Prognosemarker und therapeutisches

EBCC8 Kongressnachlese 106 Zirkulierende Tumorzellen im Blut Prognosemarker und therapeutisches Target Der Nachweis zirkulierender Tumorzellen (CTC...
Author: Maja Dieter
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EBCC8 Kongressnachlese

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Zirkulierende Tumorzellen im Blut

Prognosemarker und therapeutisches Target Der Nachweis zirkulierender Tumorzellen (CTCs) im Blut von Frauen mit Brustkrebs im Frühstadium nach der Operation, jedoch noch vor Beginn der Chemotherapie, kann nützliche Informationen über die Überlebenschancen der Patientinnen liefern. Die zeigt die SUCCESS-A-Studie, in der die Anzahl der CTCs im Blut von 2026 Patientinnen gemessen wurde.

Seit einigen Jahren ist der Nutzen von CTCs zur Prognose bei Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom bekannt. Bisher lagen jedoch kaum Informationen über ihre Rolle im Frühstadium der Erkrankung vor. Bislang war eine genaue Messung bei größeren Patientenkollektiven nur schwer möglich, erst moderne halbautomatische Detektoren haben einen sicheren Nachweis möglich gemacht. Ihre Zahl liegt bei Krebspatienten bei einer Häufigkeit von wenigen Zellen je 7,5 Milliliter Blut. Im Vergleich enthält ein Milliliter Blut mehrere Millionen Leukozyten und eine Milliarde Erythrozyten. Die Ergebnisse der SUCCESS-A-Studie zeigen jetzt, dass Patientinnen, in deren Blut direkt nach der Operation zumindest fünf Tumorzellen entdeckt werden, ein vierfach erhöhtes Rezidivrisiko und ein dreifach erhöhtes Mortalitätsrisiko aufweisen, berichtete Dr. Bernadette Jäger, München, auf dem EBCC8 (1). Ins-

gesamt wurden CTCs im Blut von 21,5% der Frauen entdeckt. Dieser Prozentsatz ist deutlich geringer als er bei Frauen mit metastasiertem Brustkrebs üblich ist. Bei allen Teilnehmern wurde vor Beginn der Chemotherapie eine vollständige Resektion des Primärtumors vorgenommen. Obwohl es derzeit für die Patientinnen noch keinen direkten Vorteil bringt, ihren CTC-Status zu kennen, bedeutet diese Möglichkeit doch bereits einen Fortschritt. In der Zukunft erwartet Jäger, „dass CTCs als Marker zur Beobachtung der Therapiewirksamkeit eingesetzt werden könnten. Sollte sich diese Vermutung bewahrheiten, wird es uns auch helfen, die beste Chemotherapie für jede Patientin zu finden.“ Die CTC-Detektion im Blut hat außerdem den Vorteil, dass man sie mit jeder Routineblutabnahme verbinden und daher im Verlauf der Krankheit häufig durchführen kann. Viele ande-

re prognostische Untersuchungen hingegen können nur im Zuge der Diagnose getroffen werden, erläutern die Wissenschaftler. Im Zuge der Nachbetreuung evaluierten sie den CTCStatus der Patientinnen zunächst direkt nach der Chemotherapie und dann in Intervallen von zwei und fünf Jahren.

DETECT-III-Studie prüft gezielten Therapieansatz Damit ermöglichen CTCs nicht nur eine genauere Evaluierung des Krankheitsausgangs. Sie könnten in Zukunft selbst Ziel der Behandlung sein. Ein entsprechender Behandlungsansatz wurde jetzt mit der zweiarmigen DETECT-III-Studie auf den Weg gebracht (2). In der Studie wird die Wirksamkeit einer Standardtherapie im Vergleich zur Standardtherapie plus eine gegen HER2 zielgerichtete Therapie mit Lapatinib verglichen. Teilnehmer sind Patientinnen mit HER2-positiven CTCs, jedoch HER2-negativem Primärtumor. Jäger: „Wir wissen, dass sich der HER2-Status mit dem Fortschreiten der Krankheit ändern kann. Befindet sich jedoch an der Stelle des Primärtumors kein Rezidiv, erschwert dies eine neue histopathologische Untersuchung, da die Biopsie einer Metastase häufig aufgrund der anatomischen Gegebenheiten schwierig ist. Die Feststellung der Änderung des HER2-Status auf CTCs würde einen deutlich weniger invasiven Eingriff bedeuten. Wenn wir CTCs mit einem anderen HER2-Status als jenem des Primärtumors oder der Metastase finden, prüfen wir, ob nicht eine Umstellung der Therapie angezeigt wäre. Deshalb untersuchen wir nun bei Patientinnen mit HER2-positiven CTCs, jedoch HER2-negativem Primärtumor oder Metastasen die Vorteile einer auf HER2 zielgerichteten Therapie. Ist diese Therapie erfolgreich, können wir sicher sein, dass wir den Krebs auf die richtige Weise und am richtigen Ort bekämpfen.“ Dr. Alexander Kretzschmar

