sein kann und es stets auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Dem Urteil lag der Sachverhalt zugrunde, dass ein Bauträger einen Bürokomplex im Jahr 2001 erworben und bis Februar 2002 erweitert und saniert hatte. Ab Februar 2003 wurde das Gebäude vermietet. Zum Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme mit dem Erwerber im Oktober 2005 betrug der Vermietungsstand 80 % der Gesamtfläche. Der BFH hat insoweit festgestellt, dass die anfangs bestehende und niemals aufgegebene Absicht, eine Bauträger-

tätigkeit auszuüben, der Aufnahme einer weiteren Tätigkeit – hier: Vermietungstätigkeit – nicht entgegensteht. Vielmehr kann ein Bauträger, der als Objektgesellschaft eine erworbene Immobilie nach ihrer Sanierung zunächst über mehrere Jahre hält, sukzessive weitervermietet und dann gewinnbringend und wie von Anfang an beabsichtigt zum „richtigen“ Zeitpunkt veräußert, mit zunehmender Dauer selbst Vermieter im unternehmerischen Sinn werden. Praxistipp Mit der Entscheidung hat der BFH klargestellt, dass die Beurteilung, ob eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt oder nicht, stets einzelfallbezogen geprüft werden muss, und pauschale Aussagen, wie z. B. der Erwerb vom Bauträger sei nie eine Geschäftsveräußerung im Ganzen, zu kurz greifen. 

Marcus Fischer, Dipl.-Finanzwirt (FH) Rechtsanwalt und Steuerberater bei CMS in Frankfurt / Main. E [email protected]

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Steuerrecht

Umsatzsteueroption nur im Grundstückskaufvertrag möglich

Hintergrund Im Rahmen der Entwicklung einer Immobilie fallen regelmäßig hohe mit Umsatzsteuer belastete Kosten für den Immobilienentwickler an. Damit der Immobilienentwickler mit der Umsatzsteuer nicht final belastet ist, sondern einen Vorsteuerabzug geltend machen kann, wird er regelmäßig versuchen, die Veräußerung der Immobilie umsatzsteuerpflichtig auszugestalten. Von Gesetzes wegen ist die Immobilienveräußerung allerdings umsatzsteuerfrei; es bedarf einer Option zur Umsatzsteuerpflicht, die im Grundstückskaufvertrag erklärt wird, damit aus dem umsatzsteuerfreien und damit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsatz ein umsatzsteuerpflichtiger und damit zum Vorsteuerabzug berechtigender Ausgangsumsatz wird. Die Entscheidung Während man bislang in der Praxis davon ausging, dass die Option im Grundstückskaufvertrag zur Umsatzsteuerpflicht innerhalb bestimmter verfahrensrechtlicher Grenzen auch noch nach Abschluss des Grundstückskaufvertrags in einem notariell zu beurkundenden Nachtrag erstmals ausgeübt, erweitert, beschränkt oder vollständig widerrufen werden kann, hat der V. BFH-Senat nun die „Immobilienwelt“ wissen lassen, dass diese weitverbreitete Praxis nach seiner Auffassung nicht vom Gesetz

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gedeckt ist und auch keine steuerliche Anerkennung findet (BFH, Urteil vom 21.10.2015 – XI R 40 / 13). Der BFH hat sich damit für eine sehr restriktive Auslegung des Gesetzes entschieden. Die Praxis wird sich nach der Entscheidung richten müssen, um signifikante Steuerrisiken zu vermeiden. Eine Äußerung der Finanzverwaltung zu dieser Entscheidung bzw. eine Veröffentlichung im Bundessteuerblatt steht noch aus; dies wohl nicht zuletzt deshalb, weil sich aus Sicht des Fiskus Risiken aus dieser Entscheidung ergeben. Praxistipp Die Vertragspartner werden, was die Anerkennung einer in der Vergangenheit nachträglich geänderten Option oder auch Nichtoption betrifft, an dieser Stelle häufig gegensätzliche Interessen haben. Sollte z. B. dem Immobilienkäufer aus einer nachträglich ausgeübten Option ein Schaden in Form nicht abziehbarer Vorsteuer entstehen, sollte er prüfen lassen, ob er sich Erfolg versprechend auf die Unwirksamkeit der Option berufen kann. Je nach Komplexität der Verhältnisse ist eine umfassende Prüfung der Grundstückstransaktionen der Vergangenheit anzuraten. Umgekehrt wird der Immobilienverkäufer in Fällen nachträglich geänderter Optionen zu evaluieren haben, ob eine Nichtanerkennung der nachträglich erklärten Option droht oder er

sich sogar Erfolg versprechend auf eine ursprünglich weiter gefasste Option mit den entsprechenden Folgen für den Vorsteuerabzug berufen kann. Bei der erstgenannten Konstellation muss im Einzelfall die Frage geprüft werden, ob und unter welchen Voraussetzungen die Finanzverwaltung verpflichtet ist, aufgrund der Ausführungen im Umsatzsteueranwendungserlass Vertrauensschutz zu gewähren. Generell sind zivilrechtliche Aspekte selbstverständlich ins Kalkül zu ziehen. Verpflichtungen im Grundstückskaufvertrag zu einer nachträglichen Anpassung der Option im Fall einer entsprechenden Nutzung der Immobilie sind spätestens seit dieser BFH-Entscheidung keine wirksame Alternative. 

