PVC-freie medizinische Verbrauchs artikel in der Neonatologie

Kriterienkatalog 14001 20. Juni 2011 PVC-freie medizinische Verbrauchs­ artikel in der Neonatologie „ÖkoKauf Wien“ Arbeitsgruppe 14 Vermeidung A...
Author: Oldwig Althaus
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Kriterienkatalog 14001

20. Juni 2011

PVC-freie medizinische Verbrauchs­ artikel in der Neonatologie

„ÖkoKauf Wien“

Arbeitsgruppe 14 Vermeidung

Arbeitsgruppenleiter:

Georg Patak

Magistratsdirektion der Stadt Wien,

Wiener Umweltschutzabteilung MA 22

Dresdner Straße 45, A-1200 Wien

Telefon: +43 1 4000 73562

E-Mail: [email protected]

www.oekokauf.wien.at

Projektcoach:

Ing. Herbert Nentwich

Wiener Krankenanstaltenverbund,

Geschäftsbereich Technik, Stabsstelle Umweltschutz

Thomas-Klestil-Platz 7/1, A-1030 Wien

Telefon: +43 1 40409 70632

E-Mail: [email protected]

www.oekokauf.wien.at

Impressum: Herausgeber: Magistrat der Stadt Wien, Programm für umweltgerechte Leistungen „ÖkoKauf Wien“, 1082 Wien, Rathaus, www.oekokauf.wien.at

Ökologische Anforderungen an die Beschaffung von PVC-

freien medizinischen Verbrauchsartikel in der Neonatologie

(14001/20.6.2011)

1. Einführung Der Umweltschutz ist ein wichtiges Ziel der Wiener Stadtverwaltung. Dazu zählen die Verringerung des Ressourcenverbrauches (z.B. Energie), die Vermeidung umweltbelastender Stoffe, die Vermeidung von Abfällen, die ökologisch zweckmäßige Behandlung nicht vermeidbarer Abfälle sowie die Verminderung der Lärm- und Schadstoffbelastung. Ziel dieses Kriterienkataloges ist insbesondere die Reduktion von Schadstoffen bei der Be­ schaffung von medizinischen Verbrauchsartikeln für die Verwendung auf Frühgeborenen-Stationen (Neonatologien) sowie die Vermeidung unnötiger Gesundheitsbelastung von Frühgeborenen. Die in diesem Kriterienkatalog festgelegten Anforderungen gelten vor allem für die Beschaffung von invasiven und zuleitenden medizinischen Verbrauchsartikeln sowie für Produkte, die mit der Haut von Frühgeborenen in Berührung kommen.

BeschafferInnen-Information

Vermeidung von PVC und Weichmachern in der Medizin Reines Polyvinylchlorid (PVC) ist ein spröder, harter Kunststoff. Bei einigen medizinischen Anwendungen ist jedoch eine gewisse Flexibilität des Materials erforderlich, welche erst durch den Zusatz von Weichmachern erreicht wird. Die am häufigsten eingesetzte Gruppe von Weich­ machern ist jene der Phthalate. Aufgrund der stofflichen Eigenschaften von PVC sind die Weichmacher nicht chemisch in der PVC-Matrix gebunden und können sich daher vor allem durch Einwirkung fetthaltiger Flüssigkeiten (z.B. Blut, Nährungskonzentraten) aus dem Kunststoff herauslösen. Dadurch kann es zu einer Migration des Weichmachers in den menschlichen Körper kommen. Bei medizinischen Artikeln wird vor allem der Weichmacher Diethylhexylphthalat (DEHP) eingesetzt. DEHP zählt zur Gruppe der endokrinen Disruptoren. Das sind Chemikalien, die im Verdacht stehen, das Hormonsystem zu beeinflussen, die Entstehung bestimmter Tumore zu fördern und die Entwicklung des menschlichen Organismus stören oder die Fortpflanzungs­ fähigkeit mindern [Bundesinstitut für Risikobewertung, 2010].

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Gemäß Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung, 1272/2008/EG idgF (CLP-Verordnung) wird DEHP unter der Kategorie 1B, H360FD eingestuft (reproduktionstoxisch, kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen, kann das Kind im Mutterleib schädigen). Wegen seiner reproduktionstoxischen Eigenschaften müssen DEHP und chemische Zuberei­ tungen, die mehr als 0,5 % DEHP enthalten, seit 30.7.2002 EU-weit mit dem Buchstaben T (Toxic) und dem Giftsymbol (Totenkopf) gekennzeichnet werden [Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)]. Durch die Behandlung in einer Neonatologie-Station sind Frühgeborene bei einem Einsatz PVC­ hältiger Artikel einer erhöhten DEHP-Aufnahme ausgesetzt. Aufgrund ihres geringen Körper­ gewichtes sind sie besonders durch die hohen DEHP-Dosen betroffen. Zahlreiche Studien bestätigen, dass besonders das sich entwickelnde männliche Fortpflanzungssystem sensibel auf DEHP reagiert. Aus diesem Grund sind vor allem Knaben vor Abschluss der Geschlechtsreife durch DEHP-Aufnahme gefährdet (HWH April 2006, Healtcare Without Harm Feb. 2003, [Rossi & Muehlberger, 2000], [Rossi & Schettler, 2000]). Gesundheits- und Umweltprobleme durch die Anwendung von Weichmachern sowie die Problematik, die durch PVC selbst verursacht wird, sind unter anderem auch in der Studie „PVC 2008: Fakten, Trends, Bewertung“ [Belazzi & Leutgeb, 2008] angeführt, welche die Grundlage für das „Positionspapier des Lenkungsausschusses im Programm „ÖkoKauf Wien“ zur Vermeidung von chlororganischen Verbindungen, insbesondere PVC“ darstellt.

