Profilbildung im Bereich "Natur und Technik"

Profilbildung im Bereich "Natur und Technik" Andrea Bertschi-Kaufmann, Barbara Wespi, Nora Knechtel & Thomas Lindauer Vorbemerkung......................
Author: Judith Günther
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Profilbildung im Bereich "Natur und Technik" Andrea Bertschi-Kaufmann, Barbara Wespi, Nora Knechtel & Thomas Lindauer

Vorbemerkung......................................................................................................................300 1. Was wird aktuell unter "Natur und Technik" verstanden? ................................................300 1.1. Profilierungsgründe ..................................................................................................300 1.2. Welches sind die Grundkompetenzen und wie wird deren Erreichung festgestellt? 301 1.3. Inhaltlich zusammenhängender curricularer Aufbau ................................................302 2. Wie vollzieht sich das Lernen im Bereich „Natur und Technik“? ......................................303 2.1. Heterogenes Vorwissen und individuelle Förderung ................................................303 2.2. Unterrichtskonzepte im Bereich „Natur und Technik“...............................................304 2.3. Genderaspekt ...........................................................................................................307 2.4. Vor- und ausserschulische Sozialisation ..................................................................310 2.5. Sensibilisierung von Erziehenden und Lehrpersonen ..............................................310 3. Was sind konkrete Bereicherungsmöglichkeiten und wie sind sie auszugestalten?........311 3.1. Erweitertes Angebot (im Rahmen der Pflichtlektionen) ............................................311 3.2. Vertiefungsangebot ..................................................................................................315 3.3. Leistungsangebot .....................................................................................................316 4. Welche aktuellen Instrumente, Lehr-/Lernmittel und -medien unterstützen das Lernen im Bereich „Natur und Technik“?.........................................................................................318 5. Welche Rahmenbedingungen sind notwendig? ...............................................................319 5.1. Rahmenbedingungen auf der Systemebene ............................................................319 5.2. Innerschulische Rahmenbedingungen .....................................................................320 5.3. Ausserschulische Rahmenbedingungen ..................................................................321 6. Welche Voraussetzungen benötigen die Lehrpersonen?.................................................322 6.1. Grundausbildung ......................................................................................................322 6.2. Weiterbildung............................................................................................................323 6.3. Unterstützungsmassnahmen....................................................................................324 7. Welche Massnahmen und Umsetzungsschritte sind zu empfehlen? ...............................325 7.1. Grundlegende Massnahmen ....................................................................................326 7.2. Aufbauende Massnahmen I......................................................................................328 7.3. Aufbauende Massnahmen II.....................................................................................331 7.4. Was kann die PH FHNW zur Schulentwicklung beitragen? .....................................333 8. Literatur ............................................................................................................................335

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Vorbemerkung Obgleich die Schweiz im naturwissenschaftlichen Bereich bei international vergleichenden Untersuchungen nicht schlecht abgeschnitten hat, haben sich in den vergangenen Jahren die Klagen darüber gehäuft, dass es in diesem Bereich mehr und mehr Probleme bei der Rekrutierung von qualifiziertem Nachwuchs gebe. Die Besorgnis, dass es in einer hochentwickelten Industriegesellschaft nicht gelingt, im angemessenen Umfang und auf angemessenen Niveaustufen für naturwissenschaftliche und technische Qualifikationen zu sorgen, bildet den Hintergrund dieses Konzepts zur Profilbildung im Bereich "Natur und Technik".

1. Was wird aktuell unter "Natur und Technik" verstanden?1 1.1. Profilierungsgründe Die unmittelbare Auseinandersetzung mit Phänomenen im Bereich „Natur und Technik“, wozu Biologie, Chemie, Physik, Technik und technisches Gestalten zählen, kommt dem natürlichen Forschungsdrang und der Neugierde des Menschen entgegen, Phänomene der Umwelt zu begreifen. Ökologische und technische Kenntnisse sowie ein Verständnis von Zusammenhängen und Methoden im Bereich „Natur und Technik“ sind Voraussetzungen dafür, dass Menschen in einer demokratischen Gesellschaft entscheidungsfähig sind. Die steigende Bedeutung der Kommunikationstechnologie, Nanotechnologie, Life-Sciences, die Virtualisierung sowie die Bewältigung von komplexen Umweltproblemen haben zur Folge, dass es nicht nur auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt an qualifizierten Fachleuten im Bereich „Natur und Technik“ mangelt. Die OECD hat sich zum Ziel gesetzt, zukünftig mehr Jugendliche und junge Erwachsene für die Ausbildung in den Fachgebieten Mathematik, Naturwissenschaften und Technik zu motivieren. Auch die EU verfolgt das Ziel, ihre Studierendenzahlen in den mathematischen, naturwissenschaftlichen und technischen Fachrichtungen zu erhöhen. Sie setzt dabei vor allem auf das Potential der Frauen. Neuere Erhebungen (Coradi et al., 2003, S. 83) zeigen, dass in der Schweiz die Attraktivität der naturwissenschaftlich-mathematisch orientierten Maturität sinkt. Ebenso verlieren die technischen Wissenschaften an den universitären Hochschulen und den Fachhochschulen an Attraktivität. Die Studienbereiche exakte Wissenschaften und Naturwissenschaften stagnieren. Frauen sind zudem in den mathematisch-naturwissenschaftlich ausgerichteten Maturitätslehrgängen sowie in den exakten und technischen Wissenschaften stark untervertreten. Sollen die Voraussetzungen für eine anspruchsvolle Ausbildung auf der Tertiärstufe im Bereich „Natur und Technik“ verbessert werden, müssen die Schülerinnen und Schüler bereits ab der Eingangsstufe und bis in die Sekundarstufe II gezielter und stärker gefördert werden als bisher. Nebst Wissensaufbau muss es gelingen, das Interesse – insbesondere auch der

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Wir danken Herrn. Prof. Dr. Peter Labudde und Frau Prof. Dr. Anni Heitzmann von der PH FHNW für ihre fachlichen Informationen und die Empfehlungen, die zu einem guten Teil in diesen Bericht eingeflossen sind.

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Mädchen – an naturwissenschaftlichen Phänomenen und technischen Errungenschaften zu wecken. Es geht also darum Massnahmen zur Förderung der Leistungen von Mädchen und Knaben im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichtsbereich sowie zur Attraktivitätssteigerung mathematisch-naturwissenschaftlicher und technischer Studiengänge und Berufslehren zu entwickeln. 1.2. Welches sind die Grundkompetenzen und wie wird deren Erreichung festgestellt? Alle Schülerinnen und Schüler müssen grundlegende Kompetenzen und Themenbereiche in Biologie, Chemie und Physik erwerben, wie etwa die Kompetenzen "sich naturwissenschaftliche Informationen erschliessen" oder "fragen und untersuchen", z.B. in den Themenbereichen "Bewegung, Kraft, Energie" oder "Mensch und Gesundheit". Der Aufbau der Kompetenzen erfolgt während der gesamten (obligatorischen Schulzeit), d.h. von der Basisstufe bis in die Sekundarstufe II. Im Zusammenhang mit dem bildungspolitischen Grossprojekt „Harmonisierung der obligatorischen Schule“ (HarmoS) werden unter anderem für den Bereich der Naturwissenschaften Basisstandards für das 2., 6. und 9. Schuljahr festgelegt (vgl. Metzger & Labudde, 2007). Für den naturwissenschaftlichen Unterricht wurden folgende acht Handlungsaspekte festgelegt (vgl. Labudde, 2007b), für jeden Handlungsaspekt werden vier bis fünf Teilsaspekte definiert. -

Interesse entwickeln fragen und untersuchen Informationen erschliessen ordnen und strukturieren einschätzen und beurteilen entwickeln und umsetzen mitteilen und austauschen eigenständig bearbeiten

Die Handlungsaspekte werden auf die folgenden acht Themenbereiche bezogen: -

Planet Erde Bewegung, Kraft, Energie Kommunikation, Regeln, Steuern Stoffe Lebewesen Lebensräume und -gemeinschaften Mensch und Gesundheit Natur-Gesellschaft-Technik: Perspektiven

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Die Themenbereiche sind mehrheitlich interdisziplinär angelegt mit Bezügen sowohl zur Biologie, Chemie, Physik als auch zu Umweltbildung, nachhaltiger Entwicklung, Gesundheitserziehung und Technik. Deshalb spricht das Konsortium von „HarmoS Naturwissenschaften+“, das heisst, Naturwissenschaften plus weitere Disziplinen (vgl. Metzger & Labudde, 2007). Im Gegensatz zur Liste der Handlungsbereiche ist die Liste der Themenbereiche nicht abschliessend gedacht. Für die Achse der "Niveaus" werden im Rahmen von HarmoS Naturwissenschaften, (z.T. durch Mitarbeitende der PH FHNW), für das Ende der 2., 6. und 9. Klasse je vier Anforderungsniveaus sowie zugehörige Aufgabenbeispiele definiert bzw. entwickelt. Die Aufgabenbeispiele beziehen sich insbesondere auf die Basisstandards. Anhand der Niveaubeschreibungen und Aufgaben lassen sich im Bereich "Natur und Technik" Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler intersubjektiv bestimmen.2 Anhand der Kompetenzmodelle und der diagnostischen Instrumente lässt sich einerseits das von der EDK angestrebte nationale Bildungsmonitoring durchführen, andererseits lassen sich auch die Kompetenzen von Schülerinnen und Schüler besser einschätzen als bisher. Die Stärken und Schwächen von Schülerinnen und Schüler werden festgestellt und bilden die Grundlage für die weitere individuelle Förderung. Mangelnde Kompetenzen können mit gezielten Massnahmen aufgebaut und trainiert werden, Schülerinnen und Schüler mit besonderen Begabungen können gezielt gefördert werden oder bei überragenden Begabungen im Bereich „Natur und Technik“ dazu aufgefordert werden, die Schullaufbahn in verkürzter Zeit zu durchlaufen.3 1.3. Inhaltlich zusammenhängender curricularer Aufbau Ein Problem des bisherigen Unterrichts im Bereich Naturwissenschaften liegt im "nicht vorhandenen Curriculum": auf den unteren Schulstufen werden einzelne Themen aus dem Zusammenhang herausgegriffen und themenorientiert behandelt. In der Sekundarstufe I werden dann erstmals die Fächer Chemie und Physik "abstrakt" und systematisch – oft unter Zeitdruck – eingeführt, allerdings nicht kontinuierlich und mit einer geringen Stundendotation. Diesem Übergang ist erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken, damit es zu einem besseren Verständnis der grundlegenden naturwissenschaftlichen Konzepte kommt. Die in der Schule relevanten naturwissenschaftlichen Fachinhalte müssen auf wenige Basiskonzepte zurückgeführt werden. Die Grundlagen für diese Basiskonzepte sollen anhand von Alltagsbeispielen in der Primarstufe vorbereitend und in der Sekundarstufe I systematisch sorgfältig erarbeitet werden. Dem naturwissenschaftlich-technischen Unterricht in der Sekundarstufe I kommt insofern eine wichtige Bedeutung zu, als er – anders als in der Primarstufe – Basiskonzepte auch systematisch erschliessen soll. Verbindliche Curricula und Kerncurricula für verschiedene Kompetenzbereiche müssen erarbeitet werden, die die zu erreichenden Ziele und Standards für die verschiedenen Stufen festlegen. Als mögliche Beispiele

2

Gleichzeitig wird an der PH FHNW von Ingrid Urfer ein Kompetenzraster im Bereich Technik entwickelt.

3

Auf der Webseite der SKBF findet sich ein Artikel, der anhand eines Fallbeispiels Auskunft über den Ablauf einer Abklärung beim Schulpsychologischen Beratungsdienst im Zusammenhang mit dem Überspringen: http://www.begabungsfoerderung.ch/ Fundus, Best Practices (Stand, 17. Mai 2008).

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könnten Kernlehrpläne aus Deutschland dienen, z.B. Kernlehrpläne Nordrhein-Westfalen4. Diese Basiskonzepte, die immer auch Beziehungen zu Anwendungen des naturwissenschaftlichen Grundlagenwissens im Alltag (Technik und Umwelt) aufzeigen, strukturieren die fachwissenschaftlichen Inhalte und ermöglichen einen systematischen Wissensaufbau unter lebensweltlicher und fachlicher Perspektive und dienen der vielfältigen Vernetzung des im Unterricht erworbenen Wissens.

2. Wie vollzieht sich das Lernen im Bereich „Natur und Technik“? Im Folgenden geht es um die Frage, wie der Bereich „Natur und Technik“ in den Schulen der Zukunft gelehrt werden soll. Folgende Prinzipien sind wichtig und werden in den untenstehenden Kapiteln ausgeführt: •

Individuelle Ausgangslagen von Schülerinnen und Schülern müssen erkannt werden, damit der Unterricht den unterschiedlichen Bedürfnissen angepasst werden kann. (2.1)



Neuere Unterrichtskonzepte im Bereich „Natur und Technik“ fokussieren die Handlungsorientierung; dem selbständigen Experimentieren kommt eine wichtige Bedeutung zu. (2.2) Der naturwissenschaftlich-technische Unterricht muss gendergerecht gestaltet werden. (2.3)



Neben der stärkeren Gewichtung von Natur und Technik im Unterricht sollte der vor- und ausserschulischen Sozialisation für naturwissenschaftliche Themen eine grössere Beachtung geschenkt werden. (2.4)



Der Sensibilisierung von Eltern und Lehrpersonen kommt ein grosser Stellenwert zu. (2.5)

2.1. Heterogenes Vorwissen und individuelle Förderung Mit Hilfe der spezifizierten Kompetenzraster können Handlungskompetenzen intersubjektiv gemessen werden. Eine entsprechende Förderung je nach Begabung schliesst daran an. Individualisierter Unterricht, der das Vorwissen aktiviert und gezielt darauf aufbaut, ist mit Hilfe von Leistungsmessungen vermehrt möglich. Es erleichtert zudem die Diagnose von besonders begabten Schülerinnen und Schülern, welche mit vertiefenden Angeboten verstärkt gefördert werden oder allenfalls ein Schuljahr überspringen (beschleunigen) können. Zum individualisierenden Unterricht gibt es zahlreiche erprobte Methoden wie etwa altersdurchmischtes Lernen, Lernen in Enrichment-Gruppen, Selbständiges Bearbeiten von Aufträgen, Teamteaching usw.).5 Des Weiteren wird zur Sicherung des Lernprozesses eine regelmässige Reflexion, die auch schriftlich, in der Form eines Lerntagebuchs erfolgen kann, empfohlen (Coradi et al., 2003, S. 60). In Lerntagebüchern können individuelle Denkansätze, Vorgehensweisen und Problemlösungen festgehalten werden. Eine gute Möglichkeit des individualisierenden Unterrichts ist die Freiarbeit mit Lernkontrolle, um im eigenen Tempo und eigenverantwortlich zu lernen. 4

http://www.standardsicherung.nrw.de/lehrplaene/kernlehrplaene-sek-i (Stand, 17. Mai 2008)

5

Best Practice Beispiele sind auf der Webseite des Netzwerks für Begabungsförderung der SKBF abrufbar: http://www.begabungsfoerderung.ch/ Fundus, Best Practices (Stand, 17. Mai 2008).

