Projektive Verfahren in der Marktforschung

Projektive Verfahren in der Marktforschung Andrea Gröppel-Klein und Jörg Königstorfer Projektive Verfahren in der Marktforschung 1 Einführung .......
10 downloads 3 Views 259KB Size
Projektive Verfahren in der Marktforschung

Andrea Gröppel-Klein und Jörg Königstorfer

Projektive Verfahren in der Marktforschung

1

Einführung ...................................................................................................................... 539

2

Projektive Verfahren im Überblick............................................................................... 540 2.1 Ursprung und Grundlagen.................................................................................. 540 2.2 Beispiele aus der Forschung zum KonsumentInnenverhalten ....................... 542

3

Vorzüge und Problembereiche ..................................................................................... 547

4

Literatur........................................................................................................................... 551

537

Projektive Verfahren in der Marktforschung

1

Einführung

Die Frage nach dem „Warum“ hat seit Menschen Gedenken die Wissenschaft beflügelt, auch im Marketing. Wir versuchen zu verstehen, warum Menschen bestimmte Marken oder Produkte bevorzugen, warum sie sich häufig irrational und nicht wie ein homo oeconomicus verhalten, warum sie einen spezifischen Lebensstil anstreben, andere Lebensstile dagegen vehement ablehnen, warum sie sich durch Medien und Werbekampagnen beeinflussen lassen, auch wenn sie dies nicht zugeben möchten, warum sie beim Einkaufen nicht nur Wert auf Auswahl und Qualität von Waren legen, sondern auch auf unverwechselbare Einkaufserlebnisse, kurzum, Marktforscher versuchen zu ergründen, warum Kunden sind, wie sie sind. Dabei zeigt sich, dass klassische, standardisierte Interviews oftmals nur an der Oberfläche des Verhaltens „kratzen“ und die wahren Beweggründe für das Konsumverhalten nicht offen legen. Fehleinschätzungen bei der Erfolgsprognose von Produkten und Dienstleistungen sind die Folge. So wurden von deutschen Firmen zunächst die Sinnhaftigkeit von Fax-Geräten und der damit verbundene Nutzen der Übertragungsmöglichkeit von Bildern oder Bildzeichen nicht erkannt, und das in Deutschland erworbene Patent für diese Technologie wurde nach Japan verkauft. Auch der extreme Erfolg von SMS (short messaging services) wurde nicht prognostiziert, hatte man es doch nicht für möglich gehalten, dass sich KonsumentInnen die Mühe machen, auf einer kleinen Handytastatur Buchstabe für Buchstabe Texte zu schreiben. Projektive Verfahren werden definiert als zwar durchaus strukturierte, aber indirekte Methoden, das „Warum“ von Verhaltensweisen zu untersuchen (Webb 1992). Mit Hilfe spezieller Techniken wird versucht, solche zunächst unbewussten Gefühle, Überzeugungen, Motivationen und Einstellungen in Bezug auf Meinungsgegenstände aufzudecken, die schwierig zu artikulieren sind oder die bei standardisierten Fragetechniken schnell zu sozial erwünschten Antworten führen. So wird zum Beispiel auf die direkte Frage, wie oft man sich am Tag die Zähne putzt, i.d.R. mit der Angabe „mindestens 2-mal täglich“ geantwortet, obgleich die abgesetzten Mengen an Zahncreme zeigen, dass dies nicht möglich sein kann (oder ein signifikant hoher Anteil an Personen sich die Zähne ohne Zahnpasta putzt). Dagegen können je nach Art des angewandten projektiven Verfahrens ProbandInnen in Situationen versetzt werden, in denen sie den „wahren“ Untersuchungszweck nicht durchschauen, daher sozial erwünschte Antworten nicht anbringen können, sondern „wahrheitsgemäß“ antworten. Außerdem können projektive Verfahren KonsumentInnen dazu bewegen, Kreativität und zukünftige Konsumwelten zu entwickeln. Allerdings müssen sich die mittels projektiver Verfahren gewonnenen Ergebnisse - wenngleich anderer Natur als bei quantitativen Daten - ebenfalls Validitäts- und Reliabilitätsprüfungen stellen. In diesem Beitrag sollen die Grundzüge der projektiven Verfahren skizziert werden, einige Verfahren vorgestellt und deren Gültigkeit diskutiert werden. In einem zweiten Beitrag in

539

Andrea Gröppel-Klein und Jörg Königstorfer

diesem Buch werden die Autorin und der Autor die Anwendung anhand eines konkreten Beispiels aus der technologischen Akzeptanzforschung aufzeigen.

2

Projektive Verfahren im Überblick

2.1

Ursprung und Grundlagen

Projektive Verfahren entspringen der psychoanalytischen Theorie, klinischen Sozialpsychologie und kulturellen Anthropologie (Lindzey/Thorpe 1968). Die Entwicklung und Verwendung von projektiven Verfahren wurde vor allem in der Psychologie vorangetrieben (z.B. Anderson/Anderson 1951, Frank 1948, Kassarjian 1974, Murray 1943, 1946 und Murstein 1965). Das Aufkommen projektiver Verfahren in der Wissenschaft und Praxis war ein Gegentrend zur damals zunehmenden Bedeutung von statistischen Erhebungen in den Verhaltenswissenschaften und sollte die wirkliche Erforschung des Individuums wieder in den Mittelpunkt rücken (Murstein 1965). Der Thematische Apperzeptionstest (TAT) und dessen Weiterentwicklungen (z.B. McClelland et al. 1976, McClelland 1985) sowie der Rorschach Test sind die bekanntesten Anwendungen von projektiven Verfahren. Haire (1950) führte eine der Pionierstudien im Marketing mittels projektiver Verfahren durch, indem er in einem klassischen Einkaufslisten-Experiment die Einstellung von Hausfrauen gegenüber Pulverkaffee erforschte. Er wählte den Einsatz dieses projektiven Verfahrens, da Hausfrauen auf die direkte Frage nach den Ursachen für eine Nicht-Nutzung von sofort löslichem Kaffee stereotyp antworteten und ausschließlich Geschmacksgründe anführten. Das Einkaufslisten-Experiment brachte Erkenntnisse darüber zum Vorschein, wie die befragten Hausfrauen andere Hausfrauen, die solchen Kaffee kaufen, einschätzen, nämlich als faul, sparsam, unfähig, die Haushaltseinkäufe zu planen und insgesamt als „schlechte (Haus-)Frau“. Die projektiven Verfahren wurden im Marketing bzw. in der Konsumentenverhaltensforschung im Vergleich zur (klinischen) Psychologie weniger intensiv angewandt. Folgende Gründe werden hierfür genannt:

„ Erstens gilt es aus positivistischer Sicht als unzulässig, dass - wie bei manchen projektiven Verfahren notwendig - Forscher „als Messinstrument“ in den Forschungsprozess eingreifen und bei der der Interpretation der Projektionen der Versuchspersonen tätig werden (Sherry 1990).