Kennzeichnung von Artikeln und Verpackungen Mit der aktuellen Änderung der Medizinprodukte-Richtlinie 93/42 EWG durch die Änderungs­ richtlinie 2007/47/EG wird eine Kennzeichnungspflicht für DEHP auf Medizinprodukten eingeführt. Gekennzeichnet werden müssen folgende Produkte, sofern sie krebserregende, erbgutver­ ändernde oder fortpflanzungsgefährdende Phthalate (Auflistung in Anhang I, Direktive 67/548/EWG, z.B. DEHP) enthalten [Rinck, 2009] [Eucomed Medical Technology, 2009]: Produkte zur Entfernung bzw. Applikation von Arzneimitteln, Körperflüssigkeiten oder Substanzen Produkte zum Transport oder Aufbewahrung von Körperflüssigkeiten oder Substanzen

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2. Mindestanforderungen an die Leistung in der Leistungsbeschreibung In die Leistungsbeschreibung sind folgende Mindestanforderungen an die Leistung jedenfalls aufzunehmen:

Folgende Artikelgruppen müssen für die Neonatologie PVC-frei sein: •

Ernährungssonden



Infusionsbeutel / Mischbeutel



Medikamenten - Verabreichungssets



Infusionsleitungen / Filterleitungen / Medikamentenleitungen



3-Wege-Hähne



Hahnbänke



Y-Verbinder



Venenkatheter



Injektionsspritzen



Spritzenpumpenleitungen / Infusionspumpenleitungen / Arterienleitungen



Schnuller



Ernährungsflaschen



Sauger für Trinkflaschen



Beatmungsmasken (darunter fallen keine Sauerstoffmasken)



Prongs/Masken (Nasensonden)



Bili-Masken (Bestrahlungsbrillen)



Identifikationsarmbänder



EKG-Elektroden



Urinbeutel, die am Körper festgeklebt werden



Adhäsive Oxymetersensoren



div. Fixierhilfen und Haltebänder

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Datenblätter Aktuelle Datenblätter für die Mindestanforderungen sind beizubringen. Daten betreffend die Mindestanforderungen, die in den Datenblättern nicht angeführt sind, sind auf gesonderte Anforderung des Auftraggebers oder der Auftraggeberin in geeigneter Form nachzuweisen.

3. Verpackung Die Verpackungen müssen frei von halogenhaltigen Polymeren sein.

Die BieterInnen haben anzugeben, ob und gegebenenfalls an welchem Sammel- und

Verwertungssystem gemäß § 11 der Verpackungsverordnung 1996, BGBl. II Nr. 648/1996 idgF,

sie teilnehmen. Falls sie an keinem Sammel- und Verwertungssystem teilnehmen, haben sie

anzugeben, welche Maßnahmen zur Rücknahme der in Verkehr gebrachten Verpackungen sie

setzen.

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Anhang Verwendete Literatur Belazzi, T.; Leutgeb, F. (2008) PVC 2008: Fakten, Trends, Bewertung. bauxund forschund und beratung gmbh. Aktualisierung des Positionspapiers zur Vermeidung von chlororganischen Verbindungen, insbesondere PVC. Hrsg. v. ÖkoKauf Wien. Wien. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) Phtalate (Weichmacher). 5.1.2011. Bundesinstitut für Risikobewertung (2010) Endokrine Disruptoren: Substanzen mit schädlichen Wirkungen auf das Hormonsystem. www.bfr.bund.de. 19.4.2010. Daxbeck, H.; Brandt, B.; Stanic, L.; Neumayer, S. (2005) Identifikation von PVC-freien Artikeln und Forcierung der Herstellung und des Einsatzes von PVC-freien medizinischen Artikeln. Projekt VEMED - IDEE. Ressourcen Management Agentur (RMA). Initiative zur Förderung einer umweltverträglichen nachhaltigen Ressourcenbewirtschaftung. Wien. Daxbeck, H.; Brandt, B.; Stanic, L.; Neumayer, S. (2007) Erweiterung der Grundlagen für eine effizienten Ausstieg aus der Verwendung PVC-hältiger medizinischer Artikel. Projekt VEMED II. Ressourcen Management Agentur (RMA). Initiative zur Erforschung einer umweltverträglichen nachhaltigen Ressourcenbewirtschaftung. Wien. Daxbeck, H.; Seibold, E. (2010) Identifizierung der PVC-hältigen Artikel in den Neonatologiestati­ onen des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV). (Projekt VEMED Neo) Ressourcen Management Agentur (RMA). Initiative zur Erforschung einer nachhaltigen, umweltverträglichen Ressourcenbewirtschaftung. Wien. Eucomed Medical Technology (2009) Labelling of medical devices containing phthalates. Rossi, M.; Schettler, T. (2000) PVC & Healthcare. Boston. Umweltbundesamt (2010) Fact Sheet Phthalate.

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