Tobias Schneider Steuerberater bei CMS GmbH Steuerberatungsgesellschaft in Stuttgart. E [email protected]

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Verfahrensrecht

Grundbucheinsicht für Journalisten?

Hintergrund Das Recht zur Einsicht in Grundbücher und die dazugehörigen Grundakten gemäß § 12 Abs. 1 GBO i. V. m. § 46 Abs. 1 GBV steht unter dem Vorbehalt des berechtigten Interesses. Ein derartiges Interesse kann auch Presseorganen zustehen. Im zu entscheidenden Fall begehrte der Journalist eines „gemeinnützigen Recherchezentrums“ Einsicht in die Grundakten der Tochtergesellschaft einer Sparkasse. Anlass dafür war der Verdacht, dass die im Eigentum der Tochtergesellschaft befindlichen Immobilien überbewertet seien und so die Wirtschaftskraft der Sparkasse negativ beeinflussen könnten. Die Entscheidung In seinem Beschluss vom 07.10.2015 – 3 Wx 179 / 15 – hat das OLG Düsseldorf die konkreten Vorgaben des BVerfG zum Einsichtsrecht von Presseorganen umgesetzt und einen Anspruch des Journalisten auf Grundbucheinsicht bejaht. Im Wesentlichen hat insoweit eine ausführliche Interessenabwägung zwischen der Pressefreiheit und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung bei Privatpersonen bzw. dem Recht auf Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr bei juristischen Personen zu erfolgen. Als Vorfrage dieser Abwägung betonte das OLG Düsseldorf zunächst, dass auch der Bereich der Informationsbeschaffung durch die der Presse vergleichbaren publizistischen Medien dem Schutz der Pressefreiheit

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unterfällt. Die anschließende Interessenabwägung erfolgte anhand der höchstrichterlich definierten Kriterien: Zunächst ist zu prüfen, ob sich das dargelegte Informationsinteresse überhaupt auf Rechte der im Grundbuch Eingetragenen bezieht und sich die Presse bei der Einsichtnahme auf das zur Recherche Erforderliche begrenzt. Dies war hier der Fall.

darf nicht vorgeschrieben werden, wie einzelne Vorgänge im Grundbuch im Hinblick auf das geltend gemachte Informationsinteresse zu bewerten sind. Im vorliegenden Fall war eine Ablehnung der Grundbucheinsicht daher nicht mit dem Umstand zu begründen, dass für die Tochtergesellschaft der Sparkasse aktuell kein Grundbesitz eingetragen sei. Praxistipp

Ein berechtigtes Interesse besteht dann nicht, wenn die gewünschte Information unproblematisch mit geringerer Beeinträchtigung der Rechte des Eingetragenen erlangt werden kann. Eine solche Möglichkeit bestand für den Journalisten nicht. Von maßgeblicher Bedeutung ist überdies die Frage, ob sich das Interesse der Presse auf Aspekte bezieht, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen und sowohl ernsthaft als auch sachbezogen erörtert werden, oder lediglich private, die reine Neugierde befriedigende Angelegenheiten betroffen sind. Vorliegend ging das OLG Düsseldorf davon aus, die wirtschaftlichen Risiken einer Sparkasse gingen die Öffentlichkeit wesentlich an. Dabei sei – im Einklang mit dem BVerfG – zu respektieren, dass die Presse oftmals auch auf den bloßen Verdacht hin recherchiere. Im Rahmen der Abwägung ist schließlich das Gebot staatlicher Inhaltsneutralität zu beachten, d. h., der Presse

Im Ergebnis stellt die – letztlich vom Grundbuchamt zu treffende – Entscheidung eine mitunter komplexe Grundrechtsabwägung dar. Es gilt hier, streng zwischen dem eigentlichen Informationsinteresse und den einzelnen Vorgängen im Grundbuch zu differenzieren, um dem Gebot staatlicher Inhaltsneutralität gerecht zu werden. Grundstückseigentümer, die aus verschiedenen Gründen „im Rampenlicht stehen“, müssen damit rechnen, dass Journalisten für ihre Recherche Einsicht in Grundbücher nehmen können. 