540

Projektive Verfahren in der Marktforschung

„ Zweitens prangert Levy (1985) eine gering ausgeprägte Innovationsfreude und einen fehlenden Erfindungsreichtum zur Entwicklung außergewöhnlicher Messmethoden bei einigen Konsumentenverhaltensforschern an.

„ Drittens wird die mangelnde operationale Beschreibung zur Generierung von thematischen Stimuli kritisiert (Rook 1988). Es gibt bis heute unseres Wissens kein Handbuch, mit dessen Hilfe Forscher geeignete Projektionen thematisch differenziert auswählen oder Reizvorlagen heraussuchen bzw. entwerfen können (Catterall/Ibbotson 2000). Die hohe Relevanz projektiver Verfahren für die Konsumentenverhaltensforschung wurde in der deutschsprachigen Forschung allerdings beispielsweise durch Arbeiten von Spiegel (1958), Salcher (1995) und Kroeber-Riel (1986) deutlich, der angloamerikanische Sprachraum wurde vor allem durch die Studien von Levy (1985) und Rook (1983, 1985, 1988) geprägt. Dabei wurde zumeist - im Unterschied zu klinischen Anwendungsfeldern - nicht das Ziel verfolgt, Normen oder Standards für Persönlichkeitstests zu entwickeln, sondern durch projektive Reizvorlagen sollte eine Vielzahl von positiven und negativen, bewussten und (zuvor) unbewussten Reaktionen bei KonsumentInnen zu konsumrelevanten Themen hervorgerufen werden, um damit die Nachteile direkter Befragungen (z.B. sozial erwünschte Antworten) zu umgehen. In der Marketingforschung kann dies durch eine Vielzahl an Messinstrumenten geschehen, wie z.B. die Ergänzung unvollständiger Sätze, die Verbalisierung von mentalen Assoziationen mit Wörtern bzw. Aussagen, Comic-Tests oder das Erzählen von Geschichten über ausgewählte Bilder (Rook 1988, siehe Kapitel 2.2). In der jüngeren, durch die verstehenden Forscher geprägten Konsumentenverhaltensforschung (Gröppel-Klein 2006) sind unter Anwendung dieser Methoden empirische Studien von McGrath/Sherry/Levy (1993), Mick/DeMoss/Faber (1992), McGrath (1995) und Zinkhan et al. (1999) durchgeführt worden, was das Aufleben dieser Methoden belegt. Der Vorgang der Projektion besteht darin, dass Personen bestimmte Charakteristika auf andere Personen bzw. Reizsituationen attribuieren, die sie nicht bei sich selbst sehen können oder sehen möchten. Die projizierten Beschaffenheiten, Verhaltensweisen oder Motive stammen jedoch von der Versuchsperson bzw. nehmen in ihr ihren Ausgang (Rapaport 1942, Spiegel 1958). Die von Sigmund Freud entwickelten theoretischen Grundlagen des Projektionsvorgangs bei Individuen werden heutzutage als klassische Projektion (Rabin 1986) bezeichnet. „The projection of inner perceptions to the outside is a primitive mechanism which, for instance, also influences our senseperceptions, so that it normally has the greatest share in shaping our outer world… Even inner perceptions of ideational and emotional processes are projected outwardly, like sense-perceptions, and are used to shape the outer world…” (Freud 1938, 857). Während Freud (1911) den Vorgang der Projektion als Abwehrmechanismus des Egos zur Vermeidung von Ängsten betrachtete, sah Jung (1958) diesen Mechanismus als bereits präsente Muster des Unbewussten an. Bei der Projektion erfolgt eine Externalisierung der inneren Wahrnehmung eines Individuums. In einen bestimmten Gegenstand

541

Andrea Gröppel-Klein und Jörg Königstorfer

bzw. in eine bestimmte Person „wird etwas addiert; es wird etwas von innen hinausverlegt, projiziert, hineingesehen, was den Vorstellungen, Neigungen, Bedürfnissen und Ordnungsbildern des Subjekts entspricht“ (Johannsen 1968, 97). Es erfolgt somit eine Interpretation des Denkens, Fühlens und Handelns anderer Personen in Funktion der eigenen Tendenzen einer Versuchsperson (Meili 1961). Die Beziehung der Projektion zur Motivation und der sich daraus entwickelte beliebte Einsatz projektiver Verfahren in der Motivationsforschung wird darin begründet, dass im Rahmen von Projektionen Umwelten bewertet werden und sich diese Bewertungen auf bestimmte Bedürfnisse beziehen. Eine Projektion wird unbewusst entweder mit dem Ziel durchgeführt, die imaginäre Bedürfnisbefriedigung zu ermöglichen oder die Beherrschung der Bedürfnisse zu erleichtern (Boesch 1960). Die Projektionsmechanismen können dabei in selbst identifizierender („Ist ebenso wie ich“), optativer („So möchte ich sein“), kathartischer (Projektion uneingestandener eigener Fehler) oder komplementärer (Rechtfertigung eigenen Verhaltens) Form vorgenommen werden (Spiegel 1958), Levy (2001) geht gar soweit, dass er sagt, dass letztendlich jegliche Art von Verhalten als Projektion verstanden werden kann, wenn man das Verhalten als Indikator der Persönlichkeit des Handelnden ansieht. Eine Projektion kann verbal, grafisch oder durch selbständiges Handeln angeregt werden und wird üblicherweise in Form von Experimenten durchgeführt (Stephan 1961). Grundlage hierfür bilden mehrdeutige Reizvorlagen, die von den Versuchspersonen interpretiert werden (Kassarjian 1974). Die projektiven Verfahren sind dabei weitestgehend uneinsichtig für die Versuchsperson (Spiegel 1958), und der Interviewer nimmt eine passive Rolle ein (Stephan 1961). Der Interviewer sollte in einer freundlichen, interessierten und entspannten Form an die Versuchsperson herantreten und dazu in der Lage sein, ein harmonisches Verhältnis zwischen Interviewer und Interviewtem aufzubauen (Will/Eadie/MacAskill 1996).

