Querschnittsbereich Nr. 1: Epidemiologie, Med. Biometrie und Med. Informatik

Querschnittsbereich Nr. 1: Epidemiologie, Med. Biometrie und Med. Informatik Ätiologie und Risiko SS 2010, Vorlesung 1 — Kurzfassung Prävalenz Die Prä...
Author: Harry Solberg
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Querschnittsbereich Nr. 1: Epidemiologie, Med. Biometrie und Med. Informatik Ätiologie und Risiko SS 2010, Vorlesung 1 — Kurzfassung Prävalenz Die Prävalenz ist eine Maßzahl für die Häufigkeit eines Zustandes zu einem bestimmten Zeitpunkt, z. B. der Anteil der Bevölkerung, der zu einem bestimmten Zeitpunkt übergewichtig ist oder der Prozentsatz der Bevölkerung, der zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem grippalen Infekt erkrankt ist. Die Prävalenz errechnet sich aus der Anzahl der Personen mit dem bestimmten Charakteristikum in der untersuchten Bevölkerungsgruppe zu einem definierten Zeitpunkt. Inzidenz Die Inzidenz einer Erkrankung erfasst die Zahl der neu aufgetretenen Erkrankungsfälle in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, die für diese Erkrankung empfänglich ist, über einen festgelegten Zeitraum, z. B. die innerhalb eines Jahres neu aufgetretenen Brustkrebsfälle in Deutschland bei Frauen zwischen 40 und 50 Jahren. Querschnitts-Studie Ein Querschnitt durch die Bevölkerungsgruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt ermöglicht die Ermittlung bestimmter Verhaltensmuster (z. B. körperliche Bewegung, Ernährungsgewohnheiten), Messungen (z. B. Gewicht, Blutdruck) und Krankheiten (HPV-Infektion, Grippe, Brustkrebs). Diese Ermittlungen ermöglichen die Berechnung der Î Prävalenz. Die Î Inzidenz von Krankheiten kann in einer Querschnitts-Studie nicht ermittelt werden. Da eine zeitliche Zuordnung von Risikofaktoren und Erkrankungsbeginn in der Regel nicht möglich ist, eignet sich eine QuerschnittsStudie nicht zur kausalen Verknüpfung von Risikofaktor und Erkrankung.

Stand: 24. März 2010

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Querschnittsbereich Nr. 1: Epidemiologie, Med. Biometrie und Med. Informatik Ätiologie und Risiko SS 2010, Vorlesung 1 — Kurzfassung Fall-Kontroll-Studie Die Fall-Kontroll-Studie ist die bei Weitem am häufigsten verwendete Studienform in der Epidemiologie. Eine Fall-Kontroll-Studie ist definiert durch Fälle einer bestimmten Krankheit und Kontrollen, die diese Krankheit nicht haben. Die Studienteilnehmer einer Fall-Kontroll-Studie sind durch ihren Fall- oder Kontroll-Status charakterisiert. Für beide Gruppen - Fälle und Kontrollen - wird der Status einer Exposition ermittelt, wie er vor dem Auftreten der Erkrankung (für die Fälle) bestand. Selektion der Fälle und Kontrollen: Fälle können im Krankenhaus, in Arztpraxen, über Register oder andere Dateien rekrutiert werden. Der einzige Grund, Kontrollen zu rekrutieren, besteht darin, Informationen über die Verteilung der Exposition zu erhalten, die durch die Erkrankung unbeeinflusst ist. Damit wird die Verteilung der Exposition geschätzt, die die Fälle hätten, wenn sie die Krankheit nicht hätten. Kontrollen können ebenfalls im Krankenhaus rekrutiert werden (“Krankenhauskontrollen”) und haben dann eine andere Krankheit, die nicht im Zusammenhang mit der Exposition stehen darf. Kontrollen können auch in der Nachbarschaft der Fälle rekrutiert werden (“Nachbarschaftskontrollen”), Verwandte der Fälle sein oder anderweitig rekrutiert werden. Wichtig ist, dass die Kontrollen aus derselben Grundpopulation rekrutiert werden wie die Fälle. Das heißt, dass die Kontrollen, falls sie die Indexkrankheit bekommen, im selben Krankenhaus (oder in derselben Praxis) behandelt werden würden, wie die Fälle. Ermittlung der Exposition: Die Exposition kann durch Befragungen oder Fragebögen ermittelt werden (insbesondere wenn keine Dateien über die Exposition existieren) oder über Register, Dateien oder Krankenakten - sofern Messungen zur Exposition aus der Vergangenheit vorliegen. Bei Ermittlung der Exposition über Fragebögen ist darauf zu achten, dass die Fragestellung auf den Zeitraum vor Ausbruch der Krankheit zielt. Fehlerquellen bei der Fall-Kontroll-Studie: Î Selektionsbias: Werden die Kontrollen falsch gewählt, entsteht Selektionsbias. In diesem Fall ist die Verteilung der Exposition der Kontrollen verzerrt. Î Recall Bias: Wenn die Exposition durch Befragung der Teilnehmer ermittelt wird, kann der Krankheits-/Gesundheitszustand die Berichte der Fälle und der Kontrollen unterschiedlich beeinflussen. Î Confounding: Dritte Faktoren, die sowohl in Zusammenhang mit der Exposition stehen als auch Risikofaktoren für die Erkrankung sind, können die Beziehung zwischen Exposition und Krankheit verzerren. Î Missklassifizierung: Sind die Fehler in der Expositionsbestimmung bei Fällen und Kontrollen gleich groß, wird zumeist die Beziehung zwischen Exposition und Krankheit unterschätzt.