Literatur Austria Congress Center in Wien (Foto: ACV IAKW-AG, Marius_Höfinger)

1. Jäger B et al. EBCC8, Abstract 301. 2. Melcher C et al. EBCC8, Abstract 191. Quelle: 8. European Breast Cancer Conference (EBCC8) vom 21. bis 24. März 2012, Wien.

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Gentests als Prognosemarker

Erfolgreicher Härtetest in der Praxis Der Einsatz von Gentests als Prognosemarker ist auch unter Praxisbedingung sehr gut geeignet, diejenigen Patientinnen zu identifizieren, die von einer adjuvanten postoperativen Chemotherapie profitieren oder nicht. Damit kann man rund 30% der betroffenen Frauen eine Chemotherapie ersparen. Dies verringert nicht nur die emotionale und physische Belastung und hilft, Ressourcen einzusparen, meinte Prof. Sabine Linn vom Nederlands Cancer Institute, Amsterdam/Niederlande auf dem EBCC8-Kongress. Die Analyse bezog sich auf 427 Patienten mit einem nodal-negativen Mammakarzinom im Frühstadium, die an der REASTER-Studie (MicroarRAy prognoSTics in breast cancer) teilgenommen hatten. In dieser Studie wurde die Therapieentscheidung für oder gegen eine adjuvante postoperative Chemotherapie aufgrund der Ergebnisse des Mammaprint®-Gentests, der niederländischen Therapieleitlinien sowie der Arztpräferenz getroffen. Beim Mammaprint wurde die Signatur von 70 Tumorgenen untersucht. Dies ist nach Angaben der Studienärzte die erste Studie, in der ein derartiger

Gentest als Basis zur Therapieentscheidung in klinischen Alltag diente. Die Tumorbiopsien wurden später zusätzlich anhand des Adjuvant!Online-Risikovorsorge-Scores (AOL) getestet. Diese Ergebnisse gingen jedoch nicht mehr in die Therapieentscheidung ein. Bei den Frauen mit einem niedrigen Rezidivrisiko gemäß Mammaprint erhielten nur 15% der 219 Frauen eine adjuvante postoperative Chemotherapie im Vergleich zu 81% der Patientinnen mit einem hohen Risiko-Score. In der Niedrig-Risiko-Gruppe betrug das 5-Jahres krankheitsfreie Überleben ohne Fernmetasta-

Lapatinib plus Capecitabin

Gute Wirksamkeit nicht nur in der Zweitlinientherapie Eine gute Wirksamkeit der Kombination Lapatinib plus Capecitabin kann nach Trastuzumab-Versagen nicht nur in der Zweitlinientherapie beobachtet werden. Nahezu die gleichen Ergebnisse können auch in nachfolgenden Therapielinien erreicht werden. Dies geht aus einer Auswertung der Daten von 213 im IntERB-Register erfassten Frauen aus Tschechien mit einem HER2-positiven Mammakarzinom hervor, die von Dr. Peter Grell, Brünn/Tschechien auf der 8. European Breast Cancer Conference (EBCC8) in Wien vorgestellt wurde.

