psychisch erkrankter Menschen

Die Zukunft der psychiatrischen Hilfen aus Sicht des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch Kranker / psychisch erkrankter Menschen Christian Zeche...
Author: Til Ackermann
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Die Zukunft der psychiatrischen Hilfen aus Sicht des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch Kranker / psychisch erkrankter Menschen Christian Zechert, BApK Bonn

10.09.2015

Dachverband Gemeindepsychiatrie "Zukunft gestalten"

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Worüber möchte ich sprechen? 1.

… und was ist mit der Zukunft der nicht-

psychiatrischen Hilfen, der Selbsthilfe? 2.

Wo wir als Angehörige heute stehen

3.

Was wir von der Zukunft erwarten

4.

Was uns sonst noch bewegt

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Was ist mit den nicht-psychiatrischen Hilfen, der Familienselbsthilfe? •







Wir arbeiten überwiegend ehrenamtlich in den Vorständen und Landesverbänden und verstehen uns als Selbsthilfeorganisation. Gelegentlich sind Angehörige und Landesverbände durch eigene Projekte praktisch involviert. Viele Mitglieder haben ihren Zugang zur Familienselbsthilfe in den 1970 / 1980 Jahren gefunden. Schwerpunkt lag auf Familien mit einem unter Psychosen leidenden Angehörigen. Das Spektrum Familien belastender psychischer Erkrankungen, ist aber erheblich größer. 1,5 Mio Kinder haben psychisch kranke Eltern.

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16 Landesverbände der Angehörigen sind Träger des Bundesverbandes. • • • • • • • • • • • • • • • •

Baden-Württemberg Bayern Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen

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Beispiel: Das praktische Engagement von Angehörigen im Kreis Lippe

Der Lippische Kombi-Service in Detmold 10.09.2015

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Auch „Angehörige sind Erfahrene“ •

Wir brauchen auch in Zukunft mehr denn je als einzelne Angehörige Vernetzung, Ermutigung und Pflege. Denn die Probleme der Angehörigen sind (nach Asmus Finzen) auch in Zukunft immer zunächst persönlicher Art: » » » » » »



Die große Kränkung Bedrohung des Familienzusammenhalts Verlust der Selbständigkeit Ungewissheit des Ausgangs und Verlaufs Veränderung der eigenen Biographie Was wird nach meinem Tod

Es gibt ganz verschiedene Möglichkeiten, Angehöriger zu werden, in jedem Lebensalter. Keine dieser Möglichkeiten hat sich jemand von uns freiwillig ausgewählt. Wir wurden hineingesetzt in diese Situation, ohne Vorbereitung, ohne Schulung, ohne fachliche Begleitung, ohne Supervision. (Gudrun Schliebener).

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Wo wir als Angehörige heute stehen •

Seit über 30 Jahren beziehen wir bei den laufenden Gesetzgebungsverfahren, ihrer Umsetzung oder bei Defiziten in der Versorgung psychisch kranker Menschen Position. Dies ist eine unserer Kernaufgaben als Bundesverband.



Unsere Zukunft als Verband der Familienselbsthilfe ist nicht geklärt. Wie wir in 10 – 20 Jahren das notwendige Wissen, die Zeit, Kraft und die Fähigkeit zur Arbeit im Verband und in Netzwerken aufbringen, ist unklar. Wir haben als organisierte Angehörige ein ungelöstes Generationenproblem.



80% unserer institutionellen Fördermitglieder kommen aus dem klinischen Bereich. Der Rest aus der sonstigen Gemeindepsychiatrie. Sollte dies nicht etwas ausgeglichener werden?

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Wo wir als Angehörige heute stehen •

Wir beteiligen uns gerne an innovativen Entwicklungen, z.B. die Peer to Peer Beratung, hier von Angehörigen zu Angehörigen.



Wir begrüßen den Einbezug der Angehörigen in den Besuchskommissionen, PSAGs, Trialog, Psychoseseminaren, in Beiräten, Anhörungen etc.



Aber: wir tun dies ehrenamtlich, genauso wie engagierte Psychiatrieerfahrene.