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Idealerweise sollten sich Leistungsrückmeldungen an einer individuellen Bezugsnorm orientieren, um die Leistungsmotivation und die Erfolgszuversicht insbesondere der Schülerinnen zu stärken (siehe ebd., S. 60). Die konstruktivistische Auffassung von Lernen setzt einen anderen Umgang mit der Zeit voraus und ermöglicht Ruhe, Konzentration und Intensität. Immer mehr Stoff in immer kürzerer Zeit zu erarbeiten führt zu einer Beeinträchtigung des Lernvermögens. Vor allem für weniger begabte Lernende ist ein neuer Umgang mit Zeit eine wichtige Voraussetzung für Lernfortschritte (vgl. Coradi et al., 2003, S. 61f.). Zur Umsetzung eines konstruktivistisch orientierten naturwissenschaftlichen Unterrichts werden in der Literatur verschiedene Prinzipien vorgeschlagen. Im Hinblick auf die individuelle Förderung zum Beispiel (Labudde 2000, im Folgenden zitiert nach Labudde & Pfluger 1999, S. 35-36; siehe auch Kapitel 2.2): •

Vorverständnis: Das Individuum findet im Physikunterricht immer wieder Gelegenheit, sein individuelles Vorverständnis explizit einzubringen und zu artikulieren. Das Vorverständnis – aus dem Alltag und aus früherem Unterricht – umfasst konzeptionelles und methodologisches Wissen, die Alltagssprache, Interessen, Einstellungen und Gefühle.



Konzeptwechsel: Es werden im Unterricht – gleichermassen gezielt wie auch behutsam – didaktische Voraussetzungen geschaffen, um dem Individuum Konzeptwechsel und deren Reflexion zu ermöglichen. Konzeptwechsel werden nicht als selbstverständlich betrachtet.



Selbstverantwortung: Das Individuum generiert neues Wissen in zunehmender Selbstverantwortung: es setzt sich Lernziele, reflektiert und kontrolliert Lernprozesse und -resultate. Damit erwirbt das Individuum sowohl Sach- wie auch Selbstkompetenz.

Derartige Prinzipien sollten in die Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen vermehrt einfliessen. Hier besteht nach wie vor ein Handlungsbedarf. 2.2. Unterrichtskonzepte im Bereich „Natur und Technik“ Was es heisst, den Unterricht motivierend und wirksam zu gestalten, zeigen naturwissenschaftsdidaktische Forschungergebnisse, wie sie die internationale scientific community in den letzten Jahrzehnten erarbeitet hat (für eine Übersicht siehe z.B. Duit & Wodzinski, 2006; Harlen, 1999; Linn, 2003; Sjoberg 2003). Prenzel (2002, S. 36ff.) fasst zuammen und benennt die folgenden Aspekte, welche für die Interessen- und Kompetenzförderung im naturwissenschaftlichen Unterricht ausschlaggebend sind: -

Anwendungsbezüge (Phänomene erklären und ihren Nutzen sichtbar machen) Problemorientierung (Bedeutung des Stoffes nachvollziehbar machen, Bezugsrahmen schaffen, mentale Aktivität auslösen); Anknüpfen an Alltagsvorstellungen (an Erfahrungen und Interessen der Schüler/-innen anknüpfen) Umgehen mit Fehlern (Fehler als Lerngelegenheit annehmen)

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Umgehen mit Fehlvorstellungen (an vorhandenes Wissen anschliessen, um es zu aktivieren und mit neuem Wissen zu klären) Modellbildung und Mathematisieren (Vertrautmachen mit Sichtweisen und Darstellungsformen, Grenzen von Modellen klarmachen) kumulatives Lernen (systematischer Aufbau, nicht ständig neuer Beginn, Zielkompetenz aufbauen, „was kann/weiss ich am Ende einer Unterrichtseinheit?“) eigenständiges sowie kooperatives Lernen und Arbeiten Einbezug in Expertenkultur (Schülerinnen und Schüler ernst nehmen und wie potenziellen Nachwuchs behandeln) naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen (Grundverständnis des Faches und Experimentieren).

Dem Experimentieren wird im naturwissenschaftlichen Unterricht eine Schlüsselrolle zugesprochen, da es Theorie und Empirie verbindet und dabei naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen entwickelt werden. Um wirksam sowie kognitiv und motivational stimulierend zu sein, sollten nach Prenzel (2002, S. 40f.; siehe auch Harlen, 1999) beim Durchführen von Experimenten folgende Prinzipien berücksichtigt werden: -

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Experimente sollten eine Herausforderung darstellen: ihr Ziel und Zweck einsichtig sein; Ziel des Experiments ist Verständnis, d.h. mit einer Idee umzugehen, und nicht, Gegenstände manipulieren; es sollten keine kochbuchartigen Rezepte umgesetzt werden, sondern die Schülerinnen und Schüler brauchen Gelegenheit, eigene Versuchsziele und -pläne zu entwerfen; es muss eine hinreichende Kontrolle über Planung der Arbeit gegeben sein; die Experimente sollten Selbständigkeit fördern; Experimente müssen „funktionieren“; Planung, Durchführung und Auswertung sowie die Produkte der Laboraktivitäten sollten Erfolgserlebnisse vermitteln.

Labudde (2006) stellt zehn Thesen für die Fachdidaktik eines modernen naturwissenschaftlich-technischen Unterrichts auf. 1. Exemplarisch naturwissenschaftlich-technische Inhalte des 20. Jahrhunderts erarbeiten: Grundfragen des Seins (wie etwa: Woraus besteht Materie, wie hat sich das Universum entwickelt?) sollen im naturwissenschaftlich-technischen Unterricht ebenso ihren Platz finden wie Fragen der technischen Anwendungen (Wie funktionieren das Global Positioning System oder das Nieder-Energie-Haus?). Aktuelle Forschungsresultate müssen erarbeitet werden. Dies kann nur exemplarisch geschehen und bedeutet eine Entrümpelung der Lehrpläne. 2. Das Vorverständnis der Lernenden einbeziehen: Naturwissenschaftlicher Unterricht ist so zu planen und durchzuführen, dass Schülerinnen und Schüler immer wieder Gelegenheit erhalten, ihr individuelles Vorverständnis explizit einzubringen. Damit werden zwei Ziele erreicht: ein vertieftes Verstehen der Inhalte sowie eine bessere Motivation für die Naturwissenschaften.

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3. Die Naturwissenschaften in einen lebensweltlichen Kontext einbetten: Über Bezüge zum Alltag (stehende Transversalwellen bei der Gitarre, die schiefe Ebene anhand einer Skischanze), zum eigenen Körper (Kräfte und Drehmomente beim Geräteturnen, das Herz als Pumpe) oder authentische offene Probleme (ein Energiesparkonzept für das Schulhaus, die Konstruktion eines mechanisch angetriebenen Schiffs) werden ein strukturiertes naturwissenschaftliches Begriffsnetz und naturwissenschaftliche Modelle entwickelt. Wie empirische Untersuchungen zeigen, hängt der lebensweltiche Bezug im Naturwissenschaftsunterricht signifikant mit motivationalen Variablen zusammen, wie der Beliebtheit des Unterrichts und dem Selbstvertrauen in den Naturwissenschaften, insbesondere in Chemie und Physik. 4. Fächerübergreifend vernetzen: Fächerübergreifender Unterricht kann den lateralen Wissenstransfer erhöhen. D.h. Lernende können ihr Wissen häufiger ausserhalb des Naturwissenschaftszimmers anwenden, sei es in anderen Fächern oder im Alltag. Das Wissen wird damit nachhaltig und „allgemein-bildend“. 5. Naturwissenschaftlich experimentieren (siehe oben) 6. Qualitativ und quantitativ argumentieren: Die Qualität des Naturwissenscahftsunterrichts hängt entscheidend davon ab, ob qualitatives und quantitatives Vorgehen gut ausbalanciert sind. Neue Begriffe und Modelle zunächst qualitativ erarbeitet werden. Jugendliche sollten aus der Sache heraus die Einsicht gewinnen können, dass Formalismen und quantitative Laborexperimente notwendig sind. 7. Mädchengerecht unterrichten: (siehe 2.3 Genderaspekt) 8. Kooperation und Kommunikation fördern: Zahlreiche Umsetzungsmöglichkeiten sind denkbar: z.B.: Statt auf eine Frage nur eine Person antworten zu lassen, sammelt man unkommentiert mehrere Antworten, notiert diese stichwortartig an der Tafel und stellt sie dann zur Diskussion. Vor der Durchführung eines Versuches werden Hypothesen zuerst in Zweiergruppen, dann im Plenum diskutiert. In Freihandversuchen können Schülerinnen und Schüler ihr Vorwissen einbringen, es untereinander diskutieren und erweitern. Mit diesen Massnahmen werden nicht zur Zusammenarbeit und Diskussion gefördert, sondern auch Selbständigkeit. 9. Das Beurteilen und Bewerten erneuern: Der Unterricht soll Phasen ermöglichen, in denen frei argumentiert werden kann, unkonventionelle und fasche Ideen genau so wichtig sind wie richtige, aus Fehlern gelernt werden kann und was richtig oder falsch ist, im Idealfall durch den Disput in der Gruppe oder durch das Experiment beurteilt wird. In anderen Unterrichtsphasen soll sich das Bewerten auf ein breites Spektrum von Prüfungsformen abstützen. 10. Über die Naturwissenschaften und sich lernen: Im Unterricht sollten regelmässig wichtige Charakteristika der Naturwissenschaft explizit diskutiert werden Auf einer Metaebene, aber stets anhand eines konkreten Beispiels – erarbeiten Jugendliche Einsichten über den Unterschied von Fach- und Alltagssprache, über die Möglichkeit, grosse Zusammenhänge in einer Formel auf den Punkt zu bringen oder über andere Wege zur "Weltbegegnung", wie z.B. der Poesie. Diese Reflektieren über Naturwissenschaften lässt sich verbinden mit der Reflexion über die eigenen Lernprozesse sowie über die eigenen naturwissenschaftlichen Fragen, Interessen und Einstellungen. Hier treffen sich Metaphysik und Metakognition. Allen neueren Vorschlägen und Modellen zur Unterrichtsgestaltung sind die Handlungsorientierung sowie die konstruktivistische Orientierung gemeinsam. Wichtig für nachhaltiges Ver-

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stehen ist ein angewandter problembasierter Unterricht, wobei Problemlösungen für ein bestimmtes technisches Phänomen oder Naturphänomene entwickelt werden. Für das Begreifen von Ursachen und Zusammenhängen sind Primärerfahrungen im Sinne von direktem Kontakt mit verschiedenen Phänomenen der Natur und der Technik in der Schule wichtig. Aber auch der Bezug zu ausserschulischen Lernorten ist von grosser Bedeutung. Exkursionen, Einblicke in naturwissenschaftliche und technische Berufsfelder ermöglichen das Lernen am Modell und sind vor allem auf der Sekundarstufe I im Zusammenhang mit der Berufswahl wichtig. Selbsttätigkeit in eigenständig durchgeführten Experimenten, Lernarrangements oder kleinen Forschungsprojekten sowie kooperatives Lernen in einer positiven Teamatmosphäre sind unerlässlich für den naturwissenschaftlich-technischen Unterricht der Zukunft. Im individualisierenden Unterricht oder im Unterricht mit Kleingruppen ist eigenständiges, interessenorientiertes, forschend-entdeckendes Lernen eher möglich als im fragend-entwickelnden Unterricht (vgl. Coradi et al., 2003, S. 59). 2.3. Genderaspekt Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sich die fachdidaktische und die Gender-Forschung mit der Frage, wie sich für Jungen und Mädchen Türen zum naturwissenschaftlich-technischen Unterricht öffnen lassen. Der koedukative Unterricht wird nicht prinzipiell in Frage gestellt, aber kritisch hinterfragt. Angestrebt wird eine „reflexive Koedukation“ (Labudde, 1999, S. 6), ein Unterricht also, der nicht von einem lernenden Neutrum ausgeht, sondern sich bewusst an Mädchen und Jungen und an einem Wandel der Geschlechterrollen orientiert. Herzog et al. (1998, S. 10; zitiert nach Coradi, 2003, S. 57) schlagen sieben Kriterien zur Koedukation im Physikunterricht vor: -

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-

An den Vorerfahrungen von Mädchen und Jungen anknüpfen und ihnen Gelegenheit geben, fehlende Erfahrungen im Physikunterricht nachzuholen. Den Unterricht für beide Geschlechter sprachlich verständlich gestalten. Aus der Alltagssprache heraus die Fachsprache und mathematische Formulierungen entwickeln und den Sinn von Fachtermini im Vergleich zur Alltagssprache transparent machen. Physikalische Inhalte in einen Kontext einbetten, der Schülerinnen und Schüler vertraut ist und sie interessiert; Aha-Erlebnisse ermöglichen. Kooperative Unterrichtsformen realisieren, Schülerinnen und Schülern eine aktive Beteiligung ermöglichen, Mädchen genügend Zeit zum selbständigen Erarbeiten von Lösungen einräumen und den Expansionsdrang der Knaben eindämmen. Den Unterricht kommunikativ und argumentativ gestalten. Die Wissensinhalte diskursiv in Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand erarbeiten. Ungünstigen Leistungsattribuierungen entgegenwirken und beide Geschlechter in ihrem Leistungsselbstvertrauen stärken. Dem Eindruck, Physik sei eine Männerdomäne, entgegenarbeiten.