Die Patientinnen wurden von Januar 2009 bis Dezember 2011 nach einer Progression unter einer adjuvanten Trastuzumab-basierten Therapie mit der Kombination Lapatinib/Capecitabin (92%) oder Lapatinib allein (8%) behandelt. Die Kombination Lapatinib plus Aromataseinhibitor wurde nicht eingesetzt. Lapatinib wurde bei 77 Patientinnen in der Zweitlinientherapie, bei 65 Patientinnen in der Drittlini-

entherapie und bei 53 Patientinnen in nachfolgende Therapielinien eingesetzt. In der Zweitlinientherapie erreichten 6,1% der tschechischen Registerpopulation ein komplettes Ansprechen, 14,6% ein teilweises Ansprechen. Einen stabilen Krankheitsverlauf hatten 55,4% der Patientinnen. Für die Gesamtpopulation (Zweit- und nachfolgende Therapielinien) wurde ein mittleres progressionsfreies

sen (Distant disease-free survival, DDFS) 96%, in der Hoch-Risiko-Gruppe 90%. In der Niedrig-Risiko-Gruppe mit widersprüchlichen Ergebnissen im Mammaprint – Mammaprint: niedriges Risiko; AOL: hohes Risiko – erhielten 43% der Frauen eine endokrine und 24% eine Chemotherapie. Hier betrug das 5-Jahres-DDFS 98%. Frauen mit einem hohen Risiko gemäß Mammaprint und einem niedrigen AOL-Risikoscore erhielten 78% eine endokrine Therapie und 57% eine Chemotherapie. Der 5-Jahres-DDFS betrug hier 95%. Für eine weitere Verbreitung des Mammaprint spricht auch laut Linn die Vereinfachung der Aufbereitung der Tumorbiopsien. Im Gegensatz zu früher müssen die Proben nicht mehr sofort tiefgefroren werden, sondern können auch Formalin-fixiert und in Paraffin eingebettet versendet und untersucht werden. Dr. Alexander Kretzschmar

Quelle: Linn S et al. Symposium “When to Add Chemotherapy to Endocrine Therapy and Endocrine Sensitivity” im Rahmen des EBCC8-Kongresses, Wien, 21. März 2012; Abstract 207.

Überleben (PFS) von 7,1 Monaten errechnet. Das 6-Monats- und 12-Monats-PFS betrugen 55,4% bzw. 30,4%. Das Gesamtüberleben (OS) betrug median 17, 2 Monate für die Gesamtpopulation mit einem 6-Monats- und 12-Monats-OS von 80,3% bzw. 64,0%. Die Verträglichkeit der Kombination Lapatinib/Capecitabin wurde laut Grell als gut eingestuft, unabhängig von der Vorbehandlung mit Trastuzumab, Taxanen oder Anthrazyklinen. Die allermeisten Frauen beendeten die Therapie wegen einer Tumorprogression, in 9% erfolgte eine Umstellung wegen Toxizitätsproblemen. Fälle einer kardialen Toxizität wurden nicht beobachtet. Dr. Alexander Kretzschmar

Literatur 1. Grell P et al. Efficacy and safety of lapatinib treatment in trastuzumab pretreated patients with HER2 positive metastatic breast cancer: An analysis of IntERB registry in the Czech Republic. Abstract 188. Quelle: 8. European Breast Cancer Conference (EBCC8) vom 21. bis 24. März 2012, Wien.

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Internationale Literatur

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Langzeitstudie warnt

Risikofaktor Cadmium Das Karzinogen Cadmium imitiert Östrogen, bindet an seine Rezeptoren, aktiviert diese und interagiert mit dem hormonabhängigen Anteil. Ob die Cadmium-Belastung der Nahrung das Risiko für Mammakarzinome erhöht, untersuchte eine schwedische Arbeitsgruppe.

Die prospektive Studie war Teil des nationalen Screening-Programms, an dem 55 987 postmenopausale Frauen teilnahmen. Bei der Basismammographie füllten die Frauen einen ausführlichen Fragebogen zu ihren Ernährungsgewohnheiten aus. Darin eingeschlossen waren auch spezielle Fragen zum Anteil von Brot, Milch, Getreidearten und Gemüse, die 80% der Cadmiumbelastung in der Nahrung ausmachen. Die mittlere tägliche CadmiumAufnahme betrug 15 μg.