2.2

Beispiele aus der Forschung zum KonsumentInnenverhalten

Im folgenden werden einige der wesentlichen, im Marketing angewandten projektiven Verfahren kurz vorgestellt. Die genaue Darstellung eines einzelnen Verfahrens und seine Bedeutung für die Akzeptanzforschung werden in einem zweiten Beitrag der Autoren in diesem Sammelband vorgenommen.

„ Thematischer Apperzeptionstest Der thematische Apperzeptionstest (TAT) wurde von Morgan und Murray (1935) für die klinische Psychologie entwickelt und diente dazu, psychische Auffälligkeiten bei Individuen zu entdecken. Zu einem spezifischen Bilderset (20 Bilder), bei dem sowohl typische Begebenheiten des normalen menschlichen Miteinanders aber auch Gewalt-

542

Projektive Verfahren in der Marktforschung

szenen gezeigt werden, sollen die ProbandInnen vollkommen frei Geschichten erzählen bzw. die einzelnen Abbildungen erklären. Von der Norm abweichende bzw. absonderliche Reaktionen zu den einzelnen Stimuli werden damit aufgedeckt und anschließend als Indikator für psychische Auffälligkeiten gewertet. Im Marketing wird der TAT häufig zur Analyse der Werbewirkung verwendet. Hier werden die ProbandInnen gebeten, zu Werbeanzeigen Geschichten zu erzählen, um „ihre subjektiven Wünsche und Bedürfnisse mit dem Bildgeschehen zu assoziieren bzw. in das Bild zu projizieren“ (Hammann/Erichson 2000, 103). Dabei werden den KonsumentInnen Fragen gestellt wie beispielsweise: -

Welche Geschichte wird auf dem Foto erzählt?

-

Könnten Sie sich vorstellen, selbst ein Teil dieser Geschichte zu sein? Wenn ja, in welcher Rolle? Wie wird die Geschichte wohl weitergehen?

-

Passt das auf dem Bild beworbene Produkt zu der Geschichte? Wenn ja, warum? Wenn nein, welche anderen Produkte/Marken würden besser zu der Geschichte passen? Können Sie sich mit der Geschichte und/oder dem Produkt identifizieren?

Rook (1985) nutzte den TAT, um die tagtäglichen Rituale von KonsumentInnen zu untersuchen und den psychosozialen Gehalt der morgendlichen Styling-Rituale als elementaren Teil der Körpersprache von Menschen zu erforschen. Die klassische Befragung scheiterte hier. Rook (1985) beobachtete bei der Durchführung und Auswertung von Befragungen, dass die Versuchspersonen Probleme hatten, ein geeignetes Vokabular für ihre Antworten zu finden, da sich diese häufig im unbewussten bewegten, und sich viele Versuchspersonen in für die Interpretation der Daten irreführende Ausschweifungen vertieften. Mit Hilfe von auf das morgendliche Styling ausgerichteten TATs stieß Rook (1985) auf den psychosozialen Grund dieser Morgenrituale, denn Versuchspersonen sahen in der bildlichen Darstellung der Betätigung ein Streben nach persönlicher Selbständigkeit, ein Instrument der Zielstrebigkeit und des Erfolgs, eine Vorbereitung für eine Verabredung oder eine Art von Magie. Mick, DeMoss und Faber (1992) wendeten eine modifizierte Version des TAT (Abbildung 1) am Point-of-Sale an, um zu ergründen, aufgrund welcher Motivationen sich KonsumentInnen selbst belohnen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass neben dem Erlebnisgehalt des Geschäftes vor allem Faktoren der subjektiv wahrgenommenen persönlichen Situation eine Rolle spielen (z.B. „hart für ein erreichtes, wichtiges Ziel gearbeitet zu haben“).

„ Cartoon-Test Der Cartoon- bzw. Comic-Strip-Test stellt eine Variante des TAT dar (Rook 1988). Diese Methodik geht auf den Picture-Frustration-Test (PFT) von Rosenzweig (1945) zurück. In den als projektive Reizvorlage fungierenden Comics werden zwei Hauptdarsteller bildlich dargestellt. Einer der Charaktere sagt etwas zu dem anderen Charakter; und diese Kommunikation wird typischerweise in Sprechblasenform abgebildet. Cartoon-

543

Andrea Gröppel-Klein und Jörg Königstorfer

Tests schränken die Vielfalt an Antwortmöglichkeiten im Vergleich zu anderen projektiven Verfahren, wie z.B. TATs, ein, indem in den Comics die Aufmerksamkeit der Versuchspersonen bewusst auf eine bestimmte Situation, die mit Bild und Text umschrieben wird, gelenkt wird. Den ProbandInnen werden dadurch weniger Freiheiten in den Antwortmöglichkeiten gelassen, worunter die Ausdrucksstärke der Projektionen leiden kann. Indem die Testvorlage eine gewisse Struktur besitzt, erfolgt eine Definition und Abgrenzung der Reizsituation (Rook 1988, Stephan 1961). Gleichzeitig bietet dies den Forschern jedoch den Vorteil, dass die Versuchspersonen keine ausschweifenden und nebensächlichen Antworten liefern, die nicht im Interesse der Forschungsfrage stehen, insbesondere wenn nicht die Analyse der Persönlichkeit der Versuchspersonen im Mittelpunkt steht. Es bedarf zudem keiner sehr großen Vorstellungskraft der Versuchspersonen. Zudem müssen sich die Versuchspersonen weniger den „Kopf zerbrechen“, denn i.d.R. reichen bei Cartoon-Tests kurze Antwortsätze aus (Rook 1988). Die Forscher sehen sich demnach in der Auswahl der Reizvorlagen mit einem Trade Off zwischen dem Erhalten von spezifischen Informationen zu einem Marktforschungsproblem und der Qualität der Antworten in Bezug auf eine freie und vielfältige Beantwortung der Forschungsfragen konfrontiert (Rook 1988).

