Ruhr-Universität Bochum 17. Juli 2003 Germanistisches Institut PS „Sprachwandel“ Dozent: Daniel Händel Protokollant: Robert Schmeling

Protokoll der Sitzung vom 17.7.2003

Vorstellung der Referenten und des Themas der nächsten Sitzung Anbindung an das Thema der vergangenen Sitzung: semantischer Wandel Fremdwort

Lehnwort

Referat: „Anglizismen in der deutschen Sprache“ Semantischer Wandel Lexika enthalten Komponenten eines theoretischen Modells menschlicher Sprachfähigkeit- Lexikoneinträge sind systematisch strukturiert: Phonologische Informationen Morphologische Informationen

Formseite

Syntaktische Informationen

+

Semantische Informationen

Inhaltsseite

Wann tritt ein lexikalischer Wandel ein? Es bestehen zwei Möglichkeiten, bei denen es zur Ausbildung des Sprachwandels kommen kann. 1. Interferenz Der Sprachwandel tritt durch eine Interferenz, also durch eine Überlagerung von zwei nicht gleichberechtigten Sprachen auf. Je dominanter eine Sprache ist, desto weniger sprachlicher Komponenten nimmt sie bei der Überlappung von der untergeordneten Sprache in sich auf (oft geschichtlich begründet : die Siegermacht zwang dem Unterlegenen ihre Sprache auf).

Bsp.: Lateinische Sprache und Althochdeutsch Völkerwanderungen

Sprache A

Sprache B

Übergeordnete Sprache Quellsprache

untergeordnete Sprache Entlehnung

Zielsprache

2. Situation der Diglossie Diglossie ist eine Form der Zweisprachigkeit, in der die beiden Sprachen (oder Standardsprache und Dialekt) verschiedene Anwendungs- und Funktionsbereiche haben. Es handelt sich dabei um zwei gleichwertige Sprachen, die für unterschiedliche Domänen (Alltagssituationen) genutzt werden. Bsp.: für private Kommunikation öffentliche Kommunikation Konvergenz Quelle und Ziel (jeweils domänenspezifisch)

Quelle und Ziel (jeweils domänenspezifisch)

Jede sprachliche Veränderung beginnt als ein abweichender Gebraucheinzelner Sprecher und setzt sich erst allmählich durch, was mehrere Generationen dauern kann. Fremdwort

Lehnwort

Lehnbedeutung Bedeutung, die ein Wort unter fremdsprachlichem Einfluss annimmt, wodurch eine Umdeutung der ursprünglichen Bedeutung bzw. eine Bedeutungserweiterung stattfindet. Besonders im Rahmen der Christianisierung ist die Bildung von Lehnbedeutungen ein gut zu belegender Vorgang. Es ist ein lexikalischer Prozess, der primär die Semantik betrifft.

Bsp.: ahd:

toufen

= eintauchen

gr. Einfluss: baptizein = taufen nhd:

taufen

= taufen

Lehnübersetzung Es handelt sich hierbei um Vorgang und Ergebnis einer genauen Glied-für-Glied-Übersetzung eines fremdsprachlichen Ausdrucks in die eigene Sprache. Bsp.: engl.: steam engine

dt. Dampfmaschine

frz. : présence d´ésprit

dt. Geistesgegenwart

Lehnübertragung Im Gegensatz zur Glied-für-Glied-Übersetzung basiert die Lehnübertragung auf einem freien Umgang mit dem fremdsprachlichen Ausdruck, welcher annäherungsweise in die eigene Sprache übersetzt und übernommen wird. Bsp.: engl.: skyscraper

Wolkenkratzer

lat.:

Vaterland

patria

Lehnschöpfung Hierbei handelt es sich um eine Übernahme der Bedeutung eines fremdsprachlichen Ausdrucks formal relativ unabhängige Nachbildung in der eigenen Sprache. Bsp.: Umwelt

Milieu

Weinbrand

Cognac

Hochschule

Universität

Lehnwörter a) Assimilierte Lehnwörter Entlehnung aus einer Fremdsprache, die sich in Lautung, Schriftbild und der Flexion vollständig an die eigene Sprache angeglichen hat. Bsp.: lat.: vinum