Die durchschnittliche Nachbeobachtungszeit lag bei 12,2 Jahren. 2 112 Mammakarzinome traten auf. In multivariater Analyse war die Cadmiumzufuhr signifikant mit dem Auftreten invasiver Tumoren assoziiert (Vergleich obere und untere Tertile: RR 1,21; 95%-KI 1,07–1,36; ptrend = 0,02). Dies galt insbesondere für unterund normalgewichtige Frauen und Östrogenrezeptor-positive Tumoren. Der Zusammenhang zwischen Cadmium-Belastung und Brustkrebs-Risiko war dosisabhängig. Mit zuneh-

Mammakarzinom

Genetische Marker für das Überleben Bisherige Studien untersuchten die Assoziation zwischen genetischen Varianten und der Prognose für die bekannten Schlüsselgene. Jetzt wurden zwei Loci aus dem Gesamtgenom herausgefiltert, die für das Überleben und die Rückfallwahrscheinlichkeit relevant waren.

Der klinische Verlauf beim Mammakarzinom ist nur in Grenzen vorhersagbar. Auch wenn klinische Parameter übereinstimmen, können Rezidive und Sterbefälle sehr unterschiedlich häufig auftreten. Dies unterstützt die Bedeutung der genetischen Komponente. Untersuchungen des Gesamtgenoms können Einzel-Nukleotidpolymorphismen (SNP) in Genen identifizieren, die bislang nicht als bedeutsame Bereiche bekannt waren und gehen damit über die übliche Analyse der „Kandidaten-Gene“ hinaus. Die chinesische Arbeitsgruppe isolierte auf diesem Weg die SNP rs3784099 und rs9934948

als prognostische Marker des Mammakarzinoms. In einem ersten Schritt erfolgte die Genotypisierung von 1950 Patienten der Shanghai Breast Cancer Study und Shanghai Breast Cancer Survival Study. Alle hatten ein Mammakarzinom im Stadium I bis IV. Insgesamt 613 031 SNP wurden identifiziert. 49 waren besonders häufig und wurden bei 4160 weiteren Patientinnen genauer analysiert. 4 SNP waren möglicherweise mit der Mortalität und Rückfallhäufigkeit assoziiert. Dies bestätigte sich für rs3784099 und rs9934948.

mender Cadmium-Aufnahme stieg die Wahrscheinlichkeit, an einem Mammakarzinom zu erkranken. Cadmium-Lieferanten wie Vollkornprodukte und bestimmte Gemüsesorten haben per se Schutzeffekte. Die enthaltenen Antioxidantien waren in früheren Studien tumorprotektiv. Die Autoren vermuten daher, dass die schädlichen Auswirkungen des Cadmiums möglicherweise noch größer sein könnten. Die Ergebnisse der Studie unterstützten diese Annahme: Das höchste Brustkrebs-Risiko hatten die Frauen mit einer hohen Cadmiumbelastung, aber vergleichsweise geringen Zufuhr an Vollkornprodukten und Gemüse. Dr. med. Susanne Krome, Melle

Literatur 1. Julin B et al. Dietary cadmium exposure and risk of postmenopausal breast Cancer: A population-based prospective cohort study. Cancer Res 2012; 72: 1459–1466.

Der SNP rs3784099 war mit der Mortalität in einer kombinierten Analyse assoziiert (HR 1,49; 95%-KI 1,28–1,72). Im Vergleich zum GG-Genotyp war das Risiko beim AG- höher als beim AA-Genotyp. Die Beziehung zur Rückfallwahrscheinlichkeit war marginal signifikant. SNP rs3784099 ist Teil des RAD51L1-Gens auf dem Chromosom 14, das als „Tumorgen“ bekannt ist. Der SNP rs9934948 liegt auf dem Chromosom 16 in Nachbarschaft zu den Genen ZFHX3 und PSMD7, die für die Regulation des Zellwachstums und für die Apoptose bedeutsam sind. SNP rs9934948 war ebenfalls mit der Mortalität assoziiert (C-Allel-Variante; p = 0,03), nicht aber mit der Wahrscheinlichkeit für ein Rezidiv (p = 0,32). Das Ergebnis bestätigte sich bei der Untersuchung von 1145 europäischen Patientinnen der Nurses´ Health Study. Dr. med. Susanne Krome, Melle

Literatur 1. Shu XO et al. Novel genetic markers of breast cancer survival identified by a genome-wide association study. Cancer Res 2012; 72: 1182–1189.