Florian Seelheim Rechtsanwalt bei CMS in Düsseldorf E [email protected]

Verfahrensrecht

Verwaltungsgericht für Anwohnerklagen gegen Flüchtlingsunterkunft zuständig Hintergrund Gemäß dem Asylverfahrensgesetz sind die Länder verpflichtet, Aufnahmeeinrichtungen für die Unterbringung Asylbegehrender zu schaffen und zu unterhalten. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Knappheit von Unterbringungsplätzen werden auch Turnhallen und andere Gebäude, die nicht für die Unterbringung von Asylbewerbern errichtet wurden, hierfür genutzt. Dies führt häufig zu Unmut der Nachbarn, die sich gegen die Unterbringung der Asylbewerber zur Wehr setzen möchten. Die Entscheidung Mit Beschluss vom 16.09.2015 hat das OLG Dresden – Az. 10 W 879 / 15 – entschieden, dass für Anwohnerklagen das Verwaltungsgericht zuständig ist. Der Nachbar einer auf einem Universitätscampus errichteten Turnhalle wehrte sich gegen die dortige Unterbringung von Asylbewerbern. Er berief sich darauf, dass die Umnutzung der Halle ohne entsprechende Baugenehmigung erfolgt sei und auch ein entsprechender Antrag auf Umnutzung bisher nicht gestellt wurde. Als Nachbar der Turnhalle habe er einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch (gemäß §§ 1004, 862 BGB), dass die nicht genehmigte und auch nicht genehmigungsfähige Nutzung der Turnhalle unterlassen werde, da sie nicht ortsüblich sei und daher von

ihm auch nicht geduldet werden müsse. Er rief das LG an, das den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht verwies, da der vom Nachbarn begehrte Unterlassungsanspruch auf Grundlage des Bauordnungsrechts und damit des öffentlichen Rechts zu entscheiden sei. Auch wenn ggf. die Anspruchsgrundlage dem BGB zu entnehmen sei, könne daraus nicht geschlossen werden, dass es sich um einen zivilrechtlichen Rechtsstreit handele, der vor den Zivilgerichten auszutragen sei. Nunmehr hat das OLG Dresden entschieden, dass das LG Leipzig (Beschluss vom 24.08.2015 – Az. 5 O 2335 / 15) seine Zuständigkeit zu Recht verneint hat. Es stellt zutreffend auf das vom Kläger verfolgte Ziel – die Nutzungsuntersagung der Universitätsturnhalle als Flüchtlingsunterkunft – ab. Bei dem verfolgten Anspruch handelt es sich um die Folge eines Sachverhalts, der nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist. Die vom Kläger gerügte, von der Asylauskunft ausgehende Emission ist Folge einer rein hoheitlichen Tätigkeit, der nach dem Asylverfahrensgesetz vorgeschriebenen Unterbringung von Asylbewerbern in einer Erstaufnahmeeinrichtung. Hierbei handelt es sich nicht um den Betrieb einer Asylbewerberunterkunft in dem Sinne, wie sie jedem Grundstückseigentümer offensteht, sondern um die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben. Folglich ist der Abwehranspruch auch öffentlich-rechtlicher Natur, sodass der Rechtsweg zu den Ver-

waltungsgerichten eröffnet ist und die ordentlichen Gerichte nicht zuständig sind. Praxistipp Entscheidend für die Zuständigkeit des Gerichts ist, ob der verfolgte Anspruch zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur ist. Insofern kommt es nicht darauf an, ob die Anspruchsgrundlage dem BGB, also dem Zivilrecht, zu entnehmen ist, sondern vielmehr, ob die Rechtsnatur des Anspruchs öffentlich-rechtlich oder zivilrechtlich ist. Bei möglichem Rechtsschutz gegen Asylbewerberunterkünfte ist daher zu unterscheiden, ob – wie hier – gegen die nicht genehmigte Nutzung vorgegangen werden soll und die Verwaltungsgerichte zuständig sind oder ob gegen Emissionen des Nachbargrundstücks, die nicht ortsüblich sind und daher vom Nachbarn nicht geduldet werden müssen, vorgegangen werden soll und daher der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist. 

Dr. Markus Vogt, LL. M. Rechtsanwalt bei CMS in Berlin E [email protected]

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Verfahrensrecht

Wann gilt eine Klage noch als „demnächst“ zugestellt?