Abbildung 1: Bildstimuli des modifizierten TATs für Selbstbelohnungen von KonsumentInnen (Mick/DeMoss/Faber 1992)

544

Projektive Verfahren in der Marktforschung

„ Satzergänzungs-Test Der Satzergänzungs-Test weist hohe Ähnlichkeiten zum Cartoon-Test bzw. PFT auf, wenn er mit Sprechblasen auf Bildtafeln durchgeführt wird und die ProbandInnen gebeten werden, den angefangenen Satz zu vervollständigen. Der Satzergänzungs-Test kann jedoch auch ganz ohne Bilder, in rein verbaler Form durchgeführt werden. Die ForscherInnengruppe um Levy (McGrath/Sherry/Levy 1993, Sherry/McGrath/Levy 1992, 1993) stieß mit Beobachtungen und persönlichen Tiefeninterviews an Grenzen, was die Frage anbetraf, welche psychischen Prozesse vor, während und nach einem Geschenkkauf vonstatten gehen. Insbesondere die Umwandlung eines Gegenstands in ein Geschenk, die besonderen Charakteristika eines Geschenks und die persönliche Bindung von Personen an Geschenke blieben im Unklaren. Der Grund lag vermutlich darin, dass die KonsumentInnen ihre Gefühle und Erfahrungen nicht preisgeben wollten (McGrath/Sherry/Levy 1993). Mit den projektiven Methoden der Satzergänzung und des Story Telling konnten die Autoren dagegen zeigen, dass sich hinter einem Geschenk mehr als ein schlichter Gegenstand verbirgt und sich dessen „Inneres“ als durchaus facettenreich gestaltet: „Its meaning is susceptible to misreading, but meaning must always take precedence over appearance. The gift must be earned both by the donor and by the recipient. It must be more than bought; it must be built or birthed. The gift must be invested with effort, yet represent the immaterial self of the giver, whose essence must paradoxically be inferred from the gift. It must be a surprise even when expected. It must confound obligation. It encodes opportunity and danger, and invites the recipient to pluck the strings attached. It ingratiates and insults, hurts and heals. It speaks out of both sides of its mouth” (McGrath/Sherry/Levy 1993, 183). Zinkhan et al. (1999) untersuchten die zugrunde liegenden Motivationen bei der Gestaltung von persönlichen Homepages mit Hilfe eines Satzergänzungs-Tests in Kombination mit Cartoon-Tests. Sie stellten u.a. fest, dass Personen, die eine persönliche Homepage ins Netz stellen, die Bedürfnisse nach Anschluss an andere, Macht, Einzigartigkeit und Leistung verspüren.

„ Bilderskalen und Collagetechniken Bilderskalen können in zwei Gruppen unterteilt werden: Zum einen wird dieses Verfahren im Marketing benutzt, wenn KonsumentInnen sich verschiedenen Lebensstilen zuordnen sollen (z.B. Kleidungsstile, Einrichtungsstile), zum anderen werden standardisierte Bilderskalen zur Messung von Images (Schweiger 1985), Stimmungen und Involvement (Gröppel 1988, 1991) oder Markenstärke entwickelt (Bekmeier-Feuerhahn 1998). Die Testpersonen brauchen dann i.d.R. nur zu antworten, inwieweit ein gezeigtes Bild für ihre persönliche Situation zutreffend ist und geben den Grad ihrer Zustimmung auf einer Ratingskala an, so dass man trotz Anwendung dieses projektiven Verfahrens quasi metrische Daten erhält. Vorteile dieses Verfahrens sind darin zu sehen, dass

545

Andrea Gröppel-Klein und Jörg Königstorfer

-

Bilderskalen i.d.R. schwieriger als verbale Skalen zu durchschauen sind und daher auch in Situationen anzuwenden sind, die mit einem hohen sozialen Potential einhergehen und sozial erwünschte Antworten hervorrufen,

-

KonsumentInnen oftmals ihre Empfindungen nicht verbalisieren können und daher auch Cartoon- oder Satzergänzungs-Tests nicht in Frage kommen (z.B. bei der Stimmungsmessung, da Stimmungen eher diffus und schwierig auszudrücken sind),

-

Bilderskalen modalspezifische Messungen ermöglichen (ein präferierter Kleidungsstil ist mit Hilfe einer Bildvorlage sehr viel einfacher zu messen als durch verbale Beschreibungen) und

-

im Gedächtnis bildlich gespeicherte Stereotype ebenfalls mit Bildern durch Abgleich von Wahrnehmungs- und Erinnerungsbild gemessen werden können.

Schließlich können auch Preistests (wie viel ist Produkt A wert?, wie viel wäre ich maximal bereit dafür auszugeben?) auf der Basis von Bildvorlagen durchgeführt werden. Hier findet keine „Projektion“ im eigentlichen Sinn statt, sondern die Testpersonen sollen einfach - auf Basis der bildlichen Stimuli (hier können im Experiment auch Sonderangebotszeichen, wie z.B. Blitze oder grelle Farben, variiert werden) - absolute Preishöhen und Preisassoziationen äußern. Dieses Instrumentarium wird auch in der quantitativen Marktforschung verwendet. Eine weitere, in jüngster Zeit verstärkt angewandte Methode ist die Collagetechnik (Belk/Ger/Askegaard 2003, Martin/Peters 2005). Hier bekommen Testpersonen verschiedene Illustrierte vorgelegt, aus denen sie selbst Bilder ausschneiden und zu einem neuen Gesamtbild (Collage) zusammenstellen können, um Meinungsgegenstände zu visualisieren. So kann z.B. mit Hilfe dieser Collagetechnik das subjektiv eingeschätzte reale Selbstbild bzw. das Idealbild erhoben oder ermittelt werden, welche anderen Themen, Prominente, Produkt- bzw. Markenabbildungen KonsumentInnen mit spezifischen Meinungsgegenständen assoziieren, ohne dass dabei auch nur ein Wort gesprochen werden muss.