Diesen Vorschlägen stimmt auch Labudde (1999b) zu und erweitert den Katalog um die Idee der monogeschlechtlichen Gruppen: Die Forschung zeigt, dass Absolventinnen reiner Mädchenschulen sich deutlich häufiger für physikalisch-technische Berufe oder Studiengänge entscheiden als Frauen aus koedukativen Schulen. Allerdings habe dies laut Labudde auch

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seinen Preis, da in reinen Mädchen- oder Jungenschulen Jugendliche weniger Gelegenheit erhalten, sich mit Geschlechterrollen auseinanderzusetzen. „In den Fächern Physik, Chemie, Mathematik und Informatik führt ein phasenweise getrennt geschlechtlicher Unterricht bei den Mädchen zu signifikant besseren Einstellungen zur und Leistungen in Physik“ (Labudde, 1999b, S. 7). Labudde führt aus, wie sich ein derartiger Unterricht realisieren lässt: Innerhalb einer Klasse können bei Schülerexperimenten, Vorträgen oder Gruppenarbeiten Jungen und Mädchen geschlechtshomogene Teams bilden. Organisatorisch anspruchsvoller ist es, wenn zwei Lehrpersonen sich absprechen, die zur gleichen Zeit zwei Parallelklassen unterrichten, wobei der Unterricht teilweise im ursprünglichen Klassenverband, teilweise in einer reinen Mädchen- bzw. Jungengruppe stattfindet. In Schulen mit Physikpraktikum lässt sich dieses getrennt geschlechtlich durchführen. Weitere Vorschläge von Labudde lauten: In etlichen Situationen kann spontan reagiert und zum Nachdenken angeregt werden, etwa wenn zwei Mädchen, die gerade in sehr kompetenter Weise einen Versuch aufbauen, sich von einem Mitschüler stören lassen und den weiteren Aufbau des Versuch durch diesen ausführen lassen. Ausserdem sollte nach Labudde der Physikunterricht im Dienste der Mädchenförderung möglichst kommunikativ und interaktiv gestaltet werden. Verstärkte Möglichkeiten für Kommunikation und lernstiladäquates Vorgehen bietet der Projektunterricht. Wichtig dabei ist es, verschiedene Interessen anzusprechen. Jungen und Mädchen interessieren sich für gewisse physikalische Fragen6 unterschiedlich stark – beide Gruppen sollten je nachdem in phasenweise getrennt geschlechtlichem Unterricht berücksichtigt werden. Mädchen zeigen grosses Interesse für folgende Bereiche: Physik in Verbindung zum eigenen Körper (Optik am Beispiel des Auges, Hydrostatik anhand des Blutkreislaufs usw.), Aufbau der Materie, physikalische Anwendungen in der Medizin. Angestrebt wird eine „reflexive Koedukation“, d.h. „eine Schule und ein Unterricht, die nicht von einem lernenden Neutrum ausgehen, sondern die sich bewusst an Mädchen und Jungen, an einem Wandel von Geschlechterrollen orientieren“ (Labudde, 1999b). Die aktuelle Forschung zeigt zudem die zentrale Rolle, die ungünstige Attributionsstile für das Selbstkonzept in Mathematik und Physik spielen. Lehrpersonen sollen bei diesen Attributionsstilen von Mädchen ansetzen und versuchen, sie durch günstigere, selbstwertdienlichere Attributionsmuster zu ersetzen. Jahnke-Klein (2001, 241f.) zeigt auf, dass in dem von ihr vorgeschlagenen sinnstiftenden Mathematikunterricht Erfolgserlebnisse häufiger vorkommen, da den Schülerinnen und Schülern mehr Verantwortung übertragen wird und ihren individuellen Lernstilen und Lerntempi vermehrt Rechnung getragen wird. Dabei ist von der Grundforderung auszugehen, dass der Unterricht klar strukturiert und transparent gestaltet werden soll. Übungsblätter und Probearbeiten mit Selbstkontrolle sollten verfügbar sein und Lernergebnisse in Lerntagebüchern, Formel- und Beispielsammlungen usw. gesichert werden. Hilfestellung sollte nur prozessorientiert, nicht aber ergebnisorientiert geleistet werden. Die Aufgabenstellung sollte so erfolgen, dass für unterschiedliche Leistungsniveaus Lö-

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Wenn hier und an anderen Stellen von der Physik die Rede ist, liegt der Grund darin, dass in der Physik die Genderdifferenzen besonders ausgeprägt sind. Die bei der Physik aufgeführten Probleme, aber auch die Handlungsspielräume für Verbesserungen gelten analog auch für die anderen genderkritischen Fächer wie Chemie, Informatik, Mathematik und Technik.

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sungsmöglichkeiten bestehen, so dass alle Schülerinnen und Schüler die Chance auf Erfolgserlebnisse haben. Die Empfehlungen zu einem gendergerechten naturwissenschaftlich-technischen Unterricht lassen sich nach Labudde (1999b) in 10 Unterrichtsempfehlungen zusammenfassen: 1. Auch an die Vorerfahrungen und Interessen der Mädchen anknüpfen: Knüpfen wir an die naturwissenschaftlichen Vorerfahrungen und Interessen von Mädchen und Jungen an? Geben wir ihnen Gelegenheit, diese explizit zu formulieren? 2. Alltagssprache und Fachsprache miteinander vergleichen und verbinden: Wird im Unterricht von der Alltagssprache ausgegangen, um aus dieser die Fachsprache und die mathematischen Formulierungen zu entwickeln? Werden Alltagswort und Fachbegriff explizit miteinander verglichen? 3. Im Kontextbezug Staunen, Neugierde und Aha-Erlebnisse ermöglichen: Sind die naturwissenschaftlichen Inhalte in einen Kontext eingebettet, der den Schülerinnen und Schülern vertraut ist oder für den sie sich besonders interessieren? Haben sie Gelegenheit zu staunen und neugierig zu werden? Ist ein „Aha-Erlebnis“ möglich? 4. Kommunikation durch eine kooperative Lernatmosphäre fördern: Sind Unterrichtsformen möglich, die kommunikative Prozesse zwischen den Jugendlichen initiieren? Wird zwischen verschiedenen Sozialformen gewechselt? Achten wir auf eine kooperative Lernatmosphäre? 5. Phasenweise in monogeschlechtlichen Gruppen unterrichten: Können die Lernenden ab und zu in reinen Mädchen- bzw. Jungengruppen arbeiten? Besteht die Möglichkeit, zeitweise getrenntgeschlechtlichen Unterricht durchzuführen? 6. Das Spektrum der Rückmelde- und Bewertungsformen erweitern: Welche Bildungsziele sind mit im naturwissenschaftlich-technischen Unterricht wichtig? Wie erfasse ich das Erreichen dieser Ziele? Weist die Prüfungskultur meines Unterrichts ein breites Spektrum von Rückmelde- und Bewertungsformen auf? 7. Das Selbstvertrauen der Mädchen in die eigene Leistungsfähigkeit stützen: Bemühe ich mich darum, nicht den Eindruck entstehen zu lassen, „Natur und Technik“ sei nur etwas für Hochbegabte? Erhalten die Jugendlichen individuelle Rückmeldungen? Werden sie gezielt dadurch motiviert, dass gute Leistungen auf Begabung und schlechte Leistungen auf mangelnde Anstrengungen oder Pech zurückgeführt werden? 8. Identifikationsmöglichkeiten für junge Frauen schaffen: Treten in Bildern und Texten gleich viele Frauen wie Männer auf? Werden Frauen als aktiv Handelnde und nicht in alten Rollenklischees gezeigt? Lernen Jugendliche Wissenschaftlerinnen aus Vergangenheit und Gegenwart kennen? 9. Mit Teenagern und Eltern über Geschlechtsvorurteile sprechen: Sprechen wir an Elternabenden über Problematik von Geschlechtsstereotypen? Erinnern wir Mütter und Väter an ihre Vorbildfunktion in Bezug auf Einstellungen zu Physik, Chemie und Technik? Suchen wir bewusst das Gespräch mit Eltern, deren Kinder für Physik, Chemie, Technik oder Mathematik besonders begabt sind? 10. Im Unterricht bei aktuellen Anlässen situationsspezifisch reagieren: Nutze ich als Lehrperson die Chance und nehme das Thema gerade in dem Moment auf, wenn ein äusserer Anlass dazu besteht?

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2.4. Vor- und ausserschulische Sozialisation Aus verschiedenen Studien geht hervor, dass frühe spielerische Bezüge zu mathematischnaturwissenschaftlichen und technischen Fragestellungen eine Studienwahl in diesem Bereich begünstigen. Neben der elterlichen Förderung ist auch die Sensibilisierung für naturwissenschaftliche Themen im Kindergarten erfolgsversprechend. Die Geschlechtsunterschiede sind noch wenig verfestigt und die Kinder im Vorschulalter lassen sich leicht für naturwissenschaftliche Themen begeistern. Wie ein Projekt von Gisela Lück im Kindergarten (vgl. Coradi et al., 2003, S. 99) zeigt, konnten sich nach sechs Monaten noch über die Hälfte der Kinder gut an die durchgeführten chemischen Experimente erinnern. Coradi et al. (2003) sehen nicht nur in der vor-, sondern auch in der ausserschulischen Bildung einen hohen Stellenwert beim Wecken und Aufrechterhalten naturwissenschaftlicher und technischer Interessen. In Technikmuseen, Zukunftswerkstätten usw. werden immer wieder gesellschaftlich relevante Problemstellungen aufgegriffen oder aktuelle Debatten geführt. Weiterbildungsinstitutionen, Volkshochschulen usw. können die mathematischnaturwissenschaftlichen Kenntnisse oder auch die Technikerfahrungen der Eltern bereichern und damit zu einer veränderten elterlichen Einflussnahme auf das Kind führen. Sinnvoll ist zudem der vermehrte Einbezug der Arbeitswelt von Eltern, Verwandten, Bekannten oder anderweitig Interessierten in die Schule. Beispielsweise könnten Senioren ihre beruflichen Erfahrungen in naturwissenschaftlichen Bereichen in den Unterricht einfliessen lassen, indem sie aus ihrem Berufsalltag erzählen etc. Beispiel aus der Praxis: Das „MiniU und MiniLab: laboratoire de didactique“ in Genf bietet Angebote für Kinder ab 4 Jahren an, bei denen sie auf spielerische Weise mit naturwissenschaftlichen Themen in Kontakt kommen: http://www.ldes.unige.ch/forma/i_animSpec.htm (Stand, 17. Mai 2008)

2.5. Sensibilisierung von Erziehenden und Lehrpersonen Labudde (1999b) verweist auf den zentralen Stellenwert, den die Information und Sensibilisierung von Eltern hat. Eltern müssen sich bewusst sein, welche verheerende Wirkung Aussagen wie „Ich war auch schon schlecht in Physik“ oder „Dieses Fach ist für Mädchen nicht so wichtig“ haben können. Elternabende zu Themen wie „Begabung von Frauen für Physik, Chemie, Technik und Mathematik“ oder „Förderung des physikalisch-technischen Selbstbewusstseins durch Eltern“ sollen Eltern für dieses Thema sensibilisieren. Labudde betont ausserdem die Wichtigkeit, in Elterngesprächen auf technische, physikalische, chemische oder mathematische Interessen und Begabungen der Schülerinnen und Schüler hinzuweisen. Gerade für Mädchen spielen das Selbstvertrauen in ihre Leistungsfähigkeit, die Rückmeldungen der Lehrpersonen und das Klassenklima eine sehr wichtige Rolle. Die Haltungen und Einstellungen der Lehrpersonen und ihre Erwartungen an die Schülerinnen und Schüler müssen reflektiert werden, um nicht unbewusst Stereotypen und Überzeugungen weiterzugeben. Eine wirksame Sensibilisierung und Verhaltensänderung ist nur möglich, wenn die Aneignung von neuem Wissen und Können im Wechsel mit Beobachtungen und Erprobun-

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gen im eigenen Unterricht erfolgen kann und die Umsetzung mittels Intervision oder Followup-Veranstaltungen begleitet wird.

3. Was sind konkrete Bereicherungsmöglichkeiten und wie sind sie auszugestalten? •

Im Folgenden wird dargestellt, wie Schulen, die sich im Bereich „Natur und Technik“ profilieren wollen, Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern auf verschiedenen Ebenen vermehrt fördern können. Dabei werden einerseits Möglichkeiten aufgezeigt, den regulären Unterricht zu bereichern, andererseits aber auch, wie naturwissenschaftliche Themen in Wahl- und Vertiefungsfächern vertieft werden können und welche Möglichkeiten zur Förderung von besonders begabten Lernenden bestehen.



Die dargestellten Praxisbeispiele zeigen Good-Practice-Fälle auf, die als Ideenspeicher gedacht sind und nicht als abschliessende oder vollständige Liste zu verstehen sind.



Die folgenden Ideen sind im Zusammenhang mit den erweiterten Entscheidungsfreiheiten und zusätzlichen Zeitgefässen von teilautonomen Schulen mit Tagesstrukturen vermehrt umsetzbar als dies in traditionellen, schulischen Organisationsstrukturen möglich war.

3.1. Erweitertes Angebot (im Rahmen der Pflichtlektionen) Mit im Stundenplan vorgesehenen Zeitfenstern für Schnupperangebote soll bei allen Lernenden das Interesse für Themen des Bereichs „Natur und Technik“ geweckt werden, die über das Basiswissen hinausgehen. Beobachtungen, Erkundungen, angeleitet oder mit gewissem Freiraum können an das jeweilige Alter angepasst in allen Schulstufen unternommen werden. Exkursionen im Wald, Besuche von Betrieben, Fabriken oder Schülerlabors (siehe Kapitel 4.2) ermöglichen den Einblick in naturwissenschaftlich-technische Berufsfelder. Wann immer möglich sollten Firmen, Fabriken, Schulen, Naturphänomene in den umliegenden Lebensräumen der Kinder und Jugendlichen berücksichtigt werden. Je nach den örtlichen Gegebenheiten kann ein Betrieb in der näheren Umgebung besucht oder lokale Besonderheiten in Wäldern oder Gewässern beobachtet werden. Biologische Exkursionen sind aber auch in der Stadt denkbar. Berufsorientierungstage, wie etwa die Töchtertage in der Schweiz oder der „Girls’ Day“ in Deutschland, könnten vermehrt und für alle Schülerinnen und Schüler durchgeführt werden. Technische Unternehmen, Betriebe mit technischen Abteilungen und Ausbildungen, Hochschulen und Forschungszentren öffnen ihre Türen für Mädchen, um ihnen durch vielfältige Veranstaltungen Einblicke in die Arbeitswelt zu geben und frühzeitige Kontaktaufnahme zu Praktikums- und Personalverantwortlichen zu ermöglichen. Durch die Beteiligung des gesamten Umfeldes am Girls’ Day – Schule, Familie, Medien und Arbeitgeber/-innen – werden alle Instanzen, die für die Berufswahlentscheidung eine wichtige Rolle spielen, mit einbezogen (vgl. Köhler, 2005). Schülerlabors ermöglichen den Lernenden den Zugang zu ausserschulischen, vollständig neuen Lernorten. In speziell dafür eingerichteten Labors haben die Lernenden die Möglichkeit, selbständig Erfahrungen zu sammeln und sich mit wissenschaftlichen Problemstellun-

