Prof. Dr. Ulrike Liebert Jean Monnet Chair of European Politics, University of Bremen, Germany

Prof. Dr. Ulrike Liebert Jean Monnet Chair of European Politics, University of Bremen, Germany RENEWING THE TRANSATLANTIC AGENDA: PREDICAMENTS AND PR...
Author: Heike Kalb
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Prof. Dr. Ulrike Liebert Jean Monnet Chair of European Politics, University of Bremen, Germany

RENEWING THE TRANSATLANTIC AGENDA: PREDICAMENTS AND PRECONDITIONS

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Renewing the Transatlantic Agenda: Predicaments and Preconditions

Jean Monnet Conference “Europe’s Challenges in a Globalized World” Brussels Nov 23-4, 06 Prof. Dr. Ulrike Liebert ([email protected]) Jean Monnet Chair of European Politics University of Bremen, Germany

ABSTRACT: The analysis of transatlantic EU – US relations constitutes a new field at the intersection of international relations and European integration studies. This essay discusses recent contributions to this debate emphasizing “soft” cultural and institutional factors rather than “hard” military and economic power. It argues that over the past years, the “American model” has been considerably compromised by the U.S. “culture wars” and that this has inhibited the “New Transatlantic Agenda” from developing a higher political profile. The Constitution for Europe is a prerequisite for overcoming these predicaments by strengthening European foreign policy, legislative powers and civil society participation. ***** Im letzten Jahrzehnt setzte sich in den Sozialwissenschaften die Erkenntnis durch, dass die Neuverteilung der Macht im internationalen System nicht allein eine Sache militärischer, ökonomischer und rechtlicher „harter“ Ressourcen sei. Vielmehr ist sie auch eine Funktion „weicher“ Faktoren – insbesondere des Streits um Werte und Worte, Bilder und Bedeutungen. Diese Einsicht verhalf der Politikwissenschaft dazu, ihren Horizont um die Macht und Dynamik öffentlicher Diskurse zu erweitern. An vorderster Front nutzt dies die Forschung zur Europäischen Integration, um die Konstruktion der Europäischen Union als einem neuartigen Staatenverbund unter den Anforderungen der globalisierten Welt zu erklären. Die Analyse der Transatlantischen Beziehungen zwischen EU und USA nimmt dabei einen zentralen Stellenwert ein: Welche Folgen hat es für die EU, dass ausgerechnet nach dem Ende des Ost-WestKonflikts die Popularität der USA empfindliche Einbußen erleidet? Was bedeutet dies für die

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transatlantischen Beziehungen? Wie kann sich die EU als normative Macht, Partner und Gegengewicht zur militärisch-ökonomischen Supermacht behaupten? Wenn wir einigen Theoretikern der internationalen Beziehungen folgen, sind die USA die letzte verbliebene Supermacht, deren pure Existenz unvermeidlich weltweiten Anti-Amerikanismus hervorruft. Gegenüber solch einem ökonomisch-militärisch verengten Tunnelblick führen andere die von der Supermacht repräsentierten Normen und Werte als die ihr Image prägenden Faktoren an. So zeichnet Peter Katzenstein ein Bild der USA, deren Vormachtstellung nicht etwa allein auf harten Machtressourcen beruht. Das „amerikanische System“ gründet sich vielmehr auf die ökonomische und kulturelle Amerikanisierung der Welt – repräsentiert durch pluralistische, multikulturelle und liberaldemokratische Werte und verknüpft mit einer kommerzialisierten Massenkultur. Diese sei in Europa und Asien vergleichsweise am besten gelungen, hätten doch die beiden „demokratisch umerzogenen“ Achsenmächte Deutschland und Japan in ihren Regionen erfolgreich als „Ankerstaaten“ der USA fungiert. Nach dem Ende des Kalten Krieges fiel den USA dagegen auch noch die Verantwortung für die internationale Sicherheit zu, weil die UN unfähig dazu waren. Mit der „New Transatlantic Agenda“ (NTA) verfolgen USA und EU gemeinsam das Ziel, Frieden und Stabilität, Demokratie und Entwicklung in der Welt zu befördern, globale Herausforderungen wie Internationale Kriminalität, Drogenhandel, Terrorismus, Immigration und Umweltbedrohungen zu bewältigen, zum Welthandel und engeren Wirtschaftsbeziehungen beizutragen.