Stand: 24. März 2010

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Querschnittsbereich Nr. 1: Epidemiologie, Med. Biometrie und Med. Informatik Ätiologie und Risiko SS 2010, Vorlesung 1 — Kurzfassung In einer Fall-Kontroll-Studie kann nur eine Krankheit untersucht werden. Es können diverse Expositionen studiert werden, vorausgesetzt, dass die Verteilung der Exposition in den Kontrollen nicht mit den Auswahlkriterien der Kontrollpatienten in Zusammenhang steht. Eine Fall-Kontroll-Studie eignet sich für das Studium seltener Erkrankungen. Seltene Expositionen können mit einer Fall-Kontroll-Studie nicht verlässlich untersucht werden. Da Studienteilnehmer aufgrund ihres Fall- oder Kontroll-Status ausgewählt werden, kann in einer Fall-Kontroll-Studie die Inzidenz der Erkrankung nicht ermittelt werden (wohl aber die Inzidenz).

Retrospektive Fall-Kontroll-Studie: Die meisten Fall-Kontroll-Studien sind retrospektiv. Fälle und Kontrollen werden in der Gegenwart rekrutiert. Die Exposition hat bereits stattgefunden und wird retrospektiv ermittelt.

Prospektive Fall-Kontroll-Studie: Eine Fall-Kontroll-Studie kann in einer prospektiven Kohorte eingebettet werden. Wie auch bei der retrospektiven Fall-Kontroll-Studie werden Fälle und Kontrollen in der Gegenwart rekrutiert. Die Exposition hat nicht nur bereits stattgefunden, sie wurde auch in der Vergangenheit gemessen – bevor bei den Fällen die Index-Krankheit diagnostiziert wurde. Eine prospektive Fall-Kontroll-Studie bietet sich z. B. an, wenn im Rahmen einer Kohorte von allen Studienteilnehmern Blutproben entnommen wurden. Am Ende des Beobachtungszeitraums werden aus Kostengründen nur die Blutproben der Fälle und einer gleichen Zahl von geeigneten Kontrollen ausgewertet.