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Internationale Literatur

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Erster spezifischer Genlokus identifiziert

19p13.1 – ein Marker für Rezeptor-negative Tumoren? Östrogen-, Progesteron- und HER2-negative Tumoren waren in bisherigen Studien mit bestimmten Genvarianten assoziiert, aber nie gleichzeitig. 19p13.1 wurde nun als der erste für dreifach Rezeptor-negative Karzinome spezifische Genlokus identifiziert.

Proben von 48 869 Patientinnen und 49 787 Kontrollpersonen standen zur Verfügung (Studien des Breast Cancer Association Consortium). Drei Einzel-Nukelotidpolymorphismen (SNP) des 19p13.1-Gens wurden analysiert (rs8170, rs2363956 und rs8100241). Varianten von 19p13.1 waren nicht mit duktalen Carcinomata in situ, dem Brustkrebsrisiko insgesamt und mit der Häufigkeit Östrogen-positiver Tumoren assoziiert. Die Wahrscheinlichkeit für Östrogen-negative Karzinome war signifikant gesteigert (rs8170: OR 1,10; 95%-KI 1,05–1,15; p = 3,49 x 10–5). Noch deutlicher waren die Befunde für Patientinnen mit dreifach negativem Rezeptorbefund (rs8170: OR 1,22; 95%-KI 1,13–1,31; p = 2,22 x 10–7). Wurden diese von der Analyse aus-

geschlossen, war die Assoziation von rs8170 mit Östrogen-Rezeptor-negativen Tumoren nicht mehr signifikant. 19p13.1 war nur dann bedeutsam, wenn sowohl Östrogen-, Progsteron- als auch HER2-Rezeptoren negativ waren. Der Genlokus sei somit ausschließlich für diese dreifach negativen Karzinome bedeutsam. Eine weiteren Analyse unter Einschluss zusätzlicher Patientinnen mit negativem Rezeptorstatus (Triple Negative Breast Cancer Consortium), ergab ebenfalls die Assoziation von rs8170 mit den dreifach Rezeptor-negativen Tumoren (OR 1,26; 95%-KI 1,13–1,40; p = 3,02 x 10–5). Ähnliche Ergebnisse bestanden für den SNP rs8100241, der invers mit dreifach Rezeptor-

negativen Karzinomen vergesellschaftet war. Eine multivariate Analyse unter Berücksichtigung beider Genvarianten bestätigte die Resultate. Das 19p13.1-Gen war signifikant mit den sogenannten „basal-like“ Karzinomen (negativer Östrogen-, Progesteron- und HER2-Rezeptorbefund, aber positiv für EGFR und/oder CK5/6) assoziiert (OR 1,27; p = 0,0069). Die Studienergebnisse sind von großer Relevanz, so die Autoren. Nur 15% der Mammakarzinome sind dreifach-Rezeptor-negativ, aber zeigten ein aggressives Wachstumsverhalten und hatten ungünstige Überlebensraten. Die pathophysiologischen Mechanismen für den Zusammenhang zwischen dem 19p13.1-Genlokus und den Rezeptor-negativen Karzinomen ist unklar. Denkbar ist eine direkte Initiierung und Wachstumsbeschleunigung des Subtyps oder eine Modifikation bereits bestehender maligner Läsionen in der frühen Karzinogenese. Dr. med. Susanne Krome, Melle

Literatur 1. Stevens KN et al. 19p13.1 Is a Triple-Negative Specific Breast Cancer Susceptibility Locus. Cancer Res 2012; 72: 1795–1803.

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Kasuistiken zum Mammakarzinom