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Was wir derzeit als Bundesverband laufend organisieren, gemeinsam oder alleine: - „Selbsthilfenetz Psychiatrie“: Mit Zugang zu ca. 600 Selbsthilfegruppen sowohl von Angehörigen als auch Psychiatrieerfahrenen. - SeeleFon: ein gemeinsames Beratungsangebot von Psychiatrieerfahrenen und Angehörigen (seit 2011) - BApK Newsletter . Erscheint regelmäßig seit 2011 -Unter psychiatrie.de eine Wissensdatenbank zu psychiatrischen Themen

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Welche Themen uns ständig bewegen •

Die Situation psychisch auffälliger Kinder und Jugendlicher -> Hilfen für Eltern / Geschwister, Projekt „Wahnsinnskinder“.



Die Kinder psychisch kranker Eltern: etwa 1,5 Mio. Kinder, deren Eltern unter Depressionen, Alkohol-/ Medikamentenabhängigkeit, Psychosen, etc. leiden.



Angehörige von Patienten im Maßregelvollzug. Lange Zeit eine stark vernachlässigte Gruppe von Angehörigen, die es besonders schwer hat, sich zu artikulieren.

• •

Antistigma- und Öffentlichkeitsarbeit Seit ca. zehn Jahren das Thema „Psychisch krank im Job“ mit inhouse-Fortbildungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer Tagungen, zahlreiche Projekte



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Die Netzwerkarbeit des BApK: Selbsthilfe

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Die Agenda 2020 des BApK in Kooperation mit weiteren Verbänden

Mit unseren Forderungen möchten wir erreichen, dass Menschen mit psychischen Problemen, ihre Freunde und Familien sicher wissen können, an wen sie sich im Bedarfs- und Krisenfall wenden können, dass die Angebotsträger immer die Versorgungsverantwortung übernehmen, dass Wirtschaftlichkeitsaspekte nicht einseitig zu Lasten der Versorgungsqualität und damit zu Lasten der Patienten und der Familien gehen,

dass Hilfen bedarfsgerecht und "annehmbar" gestaltet werden, dass Familien auch dann Hilfen bekommen, wenn das erkrankte Familienmitglied zunächst nicht mit professionellen Helfern reden will, dass neue Hilfeangebote für die Familien erprobt und eingeführt werden,

psychiatrie.de/bapk/ueberuns/dokumente/agenda/

(…)

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Was wir von der Zukunft erwarten*: • Eine integrierte Versorgung, die eine flächendeckende Versorgung sicherstellen kann. • Beseitigung der Kostenträgervielfalt aus der heraus immer wieder Lücken in der Therapie und Begleitung entstehen. -> regionale Budgets

• Qualitätssicherung unter Einbezug der Selbsthilfe, zu denen auch die Familienselbsthilfe gehört.

* Was zu tun ist“. Agenda 2020 zur Weiterentwicklung zur Versorgung psychisch kranker Menschen- Eine Initiative des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch Kranker e.V.

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Ambulante Versorgungsverpflichtung in der Region, auch für die „schwierigen Patienten“.



Hilfe und Unterstützung aus einer Hand, d.h. die Behandlungsziele müssen identisch sein. Krankenhaus und gemeindepsychiatrischer Träger und Niedergelassene müssen enger zusammenarbeiten.



Mehr sprechende Medizin, sowohl im Krankenhaus als auch ambulant.



Aufsuchende Hilfen (nach SGB V) müssen regelhaft möglich sein, dies nicht nur im Notfall, bei schweren Krisen.

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• Aufsuchende, Tag und Nacht erreichbare Krisenhilfe/ Krisendienste sowie ein niedrigschwelliges Angebot an Krisenbetten, • Beseitigung der Umsetzungsdefizite bei der häuslichen psychiatrischen Krankenpflege, bei der Umsetzung der Soziotherapie und psychiatrischen Familienpflege, • Ausreichend und rascher erreichbare Psychotherapie gerade auch für schwerkranken Patienten, • Verbindliche Einbeziehung der Selbsthilfe in regelhaften Kontakten, • Integration von Betreutem Wohnen, Tagesstätten und Kontaktstätten auch an Wochenenden, Feiertagen, späten Abend. • Regelhaftes Informations-, Beratungs- und Entlastungangebote für betroffene Familien in der Region. Feste Anlaufstellen.