Amerikas moralische Wende Die Kluft zwischen den 1995 mit der NTA gesetzten Zielen sowie dem militärisch-ökonomischen Potential der USA einerseits, und den tatsächlich erreichten Fortschritten andererseits lässt sich nicht erklären, solange die „Culture Wars“ ausgeblendet bleiben. Angesichts der kulturellen Revolution der sechziger Jahre kündigte William Bennett, "Secretary of Education" der Reagan-Regierung, 1986 eine Verteidigung der "gemeinsamen Kultur" in der jüdisch-christlichen Tradition an. Seither streiten „political correctness“ und „religious correctness“ miteinander um die Hegemonie in der amerikanischen Gesellschaft. Doch während es ersterer um Pluralismus und den Schutz von Privatrechten ging, politisiert die „Christliche Rechte“ die Privatsphäre als Instrument politischer Machtkämpfe. Sie bringt religiöse Themen in die Politik der Regierung und eliminiert die von der amerikanischen Verfassung gezogenen Grenzen zwischen Kirche und Staat. 3

Der aus den Südstaaten stammende Politikwissenschaftler Theodor Lowi diagnostizierte in seinem Werk "The End of Republicanism" (1995) die sich entwickelnde "Tragödie des Konservatismus" schon frühzeitig: Danach gefährden die ideologischen Machtkämpfe des Konservatismus aufgrund ihrer "Theorien und Politiken der Negation" die repräsentative Regierung, den demokratischen Pluralismus, und letztlich die U.S.-Republik. Ähnlich warnte der amerikanische Historiker Fritz Stern, es gebe keine Garantie, dass die USA nicht eines Tages autoritär würden: Die deutsche Geschichte lehre, wie eine Demokratie mit teilweise demokratischen Mitteln untergraben werden könne. Amerikanische Sozialwissenschaftler diskutieren anhand der „US-Notstandsgesetze“, wieweit der „Amerikanische Sicherheitsstaat“ (Iris Marion Young) auf der autoritären Bahn bereits abgerutscht sei. Andere zeigen, dass sich das Land einer „christlich-fundamentalistisch verbrämten Plutokratie“ nähere, die von uninformierten Wählern autorisiert werde (Samuel Popkin). In seinem 2005 veröffentlichten Buch “The American Theocracy” legt Kevin Phillips die Wurzeln dieses Paradigmenwechsels im amerikanischen System frei: Neben dem christlichen Fundamentalismus sind dies die Ölinteressen und das Haushaltsdefizit der Bush-Regierung. Dennoch sucht ein vielstimmiger Chor liberal-demokratischer Kritiker die Unterwanderung der Verfassung und einen rechtsradikalen Rutsch aufzuhalten. Zu tief ist in der Bevölkerung noch das liberale Fundament Amerikas verwurzelt – Toleranz und Offenheit, Vitalität und Pragmatismus, seit Jahrhunderte erprobte demokratische Verfassungs- und rechtsstaatliche Institutionen und Bürgerrechte.

Ernüchterung in Europa In Europa waren die Weltmachtrolle, der Missionsgedanke und das amerikanische Demokratiemodell bereits seit dem Vietnamkrieg durch die Kritik am amerikanischen Imperialismus überschattet. Erfolgreicher jedoch als jeder anti-amerikanische, anti-imperialistische oder anti-kapitalistische Diskurs vermochten illiberale Kräfte der religiös-konservativen Revolution den Einfluss der amerikanischen Demokratie in der Welt zu unterminieren. Mit der Inszenierung der Clinton-LewinskiAffäre machten sie die Sexualmoral zum Instrument des Kampfes um die oberste Macht im Staat: Obwohl gescheitert, wirkte das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Clinton im Jahre 1998 weit über die Grenzen der USA hinaus als Katalysator, das "Modell Amerika" und dessen Führungsrolle in der Welt infrage zu stellen.

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Die Regierung Bush tat das ihrige, mit einer auf die Kategorie des Bösen verpflichteten Regierungspolitik das Vorbild Amerika zu erschüttern. Nach dem 11. September 2001 titelte Le Monde: „Wir sind alle Amerikaner“. Nach der Intervention im Irak im März 2003 zeichneten die europäischen Medien ein anderes Amerika: radikaler, patriotischer, religiöser, konservativer, individualistischer und militärischer Vorherrschaft mehr verpflichtet als Europa. Das neue Amerika unterminierte seine “soft power”, universal projizierbare, liberal-republikanische Werte, und damit das kulturelle Kapital, auf welchem die Amerikanisierung der Welt beruhte. Nicht die politisch-ökonomische Supermacht der USA schafft sich ihre Feinde, sondern die Verbindung von „Culture Wars“, Ölinteressen und Geldpolitik. Differenzierter als europäische Amerikakritiker zeigen amerikanische Historiker, Philosophen, Politikwissenschaftler, ehemalige Präsidentschaftsberater und Journalisten auf, wie nicht der Antiamerikanismus sondern die nach dem Ende des Ost-West-Konflikts einzig verbleibende Supermacht sich ihrer „sanften Macht“ – ihrer weltweiten Vorbildfunktion – selbst entledigt. In Europa wird gegen das Menetekel eines Verfalls der liberalen Demokratie zwar das Bollwerk europäischer "Aufgeklärtheit" angeführt. Allerdings gibt es in Europa kein demokratisches System, in welchem gewählte Politiker gegen ultra-konservative Schwarmgeister, bigotte Moralisten oder vor Scheingefechten um Prinzipien ”politischer Korrektheit” gefeit wären. So sind die USA weniger ein Sonderfall als Ausdruck eines neuen, allgemeinen Dilemmas liberaler Demokratien, für das keine einfachen Lösungen verfügbar sind. In diesem Sinne lässt sich die Verfassungsentwicklung in Europa nach 2001 als gegenläufiges Experiment begreifen. Partizipatorisches und transparentes Regieren sowie die Ideen einer europäischen Zivilgesellschaft setzen auf Prinzipien postnationaler Demokratisierung in Europa.