Wein

Sauerkraut

frz.: chourcroute

b) nicht assimiliertes Lehnwort/Fremdwort Übernahme eines fremdsprachlichen Ausdrucks in die eigene Sprache unter Beibehaltung der fremdsprachlichen Lautung, des Schriftbildes und der Flexion. Bsp.: Psychologie, Flirt, Sputnik Referat „Anglizismen in der deutschen Sprache“ 1. Teil Hörspiel „Die Bahn kommt“ Das Hörspiel handelt von einem Kunden, der am Ticketschalter der Deutschen Bahn eine Fahrkarte nach Koblenz erwerben möchte und einem Bahnbeamten, der den Kunden in „Denglisch“ bedient. Dieses Hörspiel veranschaulicht die Problematik der Verwendung englischer Begriffe in der deutschen Sprache. Der Gebrauch des „Denglischen“ führt oft zur Missverständnissen und zum Scheitern der Konversation, falls der Empfänger des Englischen nicht mächtig ist. In der Schlusssequenz des Hörspiels antwortet der resignierte Kunde, der nur auf Deutsch ein Fahrkarte nach Koblenz kaufen wollte, dem Beamten im perfekten „Denglisch“. 2. Teil Gruppenarbeit „Urteile und Vorurteile“ Die Referenten stellen 18 Aussagen vor, die sich mit der Thematik der dt. Sprache und der Verwendung der Anglizismen in der dt. Sprache auseinahndersetzten. Im Rahmen einer Diskussion präsentieren die Gruppen anschließend ihre erarbeiteten Ergebnisse. Ergebnisse der Gruppenarbeit: Dt. Sprache stirbt langsam aus, da mehrere dt. Begriffe durch einen Anglizismus ersetzt werden. Dieses ist zum Teil auf die Ökonomie der Sprache zurückzuführen. Die Menschen verwenden bevorzugt Begriffe, die kürzer, prägnanter und einfacher auszusprechen sind. (Dieses Thema wurde sehr kontrovers diskutiert; die Meinungen gingen hier deutlich auseinander!) Es wird mehr Sprachpflege gefordert. Bsp.: engl. Walkman - dt. tragbares Kassettenabspielgerät

In den Werbe- und Wirtschaftsbereichen werden Anglizismen übernommen, da es in der dt. Sprache keine passenden Äquivalente gibt. Des weiteren nutzt die Werbebranche die Anglizismen um an die Zielpersonen besser herantreten zu könnenengl. Begriffe sind absolut ‘in’, klingen moderner und peppiger. Bsp.: „Hair-Styling“, „trendy”, „softy” usw. Anglizismen lockern und frischen die dt. Sprache auf (modernisieren diese aber nicht), da diese speziell für die junge Generation oft zu „steif“, zu ernst und vielleicht sogar humorlos erscheint. Anglizismen werden weiterhin in die dt. Sprache aufgenommen und durch deren Verwendung wird das Deutsche nicht ruiniert! 3. Teil Grammatik Phonologische/ Graphemische Integration In der heutigen Zeit werden die ans Deutsche phonologisch angepassten Lehnwörter verstärkt in der Originalsprache verwendet. (früher Mikroschip — heute Microchip) Der Sprecher möchte symbolisieren, dass ihm die Herkunft dieses Wortes bewusst ist. Lehnwörter werden behutsam an die dt. Orthographie (Bsp.: antörnen – engl.: to turn on oder recyceln – engl.: to recycle). Eine vollständige Adaption an das Deutsche würde ziemlich drastisch klingen (Bsp.: engl. Comeback – dt. Kammbäck ). Bei den Lehnwörtern ändert sich Schreibweise der Substantive. Während im Englischen die Substantive klein geschrieben werden, so werde nach der Integration in die dt. Sprache groß geschrieben ( Bsp.: aus engl. bike wird dt. Bike und aus engl. chip wird Chip). Integration bei Substantiven Viele Lehnwörter, die aus dem Englischen ins Deutsche importiert werden, behalten, wie im Englischen, ihr Plural-/s/ bei. Bei englischen Wörtern, die im Singular auf /y/ enden, verändert sich das Singular-/y/ im Plural zu /ie/+ Plural-/s/ (Bsp.: pony - ponies). Im Deutschen hingegen wird an das übernommene Lehnwort nur das Plural-/s/ an den auf ein Substantiv angehangen (Bsp.: Pony – Ponys). Integration der Adjektive Entlehnte Adjektive werden meist prädikativ verwendet. Diese Adjektive könnten mit mit deutschen Flexionsformen versehen werden jedoch ist sprachliche die

Hemmschwelle noch zu groß (Bsp.: der over(ge)dresste Mann). Einige Adjektive nach einiger Zeit deutsche Flexionsformen. Bsp.: fit – fitter eine fitte Person

cool - cooler ein cooler Typ

Integration der Verben Die deutsche Sprache hat bis auf geringere Ausnahmen keine Probleme einsilbige Fremdverbstämme wie schwache Verben zu flektieren: Bsp: surfen

ich surfe, du surfst...wir surfen, ihr surft

Entlehnte Verben können auch mit Verbpartikeln versehen werden. Bsp.: einchecken, auschecken, auspowern, antörnen Verben mit dem Akzent auf der ersten Silbe bilden das Partizip mit /ge/ Bsp.: gehandicapped Verben, die den Akzent nicht auf der ersten Silbe haben, bei denen verwendet man das Partizip 2 – ohne /ge/ Bsp.: layoutet, recycelt