Statement des Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Professor Dr. Ernst-Ludwig Winnacker

anlässlich der Jahrespressekonferenz der DFG am 8. Juli 2004 in Berlin

Es gilt das gesprochene Wort ! Sperrfrist: 8. Juli 2004, 11.00 Uhr

Sehr geehrte Damen und Herren, ich begrüße Sie herzlich zu unserer diesjährigen Jahrespressekonferenz in Berlin und berichte Ihnen gerne über die gestern Abend in Bonn zu Ende gegangene Jahresversammlung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Wir veröffentlichen heute unseren Jahresbericht 2003, der Ihnen detailliert Auskunft über die vielfältigen Förderaktivitäten der DFG gibt und Rechenschaft darüber ablegt, was wir mit immerhin rund 1,3 Milliarden Euro Fördergeldern im vergangenen Jahr für die Forschung erreichen konnten. Außerdem finden Sie in Ihren Unterlagen die handliche Publikation „DFG in Kürze 2003“, die in Deutsch und Englisch die wichtigsten Informationen bündelt. Erfreuliches vorweg: Bund und Länder haben sich darauf geeinigt, den Haushalt der DFG 2005 um 3 Prozent zu steigern. Wir sind Bund und Ländern dankbar für die stetige Unterstützung. Wir unterstützen nachdrücklich Regierung und Wirtschaft auf ihrem Weg zu einer Erhöhung des Mitteleinsatzes für Forschung und Entwicklung bis 2010 auf 3 Prozent BIP und halten fest, dass die Anstrengungen sowohl der öffentlichen Hand als auch der Wirtschaft nicht nachlassen dürfen.

Ich möchte einige Themen genauer ansprechen und stehe Ihnen anschließend für Fragen gerne zur Verfügung.

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Spitzenuniversitäten und Eliteförderung Auf der Tagesordnung der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung in Bonn am Montag dieser Woche stand ein Vertragstext, der ein Programm zur Förderung von Spitzenuniversitäten, Exzellenz-Clustern und Graduiertenschulen vorsieht. Bund und Länder haben nach dem Veto der Ministerpräsidenten der Länder kein konkretes Ergebnis verabschiedet, sondern die Entscheidung über Förderung von Spitzenuniversitäten vertagt.

Ich bedaure das sehr, hat sich die DFG doch von Anfang an für dieses Programm eingesetzt. Für die Universitäten muss dringend etwas getan werden – sie sind die Sorgenkinder dieses Landes. Nehmen Sie als Beispiel nur die Situation der Berliner Universitäten. Sie haben in einem Kraftakt sondergleichen am 30. Juni Strukturpläne vorgelegt, die den Verlust von insgesamt 228 Professuren, ca. 1000 Arbeitsplätzen und knapp 130 Millionen Euro vorsehen.

Die Mitgliederversammlung der DFG hat gestern öffentlich ihre Besorgnis über die Vertagung geäußert – ein bislang einmaliger Vorgang. Die entsprechende Pressemitteilung finden Sie in den Unterlagen.

Bei dem Vertragstext, der am Montag verhandelt wurde, handelt es sich um eine Vereinbarung nach Art. 91b GG, das heißt, dass Bund und Länder zusammenwirken und gemeinsam die Finanzierung des neuen Förderprogramms

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übernehmen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat zusammen mit den in der Allianz zusammengeschlossenen Wissenschaftsorganisationen von Anfang an darauf gedrängt, den Wettbewerb und die Förderung als Spitzenuniversität um Instrumente wie Graduiertenschulen oder Forschungszentren zu erweitern. Dabei sollten Spitzenuniversitäten nur dann als solche gefördert werden, wenn sie in einem einheitlichen Förderverfahren zugleich Cluster- und Graduiertenschulen eingeworben haben.

Es hat in den vergangenen Wochen intensive Verhandlungen und Beratungen gegeben. Wir haben uns in den Gesprächen mit Vertretern von Bund und Ländern bereit erklärt, unseren Gremien die Durchführung des gesamten Förderprogramms durch die DFG zu empfehlen. Wenn Bund und Länder sich auf eine gemeinsame Linie verständigen, sieht die Vereinbarung nach Artikel 91 b GG ein einheitliches Programm mit drei Förderlinien vor – den Graduiertenschulen, den Exzellenz-Clustern und den Spitzenuniversitäten. Die Anträge sollten bei der DFG eingehen, begutachtet, im Rahmen einer Bewertung entscheidungsreif gemacht und ggf. auch entschieden werden.

Über die Gründe, das Verfahren einstweilen „auf Eis zu legen“, mag man spekulieren. Ob es wirklich die Verfahrens- und Finanzierungsfragen sind oder stärker der Vorstoß einzelner Abgeordneter in der Berliner FöderalismusKommission, die Bundeskompetenzen im Bildungsbereich auszuweiten, ist offen. In jedem Fall ist meiner Meinung nach das Thema „Innovation“ viel zu 4

wichtig, als dass es in Diskussionen zur Geisel genommen werden dürfte. Wir hoffen daher, dass sich alle Beteiligten am Ende einem Verfahren, das unserem Forschungssystem eine echte Profilierung ermöglicht, nicht verschließen werden. Und wir hoffen sehr, dass der jetzt ins Auge gefasste Termin des 15. November auch wirklich die Entscheidung bringt. Die DFG wird alles daransetzen, der Innovationsoffensive und dem damit verbundenen Wettbewerb doch noch zum Erfolg zu verhelfen. Auch unsere Wirtschaft ist dringend auf Innovationen angewiesen – ein solches Programm wäre ein wichtiges Signal auch in diese Richtung.