„ ZMET Eine bekannt gewordene Kombination von verschiedenen qualitativen Methoden zur Erforschung des Unbewussten - sie ist die erste patentgeschützte Marktforschungsmethode der USA - ist ZMET (Zaltman Metaphor Elicitation Technique, Zaltman 1997, 2000). Ausgangspunkt dieses Forschungsansatzes ist die Annahme einer übergeordneten Bedeutung unbewusster Prozesse bei der Entscheidungsfindung. Solche unbewussten Gedanken werden von vielen Faktoren getragen, wie beispielsweise von lange gepflegten Gewohnheiten, Erinnerungen an die Kindheit oder an das momentane Umfeld, und sie manifestieren sich in Bildern und Metaphern. Diese rücken damit in den Fokus von ZMET.

546

Projektive Verfahren in der Marktforschung

„ Ziel von ZMET ist es, über mehrere Untersuchungsschritte herauszufinden, was KonsumentInnen vom Leben erwarten und wie aktuelle Angebote diese Erwartungen erfüllen können. Hierfür ist - dem jeweiligen Projekt angepasst - ein schrittweises Herantasten an unbewusste Gedanken und Gefühle notwendig, die mit dem Untersuchungsgegenstand (z. B. einem Produkt) zusammenhängen. Die Reaktionen werden dadurch auf mehreren Dimensionen ausgeleuchtet. Dabei arbeitet man nicht nur bewusste und unbewusste kognitive Reflexionen bezüglich des Untersuchungsgegenstands heraus. Zusätzlich werden durch die Entwicklung sensorischer Bilder, wie beispielsweise durch haptische, gustatorische, olfaktorische und akustische Vorstellungen, weitere Sinne aktiviert.

„ Interpretationen finden in mehrfacher Hinsicht auf jeder Stufe der Auswertung statt: Eines der ersten Analyseziele von ZMET ist die Identifikation relevanter Konstrukte, die die wichtigsten Gedanken und Gefühle der ProbandInnen repräsentieren. Diese, so wird angenommen, stellen das mentale Terrain der KonsumentInnen dar. Durch eine Verbindung der Konstrukte wird im zweiten Analyseschritt ein Netzwerk gestaltet, welches als das mentale Modell der KonsumentInnen bezeichnet werden kann. Grundlegend für menschliches Denken sind zudem Metaphern, die die Repräsentation einer Sache in den Worten einer anderen Sache darstellen. Deshalb gilt ein dritter Analyseschritt den Metaphern der KonsumentInnen.

„ Die Interpretationen erfolgen auf verschiedenen Ebenen, die miteinander verknüpft werden. Die KonsumentInnen interpretieren nach den oben beschriebenen Analyseschritten ihr eigenes Leben. Der Interviewer interpretiert die Diskussionen. Hinzu kommt eine Interpretation eines Managers, in der dieser die Erkenntnisse von ZMET vor dem Hintergrund eigener (Manager-) Erfahrungen auslegt.

3

Vorzüge und Problembereiche

Der große Vorteil der projektiven Verfahren besteht darin, dass wirkliche Wünsche, verborgene, ungeschminkte und unzensierte Einstellungen und unbekannte Motivationen offenbart werden können. Insbesondere können somit Rationalisierungen, bewusste Irreführungen oder Tarnungen in den Antworten der ProbandInnen vermieden werden (Johannsen 1968). Die Versuchspersonen müssen in den projektiven Verfahren weder mit „ja“ oder „nein“ antworten, noch können sie zwischen „richtigen“ und „falschen“ Antworten auswählen (Stephan 1961). Sie antworten auch nicht explizit auf eine standardisierte Frage von Seiten der Forscher (Rook 1988), sondern sind frei in ihrer Antwortgestaltung. Gleichzeitig ordnen die Versuchspersonen den Reizvorlagen Bedeutungen zu, die nicht a priori von Seiten der Forscher festgelegt wurden, wie es bei geschlossenen und standardisierten Fragen der Fall ist. Die Fragen sind für die

547

Andrea Gröppel-Klein und Jörg Königstorfer

Versuchspersonen offen in ihrer inhaltlichen Ausprägung (Frank 1965). Projektive Verfahren sind nach Spiegel (1958) eher in der Lage, Motive von KonsumentInnen zu erfassen, die nicht direkt erfragbar sind. „Es sind solche Motive, die entweder die betreffende Person nicht oder nur ungern offenbaren will, oder die sie - da ihr selber (und damit auch der direkten Erfragung) unzugänglich - nicht offenbaren kann“ (Spiegel 1958, 106). Dies kann z.B. an der fehlenden Bereitschaft liegen, einem fremden Interviewer seine Gefühle und Meinungen mitzuteilen, an sozialen Zwängen, an der fehlenden Fähigkeit der verbalen Äußerung von Wörtern, Konzepten und Ideen oder am Vorliegen unbewusster Bedürfnisse (Kassarjian 1974), wie dies häufig bei technologischen Innovationen der Fall ist (Zobel 2001). Bei dem Einsatz projektiver Verfahren nimmt die Versuchsperson i.d.R. eine aktive Rolle ein, indem sie selbst beurteilt, und sich nicht, wie häufig in der klassischen Interviewersituation, beurteilt fühlt (Spiegel 1958). Dies kann zu einem höheren Involvement der Versuchspersonen führen, da projektive Verfahren im Gegensatz zu standardisierten Verfahren mit geschlossenen Antwortvorgaben häufig als weniger langwierig und langweilig und als abwechslungsreicher empfunden werden. Auch wird stärker die Neugierde von ProbandInnen erweckt. Projektive Verfahren heben sich somit von typischen Methoden der Marktforschung ab, sind ungewöhnlich und bereiten beim Antworten nicht selten den Versuchspersonen Spaß (Catterall/Ibbotson 2000). Die ForscherInnen profitieren von dieser kreativ-fruchtbaren Atmosphäre in dem Sinne, dass die Antworten nicht schon vorher festgelegt sind und aus den Ergebnissen neue Ideen, Perspektiven und Diskussionen angeregt werden können (Caterall/Ibbotson 2000). Da projektive Verfahren verborgene Motivationen sowie ungeschminkte und unzensierte Einstellungen von KonsumentInnen erfassen können, finden deren Erkenntnisse auch bei marketingpolitischen Entscheidungen Berücksichtigung, wie z.B. in der Produktgestaltung oder bei Werbe- und Preismaßnahmen. Die in den 80er Jahren eingeführte Zigarettenmarke West beispielsweise drohte sich als Flop zu erweisen. Durch projektive Verfahren konnte herausgefunden werden, dass der Aufbau der Erlebniswelt „Wilder Westen“ in der Kommunikationspolitik dazu führte, dass KonsumentInnen West als „schlechte Kopie“ der Konkurrenzmarke Marlboro wahrnahmen. Erst nachdem man sein eigenes Profil („Test the West“) entwickelte, wurde die Marke erfolgreich. Der Erfolg von Marlboro konnte auch mittels weiterer (semiotischer) qualitativer Studien erklärt werden. Der Erfolg beruht auf Bedeutungsketten, die vom rauchenden Cowboy bis hin zu dem „myth of America“ führen, den KonsumentInnen mit der Marke Marlboro verbinden. Der Misserfolg eines dänischen Käseherstellers, der den Käse Castello Bianco in den Markt einführen wollte, konnte mit projektiven Verfahren wie folgt begründet werden: KonsumentInnen assoziierten mit der (roten und signalstarken) Produktverpackung andere Produkttypen und eine süßliche Geschmacksrichtung des Käses. Dies stand jedoch im Widerspruch zu den tatsächlichen Eigenschaften des Produktes, was den Misserfolg erklärte.