Hintergrund Wird eine gesetzlich vorgesehene Klagefrist nicht eingehalten, kann dies für den Kläger zum Fallstrick werden, der das Gerichtsverfahren beendet, bevor es begonnen hat. Zur Wahrung der Klagefrist muss die Klage daher innerhalb der Frist an den Beklagten zugestellt werden. Die Zustellung liegt jedoch nicht allein in den Händen des Klägers, sondern erfolgt durch das Gericht, nachdem der Kläger den Gerichtskostenvorschuss eingezahlt hat. Dem Kläger sollen aber keine Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs angelastet werden, auf die er keinen Einfluss hat. Die Klagefrist kann daher gemäß § 167 ZPO noch gewahrt sein, wenn die Klage fristgerecht bei Gericht eingereicht, aber erst nach Ablauf der Frist zugestellt wird, die Zustellung aber noch „demnächst“ erfolgt. Dies wird angenommen, wenn die Frist jedenfalls um nicht mehr als 14 Tage überschritten wird. Welche Anforderungen an eine demnächstige Zustellung gestellt werden, wenn der Zeitraum von 14 Tagen überschritten ist, hat der BGH nun mit Urteil vom 10.07.2015 – V ZR 154 / 14 – festgelegt. Die Entscheidung Der Kläger erhob Klage gegen die Beschlüsse einer Wohnungseigentümerversammlung vom 02.11.2012. Das Wohnungseigentumsgesetz sieht gemäß § 46 Abs. 1 vor, dass die Klage dem Beklagten innerhalb eines Monats nach der Versammlung

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zuzustellen ist. Die Klagefrist endete daher am 03.12.2012. Der Kläger reichte seine Klage fristgerecht am 23.11.2012 bei Gericht ein. Die Anforderung des Gerichtskostenvorschusses, von dem das Gericht die Zustellung der Klage abhängig machte, ging dem Anwalt des Klägers am 18.12.2012 zu. Der Vorschuss wurde am 07.01.2013 bezahlt. Die Vorin­ stanzen haben die Klage abgewiesen, da mehr als vier Wochen zwischen der Anforderung des Gerichtskostenvorschusses und der Zustellung der Klage am 18.01.2013 vergangen seien. Dem stimmte der BGH jedoch nicht zu. Die Klage sei noch „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO zugestellt worden. Bei einer verspäteten Zustellung um mehr als 14 Tage sei darauf abzustellen, um wie viele Tage sich der für die Zustellung ohnehin erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert habe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Kostenvorschuss verfahrenswidrig nicht vom Kläger selbst, sondern von seinem Anwalt angefordert wurde. Die damit einhergehende Verzögerung könne dem Kläger nicht angelastet werden und sei im Allgemeinen mit drei Werktagen (ohne Eingangs- und Wochenendtage) zu veranschlagen. Der Kläger sei daher so zu stellen, als sei ihm die Kos­ tenanforderung erst am 21.12.2012 zugegangen. Außerdem könne vom Kläger nicht verlangt werden, an Wochenend- und Feiertagen für die Einhaltung des Kostenvorschusses Sorge zu tragen. Dies gelte auch für den 24. und 31. Dezember (Heilig-

abend und Silvester), da an diesen Tagen vielfach überhaupt nicht oder nur eingeschränkt gearbeitet werde. Der Kläger habe den Kostenvorschuss daher frühestens am 27.12.2012 bezahlen können. Da der Kostenvorschuss bereits fünf Werktage später, am 07.01.2013, bei der Justizkasse eingegangen sei, liege keine vom Kläger verschuldete Verzögerung um mehr als 14 Tage vor. Praxistipp Der Gerichtskostenvorschuss sollte zur Gewährleistung einer fristgerechten Klagezustellung innerhalb von 14 Tagen nach seiner Anforderung gezahlt werden. Wochenend-, Feiertage, Heiligabend und Silvester sind nicht mitzuzählen. Bleibt eine gerichtliche Anforderung des Vorschusses aus, muss der Kläger in angemessener Frist (maximal drei Wochen) bei Gericht nachfragen. Diese Entscheidung dürfte auch für die Fälle gelten, bei denen es keine gesetzliche Klagefrist gibt, der Zeitpunkt der Klageerhebung aber zur Hemmung der Verjährung entscheidend ist. 

Jacqueline Terhöven Rechtsanwältin bei CMS in Stuttgart. E [email protected]

Verfahrensrecht

Fähigkeit zur Erstattung der Kosten eines vor Prozessbeginn eingeholten Gutachtens Hintergrund Die Frage, ob und in welchem Umfang die Kosten eines vor Prozessbeginn eingeholten Privatgutachtens als Rechtsverfolgungskosten erstattungsfähig sind, beschäftigt immer wieder die Gerichte. Mit Beschluss vom 21.09.2015 – 17 W 64 / 15 – hat das OLG Köln zu dieser Frage Stellung genommen. Konkret hatte das Gericht zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen Privatgutachterkosten zur Abwehr eines Bauzeitennachtrags erstattungsfähig sind. Ein Bauunternehmen hatte gegen seinen Auftraggeber Schadensersatzansprüche wegen Bauablaufstörungen geltend gemacht. Zur Begründung seiner Ansprüche stützte sich das Unternehmen auf mehrere Privatgutachten. Der Auftraggeber seinerseits stützte sich zur Abwehr der geltend gemachten Ansprüche ebenfalls auf verschiedene vorprozessuale Gutachten. Nach Beendigung des eigentlichen Rechtsstreits machte der Auftraggeber im Kostenfestsetzungsverfahren geltend, dass die von ihm aufgewendeten Gutachterkosten als erstattungsfähige Prozesskosten zu berücksichtigen sind. Die Entscheidung Das OLG Köln hielt die Kosten des vor Prozessbeginn eingeholten Gutachtens für erstattungsfähig. Es handele sich um notwendige Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Kosten, die für ein vor Prozessbeginn eingeholtes Privatgutachten anfallen, gehörten