Eribulin in der hepatisch metastasierten Situation Bislang gibt es für Frauen mit mehrfach vorbehandeltem metastasiertem Mammakarzinom keine etablierte Standardtherapie. Eribulin (Halaven®) ist die erste Monochemotherapie mit nachgewiesenem, klinisch relevantem Gesamtüberlebensvorteil bei vorbehandeltem metastasiertem Brustkrebs nach einem Anthrazyklin und einem Taxan. Erste Praxiserfahrungen bestätigen, dass die Behandlung mit Eribulin eine wirksame und gut verträgliche Option ist, insbesondere auch beim hepatisch metastasierten Mammakarzinom. Bei fehlender etablierter Standardtherapie sind individuelle Behandlungskonzepte gefragt. Der Onkologe steht beim lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Mammakarzinom nach einer Vorbehandlung mit einer Taxan- oder Anthrazyklin-basierten Chemotherapie vor einer großen Herausforderung. Seit einem Jahr steht für diese Indikation Eribulin als eine wirksame Behandlungsoption zur Verfügung. Der innovative Wirkstoff aus der Gruppe der Halichondrine ist ein Mikrotubulihemmer, der weder Taxan- noch Vincaalkaloid-basiert ist und somit über einen spezifischen Wirkmechanismus zur Apoptoseinduktion führt (1, 2). Die zwei vorliegenden Fallberichte dokumentieren neben der guten Wirksamkeit eine ebenfalls gute Verträglichkeit von Eribulin auch beim hepatisch metastasierten Mammakarzinom.

Kasuistik: 53-jährige Frau Bei der heute 53-jährigen Patientin wurde im Dezember 2006 erstmals ein HER2-negatives, Estrogen- und Progesteron-positives, invasiv-lobuläres Mammakarzinom diagnostiziert. Die primäre Chemotherapie mit Epirubicin 90/Cyclophamid 600 mg/m2 KOF viermal alle drei Wochen gefolgt von Paclitaxel 175 mg/m2 KOF viermal alle drei Wochen musste nach den ersten beiden Kursen E/C, aufgrund einer weiteren Tumorprogression und Verdacht auf eine axilläre Lymphknotenmetastase, abgebrochen werden. Da die damals prämenopausale Patientin zunächst eine Operation ablehnte, erfolgte im Januar 2007 eine endokrine Therapie mit Letrozol in Kombination mit einem GnRH-Analogon . Im April 2007 unterzieht sich die Patientin einer beidseitigen Adnexektomie. Daraufhin konnte das GnRH-Analogon abgesetzt und ei-

ne gute Größenrückbildung des Tumors verzeichnet werden. Im März 2008 entscheidet sich die Patientin zu einer beidseitigen Ablatio mammae mit Axilladissektion rechts. Die Therapie mit Letrozol wurde weiter fortgeführt. Im Dezember 2008 wurde ein multifokales Rezidiv des invasiv-lobulären Mammakarzinoms an der rechten Thoraxwand festgestellt. Daraufhin wurde die endokrine Therapie auf Exemestan umgestellt und eine Bestrahlung der Thoraxwand, sowie der ispsilateralen Lymphabflußwege veranlasst. Im Februar 2010 war der Tumormarker der Patientin erhöht (CA 15–3 von 147 IU/ml). Ein PETCT ergab multiple Metastasen an folgenden Lokalisationen: ossär an HWS, BWS, LWS, 6. Rippe, Os ischii links, Lymphknoten rechts paraclavikulär, rechts parasternal und Leber (vorwiegend rechter Leberlappen). Die eingeleitete Chemotherapie mit Paclitaxel 175 mg/m2 KOF alle drei Wochen in Kombination mit Bevacizumab 15mg/m2 KOF alle drei Wochen und zusätzlichen Bisphosphonatinfusionen führte nach drei Kursen zu einer Stabilisierung der Krankheit. Jedoch zeigte sich nach weiteren drei Kursen ein kontinuierlicher Tumormarkeranstieg von 182 IU/ml auf 349 IU/ml und eine Größenprogredienz der bekannten Lebermetastasen. Daher wurde die Chemotherapie auf Capecitabine 2000 mg/m2 KOF Tag 1–14, Wiederholung Tag 21 umgestellt und die BevacizumabTherapie fortgeführt. Nach dem vierten Kurs Capecitabine (und Kurs 10 Bevacizumab) musste die Chemotherapie wegen der Progression der Lebermetastasen und einem Rezidiv mit Lungenmetastasen in beiden Lungenflügeln beendet werden. Die folgende endokrine Therapie mit Tamoxifen 20 mg/Tag musste nach drei Monaten wegen eines Tumormarkeranstiegs von 1884 IU/ ml auf 3091 IU/ml ebenfalls beendet werden. Statt einer erneuten Chemotherapie entschied