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gen auseinanderzusetzen. Geleitet werden Schülerlabors in der Regel von diplomierten Naturwissenschaftler/-innen oder Gymnasiallehrpersonen. „Neben Angeboten wie Betreuung von Facharbeiten, Kooperation mit ausgewählten Schulklassen, Veranstaltung von Wettbewerben und Lehreraus- und -weiterbildung bieten Schülerlabors vor allem SchülerExperimentiertage an“ (Engeln, 2004, S. 13). Die Themen variieren stark und decken das gesamte Spektrum von der ersten Klasse bis zum 13. Jahrgang ab. In Deutschland sind die Schülerlabors ein grosser Erfolg: Das Angebot wird von Schüler/-innen und Lehrpersonen gut angenommen und die Labors sind gut ausgelastet. Allerdings sind die Wirkungen von Schülerlabors bisher kaum wissenschaftlich untersucht worden (vgl. Engeln, 2004).7 In der Schweiz bietet das Science Center „Technorama“ in Winterthur Schülerlabors an.8 Die Experimentierstationen wurden in Zusammenarbeit mit der PHZ Luzern erarbeitet. Am Technorama werden derzeit die zukünftigen Mitarbeitenden des Schülerlabors von Dozierenden der PHZ fortgebildet.9 Das vielfältige, stimmungsvolle, zum spielerischen Lernen anregende Experimentierfeld richtet sich an Kinder und Jugendliche aller Schulstufen. Im Jugendlabor10 können Jugendliche ab dem 13. Altersjahr unter verständlichen Anleitungen weitgehend selbständig den Naturgesetzen auf den Grund gehen und technische Zusammenhänge erkennen. Das Labor gliedert sich in verschiedene Themenbereiche der Physik, Chemie und Biologie. Ein ähnliches, allerdings noch nicht so umfangreiches Angebot offeriert seit April 2008 das Paul-Scherrer-Institut in Villigen AG11 Das PSI bietet Schulklassen der Kantone AG, BL, BS und SO sowie weiterer Kantone an, an einem Schnuppertag das PSI zu besuchen. Am Morgen führen die Lernenden im Schülerlabor an 12 Arbeitsplätzen in Zweiergruppen verschiedene Experimente mit Schallwellen durch. Es gibt dabei viel Raum für kreatives, selbständiges Entdecken und Ausprobieren. Ausgehend von einer Fragestellung können die Lernenden die Experimente selber aufbauen und auf verschiedenem Weg zu Ergebnissen gelangen. Am Nachmittag werden sie durch das Areal des PSI geführt, lernen Forschende und ihre gross angelegten Projekte kennen. Zielpublikum sind primär Aargauer Sekundarschul- und Bezirkschulklassen sowie die Klassen der beiden leistungsstärkeren Oberstufenzüge aus den Kantonen BL, BS und SO. (siehe Bericht Kuratle, Tresch 18.12.07, Fördermassnahmen im Bereich „Natur und Technik“; aktueller Stand). Im Folgenden werden weitere bestehende Projekte beispielhaft vorgestellt, welche Schülerinnen und Schüler auf unterschiedlichen Begabungsniveaus individuell fördern. Die Beispie-

7

Beispiele für Schülerlabors in Deutschland finden sich unter folgenden Internetadressen: www.schoollab.dlr.de/schoollab (17. Mai 2008) http://pc1.uni-bielefeld.de/~teutolab/teutonet/tlnetz-frameset.html (Stand, 17. Mai 2008) www.desy.de/physik.begreifen/Seite_1.html (Stand, 17. Mai 2008) http://www.gsi.de/informationen/education/schuelerlabor/ (Stand, 17. Mai 2008) 8 www.technorama.ch (Stand, 17. Mai 2008) 9

http://www.luzern.phz.ch/content.php?link=Projekte%20Naturwissenschaften.htm#ChemieTechnoram a (Stand, 17. Mai 2008) 10 http://www.technorama.ch/Jugendlabor.114.0.html (Stand, 17. Mai 2008) 11 http://ilab.web.psi.ch (Stand, 17. Mai 2008)

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le zeigen auf, wie breit die Palette der Möglichkeiten im Bereich „Natur und Technik“ ist und sollen eine Orientierung bieten für weitere Projekte im Bildungsraum Nordwestschweiz. Die Liste ist nicht abschliessend, eine systematische Aufstellung bedarf weiterer Recherchen und Evaluationen. Mit dem Projekt „KIDSinfo“12, in welchem man sich an Schweizer Primarschulen wendet, hat das Ziel, Kinder schon im frühen Schulalter mit weiblichen Vorbildern in der Technik vertraut werden zu lassen. Es bietet Präsentationen im Primarschulunterricht an, die nach Wunsch eine, zwei oder drei Lektionen dauern können. Die kindergerechte, interaktive Gestaltung der Präsentation basiert auf Bildern, Spielen, interaktiven Modulen und einem intensiven Dialog mit den Kindern zum Thema Berufe und Technik. Die Referentinnen – Berufsfrauen verschiedener technischer Fachbereiche – stellen sich für die Durchführung von Präsentationen und als Ansprechpersonen für die Lehrerschaft an den Primarschulhäusern kostenlos zur Verfügung. Auf der Website von „KIDSinfo“ sind weitere Links zu ausserschulischen Angeboten im Bereich „Natur und Technik“ aufgeführt. Engineers Shape our Future (IngCH) hat in Kooperation mit der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften SATW und Swissmem ein neues Internet-Portal für Bildung und Technik lanciert: EducaTech13. Das Portal bietet kostenlose Informationen – z.B. über Ausstellungen, Exkursionen, Internetportale, Unterrichtsmaterial oder über Berufe aus dem Gebiet der Technikbildung. Das Angebot richtet sich an Lehrerinnen und Lehrer sowie alle, die sich für Technik interessieren. Ausserdem werden Hinweise auf Wettbewerbe wie beispielsweise den folgenden gegeben14: „Die FIRST LEGO LEAGUE ist ein Wettbewerb, in der Kreativität und Teamgeist mehr zählen als technische Spitzenleistungen. Der Wettbewerb ist offen für alle Jugendlichen zwischen 10 und 16 Jahren und es werden Teams von 5 bis 10 Mitgliedern und einem Erwachsenentrainer gebildet.“ Das Science Center „Technorama“15 in Winterthur hat sich im Bildungsangebot zunehmend als wichtiger Standpunkt des ausserschulischen Unterrichts etabliert. Das vielfältige, stimmungsvolle, zum spielerischen Lernen anregende Experimentierfeld richtet sich an Kinder und Jugendliche aller Schulstufen. Im Jugendlabor16 können Jugendliche ab dem 13. Altersjahr unter verständlichen Anleitungen weitgehend selbständig den Naturgesetzen auf den Grund gehen und technische Zusammenhänge erkennen. Das Labor gliedert sich in verschiedene Themenbereiche der Physik, Chemie und Biologie. Das neue Aargauer Naturmuseum „Naturama“17 initiiert, fördert, verankert, koordiniert und unterstützt Umwelterziehungsaktivitäten in allen Bildungsbereichen im Kanton Aargau. Die Angebote richten sich an Schulen aller Stufen und Kindergärten und fördern das eigene, aktive Handeln bei der Durchführung von Aktivitäten im Natur- und Umweltbereich.

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http://www.kids-info.ch (Stand, 17. Mai 2008) www.educatech.ch (Stand, 17. Mai 2008) 14 http://www.educatech.ch/dyn/1467.htm (Stand, 17. Mai 2008) 15 www.technorama.ch (Stand, 17. Mai 2008) 16 http://www.technorama.ch/Jugendlabor.114.0.html (Stand, 17. Mai 2008) 17 www.naturama.ch (Stand, 17. Mai 2008) 13

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Bildungsangebote: - Entwicklung und Durchführung von Schulprojekten - Aus- und Weiterbildung für Lehrpersonen und weitere Interessierte in der Lehrerweiterbildung und im Naturschutzbereich Vorgehensberatung bei schulischen, organisatorischen und fachlichen Fragen - Schulungsraum für Schulklassen im Naturama - Beratung/Mithilfe bei lokalen und regionalen Veranstaltungen und Durchführung von eigenen Veranstaltungen - Abgeschlossene Projekte der Umweltbildung mit Unterrichtsideen Materialien: - Unterrichtshilfen in Form von Broschüren oder Medienpaketen zu den verschiedensten Themen - Ausleihmaterialien in Form von Aktionskisten und Medienkoffern - Info- und Arbeitsblätter zum Herunterladen Ein weiteres Unterrichtsangebot entstand in Zusammenarbeit der Pädagogischen Hochschulen Aargau FHNW und Wallis PHVS mit IngCH und NaTech-Education: Das Projekt „Explore-it“18 hilft Lehrpersonen, den Kindern der Primar- und Sekundarstufe I Primärerfahrungen im Bereich Natur und Technik zu ermöglichen. Es verwendet kostengünstiges Alltagsmaterial, nutzt zur Vermittlung der Lerninhalte konsequent neue Informationstechniken und sichert Nachhaltigkeit und Anschlussfähigkeit durch vertiefte Auseinandersetzung. „Explore-it“ geht davon aus, dass ein gut angeleiteter, entdeckend-forschender und gestaltender Umgang mit ausgewählten Materialien und Informationen zu einem besseren technischen Verständnis führt. Dies bietet Schulklassen die Möglichkeit, grundlegende Erfahrungen z.B. mit Phänomenen rund um Magnetismus und Elektrizität zu machen. Damit kann ein Verständnis für die Anwendung in der Technik geweckt werden. Technikgeschichte, ethische Aspekte und Zukunftsvisionen ergänzen das Feld von Möglichkeiten für den Unterricht. Seit Anfang Januar 2007 ist die Unterrichtssequenz zum Thema "Vom Dauermagnet zum Elektromotor" verfügbar. Das Angebot wird laufend erweitert. Zurzeit wird der zweite Lernanlass "Solar-Power bewegt" aufgeschaltet. Das Material eignet sich vorwiegend für Primarschulklassen ab der 4. Jahrgangsstufe und Klassen der Sekundarstufe I. Das Schullabor Basel bietet eintägige Laborkurse zum Thema Gentechnik in 24 Laboren für Schülerinnen und Schüler des 9. bis 13. Schuljahres an19 Für Lehrpersonen der Oberstufe besteht die Möglichkeit, einen Gen-Spirale-Workshop zu besuchen und anschliessend die Experimente selbst im Unterricht durchzuführen. Das Schullabor stellt den Schulen das Material leihweise zur Verfügung. Für Mittelstufenklassen bietet das Schullabor Experimentalkurse zu verschiedenen naturwissenschaftlichen Phänomenen an. Zur Auswahl stehen die Themen Wasser, Boden, Ernährung oder Kleidung, welche in einem halben Tag praktisch erarbeitet werden. Für Kinder ab 9 Jahren erarbeitet das Labor jedes Jahr ein Ferienprogramm. Die Anmeldung erfolgt über die Nachbarschaftszeitung Rhy-Möwe und über die Ferien-Pass-Programme der Stadt Basel. 18 19

http://explore-it.ch (Stand, 17. Mai 2008) http://www.schullabor.ch/schullabor.html (Stand, 17. Mai 2008)

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Um das Interesse an naturwissenschaftlichen Themen schon früh zu fördern hat das Chemie- und Pharmazieunternehmen Siegfried AG, Zofingen für ein Pilotprojekt in zwei Kindergärten einen pensionierten Chemiker zur Verfügung gestellt, der mit den Sechsjährigen in zehn Unterrichtseinheiten altersgerechte, spielerische Experimente durchführte. Grundlegend für die Experimente im Kindergarten ist: Sie müssen ungefährlich sein und immer gelingen; sie sollen einen Bezug zum Alltag der Kinder haben, und die naturwissenschaftlichen Hintergründe sollen für die Altersstufe verständlich sein (vgl. Bildung Schweiz, 1,2008, S.4). 3.2. Vertiefungsangebot Im Folgenden wird gezeigt, wie der Bereich „Natur und Technik“ über die unmittelbaren Pflichtlektionen hinaus, vertieft werden kann. Es ist davon auszugehen, dass der zukünftige Stundenplan Zeitgefässe für Wahl- oder Pflichtwahlfächer vorsieht, in denen interessierte Schülerinnen und Schüler sich mit einem Teilbereich des Bereichs „Natur und Technik“ vertiefter auseinandersetzen können. Es ist von Vorteil, wenn diese Gefässe in grösseren Blöcken von zwei bis sechs Lektionen stattfinden, da sie die Arbeit in Projekten und das Experimentieren begünstigen sowie ein vertiefteres Eingehen auf Phänomene gestatten. Beobachten und Experimentieren ist sehr gut fächerübergreifend denkbar. Beispielsweise bietet es sich im technischen Werken an, in Verbindung mit handwerklichen Tätigkeiten wie etwa dem Flicken von Geräten in einer Velo-, Mofa- oder Autowerkstatt Beobachtungen und Reflexionen über naturwissenschaftliche Phänomene anzustellen. Je nach Alterstufe kann ein Computer, ein Roboter oder ein Instrument gebaut werden. Von naturkundlichen Praktika über den Bau von technischen Geräten bis zu chemischen Experimenten ist alles denkbar. Im Folgenden werde Beispielprojekte für vertiefende Wahl- und Pflichtwahlfächer im Bereich „Natur und Technik“ genannt. Die Liste ist nicht abschliessend gedacht; es bedarf weiterer Recherchen und eine sorgfältige Evaluation der auf dem Markt vorhandenen Angebote. „Bits ans Bytes for Girls“ ist ein im Rahmen des Lehrstellenbeschlusses II des Bundes mitfinanziertes Projekt der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten 16+ und beinhaltet unter anderem eine Serie von Unterrichtseinheiten. Unter dem Titel „Bits and Bytes for Girls“ ermöglicht die Ideenmappe Lehrpersonen von der 1. bis zur 10. Klasse, technische Fragestellungen auf neue Art in den Schulalltag zu integrieren und dabei vor allem auch die Mädchen anzusprechen.20 An der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf werden Projekte für Schülerinnen und Schüler der Unter- und Mittelstufe in den Oster- und Herbstferien angeboten. Ziel dieser Veranstaltungen ist es, das Interesse und die Begeisterung für Physik frühzeitig zu wecken bzw. zu fördern. Im Vordergrund des Projektes steht das Experimentieren als spielerisches Versuchen aber auch quantitative Messungen unterschiedlicher physikalischer Grössen werden durchgeführt und ausgewertet. Die Erfahrungen zeigen, dass die Kinder mit grossem Inte-

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http://www.16plus.ch/ziel/lehrpersonen/3ziel_ues.html (Stand, 17. Mai 2008)