dann zu den erstattungsfähigen Verfahrenskosten, wenn das Gutachten in Erwartung eines künftigen Rechtsstreits eingeholt werde, um diesen zugunsten des Erstattungsberechtigten zu beeinflussen. Erforderlich sei dabei die sogenannte „Prozessbezogenheit“. Diese sah das Gericht im konkreten Fall als gegeben an, weil das Bauunternehmen dem Auftraggeber zum Zeitpunkt der Beauftragung der (Gegen-)Gutachten bereits den Entwurf einer Klageschrift übersandt hatte und Verhandlungen über eine außergerichtliche Einigung festgefahren waren, sodass der Auftraggeber ernsthaft mit der klageweisen Durchsetzung der Ansprüche rechnen musste und ein Rechtsstreit somit konkret im Raum stand. Praxistipp Nach der Rechtsprechung sind die Aufwendungen für vorprozessuale Gutachten nur ausnahmsweise als Rechtsverfolgungskosten erstattungsfähig. Das Kriterium der „Prozessbezogenheit“ wird eng ausgelegt. „Abwehrgutachten“, die aus Gründen der „Waffengleichheit“ eingeholt werden, um sie dem vorprozessualen Gutachten des Gegners entgegenzusetzen, können daher grundsätzlich nicht als erstattungsfähige Prozesskosten festgesetzt werden. Gleiches gilt für Gutachten, die lediglich der Vorbereitung eines außergerichtlichen Einigungsversuchs dienen. Voraussetzung für eine spätere Erstattungsfähigkeit ist vielmehr, dass zum Zeitpunkt der Gutachtenbeauftragung

ein Rechtsstreit konkret drohte (es lag ein Klageentwurf oder eine anwaltliche Zahlungsaufforderung mit Klageandrohung vor, die Vergleichsgespräche waren gescheitert o. ä.). Dies sollte bei den vorprozessualen Überlegungen, ob und zu welchem Zeitpunkt ein Privatgutachten eingeholt wird, mitberücksichtigt werden. Dabei sollte allerdings auch geprüft werden, ob die Gutachterkosten – ungeachtet einer möglicherweise nicht gegebenen prozessualen Erstattungsfähigkeit – ggf. gleichwohl unter materiell-rechtlichen Gesichtspunkten (etwa als Schadensposition) erstattungsfähig sein können. So können z. B. die Kosten für ein Privatgutachten, die vom Bauherrn aufgewendet werden müssen, um Schäden an dem Bauwerk festzustellen und abzuklären, welche Maßnahmen zur Schadensbeseitigung erforderlich sind, aufgrund eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs erstattungsfähig sein und als Schadensposition der Hauptsache (Mangelfolgeschaden) geltend gemacht werden. 

Dr. Carsten Giersch, LL. M. Eur. Rechtsanwalt bei CMS in Stuttgart. E [email protected]

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Rechtsänderungen

Das neue Vergaberecht 2016

und Sicherheit (VSVgV) werden an die neuen Richtlinien angepasst. Neu ist die Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV), mit der erstmals eine umfassende Regelung zur Vergabe von Bau- und Dienstleistungskonzessionen geschaffen wird. Die VOL / A-EG und die VOF werden abgeschafft und durch die Regelungen im GWB und in der VgV abgelöst. Im Baubereich hat man dagegen nicht auf die Vergabe- und Vertragsordnung (VOB) verzichten wollen. Neben den erforderlichen Anpassungen an

Das Vergaberecht wird modernisiert. Voraussichtlich rechtzeitig zum 18.04.2016 werden die neuen EUVergaberichtlinien (2014 / 24 / EU; 2014 / 25 / EU; 2014 / 23 / EU) in nationales Recht umgesetzt. Öffentliche Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte werden zukünftig weitgehend als Vollregelung durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und die Vergabeverordnung (VgV) geregelt. Die Sektorenverordnung (SektVO) und die Vergabeverordnung Verteidigung

die neuen Richtlinien werden die einzelnen Paragrafen der VOB / A aufgeteilt und mit a- bis f-Paragrafen neu nummeriert. Bei Vergaben von Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte bleibt es bei der Anwendung der Abschnitte 1 der VOB bzw. der VOL nach Maßgabe des Haushaltsrechts. Der vierte Teil des GWB wurde komplett überarbeitet und regelt nun wesentliche Fragen des Vergaberechts und des Vergabeverfahrens