548

Projektive Verfahren in der Marktforschung

Zu den Nachteilen projektiver Verfahren wird immer wieder die mangelnde Distanz der Forscher zu den Testpersonen genannt. Es besteht die Gefahr, dass die Untersuchungsleiter durch ihre Einwirkungen während der Projektion die ProbandInnen unbewusst oder bewusst in ihrem Antwortverhalten manipulieren, so dass sich die Untersuchungshypothese bestätigt. Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf den Interpretationsspielraum der Antworten. Diese können ebenso eine Projektion der Forscher darstellen, und die Ausführungen der Versuchsperson können im Sinne seiner subjektiven Erwartungshaltung verzerrt werden (Boddy 1995). Zudem besteht immer wieder das Problem, dass Versuchspersonen ihre Ideen, Meinungen, Wünsche nicht verbalisieren können. Abhilfe schaffen hier die nonverbalen Messinstrumente der Bilderskalen und Collage-Technik. Doch grundsätzlich stellt sich die Frage der Validität und Reliabilität der Ergebnisse aus projektiven Verfahren, die bis heute nicht abschließend und zufriedenstellend beantwortet werden kann. Zur Reliabilität: Lilienfeld, Wood und Garb (2000) betonen, dass projektive Verfahren trotz ihrer gewissen Subjektivität in ihrer Interpretation nicht inhärent „unreliabel“ und „unvalide“ sind. Projektive Verfahren können jedoch in ihrem Kontextbezug und ihrer Anwendung an Reliabilität einbüßen. Häufig wird in der Literatur davon gesprochen, dass mit einer großen Erfahrung der Forscher mit projektiven Verfahren die Reliabilität gesteigert werden kann (Levy 1985). Zudem gilt es als Standard, die Interkodiererreliabilität zwischen mehreren unabhängigen Beurteilern zu bestimmen (Kassarjian 1974, Lilienfeld/Wood/Garb 2000, Meili 1961 und Stephan 1961). Projektive Verfahren müssen sich dem Gültigkeitsproblem (Bagozzi 1992) stellen und sich um eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse bemühen, wie es der sogenannte Triangulationsprozess (Sherry 1991) zwar vorschreibt, der aber nicht immer konsequent durchgeführt wird. Bei der Triangulation handelt es sich um einen multidimensionalen Forschungsprozess, bei dem unterschiedliches qualitatives Ausgangsmaterial (z.B. Beobachtungen, Tiefeninterviews, sog. Thick Descriptions, Fotos, Symbole usw.) von unterschiedlichen Fachvertretern (z.B. Soziologen, Psychologen, Anthropologen usw.) mit unterschiedlichen Methoden (z.B. Semiotik, kognitive Psychologie usw.) unter Zuhilfenahme konkurrierender Hypothesen interpretiert werden, und bei dem man sich gemeinsam auf eine theoretische Erklärung für das Zustandekommen des Ausgangsmaterials einigen muss, um dem Vorwurf der Willkürlichkeit oder mangelnden Reliabilität zu begegnen. Zur Validität: Macfarlane und Tuddenham (1951, 26) schrieben in einem einleitenden Buchkapitel über die Validität projektiver Verfahren: „…The present chapter may seem to offer remarkably little solid evidence for the scientific validity of these devices (projective techniques), and to present an embarrassing number of unsolved problems in establishing their scientific worth.“ Bis heute können keine verlässlichen Aussagen über die Validität der verschiedenen projektiven Verfahren getroffen werden. Lilienfeld, Wood und Garb (2000) betonen, dass die Validität nicht global über alle projektive Verfahren hinweg beurteilt werden kann und sich eher auf einem Kontinuum be-