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resse und viel Spass an den freiwilligen Ferienangeboten teilnehmen (vgl. Hammer & Fromme, 2005). Das Ada-Lovelace-Projekt21 ist ein Mentorinnennetzwerk in Rheinland-Pfalz, das sich zum Ziel gesetzt hat, Mädchen und jungen Frauen die Scheu vor Mathematik, Technik und Naturwissenschaften zu nehmen. Mit verschiedenen Angeboten informiert das Projekt Mädchen über naturwissenschaftlich-technische Studiengänge und Berufe und steigert in vielfältigen Workshopangeboten die technischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen der Mädchen. Das Projekt bietet eine breite Palette von Veranstaltungen an, z.B. Schulbesuche, Computerkurse, Experimentiertage, Roboterkurse, technische Workshops, Projekttage in den Ferien, Schnupperstudien, Betriebsbesichtigungen und vieles mehr (vgl. Ebach, 2005). Die begleitenden Evaluationsstudien zeigen den Erfolg des Projektes. Der Frauenanteil in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Studiengängen an rheinland-pfälzischen Hochschulen stieg vom WS 96/97 (vor dem Start es Projekts) zum WS 01/02 um 5.1% an (Ebach, 2005). Auch in der Schweiz entstanden in jüngster Zeit ähnliche Projekte wie in Deutschland. Unter dem Stichwort „Jugend und Technik“22 bietet die SATW (Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften) Besuche in Schulen von Ingenieur(-inn)en und den Einsatz von Robolabs an, um Schülerinnen und Schülern einen spielerischen und personenbezogenen Zugang zu technischen Problemlösungen und Arbeitsgebieten zu verschaffen. Die pädagogischen Charakteristiken von ROBOLAB machen aus ihm ein interessantes Werkzeug für alle Lehrpersonen die nach einer Lernumgebung streben, die autonome Experimente zulässt. Seine spielerische Seite motiviert die Lernenden und die mitbestimmende und aktive Vorgehensweise gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Kompetenzen in der Gruppenarbeit zu verbessern. Indem sie kleine, mobile und ferngesteuerte (mit Hilfe eines Computers) Roboter konstruieren, werden wichtige Ziele des Naturwissenschaftlich-technischen Unterrichts erreicht. Die abgeschlossenen Evaluationen zeigten, dass die Unterrichtssequenzen mit ROBOLAB sich vorwiegend für Lernende ab der dritten Primarklasse bis zum Gymnasium eignen. Für ein Experiment mit ROBOLAB sollte mindesten ein Halbtag reserviert werden. Eine weitere Möglichkeit der Begabtenförderung stellen die Kinderuniversitäten in Basel, Bern, Luzern und Zürich dar, welche Vorlesungen von Professorinnen und Professoren für Kinder anbieten, um ihnen Türen zur Welt der Wissenschaft zu öffnen. Die Angebote der Kinderuniversitäten richten sich an Kinder der 3. - 6. Primarklasse und sind zumeist dank Sponsoring und Spenden kostenlos. 3.3. Leistungsangebot In der Schule aber auch ausserschulisch sollen Möglichkeiten genutzt werden, um mathematisch-naturwissenschaftlich besonders begabte Schülerinnen und Schüler zu fördern. Technische Einzelprojekte oder die Zusammenarbeit mit Schülerlabors in Firmen, Fachhochschulen oder technischen Hochschulen bieten sich zur Hochbegabtenförderung an. In der Schweiz bestehen bisher wenige spezifische Angebote für Hochbegabte. Im Kanton Aargau bestehen regionale Angebote zur Begabtenförderung, die an verschiedenen Bega21 22

http://www.ada-lovelace.com (Stand, 17. Mai 2008) http://www.satw.ch/organisation/kommissionen/ts/ingclasse_d.pdf (Stand, 17. Mai 2008)

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bungsdomänen ausgerichtet sind und sich vor allem für kleinere Schulen anbieten, die keine eigenen Angebote realisieren können. Der Zugang zu den regionalen Angeboten ist in der Regel hochschwellig, d.h. die Fördermöglichkeiten im Unterricht, im Schulhaus und in der Gemeinde müssen ausgeschöpft sein. Im Kanton Aargau führt der Weg über ein Vorprojekt von höchstens 8 Wochen Dauer über eine Qualifikation. Nach erfolgreichem Absolvieren des Vorprojekts dauert das Hauptprojekt ein dreiviertel Jahr und kann verlängert werden. Besondere Beachtung erfährt die Rückkoppelung mit der Regelklasse. Die Kosten werden vollumfänglich vom Departement Bildung, Kultur und Sport getragen. Im Kanton Bern führte die Erziehungsdirektion den so genannten Schulversuch I durch. Intellektuell besonders begabte Kinder mit einem IQ-Wert über 135 wurden während eines Vormittags pro Woche projektorientiert in kleinen Gruppen ausserhalb der Regelklasse gefördert. Nach Abschluss des Schulversuchs führte der Kanton diese Art Förderung nicht weiter. Der private Verein FBK23 führte seit März 2005 Förderprojekte für intellektuell besonders begabte Kinder an einem Vormittag während der Schulzeit durch. Im Angebot sind momentan Kurse zu den folgenden Themenkreisen aus dem Bereich „Natur und Technik“: Physik, Astro-Physik, Physik im Weltall, Zoologie, Physik/Elektronik, Aviatik und Flugzeugmodellbau. Angesprochen werden Kinder mit besonderen intellektuellen Begabungen der 1. bis 6. Klasse, welche während dieser Zeit vom Regelunterricht freigestellt werden. Den Kindern wird die Möglichkeit geboten, kreativ zu arbeiten und ihren Wissensdurst zu stillen. Die Aufnahme der Kinder in das Förderprogramm des FBK erfolgt aufgrund einer durchgeführten Abklärung. Der IQ-Grenzwert ist auf 130 festgelegt. Ein derartiges Angebot existiert im Bildungsraum Nordwestschweiz bisher nicht. Die Evaluation des FBK Förderprogramms, welches während der Schulzeit seit etwas mehr als einem Jahr durchgeführt wird, zeigt dessen Erfolg24: Im Kanton Aargau bestehen in Ergänzung zu lokalen Einzel- und Gruppenangeboten permanente regionale Angebote, welche die Sektion Unterricht des Departements Bildung, Kultur und Sport koordiniert. "Expedition Natur" ist ein interdisziplinäres Projekt für Kinder und Jugendliche mit einer besonderen Begabung im naturwissenschaftlichen Bereich, die sich durch grosse Ausdauer und den Drang zum Forschen auszeichnen. Es wird in Zusammenarbeit mit dem Naturama Aargau angeboten. "Expedition Natur" wird von einer Fachperson mit pädagogischer Kompetenz geleitet. Diese erarbeitet zusammen mit den Teilnehmenden ein Projektthema, das im Rahmen der Sonderausstellungen des Naturama steht, und unterstützt die Teilnehmenden in fachlicher und methodischer Hinsicht.25

Die Stiftung „Schweizer Jugend forscht" bietet eine nationale Plattform für die Förderung junger Talente in den Bereichen Naturwissenschaften, Technik, Geisteswissenschaften, Wirtschaft oder Gesellschaft. Jährlich finden Wettbewerbe statt. Welche Arbeiten zugelassen werden, zeigt sich in den im Voraus stattfindenden Workshops, in denen getüftelt und geforscht wird. Mit Hilfe der Experten werden Ideen und Projekte der Jugendlichen weiterentwickelt. Seit 1989 organisiert „Schweizer Jugend forscht“ Studienwochen, die die Möglichkeit 23

http://foerderprogramm.fbk-bern.ch (Stand, 17. Mai 2008) http://foerderprogramm.fbk-bern.ch/programm/evaluation.html (Stand, 17. Mai 2008) 25 http://www.ag.ch/is/de/pub/bf/regionale_angebote/expedition_natur.php (Stand, 17. Mai 2008) 24

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bieten, Fragen mittels konkreten Projekten mit Fachleuten in Labors von Betrieben, Hochschulen oder in der Natur zu bearbeiten. Die Angebotspalette der verschiedenen Studienwochen für 16 bis 20-Jährige und der zwei Projektwochen für 14- bis 16-Jährige reicht von Ar26 chäologie über Informatik bis Wildtierbiologie.

Auf internatioanler Ebene werden Wettbewerbe und Olympiaden in Disziplinen wie Chemie, Physik oder Biologie durchgeführt, die für besonders begabte Schülerinnen und Schüler eine Herausforderung darstellen,27 wie beispielsweise die Internationale Chemieolympiade Icho28 oder die europäische Science Olympiade EUSO29. Die Schweiz ist an diesen Olympiaden durch in Mathematik, Chemie und Physik hochbegabte Schülerinnen und Schüler vertreten.

4. Welche aktuellen Instrumente, Lehr-/Lernmittel und -medien unterstützen das Lernen im Bereich „Natur und Technik“? Die folgenden Lehrmittel sind erste Empfehlungen der befragten Expertinnen und Experten im Bereich „Natur und Technik“. Um eine differenzierte Empfehlung abzugeben, bedarf es jedoch breit angelegter Evaluationen zu den einzelnen Lehr- und Lernmittel. Die folgende Liste umfasst nur einen Bruchteil der auf dem Markt erhältlichen Lehrmittel. Die angegebenen Werke sind im paradigmatischen Sinn zu verstehen, d.h. diese und viele weitere Lehrmittel wären es wert genauer evaluiert und kommentiert zu werden, um darauf aufbauend Empfehlungen zuhanden der Lehrpersonen abzugeben. Für die Evaluation der Lehrmittel müssten Kriterien herangezogen werden, die einerseits den neusten Stand der fachdidaktischen Forschung entsprechen und die andererseits den Anforderungen von HarmoS Naturwissenschaften bzw. dem zukünftigen Deutschschweizer Lehrplan genügen. -

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Empfehlenswerte Lehrmittel für die Basisstufe stammen von Gisela Lück30.. Folgende Titel enthalten einfache Experimente für Kinder im Vorschulalter: Was blubbert denn da im Wasserglas?; Leichte Experimente für Eltern und Kinder; Physik und Chemie im Sachunterricht; Eiweisheiten; Tüfteln, forschen, staunen. Zahlreiche empfehlenswerte Lehrmittel für die Primar- und Sekundarstufe bietet der Schulverlag für die Volksschule unter der NMM-Reihe (Natur Mensch Mitwelt), welche von den Kantonen Bern und Aargau herausgegeben und im Rahmen der Interkantonalen Lehrmittelzentrale ILZ angeboten wird.31 Die Reihe deckt über vom 1. bis 9. Schuljahr Themenbereiche ab wie etwa „Natur und Technik“, „Raum und Zeit“, „Produzieren – Konsumieren“. Der Verlag bietet zudem Internetplattformen zu unterschiedlichen Themen an wie beispielsweise das Thema „Rohstoffe – Energie“. Auf der Web-

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www.sjf.ch (Stand, 17. Mai 2008) http://www.ipn.uni-kiel.de/aktuell/wettbewerbe.html (Stand, 17. Mai 2008) 28 http://www.ipn.uni-kiel.de/abt_chemie/icho/icho.html (Stand, 17. Mai 2008) 29 http://www.euso2007.de/start_normal.html (Stand, 17. Mai 2008) 30 http://www.herder.de/veranstaltungen/autoren/autorenportrait?k_autor=29520, (Stand, 30. November 2007) 31 http://www.nmm.ch, (Stand, 30. November 2007) 27

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site32 finden sich aktuelle Informationen, Hinweise auf ausserschulische Lernorte oder Exkursionen, Hintergrundberichte sowie Materialien und zugehörige Lösungen. „Explore-it“33: Unterrichtseinheiten und Material für den Natur-und-Technik-Unterricht, erarbeitet in Zusammenarbeit der PH FHNW Aarau und PHVS Wallis Technik begreifen – Naturwissenschaft verstehen ist in Arbeit an der PH FHNW Werkbuch: Lehrmittelverlag Bern, themenorientierte Materialien Urknall von Klett-Verlag mit vielen Anregungen für die 5. bis 9. Stufe Biologie be-greifen: Sek I, exemplarisches Lernen KISAM: Versuchsdatei von Ingold Schulbuchverlag.

Desiderate: Nach der Ausarbeitung der Basisstandards HarmoS und dem neuen Lehrplan ist es wichtig, darauf Bezug nehmende Lehr- und Lernmittel zu entwickeln.

5. Welche Rahmenbedingungen sind notwendig? Folgende Punkte zeigen auf, welche Rahmenbedingungen auf den verschiedenen Ebenen des Schulsystems erforderlich sind, um einen guten naturwissenschaftlich-technischen Unterricht zu ermöglichen: -

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Es sind Neuregelungen auf Systemebene nötig, um der Bedeutung des naturwissenschaftlich-technischen Unterrichts gerecht werden zu können (Stundendotierung, Beginn in Basisstufe, systematische kontinuierliche Einführung in der Sekundarstufe, Blockstunden usw.). (5.1) Lehrpersonen müssen in ihrer Tätigkeit unterstützt werden.?? Auf der innerschulischen Ebene sind eine auseichende Infrastruktur und eine vernetzte Zusammenarbeit im Lehrerteam von Bedeutung. (5.2). Der Aufbau eines Kompetenzzentrums zur Koordination und Qualitätsentwicklung von ausserschulischen Bildungsangeboten aus dem Bereich „Natur und Technik“ wäre von grosser Bedeutung. (5.3) Weiterbildungsangebote und Schulmodellversuche für die Lehrpersonen, Fachschaften und Schulen sind auf- bzw. deutlich auszubauen. (6)

5.1. Rahmenbedingungen auf der Systemebene Die Stundentafeln müssen mit mehr Stunden für den Bereich „Natur und Technik“ dotiert werden. Der Deutschschweizer Lehrplan wird entsprechende Vorgaben machen, indem für jedes Fach bzw. jeden Fachbereich eine bestimmte Bandbreite angegeben wird. Die Vorgaben sind bisher noch nicht festgelegt. Nach der Festlegung sollte die Stundendotation für Naturwissenschaften an der oberen Grenze der Deutschschweizer Vorgaben festgesetzt werden. Bei Vernehmlassungen zu HarmoS Naturwissenschaften und dem Deutschschweizer Lehrplan 2012 sollten sich die Bildungsdepartemente der Nordwestschweizer Kantone unmissverständlich für eine Stärkung des naturwissenschaftlich-technischen Bereichs aussprechen. Vor allem in der Sekundarstufe I haben Schweizer Kinder viel weniger Lektionen im Bereich „Natur und Technik“ als in anderen europäischen Ländern, in denen zum Beispiel die Stun32 33

http://www.nmm.ch/rohstoffe-energie/index.php (Stand, 30. November 2007) http://www.explore-it.ch/index.html (Stand, 30. November 2007)

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dendotation in Physik und Chemie in den meisten Fällen zwei- bis dreimal höher liegt als in der Nordwestschweiz. Konkret: In den Schulen des Bildungsraums NW-CH der Sekundarstufe I sollten mindestens 12 Jahreswochenstunden für physikalisch-chemische Inhalte vorgesehen sein (im aktuellen Lehrplan der Bezirksschule sind jetzt nur 4 Jahreswochenstunden notiert). Ein systematischer Aufbau im Lehrplan fehlt bisher. In der Sekundarstufe I muss ein systematischer Aufbau wichtiger Grundkonzepte in den Fächern Physik, Chemie und Biologie erfolgen und Beziehungen zu Anwendungsfeldern (Technik, Umwelt) ermöglicht werden. Wichtig wäre es, die stufenspezifischen Zielkompetenzen als Kompetenzraster festzuhalten und im Unterricht zu verfolgen, so wie es mit HarmoS Naturwissenschaften geplant ist. Ausserdem sollte der naturwissenschaftlich-technische Unterricht schon früher beginnen. Beispielsweise könnten physikalische oder chemische Zusammenhänge auf spielerische Art und Weise schon in der Basisstufe und Primarschule im Rahmen von Mensch und Mitwelt vermittelt werden. Vermehrt sollte mit dem technischen Werken fächerübergreifend gearbeitet werden. Vor allem in der Sekundarstufe I können im technischen Werken Inhalte des Bereichs „Natur und Technik“ umgesetzt werden. Um einen anspruchsvollen, ganzheitlichen naturwissenschaftlichen Unterricht zu garantieren, braucht es Blockstunden, die fest im Stundenplan eingeplant sind. Der Unterricht in 45-minütigen Lektionen eignet sich nicht für die Durchführung von Experimenten, Beobachtungen und Projekten. Die Schulen sollten vermehrt auf Doppelstunden umstellen bzw. gezielt Halbtage für Blockunterricht und Exkursionen vorsehen sowie Blockwochen einführen. 5.2. Innerschulische Rahmenbedingungen Wichtig für einen umfassenden naturwissenschaftlich-technischen Unterricht sind gut ausgestattete Räume mit einer Infrastruktur, die das Durchführen von Experimenten und handlungsorientiertem Unterricht erlaubt, d.h. Experimentierräume, Labore mit Wasseranschluss, in denen mit verschiedenen Materialien gearbeitet werden kann. Finanzielle Mittel für Materialien und eine Grundausstattung an Instrumenten (Stoppuhren, Thermometer, etc.) für naturwissenschaftliche Experimente sollte vorhanden sein. Dies gilt insbesondere für die Basisund Primarstufe, z.T. auch für die Sekundarstufe I. Es sei allerdings ausdrücklich darauf verwiesen, dass das Bereitstellen der Infrastruktur zwar eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Voraussetzung für eine Weiterentwicklung des naturwissenschaftlichtechnischen Unterrichts bildet. Eine weitere, mindestens gleichwertige notwendige Bedingung stellt die Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen dar (siehe Kap. 6). Die Organisation von Exkursionen, schulischen Anlässen, fächerübergreifender Zusammenarbeit und alters- und stufendurchmischtem Lernen erfordert Absprachen im Team, eine grosse Flexibilität der Lehrpersonen innerhalb eines Schulhauses sowie passende Stundenplanstrukturen. Die Fachlehrkräfte einer Schule sollen ihre Erfahrungen austauschen. Insbesondere mit Blick auf die heterogenen Lernvoraussetzungen finden Team-Teaching-Anlässe statt. In der Jahresplanung einzelner Fächer müssen von den Fachlehrpersonen Teamabsprachen zur fächerübergreifenden Vernetzung getroffen werden. Lehrpersonen sollen durch ein fachliches und didaktisches Kompetenzzentrum unterstützt werden (Bezug von Materialien, Beratung etc.). Ebenfalls sind vermehrte Weiterbildungsangebote im Bereich „Natur und Technik“ durchzuführen.