GWB VgV

VSVgV SektVO

VOB / AEU

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KonzVgV VOB / AVS

VOB / A

VOL / A

direkt. Die bisherigen Vorschriften werden ergänzt um Regelungen aus den Vergabeordnungen oder neuen Bestimmungen zur Umsetzung der EU-Richtlinien, mit denen teilweise die Rechtsprechung kodifiziert wurde. Aus 43 Paragrafen werden durch Aufspaltungen besonders langer Regelungen und das Einfügen neuer Bestimmungen 87 Paragrafen.

und öffentlich-öffentlichen Kooperation. Bisher ergaben sich diese Ausnahmen von der Anwendung des Vergaberechts aus der Rechtsprechung. Wesentliche Änderung der Regelungen zum Rechtsschutz ist, dass die Rüge erkannter Vergaberechtsverstöße nicht mehr „unverzüglich“, sondern innerhalb einer Zehn-Tage-Frist erfolgen muss.

Neu ist etwa der Wegfall des Vorrangs des offenen Verfahrens. Der Auftraggeber hat nunmehr die freie Wahl zwischen offenem und nicht offenem Verfahren. Mit der Novellierung findet die E-Vergabe Einzug ins GWB. Auftraggeber und Bieter müssen für das Senden, Empfangen und Speichern von Daten grundsätzlich elektronische Mittel verwenden. Das neue GWB regelt auch die Ausschlussgründe und Eignungsprüfung. Vorgesehen ist die Verwendung der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE) nach dem Formular der Durchführungsverordnung (EU) 2016 / 7 der Europäischen Kommission zum Beleg der Einhaltung der Eignungsanforderungen. Das Gesetz wird erstmals eine Regelung über die Selbstreinigung enthalten, über die Unternehmen, die sich gesetzwidrig verhalten haben, ihre Zuverlässigkeit zurückerhalten können. Neu sind auch Vorschriften über die Höchstdauer eines Ausschlusses, die Erforderlichkeit von Vergabeverfahren bei Vertragsänderungen und Kündigungsrechte etwa im Falle fortdauernder Vergaberechtsver­ stöße. Von großer Bedeutung für öffentliche Auftraggeber sind die Regelungen zur Inhouse-Vergabe

Die VgV enthält die Vergabebestimmungen zur Ausführung der an die Vorgaben der EU-Richtlinien angepassten Vorschriften des GWB über das Vergabeverfahren. Die Unterscheidung zwischen vorrangigen und nachrangigen Dienstleistungen entfällt; stattdessen gelten erleichterte Anforderungen für die Vergabe von sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen. Die VgV gilt auch für die Beauftragung freiberuflicher Dienstleistungen, nicht dagegen für den überwiegenden Teil der Vergabe von Bauaufträgen. Mit der Beibehaltung der VOB / A bleiben die Regelungen zur Vergabe von Bauleistungen dem alten System verhaftet. Am augenscheinlichsten ist die Änderung der Paragrafenbezeichnung im 2. Abschnitt von „EG“ in „EU“. Inhaltliche Änderungen betreffen in erster Linie Anpassungen an die europäischen Richtlinien. Wesentliche Neuerungen sind die Regelungen zur (elektronischen) Kommunikation und zum Vergabeverfahren, wie z. B. die Vorschriften zur Innovationspartnerschaft, Vermeidung von Interessenkonflikten oder Wertung von Angeboten unter Berücksichtigung von

Anforderungen aus den Bereichen Umwelt (Lebenszyklusbetrachtung) oder Soziales. Neu ist, dass die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des vorgesehenen Personals als Zuschlagskriterium verwendet werden darf, was die strikte Abgrenzung zwischen Angebotswertung und Eignungsprüfung aufweicht. Mit der Neuregelung ist die Modernisierung des Vergaberechts einen guten Schritt vorangekommen, wenngleich die Beibehaltung der VOB / A anachronistisch wirkt. Aber das Vergaberecht kommt nicht zur Ruhe. Als Nächstes ist die Schaffung eines bundeseinheitlichen Vergaberegisters zu erwarten. Darüber hinaus hat das Bundeswirtschaftsministerium sich vorgenommen, auch den Rechtsschutz im Hinblick auf die Vergabe von Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte zu regeln. Es bleibt abzuwarten, ob das gelingen wird. 