549

Andrea Gröppel-Klein und Jörg Königstorfer

wegt mit unterschiedlichen Ausprägungen, die sich je nach Forschungsziel und Kontext orientieren sollten. Somit stellt sich nicht die Frage nach der Validität – ja oder nein?, sondern nach der Validität der projektiven Verfahren in Bezug auf das jeweilige Forschungsziel. Das Kernproblem besteht jedoch darin, dass keine Kriterien existieren, mit denen eine exakte Validierung durchgeführt werden könnte (Rook 1988). Levy (1985) betont zwar, dass durch die genannten Vorteile der projektiven Verfahren - die Versuchspersonen werden in die Lage versetzt, auf vollständigere, feinsinnigere und fairere Art zu antworten (im Vergleich zu einer direkten Befragung) - eine höhere Validität als mit herkömmlichen Marktforschungsmethoden erreicht werden könne, jedoch können weder die Autorin noch andere Forscher diese Hypothese mit empirischen Daten belegen. Ebenfalls besitzen projektive Verfahren eine beschränkte Aussagekraft in Bezug auf die Prognose des tatsächlichen Verhaltens von Individuen (Stephan 1961), was die im Konsumentenverhalten viel diskutierte Einstellungs-Verhaltens-Hypothese widerspiegelt. Kassarjian (1974) sieht dies jedoch nicht als Kritikpunkt an, da zumeist mit dem Einsatz projektiver Verfahren keine Verhaltensprognose intendiert wird, sondern projektive Verfahren primär in diagnostizierender Art die motivationalen Faktoren bei KonsumentInnen aufdecken sollen. Lilienfeld, Wood und Garb (2000) raten unter Auswertung einer Meta-Studie bei projektiven Verfahren, so weit möglich, aggregierte Skalen zu verwenden, mehrdeutige Stimuli mit einer hohen Forschungsrelevanz einzusetzen und in der Testgestaltung iterativ und selbst korrigierend vorzugehen. Gleichzeitig sollten sich Forscher selbst unter Beachtung dieser Kriterien der Tatsache bewusst sein, dass bei der Anwendung projektiver Verfahren lediglich kleine Ausschnitte der bewusst und unbewusst wirkenden Prozesse von Individuen offenbart werden können und nie ein ganzheitliches Bild erfasst werden kann. So wie in der klinischen Sozialpsychologie unter alleiniger Anwendung von projektiven Verfahren keine umfassende Erforschung der Persönlichkeit möglich ist, so sollte sich die Marktforschung nicht auf den alleinigen Einsatz projektiver Verfahren verlassen, sondern kombinatorisch vorgehen, wie schon Stephan (1961) erkannte und Smith (1954) in den 50er Jahren mit folgendem Zitat festhielt: „Projective and other disguised tests have a place in psychological marketing research, but they are not the whole show and cannot as a rule carry the entire burden of fact gathering“ (Smith 1954, 78). Sogenannte „Mixed Method Approaches“ sind daher ratsam. Kassarjian (1974) weist insbesondere auf die Möglichkeit der Hypothesengenerierung und der Ergänzung und Verifizierung von Vermutungen von Seiten der Forscher durch den Einsatz projektiver Verfahren hin. Solange die projektiven Verfahren jedoch nur zur Hypothesengewinnung verwendet und damit dem Entdeckungszusammenhang zugeordnet werden, sind sie ein „appetizer“ und nicht der „main course" der Forschung, wie Ger (2000) es einmal ausgedrückt hat.

550

Projektive Verfahren in der Marktforschung

4

Literatur

Anderson, Harold H./Anderson, Glady L. (1951): An Introduction to Projective Techniques. New York. Bagozzi, Richard P. (1992): Acrimony in the Ivory Tower: Stagnation or Evolution? In: Journal of the Academy of Marketing Science, vol. 20, no. 4, 355-359. Bekmeier-Feuerhahn, Sigrid (1998): Marktorientierte Markenbewertung. Wiesbaden. Belk, Russell W./Ger, Güliz/Askegaard, Søren (2003): The Fire of Desire: A Multisided Inquiry into Consumer Passion. In: Journal of Consumer Research, vol. 30 (December), no. 3, 326-351. Boddy, Clive (2005): Projective Techniques in Market Research: Valueless Subjectivity or Insightful Reality? A Look at the Evidence for the Usefulness, Reliability and Validity of Projective Techniques in Market Research. In: International Journal of Market Research, vol. 47, No. 3, 239-254. Boesch, Ernst E. (1960): Projektion und Symbol. In: Psychologische Rundschau, Bd. 11, Nr. 2, 7391. Catterall, Miriam/Ibbotson, Patrick (2000): Using Projective Techniques in Education Research. In: British Educational Research Journal, vol. 26, no. 2, 245-256. Frank, Lawrence K. (1948): Projective Methods. Springfield, IL. Frank, Lawrence K. (1965): Projective Methods for the Study of Personality. In: Murstein, Bernard I. (1965): Handbook of Projective Techniques. New York/London, 1-22. Freud, Sigmund (1911): Totem and Taboo. New York. Freud, Sigmund (1938): Basic Writings of Sigmund Freud. In: Brill, A. A. (ed.). New York. Ger, Güliz (2000): Study of Consumer Behaviour: Past and Current Approaches. Paper presented at the EDEN Seminar on Consumer Behaviour of EIASM, Brussels. Gröppel, Andrea (1988): Messung der Konsumentenstimmung am PoS mittels Bilderskalen. In: Werbeforschung und Praxis, Heft 6, 183-187. Gröppel, Andrea (1991). Erlebnisstrategien im Einzelhandel. Dissertationsschrift an der Universität Paderborn. Reihe: Konsum und Verhalten. Band 29. Heidelberg. Gröppel-Klein, Andrea (2006, im Druck): Verhaltenswissenschaftliche Ansätze im Marketing. In: Köhler, Richard/Küpper, Hans-Ulrich/Pfingsten, Andreas (Hrsg.): Handwörterbuch der Betriebswirtschaftslehre. Stuttgart. Haire, Mason (1950): Projective Techniques in Market Research. In: Journal of Marketing, vol. 14, no. 5, 649-656. Hammann, Peter/Erichson, Bernd (2000): Marktforschung. 4. Auflage. Stuttgart. Johannsen, Uwe (1968): Das Marken- und Firmenimage. Theorie, Praxis, Methodik und Analyse (Beispiel: Nestlé). Dissertationsschrift an der Technischen Universität Braunschweig. Braunschweig. Jung, Carl G. (1958): Praxis der Psychotherapie. Zürich et al. Kassarjian, Harold H. (1974): Projective Methods. In: Ferber, Robert (ed.): Handbook of Marketing Research. New York, 85-100. Kroeber-Riel, Werner (1986): Die inneren Bilder von Konsumenten. In Marketing ZFP, Bd. 8, Nr. 1, 81-94. Levy, Sidney J. (1985): Dreams, Fairy Tales, Animals and Cars. In: Psychology and Marketing, vol. 2, no. 2, 67-81. Levy, Sidney J. (2001): Discussion of the Special Session Summary: The Revival of Projective Techniques: Past, Present, and Future Perspectives. In: Gilly, Mary C./Meyers-Levy, Joan (eds.): Advances in Consumer Research, vol. 28. Valdosta, GA, 253-254.