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5.3. Ausserschulische Rahmenbedingungen Wünschenswert wäre es, Projekte zu ermöglichen, welche die Vernetzung von ausserschulischen Institutionen (Hochschulen, ausseruniversitären Forschungseinrichtungen, Gewerbe, KMU's) und Schulen fördert. Ein Beispiel hierfür ist das Programm NaT-Working der Robert Bosch Stiftung in Deutschland.34 Mit dem Programm werden auch Projekte gefördert, die jungen Menschen und Lehrpersonen einen direkten Zugang zum aktuellen Geschehen in Naturwissenschaften und Technik und zu den Prinzipien der Wissenschaft verschaffen. Beispiele hierfür sind Praktika in den Labors der Forschenden, Projekttage, Sommerschulen, Schüler/-innenkongresse und auch Theaterprojekte mit wissenschaftlichem Hintergrund. Wünschenswert zusätzlich zu einem schulischen Kompetenzzentrum wäre auch eine Stelle, die ausserschulische Kontakte vermitteln und ermöglichen würde. Ein solches ausserschulisches Kompetenzzentrum zur Koordination und Qualitätsentwicklung von ausserschulischen Bildungsangeboten aus dem Bereich „Natur und Technik“ würde unter anderem folgende Ziele verfolgen (vgl. Engeln, 2004): - Erstellung einer Internet-Plattform, die die Initiativen in einer angemessenen Form präsentiert, den Dialog zwischen den einzelnen Initiativen fördert und weitergehende Informationen zur Verfügung stellt. - Koordination eines Wettbewerbs, in dem befristete Förderungsmöglichkeiten als Anreiz für die Initiativen, sich an einer Vernetzung und an einer kooperativen Qualitätsentwicklung zu beteiligen, ausgeschrieben werden. - Entwicklung einer Konzeption zur Beratung und zur Koordination der Initiativen sowie zur formativen und summativen Evaluation. - Entwicklung und Erprobung von Modellen zur Einbindung von Lehrkräften und zur Verknüpfung mit verschiedenen Phasen in der Lehrer/-innenbildung und weiterbildung. - Organisation jährlicher Treffen zum Erfahrungsaustausch und zur Verstärkung der Vernetzung der Initiativen. - Durchführung einer umfassenden Wirkungsstudie. - Dokumentation von Beispielen exzellenter Praxis. In Deutschland gibt es unter dem Namen "Lernort Labor" ein entsprechendes Kompetenzzentrum35. Zu seinen Aufgaben notiert die Institution, die dem IPN in Kiel nahesteht: "Lernort Labor (LeLa) versteht sich als Zentrum für Beratung und Qualitätsentwicklung und damit als Dachorganisation dieser Schülerlabore, betreibt selber aber keinen Lernort. Die Aufgabe unserer engagierten Mitarbeiter/-innen liegt vor allem in der Unterstützung der ausserschulischen Lernorte des mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Bereichs. LeLa berät, informiert, evaluiert und vernetzt die ausserschulischen Initiativen mit dem Ziel, ihr Wirkungspotential zu verstärken, ihren Fortbestand zu sichern und die langfristige Etablierung im Bildungssystem zu ermöglichen." Das Zentrum Naturwissenschafts- und Technikdidaktik (ZNTD) der PH FHNW plant unter dem Titel SWISE (Swiss Science Education) einen grossen Schulmodellversuch. Es wäre abzuklären, ob das ZNTD im Rahmen des Modellversuches auch ein Modul "Ausserschuli-

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www.bosch-stiftung.de/natworking/fr_010000.html (Stand, 17. Mai 2008)

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http://www.lernort-labor.de (Stand, 17. Mai 2008)

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sche Lernorte" führen und damit die oben aufgeführten ganz oder zumindest teilweise übernehmen könnte.

6. Welche Voraussetzungen benötigen die Lehrpersonen? Die Voraussetzungen, die Lehrpersonen für einen guten Natur und Technik Unterricht brauchen, lassen sich unter folgenden Punkten zusammenfassen: •

Die Grundausbildung angehender Lehrerinnen und Lehrer im naturwissenschaftlich-technischen Bereich ist weiterzuentwickeln. (6.1)



Dringend notwendig ist es ein gezieltes Weiterbildungsprogramm für Lehrpersonen anzubieten sowie die Ausbildung einer Fachlehrperson pro Schulhaus/Schulkreis, welche Ansprechperson für Beratung und schulinterne Weiterbildung ist. (6.2)



Lehrpersonen brauchen Unterstützungsmassnahmen in Form von zeitlichen bzw. finanziellen Ressourcen und Unterrichtsmaterialien sowie geeigneten Lehrmitteln. (6.3)

6.1. Grundausbildung Die befragten Expertinnen und Experten bemängeln die oftmals ungenügende Fachkompetenz der Lehrpersonen (vor allem der Primarstufe, aber auch auf der Sekundarstufe I) im Bereich „Natur und Technik“. Die Grundausbildung sollte fundiertes fachdidaktisches sowie auch inhaltliches Wissen vermitteln, so genanntes pedagogical content knowldedge. Um diesen hohen Ansprüchen zu genügen, empfiehlt es sich, in der pädagogischen Grundausbildung Lehrpersonen nicht mehr als Allrounder für zehn Fächer auszubilden, sondern sie auf weniger Fächer oder eine Fächergruppe zu spezialisieren. Auch Prenzel (2000, 49ff.) weist unter anderem darauf hin, dass es in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung wesentlich sei, die Fächerwahl auf nahe liegende Kombinationen mit deutlichen Überschneidungen (Kombinationen innerhalb der Naturwissenschaften) einzuschränken, einen eigenen Studiengang für Naturwissenschaften zu bilden, die Beteiligung der Studierenden an Forschungsprojekten zu fördern, problembezogene und wissenschaftlich fundierte Naturwissenschaftsdidaktik zu lehren und angeleitetes Lehren von Naturwissenschaften zu ermöglichen. Studierende sollen in eine Kooperation Universität – Schule einbezogen werden und lebenslanges Lernen (unter Beteiligung der Universität) soll gefördert werden. Coradi et al. (2003) fordern, die Auseinandersetzung der angehenden Lehrpersonen mit (weitgehend unbewussten) Geschlechtsstereotypen z. B. hinsichtlich Mathematik und Physik als vorwiegend „männliche“ Domänen. „In der Aus- und Weiterbildung sollten sie ihre eigenen Erfahrungen in Schule und Studium und ihre eigenen Erlebnisse als Frau oder Mann aufarbeiten können. Sie sollen sich ihr eigenes Geschlechterrollenverständnis bewusst machen, um unbewusste Übertragungen auf die Schülerinnen und Schüler zu vermeiden und sich immer wieder die Frage stellen zu können, ob sie gleiche Erwartungen an Mädchen und Knaben richten“ (Labudde, 1999a, S. 10 zitiert nach Coradi). Hierzu empfehlen Coradi et al. (2003) eine Publikation der mit dem Titel „Girls into Mathematics“ zur forschenden Haltung und Reflexion der Lehrpersonen gegenüber ihrer Unterrichtspraxis (Centre for Mathematics Education, 1986).

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6.2. Weiterbildung Was für die Grundausbildung gilt, soll auch in gezielten Weiterbildungsveranstaltungen berücksichtigt werden. Mit spezifischen Weiterbildungangeboten soll fundiertes fachdidaktisches sowie auch inhaltliches Wissen, pedagogical content knowldedge vermittelt werden. Erstrebenswert wäre es, in jedem Schulhaus bzw. Schulzentrum eine Lehrperson zum Fachexperten/zur Fachexpertin im Bereich „Natur und Technik“ auszubilden, welche die Funktion der Ansprechperson für Beratung und schulinterne Weiterbildung übernehmen könnte. In kleineren Schulzentren könnten mehrere Schulen in grösseren Kreisen zusammengeschlossen werden und für sich einen Fachexperten oder eine Fachexpertin ausbilden. In verschiedenen Ländern, u.a. in Deutschland und Österreich, wurden in den letzten zehn Jahren mit grossem Erfolg so genannte Modellversuche durchgeführt. Bei diesen Modellversuchen handelt es sich um Unterrichtsentwicklung, die von Lehrpersonen und Fachdidaktikerinnen und Fachdidaktikern gemeinsam geplant, durchgeführt und evaluiert wird. In Deutschland sind aus dem mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Bereich u.a. die Modellversuche "SINUS", "SINUS-Transfer Grundschule", "Physik im Kontext", "Chemie im Kontext" sowie "Biologie im Kontext" zu nennen, in Österreich findet seit dem Jahr 2000 der Modellversuch "Innovations in Mathematics, Science and Technology Teaching" statt. Für die Modellversuche in Deutschland zeichnet das IPN in Kiel36, für IMST die Universität Klagenfurt37 verantwortlich. Allen Modellversuchen gemeinsam ist, dass die beteiligten Lehrpersonen und Schulen aus einem breiten Angebot von Modulen je eines auswählen können, z.B. zum naturwissenschaftlichen Experimentieren, zur Genderthematik oder zur Aufgabenkultur. An allen Modellversuchen nehmen je mehrere Hundert bis weit über Tausend Lehrpersonen teil, es handelt sich also wirklich um Grossprojekte, deren Budget jeweils bei mehreren hunderttausend bzw. ein bis vier Millionen Euro liegt. Die Evaluationen der Modellversuche zeigen sehr positive Resultate, weshalb die verantwortlichen Bildungsbehörden sowie die Sponsoren sie weiter ausbauen und langfristig fördern. In der Schweiz gibt es weder auf (sprach)regionaler, geschweige denn auf nationaler Ebene etwas Vergleichbares. Denn im Gegensatz zu Deutschland und Österreich haben die Resultate von TIMSS und PISA keinen Schock und damit auch keine Modellversuche zur Weiterentwicklung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts ausgelöst. Nach den sehr positiven Erfahrungen in den Nachbarländern sollte auch in der Schweiz ein derartiger Modellversuch lanciert werden. Das Zentrum Naturwissenschafts- und Technikdidaktik der PH FHNW sucht derzeit nach Partnerinstitutionen (Bildungsdirektionen, Verbände) und nach Sponsoren (Industrie, Kommission Technologie und Innovation) für einen Modellversuch mit dem Titel SWISE (Swiss Science Education). Für die Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen engagiert sich auch der Verein IngCH38. Er hat sich das Ziel gesetzt, die Öffentlichkeit für die zentrale Bedeutung der Technik in Wirtschaft, Kultur und Politik zu sensibilisieren und das Technikverständnis der Gesellschaft, insbesondere der Jugend zu fördern. Unter anderem organisiert der Verein Projektwochen für angehende Lehrpersonen an Pädagogischen Hochschulen. Die Projektwochen geben

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www.ipn.uni-kiel.de/projekte/projekte.html (Stand, 17. Mai 2008) http://imst.uni-klu.ac.at (Stand, 17. Mai 2008) 38 http://www.ingch.ch (Stand, 17. Mai 2008) 37

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einen Einblick in die Welt der Technik. Die Studierenden werden motiviert, sich für technische Fragen zu interessieren und technische Inhalte fächerübergreifend in ihren Unterricht zu integrieren. Zudem setzen sie sich mit ethischen Fragen des technischen Fortschritts auseinander. Während der Woche stehen didaktische und praktische Hilfsmittel zur Verfügung. Die angehenden Lehrpersonen bekommen Impulse, wie sie technische Inhalte fächerübergreifend in den Unterricht integrieren können.39 6.3. Unterstützungsmassnahmen Um den Bereich „Natur und Technik“ vermehrt zu fördern, werden je nach Voraussetzungen der einzelnen Schulen mehr oder weniger weitreichende Veränderungen und Unterstützungsmassnahmen notwendig. Um einen nachhaltigen, gendergerechten und den aktuellen fachdidaktischen Forschungsstand entsprechenden Unterricht zu gewährleisten, müssen Lehrpersonen teilweise neue Themen fokussieren und dabei mehr Zeit für die Erarbeitung und Vorbereitung einberechnen. Um Experimente vorzubereiten, Exkursionen und Veranstaltungen zu organisieren, müssen auch zeitliche und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen. Des Weiteren müssen klare, auf den Basisstandards aufbauende Curricula erstellt und regelmässig revidiert sowie auf die Einzelschule angepasst werden. Zentren für Fachdidaktik, für Lehr-Lern-Forschung und Lehrerbildung sollten dazu angehalten werden, wissenschaftliche Grundlagen zu sichern und als laufend modernisierte Unterrichtsmaterialen aufbereiten. Beispiel aus der Praxis:: Das Laboratoire de Didactique et Epistémologie des Sciences (LDES) der Universität Genf entwickelt zusammen mit Studierenden des Lehramts didaktisches Material für den Unterricht in Naturwissenschaften, welches die Erkenntnisse aus der fachdidaktischen Forschung mit einbezieht. Anstrengungen in diese Richtung liegen – wie oben erwähnt – bereits von verschiedenen Hochschulen, insbesondere wie oben bereits erwähnt auch von der PH FHNW vor. Der hohe Anspruch der Qualifizierung im Umgang mit Heterogenität - aber auch im Umgang mit anderen Problemen im naturwissenschaftlich-technischen Unterricht, z.B. der Genderthematik - betrifft jede Lehrperson. Lehrpersonen müssen über ein breites Verständnis ihrer Rolle und des Lernens verfügen (Lernumgebung und -prozessführung). Sie müssen sich bewusst sein, dass dieses Konzept vermehrt Teamarbeit und kollegiale Absprachen notwendig macht und sie sollen dazu auch innerlich bereit sein. Gefordert sind daher eine umfangreiche Weiterbildung der Lehrpersonen im diagnostischen und didaktischen Bereich sowie eine gezielte Teamentwicklung. Falls sich herausstellt, dass aus Sicht der Lehrpersonen zur Erfüllung eines guten, binnendifferenzierenden Regelunterrichts der Arbeitsaufwand nicht leistbar ist, sollen der Berufsauftrag und das Arbeitspensum der Lehrpersonen überprüft werden. Je nach Ergebnis müssen Anforderungen und Arbeitspensen neu aufeinander