sich die Patientin für eine Fiebertherapie. Die Bisphosphonattherapie wurde fortgesetzt. Bei ausgedehnter Lebermetastasierung lagen im Mai 2011 folgende erhöhte Leberwerte vor: AST 134 U/l, ALT 81 kU/l, AP 551 kU/l, GammaGT 1653 U/l, LDH 345 U/l. CHE, Bilirubin und Blutgerinnung waren noch im Normbereich. Neben der weiteren Gabe des Bisphosphonats wurde eine Chemotherapie mit Eribulin im Mai 2011 eingeleitet. Bei einem Tumormarker von 10123 IU/ml und unter Berücksichtigung der eingeschränkten Leberfunktion wurde eine reduzierte Dosis Eribulin von 0,97 mg/m2 verabreicht. Aufgrund einer Leukopenie wurde prophylaktisch Filgrastim und eine Dosisreduktion auf 0,62 mg/m2 verordnet. Beim Kurs 3b sank der Tumormarker auf 5115 IU/l. Die Leberwerte waren wie folgt: AST 85 U/l, ALT 67 U/l, AP 646 U/l, GammaGT 2032 U/l, LDH 2776 U/l, Gesamt-Bilirubin im Normbereich. Daher wurde die Eribulindosis auf 0,86 mg/m2 erhöht. Bei Kurs 5b lag der Tumormarker bei einem Wert von 6201 IU/l. Da die Patientin die Therapie mit Eribulin sehr gut verträgt, sind zunächst zwei weitere Kurse geplant. Die auftretenden Nebenwirkungen – Fatigue-Syndrom, nicht-therapiebedürftige Anämie und intermittierend Thrombopenie und Leukopenie – waren gut beherrschbar. Subjektiv berichtet die Patientin über eine gute Lebensqualität unter der Therapie mit Eribulin.

Kasuistik: 59-jährige Frau Bei einer derzeit 59-jährigen Patientin wurde im Dezember 2009 ein postmenopausales, exulzeriertes, primär hepatisch metastasiertes Mammakarzinom mit triple-negativem Rezeptorstatus festgestellt. Es folgte eine Ablatio mammae mit Axilladissektion sowie der Versuch einer operativen Entfernung der in der Bildgebung solitär erscheinenden Lebermetastase, die sich während der OP jedoch als multiple und bilobulär herausstellte und nicht entfernt werden konnte. Es wurde eine Chemotherapie mit Paclitaxel 40 mg/m2 2qw und Radiatio eingeleitet. Der Tumormarkerwert CA 15–3 lag bei 55,6 IU/ ml. Nach Abschluss der kombinierten Radiochemotherapie erfolgte die Umstellung auf eine wöchentliche Paclitaxelgabe mit 80 mg/m2. Nach 7 Zyklen Paclitaxel 80 mg/m2 wurde aufgrund einer Progression der Lebermetastasen die Behandlung auf Docetaxel 100 mg/m2 in Kombination mit Bevacizumab 7,5 mg/kg

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a)

b)

c)

Abb. 1 Im Gegensatz zu vorherigen Therapien kam es unter Eribulin zu keinem erneuten massiven Progress der Lebermetastasen: a) Mai 2011; b) November 2011; c) März 2012, nach 6 Zyklen Eribulin q3w umgestellt. Im Laufe der verabreichten 6 Zyklen (2 x ohne Bevacizumab wg. Hypertonus) sank der Tumormarkerwert von anfänglichen 59,8 IU/ml auf 42,6 IU/ml. Nach weiteren 2 Zyklen Docetaxel 35 mg/m2 (Tag 1, 8, 15, 22, 29, 36, Wiederholung an Tag 50) musste die Therapie aufgrund einer weiteren Progression bei einem Tumormarkeranstieg auf 109,3 IU/ml abgebrochen werden. Im Juni 2011 wurde eine Chemotherapie mit pegyliertem liposomalem Doxorubicin 40 mg/m2 q3w eingeleitet. Darunter kam es nach 6 verabreichten Zyklen zu einem deutlichen Progress der Lebermetastasen: erstmals wurden ossäre Metastasen diagnostiziert .