551

Andrea Gröppel-Klein und Jörg Königstorfer

Lilienfeld, Scott O./Wood James M./Garb Howard N. (2000): The Scientific Status of Projective Techniques. In: Psychological Science in the Public Interest, vol. 1, no. 2, 27-66. Lindzey, Gardner/Thorpe Joseph S. (1968): Projective Techniques. In: Sills, David (ed.): International Encyclopaedia of the Social Sciences. New York, vol. 13, 561-567. Macfarlane, Jean W./Tuddenham Reid D. (1951): Problems in the Validation of Projective Techniques. In: Anderson, Harold H./Anderson, Glady L. (eds.): An Introduction to Projective Techniques. New York, 26-54. Martin, Mary C./Peters, Cara O. (2005): Exploring Adolescent Girls' Identification of Beauty Types through Consumer Collages. In: Journal of Fashion and Management, vol. 9 (April), 391406. McClelland, David (1985): Human Motivation. Glenview, IL. McClelland, David/Atkinson, John/Clark, Russell/Lowell, Edgar (1976): The Achievement Motive. New York. McGrath, Mary A. (1995): Gender Differences in Gift Exchanges: New Directions from Projections. In: Psychology and Marketing, vol. 12, no. 5, 371-393. McGrath, Mary A./Sherry, John F. Jr./Levy Sidney J. (1993): Giving Voice to the Gift: The Use of Projective Techniques to Recover Lost Meanings. In: Journal of Consumer Psychology, vol. 2, no. 2, 171-191. Meili, Richard (1961): Lehrbuch der psychologischen Diagnostik, 4. Auflage. Bern, Stuttgart. Mick, David G./DeMoss Michelle/Faber, Ronald J. (1992): A Projective Study of Motivations and Meanings of Self-Gifts: Implications for Retail Management. In: Journal of Retailing, vol. 68, no. 2, 122-144. Morgan, Christina D./Murray Henry A. (1935): A method of Investigating Fantasies: The Thematic Apperception Test. In: Archives of Neurology and Psychiatry, vol. 34, 289-306. Murray, Henry A. (1943): Thematic Apperception Test Manual. Cambridge, MA. Murray, Henry A. (1946): The TAT Technique in the Study of Culture-Personality Relations. Provincetown, MA. Murstein, Bernard I. (1965): Handbook of Projective Techniques. New York, London. Rabin, Albert I. (1986): Projective Methods: An Historical Introduction. In: Rabin, Albert I. (ed.): Projective Techniques in Personality Assessment. New York, 3-17. Rapaport, David (1942): Principles Underlying Projective Techniques. In: Character and Personality, vol. 10 (March), 213-219. Rook, Dennis W. (1983): Consumer Products as Ritual Artefacts. Doctoral Thesis. Northwestern University. Chicago, IL. Rook, Dennis W. (1985): The Ritual Dimension of Consumer Behavior. In: Journal of Consumer Research, vol. 12 (December), no. 3, 251-264. Rook, Dennis W. (1988): Researching Consumer Fantasy. In: Hirschman, Elizabeth C. (ed.): Research in Consumer Behavior, vol. 3. Greenwich, CT, 247-270. Rosenzweig, Saul (1945): The Picture-Association Method and its Application in a Study of Reactions to Frustration. In: Journal of Personality, vol. 14, 3-23. Salcher, Ernst F. (1995): Psychologische Marktforschung. 2. Auflage. Berlin, New York. Schweiger, Günter (1985): Nonverbale Imagemessung. In: Werbeforschung & Praxis, Heft 4, 126134. Sherry, John F. Jr. (1990): A Sociocultural Analysis of a Midwestern American Flea Market. In: Journal of Consumer Research, vol. 17 (June), no. 1, 13-30. Sherry, John F. Jr. (1991): Postmodern Alternatives: The Interpretative Turn in Consumer Research. In: Robertson, Thomas S./Kassarjian, Harold H. (eds.): Handbook of Consumer Behavior. Englewood Cliffs, NJ, 548-591.

552

Projektive Verfahren in der Marktforschung

Sherry, John F. Jr./McGrath, Mary A./Levy, Sidney J. (1992): The Disposition of the Gift and Many Unhappy Returns. In: Journal of Retailing, vol. 68, no. 1, 40-65. Sherry, John F. Jr./McGrath, Mary A./Levy, Sidney J. (1993): The Dark Side of the Gift. In: Journal of Business Research, vol. 28, 225-244. Smith, George H. (1954): Motivation Research in Advertising and Marketing. New York, Toronto, London. Spiegel, Bernt (1958): Werbepsychologische Untersuchungsmethoden. Berlin. Stephan, Erhard (1961): Methoden der Motivforschung: Befragung und projektive Verfahren. Schriftenreihe der GfK, Band 15. Nürnberg. Webb, John R. (1992): Understanding and Designing Marketing Research, London. Will, Valerie/Eadie Douglas/MacAskill, Susan (1996): Projective and Enabling Techniques Explored. In: Marketing Intelligence and Planning, vol. 14, no. 6, 38-43. Zaltman, Gerald (1997): Rethinking Market Research: Putting People back in. In: Journal of Marketing Research, vol. 34 (November), no. 4, 424-437. Zaltman, Gerald (2000): Consumer Researchers: Take a Hike! In: Journal of Consumer Research, vol. 26 (March), no. 4, 423-428. Zinkhan, George M./Conchar, Margy/Gupta, Ajay/Geissler, Gary (1999): Motivations Underlying the Creation of Personal Web Pages: An Exploratory Study. In: Arnould, Eric J./Scott, Linda H. (eds.): Advances in Consumer Research, vol. 26. Provo, UT, 69-74. Zobel, Jörg (2001): Mobile Business und M-Commerce. München, Wien.

553