EU-Verfassung eröffnet neue Basis für Dialog Die europäische USA-Kritik ebenso wie das „Europe bashing“ in den US-Medien machen die Rede von der „westlichen Wertegemeinschaft“ scheinbar obsolet. Für die Beziehungen der EU zu den USA ist diese wenig tragfähig, solange es an einem angemessenen institutionellen Rahmen fehlt. Bislang lässt sich mit keiner Umfrage in den USA nachweisen, dass eine Mehrheit der Amerikaner jemals von der Europäischen Union gehört hätte. Die Bedeutung Europas für Amerika geht wegen der wachsenden Rolle Asiens stetig zurück. Die Frage, ob Europa eine Supermacht wie die US werden 5

solle, verneinen 52% der Republikaner, aber nur 38% der Demokraten (Transatlantic Trends 2004: 24-5). Die NATO galt manchem Vertreter der US-Regierung aber auch der EU-Mitgliedsstaaten als die nach wie vor wichtigste Transatlantische Brücke. Solange es zur NATO und den USA als Weltordnungsmacht keine Alternative gibt, erscheint die Profilierung der Europäischen Union als Gegenbild und Gegenmacht zu den USA fehlgeleitet. Öffentliche Medien-Kampagnen in den USA über die EU – zu Friedensmissionen, Umweltschutz und Demokratieförderung – mögen notwendig sein. Sie erzeugen aber nicht den notwendigen Druck der Wählerbasis auf den US-Congress, damit dieser ein stärkeres Interesse an Kooperationen mit dem Europäischen Parlament entwickelt. Eine bessere gegenseitige Information beider Gesetzgeber wäre aber erforderlich, um bereits im Vorfeld transatlantischen Konflikten entgegenwirken und Kooperationen anbahnen zu können. Effektiver und legitimer als die in der letzten Dekade der „New Transatlantic Agenda“ dominierenden, teils informellen und intransparenten Netzwerke auf administrativer Ebene wäre die Erneuerung eines „Transatlantischen

Dialogs“,

welcher

demokratisch

gewählte

Gesetzgeber

ebenso

wie

zivilgesellschaftliche Gruppen einbezieht. Denn die häufigen transatlantischen Konflikte werden bestimmt durch Repräsentanten im Kongress, die ihrerseits dem ideologischen Einfluss der amerikanischen Öffentlichkeit ausgesetzt sind. Notwendige Ansätze auf beiden Seiten, transatlantische Konflikte differenziert, kritisch und demokratisch zu lösen, sind rar. Der Verfassungsvertrag der EU bietet neue Chancen, die transatlantische Zusammenarbeit auf ein solideres institutionelles Fundament zu stellen. Er ist eine Voraussetzung, die EU zu einem effektiveren Partner der USA zu machen, denn der neu zu schaffende Posten des EU-Außenministers verbessert die Fähigkeiten der EU zu strategischem Denken und zur Identifikation langfristiger Ziele. Die künftige Zusammenlegung der Innen- und Justizpolitik ist notwendige Grundlage für einen USEU-Dialog für Sicherheitsfragen. Dieser Dialog sollte Fragen moderner Friedenssicherung und des Krisenmanagements einbeziehen und parlamentarisch kontrollierbar sein. Um transatlantische Systemkonflikte künftig zu mindern, muss die EU aber nicht nur zu einem effektiveren Partner der US werden sondern auch die demokratischen Grundlagen der transatlantischen Partnerschaft stärken. Der Titel „Das demokratische Leben der Union“ und die aktive Unionsbürgerschaft mit den Prinzipien der Partizipation und Repräsentation sind Grundlagen für die Stärkung des Europäischen Parlamentes und den Ausbau des transatlantischen Dialogs der europäischen und amerikanischen Zivilgesellschaften. Damit kann das politische Profil der amerikanisch-europäischen Beziehungen entwickelt und 6

öffentlich auf beiden Seiten des Atlantiks besser sichtbar gemacht werden. Damit würden sich Interessens- und Wertebedingte Differenzen zwischen dem US-amerikanischen System und der EU wohl nicht eliminieren aber Konflikte künftig besser regeln lassen. Die Frage nach der Zukunft der transatlantischen Agenda ist daher in Abhängigkeit von der Ratifikation des Verfassungsvertrages zu beantworten: Solange der Verfassungsvertrag nicht in Kraft tritt, wird der bisherige Status Quo der NTA – mehr Konflikte als Kooperation und Koordination fortdauern. Nur auf der Grundlange des Verfassungsvertrages wird die EU die Effektivität und Legitimität ihrer Institutionen so stärken können, dass sich der Transatlantische Dialog mit neuem Leben füllen lässt - und ein Transatlantischer Vertrag unter Einbeziehung des Europäischen Parlaments und des U.S. Congress mittelfristig in den Rahmen des Möglichen rückt.

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