Dr. Christian Scherer-Leydecker Partner bei CMS in Köln. E [email protected]

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Rechtsänderungen

Neuregelungen in der VOB / B Anlässlich des neuen Vergaberechts 2016 (siehe Beitrag von Herrn Dr. Scherer-Leydecker) hat der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) auch Änderungen der VOB / B beschlossen: In § 4 Abs. 8 Nr. 3 VOB / B wurden die Informationspflichten des Auftragnehmers zu der Person des Subunternehmers verschärft. Der Auftragnehmer ist nunmehr verpflichtet, dem Auftraggeber den Namen, den gesetzlichen Vertreter und die Kontaktdaten seines Nachunternehmers und dessen Nachunternehmer bekannt zu geben. Die Mitteilung muss ohne gesonderte Aufforderung erfolgen, bevor der Nachunternehmer mit seinen Leistungen beginnt. Auf Verlangen ist der Auftragnehmer zudem verpflichtet, dem Auftraggeber Erklärungen und Nachweise über die Eignung seiner Nachunternehmer vorzulegen.

In § 8 Abs. 4 VOB / B wurden die Gründe erweitert, auf die ein Auftraggeber eine außerordentliche Kündigung des Vertrages stützen kann, sofern dem ein Vergabeverfahren zugrunde liegt. Die außerordentliche Kündigung ist u. a. zulässig, wenn dem Auftragnehmer der Zuschlag aufgrund eines zwingenden Ausschlussgrundes nicht hätte erteilt werden dürfen. Sie kann auch auf eine wesentliche Änderung des Vertrages oder auf die Feststellung einer schweren Verletzung der Verträge über die Europäische Union und die Arbeitsweise der Europäischen Union durch den Europäischen Gerichtshof gestützt werden. In letzterem Fall ist die außerordentliche Kündigung auch innerhalb der Nachunternehmerkette zulässig, unabhängig davon, ob diesen Nachunternehmerverträgen Vergabeverfahren zugrunde lagen (§ 8 Abs. 5 VOB / B, neu). Die Abrechnung der ausgeführten Leistungen erfolgt dann nach Maßgabe des § 6 Abs. 5 VOB / B.

Schließlich hat sich der DVA dazu entscheiden, den Terminus „Entziehung des Auftrags“ in der VOB / B zukünftig nicht mehr zu verwenden. Stattdessen wird nunmehr einheitlich von der „Kündigung“ gesprochen. Diese sprachliche Änderung hat indes keine rechtliche Relevanz. Für die für den Bund tätigen Länderbauverwaltungen werden die Neuregelungen voraussichtlich zum 18.04.2016 verbindlich. 

Martin Krause Partner bei CMS in Köln. E [email protected]

Rechtsänderungen

Neue EU-Schwellenwerte 2016 / 2017 im Vergaberecht veröffentlicht Die EU-Kommission hat mit den Verordnungen 2015 / 2170 bis 2172 /  EU vom 24.11.2015 neue Schwellenwerte im Vergaberecht eingeführt. Mit den neuen Verordnungen werden zugleich die EU-Vergaberichtlinien (Richtlinie 2014 / 23 / EU – Konzessionsrichtlinie, Richtlinie 2014 / 

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24 / EU – Allgemeine Vergaberichtlinie, Richtlinie 2014 /  25 / EU – Sektorenrichtlinie) angepasst, nicht aber die Richtlinie 2009 / 81 / EG über Vergaben in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit. Die neuen Schwellenwerte lauten:

—— Bauaufträge (alle Bereiche): EUR 5.225.000,00 statt wie bisher EUR 5.186.000,00 —— Liefer- und Dienstleistungs­ aufträge außerhalb des Sektorenbereichs: EUR 209.000,00 statt wie bisher EUR 207.000,00

—— Liefer- und Dienstleistungs­auf­ träge der obersten und oberen Bundesbehörden: EUR 135.000,00 statt wie bisher EUR 134.000,00 —— Konzessionsaufträge: EUR 5.225.000,00 statt wie bisher EUR 5.186.000,00 —— Liefer- und Dienstleistungs­ aufträge im Sektorenbereich: EUR 418.000,00 statt wie bisher EUR 414.000,00 Da es sich um Verordnungen handelt, gelten die neuen Schwellen-

werte in allen EU-Mitgliedstaaten ab 01.01.2016 unmittelbar; anders als bei Richtlinien bedarf es keiner gesonderten Umsetzung in nationales Recht. Öffentliche Auftraggeber müssen die neuen Schwellenwerte daher bei allen Vergabeverfahren beachten, die ab 01.01.2016 durch Versendung der Bekanntmachung eingeleitet werden. Bei Vergabeverfahren, die bis zum 31.12.2015 durch Versendung der Bekanntmachung eingeleitet wurden, bleibt es dagegen bei den derzeit geltenden Schwellenwerten. 