Stand: 24. März 2010

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Querschnittsbereich Nr. 1: Epidemiologie, Med. Biometrie und Med. Informatik Ätiologie und Risiko SS 2010, Vorlesung 1 — Kurzfassung Kohorten-Studie Eine Kohorte besteht aus einer Gruppe von Studienteilnehmern, die zu Beginn der Studie frei von allen Krankheiten sind und die im Verlauf der Studie untersucht werden sollen. Die Studienteilnehmer werden durch ihren Expositionszustand zu Beginn der Studie definiert. Daran schließt sich ein Beobachtungszeitraum an, in welchem die Inzidenz von Neuerkrankungen oder Symptomen erhoben wird. Dieser Beobachtungszeitraum kann Wochen, Monate, zumeist aber Jahre dauern. Die Expositionen werden zu Beginn der Studie durch Befragungen oder Fragebögen, Messungen, Register, Dateien oder Krankenakten erfasst. Für Expositionen, die sich im Verlaufe der Zeit verändern können, sollte der Expositionszustand während des Beobachtungszeitraums wiederholt bestimmt werden. Zu Beginn der Studie und während des Beobachtungszeitraumes werden auch mögliche Confounder erfasst sowie Faktoren, die die Beziehung zwischen der Exposition und der Krankheit beeinflussen können. In einer Kohorten-Studie können die Zusammenhänge zwischen mehreren Expositionen und mehreren Krankheiten untersucht werden. Da die Kosten insbesondere für eine prospektive Kohorten-Studie sehr hoch sind, ist eine solche Nutzung der Studie effizient. Die größte Schwierigkeit bei der Durchführung einer Kohorten-Studie ist, die Teilnehmer während des Beobachtungszeitraumes in der Studie zu behalten. Die Studienmitgliedschaft kann durch regelmäßige Kontaktaufnahme, Fragebögen und Rundbriefe begünstigt werden. Das vorzeitige Abspringen von Studienteilnehmern kann das Ergebnis der Studie beeinflussen, wenn der Grund des Abspringens mit der Verteilung sowohl der Exposition als auch der Erkrankung in Zusammenhang steht. Sofern eine einmalige Bestimmung der Expositionen mit Erkrankungen korreliert wird, die über Dateien oder Register ermittelt werden können, entsteht dieses Problem nicht. Andere Fehlerquellen einer Kohorten-Studie sind Î Confounding Î Missklassifizierung Î Detection bias: Ist dem Studienleiter oder dem Arzt der Expositionsstatus bekannt, untersucht er möglicherweise exponierte Studienteilnehmer gründlicher oder häufiger und fragt gezielter nach Auswirkungen, nach denen gesucht wird oder die vielleicht erwartet werden. Eine solche unterschiedliche Behandlung von exponierten und nicht exponierten Studienteilnehmern kann einen Zusammenhang zwischen Exposition und Erkrankung erscheinen lassen, der gar nicht existiert.

Stand: 24. März 2010

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Querschnittsbereich Nr. 1: Epidemiologie, Med. Biometrie und Med. Informatik Ätiologie und Risiko SS 2010, Vorlesung 1 — Kurzfassung Prospektive Kohorten-Studie: In einer prospektiven Kohorten-Studie werden Daten zu Expositionen in der Gegenwart erhoben und die Kohorte prospektiv weiter beobachtet, bis eine ausreichende Zahl von Erkrankungen aufgetreten ist. Prospektive Kohorten sind sehr zeitaufwändig und kostspielig. In großen Kohorten, die über Jahrzehnte beobachtet werden, werden meist viele Expositionen, Krankheiten und Symptome erfasst. Von diesen großen Kohorten gibt es nur eine begrenzte Zahl auf der Welt.

Retrospektive Kohorten-Studie: In einer retrospektiven Kohorten-Studie wird eine Kohorte in die Vergangenheit versetzt. Die Studienteilnehmer sind wiederum zu Beginn der Studie gesund und durch ihren Expositionsstatus definiert, der in der Vergangenheit erfasst wurde. Auch die Erkrankung ist bereits erfolgt, aber mit zeitlicher Verzögerung gegenüber der Exposition. Retrospektive Kohorten-Studien bieten sich an in der Arbeitsepidemiologie, wenn Beschäftigungsverhältnisse und Expositionen z. B. gegenüber bestimmten Chemikalien und die Beschäftigungsdauer dokumentiert wurden. Auch wenn Expositionen und Erkrankungen in Registern erfasst wurden, wie insbesondere in Skandinavien, wo z. B. Schwangerschaften, Abtreibungen und Krebserkrankungen in verschiedenen Registern erfasst werden, die dann nur noch verknüpft werden müssen, sind retrospektive Kohortenstudien sinnvoll. Der Vorteil einer retrospektiven Kohorte ist die enorme Zeit- und Aufwandsersparnis gegenüber der prospektiven Kohorte. Der Nachteil ist, dass oftmals viele Confounder nicht erfasst wurden.

Stand: 24. März 2010

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