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http://www.ingch.ch/deutsch/vp_ntwph.htm (Stand, 17. Mai 2008)

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abgestimmt werden.40 Und eine gezielte Unterstützung in der Frage, wie die Arbeitszeit einer Lehrperson am besten organisiert werden kann, drängt sich ebenfalls auf. 41

7. Welche Massnahmen und Umsetzungsschritte sind zu empfehlen? Der Bereich Natur und Technik ist insbesondere deshalb ein Schwerpunkt der Schulen im Bildungsraum NW, weil -

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naturwissenschaftlich-technische Kenntnisse eine wichtige Grundlage für eine auf Mensch, Natur, Technik und Umwelt bezogene Entscheidungsfähigkeit in einer zunehmend globalisierten und modernisierten Gesellschaft bilden; der naturwissenschaftlich-technische Unterricht die Beziehung zur Natur, d.h. das Wahrnehmen, Erleben, Verstehen von Phänomenen der Lebenswelt fördert; die Förderung der Kompetenzen und des Interesses insbesondere von Mädchen an naturwissenschaftlich-technischen Themen in Bezug auf die Gender- und Gleichstellungsfrage von grosser Bedeutung ist; unsere Gesellschaft auf naturwissenschaftlich-technische Entwicklungen angewiesen ist und der Nachwuchs in diesem Bereich gebraucht wird: die Weiterentwicklung des naturwissenschaftlich-technischen Unterrichts hinsichtlich des Alltagsbezugs, der Handlungsorientierung und der Individualisierung dringend notwendig ist; die intensive, partizipative Beschäftigung mit angewandten Fragestellungen aus der technischen und natürlichen Umwelt Schülerinnen und Schülern hilft ihre Rolle in der Gesellschaft zu klären. Sie erfahren und erkennen dadurch eigene und gesellschaftliche Handlungsspielräume.

Im Folgenden werden entsprechende Massnahmen und Umsetzungsschritte für die schulische Profilierung im Bereich „Natur und Technik“ in einer Abfolge von drei Stufen beschrieben. Der Dreischritt bildet sowohl eine inhaltliche als auch eine zeitliche Dimension der Profilierungsschritte ab: Während „Grundlegende Massnahmen“ diejenigen Schritte beinhalten, die von allen Schulen ergriffen werden können und sollen, beinhalten die Umsetzungsmassnahmen I und II vertiefter angelegte Konzepte, welche die Schule fachlich fundiert und lebendig ausgestaltet profilieren. Didaktische Profilierung in der Förderung von Natur und Technik ist ein Schulentwicklungsprojekt. Elemente des Entwicklungsprozesses werden nachfolgend den drei Stufen entlang aufgeführt (7.1 – 7.3); sie betreffen die Zielsetzungen (a) die Ausstattung (b), die zeitliche Gewichtung von Fördergefässen (c), die Qualität der Förderung im Unterricht (d) und nicht zuletzt die Kooperation und die laufende Weiterbildung im Team der für eine Klasse zuständigen Lehrpersonen des Schulteams (e) insgesamt. Die Profilierung baut sich auf, indem 40

In anderen Ländern, z.B. in Österreich, wird das Pflichtpensum für Lehrpersonen je nach Fach unterschiedlich festgelegt, man rechnet dort bei den Anstellungen der Lehrpersonen nicht mit Lektionen, sondern mit so genannten "Einheiten". So liegt die "Einheit", die für eine naturwissenschaftliche Unterrichtsstunde verrechnet wird, höher als die "Einheit" für eine Mathematikstunde. 41 Dieser Abschnitt stammt aus: „Strategische Überlegungen zur Einführung von Kompetenzmodellen und Bildungsstandards auf allen Schulstufen“ von Regina Kuratle und Sarah Tresch. Diese Anmerkung wäre prinzipiell für alle Fächer/Bereiche von Bedeutung. Zitat?

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Massnahmen auf allen fünf Ebenen realisiert werden. Die Nachhaltigkeit ist zu sichern, indem die Förderung des Bereichs „Natur und Technik“ als Projekt langfristig in der Schule implementiert und ausgebaut wird. Wegleitend sind diese Grundsätze: Die Schule (a) definiert Wirkungsziele, angepasst an den Lehrplan sowie an die besonderen Voraussetzung der Schülerinnen und Schüler, und sie überprüft das Erreichen der Ziele (b) gestaltet Lernumgebungen im Schulhaus geeignet aus (c) passt ihre Zeitplanung insgesamt sowie die zeitliche Planung innerhalb der Fächer den Zielen der Förderung des Bereichs „Natur und Technik“ an (d) entwickelt die Qualität des Unterrichts im Bereich „Natur und Technik“ laufend (e) plant die Förderung des Bereichs „Natur und Technik“ im Team. Für alle Schulen, also auch für diejenigen, die im Bereich „Natur und Technik“ lediglich die grundlegenden Massnahmen umsetzen wollen, sind die unter 7.1. genannten Grundsätze und Inhalte wichtig. Schulen, welche den Bereich „Natur und Technik“ zunehmend profilieren wollen, werden die in 7.2 und 7.3 unterteilten aufbauenden Massnahmen empfohlen. 7.1. Grundlegende Massnahmen Die folgende Auflistung versteht sich als Zusammenstellung von grundlegenden Massnahmen, die für eine Förderung des Bereichs „Natur und Technik“ an allen Schulen entsprechend diesen Grundsätzen unabdingbar sind. Ihre Realisation ist deshalb – unabhängig von einer evtl. anders gelagerten fachlichen Profilierung einer Schule – zwingend; sie betrifft (a) die Definition grundlegender Ziele und Massnahmen zu ihrer Überprüfung (b) die Ausstattung in einem Mindestmass, (c) die zeitliche Planung im Rahmen des regulären Unterrichts, (d) die Unterrichtsentwicklung und schliesslich (e) erste Schritte zu einer längerfristigen Zusammenarbeit der unterrichtenden Lehrpersonen.

Die Schule (a) definiert Wirkungsziele, angepasst an Lehrplan und an besondere Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler; sie überprüft das Erreichen der Ziele.

(b) gestaltet Lernumgebungen im Schulhaus geeignet aus. Das Schullabor  Die Schule bietet einen Rahmen, der den handlungsorientierten Unterricht, das heisst, das Forschen, Experimentieren, Entdecken und Erarbeiten von naturwissenschaftlichen und technischen Inhalten fördert und unterstützt. Dazu stellt die Schule ihre gegenwärtige Ausstattung und nötigen Entwicklungsarbeiten in diesem Bereich fest.

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 In einem Labor (pro Schulhaus/Schulkreis) stehen Materialien bereit, die individuell begabte Kinder ansprechen und zum Handeln motivieren können. Die Angebote und Materialien sprechen gleichermassen Mädchen und Jungen an, sie ermöglichen auch naturwissenschaftlich-technisch schwachen Schülerinnen und Schülern Erfolgserlebnisse.  Eine erheblicher Teil der Unterrichtslektionen findet vorwiegend im Schülerlabor statt. Die Ausstattung  Der Raum für das Schullabor ist so gestaltet, dass eine Schulklasse gemeinsam darin arbeiten kann. Das Schullabor kann so im Klassenverband zum Lernen, Experimentieren, Forschen, Beobachten u.a. genutzt werden.  Der Raum verfügt über 10 Werktische.  Grundsätzliche Materialien, Stoffe, Werkzeuge, Utensilien für das Durchführen von einfachen Experimenten sind vorhanden.  Der Raum verfügt über einen Wasseranschluss, PC und Internet??.  Zur Weiterentwicklung nimmt die Schule auch Beratung von ausserhalb und zusätzliche Materialboxen (wie z.B. Robolab, Explore-it oder Unterrichtsmaterialien des Naturama Aarau etc.) in Anspruch. (c) passt ihre Zeitplanung insgesamt sowie die zeitliche Planung innerhalb der Fächer den Zielen des Bereichs Natur und Technik an.  Die Lektionen im naturwissenschaftlich-technischen Bereich werden vermehrt bzw. ausschliesslich in Doppellektionen oder in noch grösseren Blöcken gehalten.  Mehrfach pro Schuljahr findet eine Exkursion oder ein Projekt im Bereich Natur und Technik statt: Dies kann ein Schnuppertag in einem Schülerlabor, ein Besuch im Technorama oder Naturama, ein Beobachtungsausflug in die Natur, das Teilnehmen an einem Wettbewerb o.a. sein.  Die Kinder werden angehalten Beobachtungen in ihrer Umgebung zu machen. Sie bringen regelmässig Themen, Materialien oder Erfahrungen aus ihrer Lebenswelt in den Unterricht ein. Dies kann das Sammeln von Steinen oder Pflanzen, das Zeichnen von biologischen Phänomenen, Fotografieren oder Beobachten von technischen und naturwissenschaftlichen Phänomenen sein.  Für das Beobachten/Erarbeiten bestimmter Phänomene wird der Stundenplan flexibel gehandhabt. (Beispielsweise könnte der Unterricht einmal nachts stattfinden, um Sterne zu beobachten oder es wird ein zweitägiger Ausflug geplant, um ein bestimmtes Phänomen in den Alpen zu beobachten, etc.). (d) entwickelt die Qualität des Unterrichts im Bereich „Natur und Technik“ laufend  Ein Lehrerteam bereitet entsprechend der Ergebnisse der gemeinsamen Planung einen Weiterbildungstag pro Schuljahr an der Schule vor, zu welchem externe Experten eingeladen werden.  Im Rahmen des Schulentwicklungsprozesses (siehe 7.1 e) findet Unterrichtsentwicklung in Bezug auf die stetig bessere Berücksichtigung der folgenden Punkte (Labudde, 2006; detaillierte Ausführungen siehe Kapitel 2.2) im Unterricht statt:

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das Vorverständnis der Lernenden einbeziehen Naturwissenschaften in einen lebensweltlichen Kontext einbetten fächerübergreifend vernetzen naturwissenschaftlich experimentieren qualitativ und quantitativ argumentieren mädchengerecht unterrichten Kooperation und Koordination fördern Beurteilen und Bewerten erneuern über die Naturwissenschaften und sich lernen.

 Selbstkonzeptüberzeugungen der Lernenden, insbesondere der Mädchen und jungen Frauen, im Bereich „Naturwissenschaft und Technik“ werden gezielt thematisiert und gestärkt. (e) plant die Förderung des Bereichs „Natur und Technik“ im Team Informationsaustausch zwischen Lehrkräften einer Klasse  Die Fachlehrkräfte einer Schule tauschen ihre Erfahrungen aus. Insbesondere mit Blick auf die heterogenen Lernvoraussetzungen finden Team-Teaching-Anlässe statt. Absprachen innerhalb einzelner Fächer  In der Jahresplanung einzelner Fächer werden von den Fachlehrpersonen Teamabsprachen zur fächerübergreifenden Vernetzung getroffen. Informationsaustausch auf Schulebene  Es findet eine planmässige Zusammenarbeit aller Lehrpersonen einer Schule im Bereich „Natur und Technik“ statt. In der Schule gibt es dazu koordinierende Sitzungen aller Lehrpersonen, in welchen diese die Aktivitäten im Bereich „Natur und Technik“ diskutieren/planen können.  Die Lehrpersonen planen gemeinsam, was für die Förderung des Bereichs „Natur und Technik“ an ihrer Schule konkret benötigt wird, d.h.  Ist-Zustand prüfen: Was gibt es an der Schule, welche Inhalte / Strukturen?  Defizite und Entwicklungspotential ermitteln  Festlegung derjenigen Massnahmen, welche die Lehrpersonen realisieren wollen  Fortbildungsbedarf evaluieren: Festlegung derjenigen Bereiche, in denen die Lehrpersonen Fortbildung benötigen/wünschen. 7.2. Aufbauende Massnahmen I Für die Umsetzung der im Folgenden dargestellten Massnahmen muss im Lehrerkollegium der Wille und die Bereitschaft bestehen, sich weiterzuentwickeln, Strukturen zu verändern und /oder auszubauen, Perspektiven zu verändern. Mit Hilfe der folgenden Massnahmen kann sich eine Schulhauskultur entwickeln, in welcher die Förderung der Kompetenzen im Bereich „Natur und Technik“ selbstverständlicher Bestandteil ist. .

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Die Schule (a) definiert Wirkungsziele, angepasst an den Lehrplan sowie an die besonderen Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler; sie überprüft das Erreichen der Ziele. Differenzierte Förderung  Es findet eine verstärkte differenzierte Förderung durch Stützkurse (zur Erreichung der Basisstandards; systematische Förderung für Schwache) statt.  Die spezifischen Interessen von Jungen und Mädchen werden gezielt berücksichtigt. Phasenweise werden Mädchen und Jungen in monogeschlechtlichen Gruppen unterrichtet.  Die Jugendlichen werden in ihrer Berufs- und Studienwahl beraten und begleitet. Das Ziel ist eine klare Erhöhung der Zahl der Jugendlichen, die sich für naturwissenschaftlich-technische Ausbildungen entscheiden. Förderung und Diagnose von Kompetenzen im naturwissenschaftlich-technischen Unterricht  Einschätzung und Beobachtung findet v.a. an Stufenübergängen der Schülerinnen und Schüler statt. Besonders hier muss Klarheit über die Kompetenzen bestehen, sodass in der Folgestufe möglichst ohne Bruch an vorhandene Fähigkeiten und Fertigkeiten angeknüpft werden kann. Raster zur Beobachtung und Beurteilung sind in Erarbeitung.  Der Lernzuwachs der Kinder und Jugendlichen im Unterricht wird mit Hilfe von Kompetenzrastern und Aufgaben beobachtet, begleitet und gefördert.  Der Unterricht wird auf dieser Basis lernzielorientiert geplant und durchgeführt.  Anhand exemplarischer Aufgaben wird vor allem Strategiewissen erarbeitet, so dass die Schülerinnen und Schüler befähigt werden, dieses Strategiewissen auf weitere Aufgabenbereiche zu übertragen. Das Strategiewissen bezieht sich auf die folgenden Handlungsaspekte in Bezug auf naturwisswenschaftlich-technische Inhalte: Interesse entwickeln, fragen & untersuchen, Informationen erschliessen, ordnen & strukturieren, einschätzen & beurteilen, entwickeln & umsetzen, mitteilen & austauschen, eigenständig bearbeiten (HarmoS Naturwissenschaften)??. (b) gestaltet Lernumgebungen im Schulhaus geeignet aus. Das Schülerlabor  Die Ausstattung und Nutzung des Schülerlabors werden ausgebaut.  Weitere Unterrichtsräume werden je nach Möglichkeiten der Schule/des Schulkreises erschlossen. (z.B. ein Schulbiotop, ein Schulgarten, eine Sternwarte…) Die Bereicherungsangebote im Rahmen der Tagesschule werden ausgebaut  Im Rahmen von Tagesschulen baut die Schule das Angebot an Schnupperangeboten wie etwa Besuche in technischen Betrieben und Fach-/Hochschulen, Museen und Schülerlabors oder Exkursionen in die unmittelbare Umgebung weiter aus.  Das Angebot an Wahl- und Vertiefungsfächern wird erweitert. Das Angebot geht im Besonderen auch auf die spezifischen Interessen von Mädchen ein.