Fazit für die Praxis

Wirksam und verträglich Die Kasuistiken verdeutlichen, dass die Therapie mit Eribulin eine wirksame und gut verträgliche Behandlungsoption beim metastasierten Mammakarzinom, insbesondere auch bei hepatischer Metastasierung, darstellt. Dies ist eventuell dadurch zu erklären, dass Eribulin hauptsächlich unverändert über die Galle und den Faeces ausgeschieden wird. Somit ist zu postulieren, dass bei vornehmlicher Elimination über die Leber, intrahepatisch relativ hohe Konzentrationen des unveränderten Wirkstoffs zu finden sind. Bei bereits eingeschränkter Leberfunktion und insbesondere bei Hinweisen auf eine eingeschränkte biliäre Exkretion ist initial somit auch eine entsprechende Dosisanpassung des Eribulins zu erwägen, um bei verringerter Elimination und

Im November 2011 wurde bei einem Tumormarkerwert von 441,2 IU/ml eine Therapie mit Eribulin 1,23 mg/m2 an Tag 1 und 8 (21-Tage-Zyklus) mit supportiver Therapie von 8 mg Dexamethason i.v. + 1 mg Granisetron i.v., aufgenommen. Im Zyklus 1 am Tag 8 wurde aufgrund einer leichten Erkältung der Patientin mit subjektiver AZ-Reduktion auf die Eribulingabe bei guten Leukozytenzahlen und Neutrophilen verzichtet. Im zweiten Zyklus Eribulin wurde in der klinischen Untersuchung an Tag 8 eine Beinumfangsvermehrung mit leichter Rötung rechts festgestellt, worauf ein venöser Doppler erfolgte. Es zeigte sich eine komplette Thrombosierung

damit erhöhter systemischer Exposition Toxizitäten zu vermeiden (1). Entsprechend bewirkte Eribulin in diesen beiden Fällen nach Versagen anderer Chemotherapeutika und hohen Tumormarker CA 15–3 Werten selbst noch in späterer Linie eine Stabilisierung der Erkrankung und wurde bei anfänglicher Dosisanpassung selbst bei ausgedehnter Lebermetastasierung noch gut vertragen. Diese Praxiserfahrungen stimmen mit den guten Ergebnissen der Zulassungsstudie EMBRACE (3) überein, im Rahmen derer ein signifikanter sowie klinisch relevanter Überlebensvorteil unter Eribulin belegt werden konnte, der aber nicht mit einer signifikant erhöhten Toxizität einhergeht. Aufgrund der guten Behandlungserfolge in späten Therapielinien und bei ausgedehnter Metastasierung, kann und sollte der Einsatz von Eribulin unserer Einschätzung nach auch bereits in frühen Therapielinien erwogen werden.

der rechten V. femoralis, die mit lokaler Kompressionstherapie und eine therapeutischer Antikoagulation mit Enoxaparin-Natrium s.c. unter weiter laufender Chemotherapie behandelt wurde. Im Zyklus 3 konnte die Tag 8 Gabe aufgrund einer Leukopenie von 2,9 109/l und einer Granulozytopenie von 1,2 109/l nicht erfolgen. Am Tag 8 des 5. Zyklus wurde aufgrund der Erstdiagnose von ossären Metastasen und nun abgeschlossener Zahnsanierung mit einer Bisphophonatherapie mit Zoledronsäure 4 mg q4w begonnen. Bedingt durch eine im 6. Zyklus Eribulin aufgetretene Obstipation wurde die antiemetische Therapie auf 10 mg MCP umgestellt.Nach 6 verabreichten Zyklen Eribulin erfolgte erstmals eine Stabilisierung der Erkrankung. Im Gegensatz zu den vorherigen Behandlungen kam es unter Eribulin zu keinem erneuten massiven Progress der Lebermetastasen (씰Abb. 1).

Literatur 1. Fachinformation Halaven® März 2011. 2. Towle M J et al. Cancer Res 2011; 71 (2): 496–505. 3. Cortes J et al. Lancet 2011; 377(9769): 914–923.

Korrespondenzadressen Dr. med. Dörte Wiebke Lüdders Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe UKSH – Campus Lübeck Dr. med. Franziska Rinnau Abteilung Gynäkologie / Geburtshilfe Krankenhaus Düren Prof. Dr. med. Tjoung-Won Park-Simon Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Medizinische Hochschule Hannover Hinweis: Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Eisai GmbH, Frankfurt.

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