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Unterstützung der Familien und des sozialen Umfeldes • Unterstützung der Familien durch – Anerkennung ihrer Belastungen und Leistungen durch das professionelle Versorgungssystem – Mehr Akzeptanz als gleichberechtigte Gesprächspartner – Verständnis und Unterstützung bei Problemen in der konkreten häuslichen Situation.

Beispiel Deeskalatationstraining

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Die BApK online Befragung 2014 - 2015 Aus der Bewerbung für die Befragung: „Psychische Erkrankungen bringen auch in Familien und im persönlichen Umfeld Konflikte mit sich, mit denen Angehörige oder Freunde umgehen müssen. Oft gibt es niemanden, mit dem man darüber sprechen kann. Um den Familien in Zukunft besser helfen zu können, bitten wir betroffene Angehörige um die Schilderung ihrer Erfahrungen“.

Angesprochen sollen Angehörige, die nicht in der Angehörigenselbsthilfe organisiert sind und die es ihnen ermöglicht anonym über ihre Erfahrungen zum Umgang mit Aggression und Gewalt, ihre Bewältigungsstrategien und nötige Unterstützungsangebote zu berichten. Beide Dokumentationen erfolgten ausschließlich anonym.

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Ausgewählte quantitative, vorläufige Ergebnisse (n=197)



88,2% dokumentierten Gewalt durch ein erkranktes Familienmitglied  43,7% durch Partner oder Ehegatten  29,1% Sohn oder Tochter  12,7% Elternteil  7,0% Bruder/ Schwester  7,7% Freund oder andere Angehörige

 

55,9% der Familienmitglieder leben zusammen mit dem Erkrankten 59,0% haben täglichen Kontakt

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Häufigkeit und Art der Vorfälle. BApK-Online-Befragung 2014 – 2015, n=197 Häufigkeit     

11,3% einmaliger Vorfall 7,5% selten 22,0% gelegentlich 38,6% häufig 19,5% sehr häufig

Form  48,8% psychische Gewalt  31,9% psychische und physische Gewalt  4,4% physische Gewalt

 43,5% berichteten von Vorfällen in denen der psychisch kranke Angehörige einen Suizid oder eine Selbstverletzung ankündigte.

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Strategien der Angehörigen zum Umgang mit Aggressionen. BApK Online Befragung, n=197

 48,4% berichteten selbstentwickelte Stategien zu haben  29,7% sagten, dass sie über keine Strategie verfügen  6,5% nutzen professionelle Unterstützung  5,5% sind Mitglieder einer Angehörigenselbsthilfegruppe

 9,9% fehlende Angaben

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Ausblick. Was wir uns sonst noch wünschen •

Mehr Eingeständnisse von beruflich in der Psychiatrie Tätigen, dass nicht wenige ebenfalls Angehörige sind. Als Bruder, Schwester, Partner, als Mutter oder Vater, als Sohn oder Tochter eines Menschen, der psychisch leidet oder gelitten hat.



Nachdenken darüber, ob wir Angehörigen wirklich im Trialog angekommen sind. Fritz Bremer (2015): „Mir scheint, die Angehörigen kommen nach all der Reformarbeit, nach all den Trialog-Veranstaltungen nicht mehr, sondern eher weniger vor.“



Ein Gleichgewicht der finanziellen Förderer zwischen klinischer und außerklinischer Psychiatrie herstellen.

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• Mehr gemeinsames Engagement auch zwischen Profis und Angehörigen, um etwas gemeinsam bewegen zu können.

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… und was wir nicht vergessen sollten: es gibt für Betroffene und Angehörige immer noch ein Leben jenseits der Psychiatrie: „… er will dort bleiben und schmiedet Pläne für eine Ausbildung, jenseits von Einrichtungen und psychisch kranken Menschen. Trotz aller Sorgen und der Ungewissheit über die Zukunft freue ich mich, dass er einen Teil seiner Integrität wiedererlangt hat und endlich wieder ein bisschen glücklich ist“.



Solina S., Mutter, in ihrem Beitrag: „Was nach unseren Erfahrungen im Gesundheitssystem fehlt, ist aufsuchende Hilfe“.

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• Vielen Dank fürs Zuhören!

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