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 Besonders begabte Schülerinnen und Schüler werden mittels Binnendifferenzierung im Unterricht gefördert. Zusätzlich werden für sie Möglichkeiten geschaffen, sich vertieft naturwissenschaftlichen und technischen Themen zu widmen. (Beispielsweise kann einer kleinen Gruppe von besonderes interessierten und begabten Schülerinnen und Schülern, das Schullabor für das eigenständige Erarbeiten eines Projekts an bestimmten Stunden zur Verfügung gestellt werden. Die Lehrpersonen betreuen und fördern die Gruppe(n) in ihrem Forschen und Lernen je nach Bedarf.) (c) passt ihre Zeitplanung insgesamt sowie die zeitliche Planung innerhalb der Fächer den Zielen der Förderung des Bereichs „Natur und Technik“ an.  Die Stundendotation wird an der oberen Grenze der Empfehlungen des Deutschschweizer Lehrplans 2012 angesetzt oder überschreitet diese sogar leicht??.  Die Kooperation mit ausserschulischen Angeboten wird intensiviert: Schülerlabors, Exkursionen, Besuche in Museen, Firmen, Instituten, Hochschulen, Workshops, etc.  Mindestens ein Mal pro Schuljahr und Klasse werden externe Fachleute eingeladen, um Einblicke in berufliche Tätigkeitsfelder im Bereich „Natur und Technik“ zu geben. (d) entwickelt Qualität des Unterrichts laufend weiter. Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer  Die Weiterbildung der Lehrpersonen findet mit dem Fokus „Natur und Technik“ statt. Inhalte können zum Beispiel sein: Handlungsorientierter Unterricht (Unterrichtsettings zum eigenständigen Experimentieren, Forschen), Umgang mit heterogenem Vorwissen, Berücksichtigung von Genderaspekten (persönliche Einstellungen überdenken, gendergerechte Unterrichtsettings, individuelle Fördermöglichkeiten für Mädchen und Jungen)  Die Lehrpersonen der Sekundarstufe I besuchen in Bezug auf die Berufswahl bzw. die Berufsbildung in naturwissenschaftlichen und technischen Bereichen gezielte Weiterbildungen. (Gemäss der Angebote der PH FHNW: Siehe Konzeptskizze „Weiterbildung zur Schulentwicklung im Bildungsraum Nordwestschweiz, Unterrichts-, System- und Personalentwicklung“ vom 10. Mai 2008.)  Ein Fachbetreuer/eine Fachbetreuerin organisiert als Schaltstelle den Bereich „Natur und Technik“ an der Schule bzw. in einem bestimmten Schulkreis. Er/Sie leitet das Lehrerteam einer Schule (ggf. mit Expertenberatung von aussen) an, zunächst einzelne Schritte (z.B. verstärkte Handlungsorientierung, Experimentieren) im Unterricht durchzuführen. Er/Sie organisiert und initiiert Weiterbildungen, Projekte und den Einbezug ausserschulischer Institutionen einer Schule/eines Schulkreises. (e) plant die Förderung des Bereichs „Natur und Technik“ im Team, im Rahmen eines fächerübergreifenden Konzepts. Teamorganisation und Absprachen  Austausch zwischen Fächern und Klassen/Stufen-Lehrpersonen organisieren: Die involvierten Lehrpersonen treffen sich einmal pro Halbjahr zum Thema „Natur und Technik“ und bilden ein Reflexionsteam.

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 Das Reflexionsteam plant konkrete Förderziele. Dazu werden auch (exemplarische) Dokumente von Schülerinnen und Schülern ausgewählt und besprochen (Basis für weitere Fördermassnahmen).  Das Reflexionsteam plant eine vermehrte Elterninformation über die Genderthematik, Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, den Zusammenhang von Selbstbewusstsein und Leistungsfähigkeit. Lehrpersonen informieren über Projektschwerpunkte an der Schule im Bereich „Natur und Technik“. 7.3. Aufbauende Massnahmen II Bei einer durchgehenden Profilierung im Bereich „Natur und Technik“ findet diese in fächerund stufenübergreifenden Aktivitäten statt. Innerhalb dieses Schulentwicklungsprojekts werden entsprechend in bestimmten Zeitgefässen (die grösser oder kleiner ausfallen können) die starren Klassenstrukturen aufgelöst, es finden stattdessen klassen- und stufenübergreifende Förderaktivitäten – teilweise in geschlechtshomogenen Gruppen – statt. Mit dem Alter der Schüler/-innen können diese überfachlichen/stufen- und klassenübergreifenden Aktivitäten deutlich ausgebaut werden.

Die Schule (a) definiert Wirkungsziele, angepasst an Lehrplan und an besonderer Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler; sie überprüft das Erreichen der Ziele. Kompetenzorientierung  Alle Lehrpersonen beobachten, begleiten und fördern den Lernzuwachs der Kinder und Jugendlichen.  Dazu eignen sie sich in Aus- und Weiterbildung Wissen zu verschiedenen didaktischen Vermittlungsformen an.  Die Lehrpersonen überprüfen die Wirksamkeit ihrer Massnahmen in regelmässigen Abständen, mindestens einmal pro Jahr. (b) gestaltet Lernumgebungen im Schulhaus geeignet aus und öffnet sich nach aussen. Die Schule öffnet ihren Horizont nach aussen  Die Schule öffnet ihren Horizont nach aussen, indem ausscherschulische Angebote genutzt werden, um das Unterrichtsangebot zu ergänzen und zu erweitern sowie die Förderung besonders begabter Kinder und Jugendlichen zu forcieren.  Die Zusammenarbeit mit ausserschulischen Institutionen wird organisiert und fest geregelt.  Für ältere Schülerinnen und Schüler kann dies z.B. eine Zusammenarbeit mit der Berufsberatung sein, die bei Bewerbungsverfahren unterstützt; weitere Institutionen können beispielsweise die Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften (STAW), die Stiftung „Schweizer Jugend forscht“, dem Naturama in Aarau sein. Durchführung öffentlichkeitswirksamer Projekte

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 Blockwochen werden systematisch eingeführt, z.B. drei Blockwochen pro Schuljahr, von welchen klar eine dem Schwerpunkt „Natur und Technik“ zugeordnet ist (Beispiel für das 9. Schuljahr: 1. Woche „Klassenwoche“, 2. Woche „une semaine dans la Suisse Romande“, 3. Woche „Technik im Alltag“).  Singuläre Ereignisse werden systematisch in den Jahresplan der Stufen eingeplant z.B. Zusammenarbeit mit Technorama, Naturama, Schülerlabor des Paul-ScherrerInstituts; Projektwoche Natur und Technik, Präsentationen verschiedener Art (Ausstellungen im Schulhaus u.a.), öffentlichkeitswirksame Darstellung.  Die Schule nimmt an einem grossangelegten Modellversuch mit zahlreichen Modulen zur Weiterentwicklung des naturwissenschaftlich-technischen Unterrichts auf allen Schulstufen teil, welcher in Zusammenarbeit mit der Erziehungsdirektion?? und der Pädagogischen Hochschule durchgeführt und evaluiert wird. Teilnahme an Wettbewerben; Unterstützung leistungsstarker Schülerinnen und Schüler bei der Wettbewerbsteilnahme  Besonders begabte Jugendliche im naturwissenschaftlich-technischen Bereich werden gefördert und motiviert, an internationalen Wettbewerben wie etwa der Internationalen Chemieolympiade Icho oder der europäischen Science Olympiade EUSO teilzunehmen. Elternweiterbildung  Die Kompetenzen im Bereich „Natur und Technik“ der einzelnen Schülerinnen und Schülern werden in regelmässigen Elterngesprächen erörtert (Kompetenzstand und nächste Entwicklungsmöglichkeiten, Beratung für die Förderung zuhause, Empfehlungen für ausserschulische Förderung bei besonders begabten Schülerinnen und Schülern).  Einmal jährlich findet ein Elternabend statt, an welchem auf Themen wie Genderthematik, Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, Zusammenhänge von Selbstbewusstsein und Leistungsfähigkeit, Beeinflussung durch Rollenklischees oder positive und negative Attributionsmuster hingewiesen wird.  In persönlichen Gesprächen mit den Eltern werden eigene Schulerfahrungen im naturwissenschaftlich-technischen Unterricht sowie teilweise negative geschlechtsspezifische Einstellungen und Haltungen gegenüber naturwissenschaftlichen und technischen Inhalten thematisiert.  In Gesprächen im Zusammenhang mit der Berufswahl werden vermehrt auch die Möglichkeiten technischer Berufe miteinbezogen. (c) passt ihre Zeitplanung insgesamt sowie die zeitliche Planung innerhalb der Fächer den Zielen der Förderung des Bereichs „Natur und Technik“ an.  Das im Deutschschweizer Lehrplan vorgegebene Integrationsfach „Naturwissenschaften“ wird so umgesetzt, dass wichtige Basiskonzepte der Physik, Chemie und Biologie in der Primar- und Sekundarstufe I erarbeitet und mit Anwendungen verknüpft werden, damit die Anschlussfähigkeit an die Sekundarstufe II gewährleistet ist.  In der Schule wird ein Tutorensystem eingerichtet: Ältere Schülerinnen und Schüler werden zu Tutoren für Jüngere ausgebildet, z.B. als Helfer bei naturwissenschaftlichen Projekten, bei Exkursionen oder der Arbeit im Schülerlabor,.

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 Exkursionen, Besuche in Museen und andere Veranstaltungen . werden teilweise klassen- und stufenübergreifend geplant. (d) entwickelt die Qualität des Unterrichts im Bereich „Natur und Technik“ laufend. Intensive Unterrichtsentwicklung  Es findet eine intensive Form der Unterrichtsentwicklung statt, sodass stufenübergreifende Projekte möglich werden. Themen werden dabei z.B. in Arbeitsgruppen von Lehrkräften erarbeitet (Ist-Zustand, Förderbedarf bei Schülerinnen und Schülern, Weiterbildungsbedarf der Lehrkräfte u.a.), die einen bestimmten Fokus setzen: Experimentieren, Konstruieren, Präsentieren, usw. (e) plant im Team, im Rahmen eines fächerübergreifenden Konzepts. 7.4. Was kann die PH FHNW zur Schulentwicklung beitragen? Nachdem in 7.1 bis 7.3 Massnahmen für die Entwicklung in den Schulen bzw. in den Fachgruppen der Schulen beschrieben worden sind, wird im Folgenden aufgeführt, mit welchen Massnahmen die PH FHNW die Lehrpersonen bzw. die Fachgruppen von aussen unterstützen und begleiten kann: Das Zentrum für Naturwissenschafts- und Technikdidaktik (ZNTD) der PH FHNW plant unter dem Titel SWISE (Swiss Science Education) einen grossen Schulmodellversuch. In diesem stehen einerseits fachdidaktisch fundierte und begleitete Unterrichtsentwicklung, andererseits fachdidaktische Forschung im Zentrum. Mit dem Modellversuch werden folgende Hauptziele verfolgt: Es geht um das Unterstützen und Begleiten von Naturwissenschaftslehrerinnen und -lehrern aller Schulstufen (Basisstufe bis Ende Sekundarstufe II) bei der Weiterentwicklung ihres Unterrichts. Dabei gilt es, Beispiele gelingenden Lernens und Lehrens in den Naturwissenschaften zu entwickeln, umzusetzen, zu evaluieren und allen interessierten Personen zugänglich zu machen. Naturwissenschaftsdidaktische Forschungsfragen, z.B. zur Entwicklung naturwissenschaftlicher Kompetenzen - in engem Praxisbezug - sind zu bearbeiten und sowohl für die Schulpraxis, wie auch für die Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen als gesichertes empirisches fachdidaktisches Wissen zur Verfügung stellen. Im Rahmen des Modellversuches SWISE sollen den Lehrpersonen bzw. Fachgruppen verschiedene Weiterbildungsmodule angeboten werden, aus welchen sie ihren Bedürfnissen und Präferenzen entsprechend auswählen können, zum Beispiel: -

Naturwissenschaftlich-technisches Forschen in der Basisstufe (4- bis 8-Jährige) fördern; bei der Berufs- und Studienwahl Wege in die Naturwissenschaften und Technik öffnen; Technik des Alltags entdecken und verstehen; das Experimentieren bei den Lernenden fördern, fordern und bewerten ausserschulische Lernorte nutzen

Das Beispiel "Ausserschulische Lernorte nutzen" sei etwas ausführlicher skizziert. Hier liesse sich an die Erfahrungen des „Lernort Labor“ (LeLa) in Deutschland anknüpfen. Das deutsche Kompetenzzentrum "Lernort Labor“ (LeLa) versteht sich als Zentrum für Beratung und Qualitätsentwicklung und damit als Dachorganisation der Schülerlabore, betreibt selber aber keinen Lernort. Die Aufgabe der Mitarbeitenden liegt vor allem in der Unterstützung der ausser-

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schulischen Lernorte des mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Bereichs. LeLa berät, informiert, evaluiert und vernetzt die ausserschulischen Initiativen mit dem Ziel, ihr Wirkungspotential zu verstärken, ihren Fortbestand zu sichern und die langfristige Etablierung im Bildungssystem zu ermöglichen. Zu den Aufgaben, die ein entsprechendes Kompetenzzentrum im Bildungsraum Nordwestschweiz übernehmen sollte, zählen die folgenden: - die fachliche und didaktische Beratung der Lehrpersonen - die Koordination schulischer Angebote - die Bereitstellung von Best-Practice-Beispielen - die Erstellung, Erprobung und wissenschaftliche Evaluation von Unterrichtsmaterialien - das Ausschreiben von Wettbewerben - der Ausbau, die Vernetzung und Bekanntmachung des Angebots an vor- und ausserschulischen Bildungsangeboten im Bildungsraum Nordwestschweiz. Die PH FHNW baut ihr Weiterbildungsprogramm aus, welches für die Professionalisierung der Lehrpersonen und die Schulentwicklung von grosser Bedeutung sein wird. Die Konzeptskizze „Weiterbildung zur Schulentwicklung im Bildungsraum Nordwestschweiz, Unterrichts-, System- und Personalentwicklung“ vom 10. Mai 2008 beschreibt das zukünftige Angebot der PH FHNW.

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