Dr. Volkmar Wagner Partner bei CMS in Stuttgart. E [email protected]

News – kurz gefasst

Mietvertrag: Räumungs- /  Rückgabeanspruch des Vermieters als Insolvenzforderung? Der Vermieter kann auch im In­ solvenzverfahren aufgrund seines Eigentums die Mietsache, wie sie steht und liegt, herausverlangen (Aussonderung). Der Anspruch des Vermieters auf Rückgabe der Mietsache in geräumtem Zustand ist hingegen Insolvenz­ forderung, wenn das Mietverhältnis bereits bei Insolvenzeröffnung bestand und die zu räumenden Gegenstände vor Insolvenzeröffnung in die Mietsache eingebracht wurden (OLG Brandenburg, Urteil vom 30.06.2015 – 6 U 28 / 14). Der Anspruch gilt als fällig und ist mit dem

für die Zeit der Insolvenzeröffnung geschätzten Wert (Kosten der Räumung / Kosten eines Rückbaus) zur Tabelle anzumelden. Zu beachten ist, dass der Räumungs­ anspruch gegenständlich (nicht zeitlich!) teilbar ist, soweit er sich auf mehrere Veränderungen bezieht, die jeweils Grundlage eines selbstständigen Räumungsanspruchs sein können. Der Räumungsanspruch ist nur dann Insolvenzforderung, wenn die Veränderungen der Mietsache vor Insolvenzeröffnung vorgenommen wurden. 

Viviane Körner Rechtsanwältin bei CMS in Stuttgart. E [email protected]

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News – kurz gefasst

VOB / B-Vertrag: keine Abnahmeverweigerung wegen fehlender Dokumentation Bei mangelhafter Dokumentation der Werkleistung darf ein Auftraggeber nicht generell die Abnahme verweigern. Im durch Urteil des OLG Frankfurt vom 24.02.2015 – 16 U 135 / 14 – entschiedenen Fall hatte die auf Lohnzahlung klagende Werkunternehmerin eines VOB / BVertrags, anders als vereinbart, Protokolle für Messungen an verlegten Kabeln nur als Datensatz und nicht

in lesbarer, ausgedruckter Form übergeben. Das Gericht sah dies nur als unwesentlichen, die Abnahmereife nach § 640 Abs. 1 BGB nicht hindernden Mangel an. Es billigte der Beklagten nur die Zurückbehaltung eines Werklohnteils in Höhe der doppelten zur Dokumentationserstellung erforderlichen Kosten (§ 641 Abs. 3 BGB) bis zur Mangelbeseitigung zu. 

Tobias Rüb Rechtsanwalt bei CMS in Frankfurt / Main. E [email protected]

News – kurz gefasst

Keine Regelung zum Honorar vereinbart: Projektsteuerer kann EUR 110 pro Stunde abrechnen! Das OLG Oldenburg hat mit Beschluss vom 21.10.2014 – 8 U 93 / 14 – entschieden, dass Projektsteuerungsleistungen mit einem Stundensatz von EUR 110 abgerechnet werden können. Wenn die Parteien eines Projektsteuerungsvertrages keine ausdrückliche Vergütungsvereinbarung getroffen hätten, stehe dem Projektsteuerer – da die HOAI auf Projektsteuerungsleistungen nicht

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anwendbar sei – die übliche Vergütung zu (§ 632 Abs. 2 BGB). Der Projektsteuerer könne in einem solchen Fall auch nach Aufwand, insbesondere nach Stundensätzen, abrechnen. Bei Projektsteuerungsleistungen sei dies auch gängige Praxis. Ein Stundensatz von EUR 110 könne dabei als üblich und angemessen angesehen werden und sei daher nicht zu beanstanden. 

Dr. Carsten Giersch, LL. M. Eur. Rechtsanwalt bei CMS in Stuttgart. E [email protected]

News – kurz gefasst

Säumniszuschläge entfallen rückwirkend Säumniszuschläge und Nebenkosten (Mahngebühren, Pfändungsgebühren, Auslagen) für einen Abgabenbescheid entfallen rückwirkend, wenn ein Verwaltungsgericht vorläufigen Rechtsschutz gegen den Abgabenbescheid gewährt. Dies hat das BVerwG mit Urteil vom 20.02.2016 – 9 C 1 / 15 – entschieden. Eine spätere Aufhebung oder Änderung des Abgabenbescheids lasse zwar bereits verwirkte Säumniszuschläge grund-

sätzlich unberührt. Ordne das Gericht aber die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Abgabenbescheid uneingeschränkt (insbesondere ohne zeitliche Begrenzung) an, so entfalle rückwirkend auf den Erlass des Abgabenbescheids dessen Voll­ ziehbarkeit und damit auch die Grundlage für Säumniszuschläge und Nebenkosten. 

Ninja Nentwig Rechtsanwältin bei CMS in Stuttgart. E [email protected]

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