European Research Council Über Europa berichte ich Ihnen in einer doppelten Eigenschaft als Präsident der DFG und für die Jahre 2003 und 2004 als Präsident der EUROHORCs, der European Heads of Research Councils, also der Präsidenten der nationalen Forschungsförderorganisationen. In den letzten Jahren hat sich eine lebhafte Debatte um die Einrichtung eines European Research Council, einer Förderorganisation auf europäischer Ebene, entwickelt. Dabei geht es nicht um wissenschaftliche Beratung, auch nicht um die Koordination nationaler Aktivitäten nach Art der ESF in Straßburg, sondern um die Finanzierung von Forschungsvorhaben.

Die Aussichten auf eine Förderung der Grundlagenforschung durch eine außerhalb der EU-Kommission angesiedelte Organisation als Teil des 7. Rahmen5

programms von 2006 bis 2010 sind inzwischen sehr konkret. Ein wichtiger Schritt auf Seiten der EU-Kommission war Mitte Juni die Mitteilung zu den Prioritäten des 7. Rahmenprogramms, in dem die Förderung der Grundlagenforschung durch Exzellenz-Wettbewerb im Rahmen einer im Detail noch festzulegenden Agentur als eines der sechs großen Ziele genannt wird. Damit würde ein solches European Research Council in seiner Arbeitsweise im Wesentlichen den Wünschen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Europa entsprechen. Seine Entscheidungen sollen allein auf wissenschaftlicher Qualität beruhen und nicht mehr auf den vielen anderen Kriterien, auf denen derzeit die EU-Förderung angelegt ist, also auf Vernetzung, die Unterstützung strukturell benachteiligter Regionen und ähnliches. Die Vorsitzenden der nationalen europäischen Wissenschaftsorganisationen, denen ich derzeit vorstehe und mit denen die Kommission aufs Engste zusammenarbeitet, legen Wert darauf, dass die neue Institution so autonom wie möglich angelegt ist, dass sie die Begutachtung der Anträge selbst nach bestem internationalem Standard durchführt und dass ihre Gremien durch international anerkannte Wissenschaftler besetzt sind, die nur sich selbst repräsentieren. Die wichtige und schwierige Frage, die sich mit der Gründung dieses neuen Instruments stellen wird, ist die seines Verhältnisses zu den nationalen Förderorganisationen. Dabei wird die Definition dessen eine Rolle spielen, was man als europäischen Mehrwert bezeichnen könnte. Wenn es gelingt, die besten Forscherinnen und Forscher in Europa auf ihren jeweiligen Gebieten miteinander in Wettbewerb treten zu lassen, was heute nicht der Fall ist, dann wäre dies sicherlich ein Beitrag zur Stärkung des euro6

päischen Forschungsraums. Um eine Kollision mit nationaler Förderung zu verhindern, sollte der ERC zunächst mit einem Instrument, das über die nationalen Instrumente hinausgeht, antreten. Damit soll einerseits der europäische Mehrwert deutlich werden, andererseits so wichtige Mechanismen wie eine europäische

Begutachtung

auf

breiter

Front

entwickelt

werden.

Die

EUROHORC’s haben in dieser Woche Leitlinien zur Gründung eines European Research Council vorgelegt, die sie in Ihren Unterlagen finden.

Föderalismusdebatte Nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Diskussion um die Schaffung um Eliteuniversitäten ist die Föderalismusdebatte neu entbrannt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat sich immer wieder dafür ausgesprochen, die Förderung der Forschung als gesamtstaatliche Aufgabe und damit als gemeinsame Angelegenheit von Bund und Ländern zu erhalten. Nach Auffassung der DFG tragen Bund und Länder gemeinsam die Verantwortung für die Wahrung der im Grundgesetz verbürgten Freiheit der Forschung, die auch in der Autonomie der wissenschaftlichen Einrichtungen und Wissenschaftsorganisationen ihren Ausdruck findet. Eine Länderbeteiligung an der Förderung der Wissenschaftsorganisationen ist unerlässlich. Die Universitäten sind das Rückgrat der deutschen Forschung. Sie wirken im zunehmenden Maße struktur- und profilbildend im Sinne der Förderung von Exzellenz. Deshalb erscheint es sinnvoll, ihre Förderung durch die DFG unter verantwortlicher, nicht zuletzt finanzieller Einbeziehung der Länder zu regeln. 7

Grüne Gentechnik Der Deutsche Bundestag hat am 17. Juni 2004 ein Gentechnikgesetz verabschiedet, das die Interessen der Forschung völlig ignoriert. Wegen der Einführung einer Gefährdungs-, also einer verschuldensunabhängigen Haftung, die ein vermeintlicher Verbraucherschutz angeblich erzwingt, werden Freilandversuche, die auf die Unterstützung der Landwirtschaft angewiesen sind, in unserem Land nicht mehr durchgeführt werden können. Da die Biotechnologie als Forschungsbereich letztlich nicht teilbar ist, wird dies gravierende Rückwirkungen auf die Biotechnologie in unserem Land insgesamt haben. Ich habe für dieses Gesetz kein Verständnis; rational ist es nicht zu begründen, die grüne Gentechnik de facto zu verhindern.

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